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Der Kosovokrieg 1999

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Reclam Verlagerschienen am24.05.20192. Auflage
1999 entschied die NATO, in die Auseinandersetzungen zwischen der paramilitärischen UÇK, die für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfte, und der serbisch-jugoslawischen Armee einzugreifen. Damit wollte sie die Regierung Slobodan Milo?evi?s zum Rückzug der Armee aus dem Kosovo zwingen. An den Luftschlägen der NATO gegen Serbien beteiligte sich auch Deutschland, dessen rot-grüne Regierung sich zu dieser militärischen Maßnahme mit dem Verweis auf serbische Menschenrechtsverletzungen durchrang. Eine schwierige Entscheidung - schließlich stand nicht nur die Zukunft der krisengeschüttelten Balkanregion, sondern auch das Selbstverständnis der Bundeswehr und damit der Bundesrepublik auf dem Spiel. Hans-Peter Kriemann blickt auf die Ereignisse des Jahres 1999 zurück und erläutert darüber hinaus die politischen wie diplomatischen Hintergründe des Kampfeinsatzes. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Hans-Peter Kriemann, M.?A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektbereich Einsatzgeschichte des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

Klappentext1999 entschied die NATO, in die Auseinandersetzungen zwischen der paramilitärischen UÇK, die für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpfte, und der serbisch-jugoslawischen Armee einzugreifen. Damit wollte sie die Regierung Slobodan Milo?evi?s zum Rückzug der Armee aus dem Kosovo zwingen. An den Luftschlägen der NATO gegen Serbien beteiligte sich auch Deutschland, dessen rot-grüne Regierung sich zu dieser militärischen Maßnahme mit dem Verweis auf serbische Menschenrechtsverletzungen durchrang. Eine schwierige Entscheidung - schließlich stand nicht nur die Zukunft der krisengeschüttelten Balkanregion, sondern auch das Selbstverständnis der Bundeswehr und damit der Bundesrepublik auf dem Spiel. Hans-Peter Kriemann blickt auf die Ereignisse des Jahres 1999 zurück und erläutert darüber hinaus die politischen wie diplomatischen Hintergründe des Kampfeinsatzes. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Hans-Peter Kriemann, M.?A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektbereich Einsatzgeschichte des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783159614694
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum24.05.2019
Auflage2. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse13476 Kbytes
Artikel-Nr.4529887
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1 Jetzt ist Krieg

2 Jugoslawien als Bewährungsprobe für internationalen Frieden und Sicherheit
Der Zerfall Jugoslawiens
Politische Lösungsversuche

3 Militärische Planungen und Kriegsbild
Die operativen Planungen der NATO
Der Konflikt spitzt sich zu

4 Hineingerutscht? - Der Krieg beginnt
Ein kurzer Krieg
Der Krieg weitet sich aus

5 Der Weg aus dem Krieg
Die Wiederbelebung der Politik
MiloSevic lenkt ein

6 Die Logik moderner Kriege - An der Schwelle zum Bodenkrieg

7 Einsatzerfahrungen: Entscheidend ist das Gefühl, das Richtige zu tun

8 Fazit: Der Kosovokrieg - Wegmarke humanitärer Interventionen?

Anhang
Zeittafel
Literaturhinweise
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
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Leseprobe
[7]1 Jetzt ist Krieg



Turbulente Szene auf der Bundesversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen am 13. Mai 1999: Außenminister Joschka Fischer wird von einem Farbbeutel am Ohr getroffen.



Am 13. Mai 1999 braute sich in der Bielefelder Seidensticker Halle ein innerparteiliches Gewitter zusammen, wie es die maßgeblich aus der Friedensbewegung hervorgegangene Partei Bündnis 90 / Die Grünen noch nicht erlebt hatte. Die Stimmung war aufgeladen. Im Eingangsbereich der Halle spielten sich turbulente Szenen ab. Polizisten mussten den Weg zum Tagungsort freiräumen, den Demonstranten blockiert hatten. Außenminister Joschka Fischer betrat die Halle durch einen Hintereingang. Er wurde von Sprechchören und Trillerpfeifen empfangen; Transparente hingen von den Geländern der Tribüne herab.

Gegen 10 Uhr begann mit einstündiger Verspätung die Bundesdelegiertenkonferenz, bei der es um die Beteiligung deutscher Truppen am NATO-Einsatz im Kosovokrieg ging. Während sich Fischer auf dem Podium sitzend auf seine Rede vorbereitete, traf ihn um 10.40 Uhr ein mit roter Farbe gefüllter Beutel am rechten Ohr. Sein Ohr war danach fast taub, doch er blieb auf der Bühne und trat um 12.05 Uhr entschlossen [8]ans Rednerpult. Sprechchöre beschimpften ihn als »Mörder, Kriegshetzer, Verbrecher«. »Bodenkrieg in Bielefeld« titelte die taz hinterher. Fischer hielt die wohl wichtigste Rede seines Lebens:


Jetzt ist Krieg, ja. Und ich hätte mir nie träumen lassen, dass Rot-Grün mit im Krieg ist. Aber dieser Krieg geht nicht erst seit 51 Tagen, sondern seit 1992 [â¦]. Er hat mittlerweile Hunderttausenden das Leben gekostet, und das ist der Punkt, wo Bündnis 90 / Die Grünen nicht mehr Protestpartei sind. [â¦] ich stehe auf zwei Grundsätzen: Nie wieder Krieg! Nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus! Beides gehört für mich zusammen. [â¦] Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt eine einseitige Einstellung, eine unbefristete Einstellung der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal. Milosevic würde dann nur gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt - damit das klar ist.


Mit diesen Worten beschwor Fischer die Delegierten, ihm Rückhalt für eine rot-grüne Außenpolitik zu geben, welche die seit dem 24. März 1999 andauernden Luftschläge der NATO zur Beendigung des Kosovokonflikts auch durch die Entsendung deutscher Kampfflugzeuge mittrug. Damit verantwortete der erste grüne Außenminister eine Politik, die er selbst nur sechs Jahre zuvor als Machtpolitik und Zeichen neuerlicher Militarisierung verurteilt hatte. Sowohl 1993 als auch 1999 hatte Fischer mit dem Verweis auf Auschwitz Lehren aus der deutschen Geschichte für die Gegenwart abgeleitet und damit seine Haltung begründet.

Wie die anschließende Abstimmung auf dem Parteitag zeigte, gelang es ihm mit seinem leidenschaftlichen Auftritt, die Mehrheit der Delegierten für den Antrag des Bundesvorstandes zu gewinnen. Dieser plädierte für einen befristeten Bombardierungsstopp, um Zeit für die politische Konfliktlösung zu gewinnen. Im Gegensatz dazu hatte die Parteilinke eine unbefristete, sofortige Einstellung der NATO-Luftschläge gefordert. Die Debatte war deshalb so heikel, weil es in ihr um nichts Geringeres als den Fortbestand der rot-grünen Regierungskoalition ging, denn für die SPD-geführte Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer war die [9]deutsche Unterstützung des Luftkriegs unstrittig. Ein Abstimmungserfolg der Parteilinken hätte daher nach kaum sieben Monaten zum Ende der Koalition geführt.

Sowohl die Ereignisse des Parteitags als auch Fischers Überzeugung, dass die Beendigung einer humanitären Katastrophe und der Schutz der Menschenrechte den Einsatz militärischer Gewalt selbst ohne UN-Mandat notwendig machen können, sind symptomatisch für die innenpolitische Debatte über die zukünftige Rolle der Bundeswehr in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Der Kosovokonflikt ist ein Beispiel dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft häufig gezwungen ist, auf massenhafte Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen eines souveränen Staates an seiner eigenen Bevölkerung zu reagieren.



Ununterbrochen strömten im Frühjahr 1999 Flüchtlinge aus dem Kosovo über die Grenzen nach Albanien und Mazedonien. Der Kosovokonflikt führte zu massenhaften Vertreibungen ethnischer Albaner.



[10]Mit der Epochenwende der Jahre 1989 bis 1991 hatte sich zwar die liberale Weltordnung nicht durchgesetzt - entgegen der These des amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama (Das Ende der Geschichte) -, doch hofften viele Zeitgenossen auf »ein neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit«. So zumindest hieß es in der »Charta von Paris für ein neues Europa« vom 21. November 1990, der Erklärung des KSZE-Treffens der Staats- und Regierungschefs, die das Ende des Kalten Krieges und der Teilung Europas dokumentiert. Dies galt insbesondere für die Deutschen, deren geteiltes Land sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs genau an der Grenze zwischen den widerstreitenden Systemen befunden hatte. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die Abgrenzung vom NS-Regime und seinen Verbrechen war dabei identitätsstiftend für die bundesdeutsche Gesellschaft. Von deutschem Boden sollte kein Krieg mehr ausgehen, lautete das Paradigma. Beflügelt durch die deutsche Wiedervereinigung erhoffte man sich eine sogenannte Friedensdividende. Demnach sollte der Staatshaushalt durch geringere Ausgaben für die Verteidigung entlastet werden. So mancher fragte sich, wozu es eigentlich noch Streitkräfte brauche, wenn Deutschland nur noch »von Freunden umzingelt ist« (Volker Rühe). Doch kaum waren acht Jahre vergangen, beteiligte sich die Bundesrepublik Deutschland mit Kampfflugzeugen an der NATO-Operation Allied Force, einem Luftkrieg des Bündnisses gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Dabei handelte es sich um den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und er fand statt, ohne dass ein UN-Mandat vorgelegen hätte.

Der Weg in diesen ersten Kampfeinsatz war verschlungen und äußerst umstritten. Er begann bei den massiven Veränderungen des internationalen Mächtesystems seit dem Ende des Kalten Krieges. Deutschland und andere Staaten standen vor einer grundlegend veränderten außen- und sicherheitspolitischen Lage, die durch Staatszerfall und bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen geprägt war. Die Entwicklung in Jugoslawien war hierfür ein klassisches Beispiel. Die deutsche Bundesregierung sah sich daher zunehmend zur Beteiligung an multinationalen militärischen Missionen in international bewaffneten Konflikten gezwungen. Dies führte allerdings zu heftigen innenpolitischen Kontroversen. In den Augen der breiten Öffentlichkeit diente die Bundeswehr damals in erster Linie der Landes- und Bündnisverteidigung. [11]Nun ging es aber um die Frage, ob das Grundgesetz Auslandseinsätze außerhalb des NATO-Gebiets (out-of-area) überhaupt zulasse und welche Rolle der Bundestag dabei spielen sollte.

Der Zweite Golfkrieg einer internationalen Koalition gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein hatte die Bundesregierung zum Jahresbeginn 1991 damit konfrontiert, dass ihre Partner eine militärische Beteiligung Deutschlands wünschten. Damit begann eine intensive innenpolitische Debatte über die zukünftigen Aufgaben deutscher Streitkräfte. Die Bandbreite der Positionen reichte dabei von der Abschaffung der Bundeswehr über ihre Entsendung im Rahmen humanitärer Hilfe bis hin zur Auffassung, dass ihr bewaffneter Einsatz auch außerhalb der Bündnisverteidigung durch das Grundgesetz bereits gedeckt sei.

Angesichts dieser Uneinigkeit sah sich die Bundesregierung zunächst nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, ihre Bündnispartner militärisch zu unterstützen. Da ihre »Scheckbuchdiplomatie«, also eine hauptsächlich finanzielle Hilfe, auf Kritik stieß, geriet sie zunehmend unter außenpolitischen Druck. Das betraf seit 1992 auch die internationalen Einsätze auf dem Balkan. Aufgrund des innenpolitischen Streits über den Einsatz der Bundeswehr beschränkte sich die Bundesrepublik im Frühjahr 1992 zunächst auf die Entsendung des Sanitätsdienstes nach Kambodscha und beteiligte sich an der internationalen Luftbrücke zur Versorgung der in Sarajevo eingeschlossenen Bevölkerung.



Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, v. l. n. r. Paul Kirchhof, Jutta...


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