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Das Schicksal der Henkerin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
461 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am28.08.20201. Aufl. 2020
Rottweil, 1340. Die ehemalige Henkerin Melisande lebt mit ihrer Familie ein ruhiges, glückliches Leben. Bis sie der Hilferuf eines Mannes erreicht, der behauptet, ihr Bruder zu sein. Der aber ist seit Jahren tot, sie selbst hat seinen Mörder gerichtet. Hat sie sich damals geirrt? Ihr angeblicher Bruder sitzt unschuldig im Kerker von Esslingen, nur sie kann ihn retten. Kurzentschlossen reist Melisande zu ihm - und tappt in eine Falle, die nicht nur ihr eigenes Leben in höchste Gefahr bringt ...


Hinter Sabine Martin verbirgt sich ein erfahrenes Autorenduo. Martin Conrath hat bereits einige Kriminalromane veröffentlicht, von denen einer als Tatort verfilmt wurde. Sabine Klewe schrieb mehrere Krimis und Thriller, die bis auf die höchsten Ränge der Spiegel-Beststeller-Liste kletterten. Die Autoren leben und schreiben in Düsseldorf.
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Produkt

KlappentextRottweil, 1340. Die ehemalige Henkerin Melisande lebt mit ihrer Familie ein ruhiges, glückliches Leben. Bis sie der Hilferuf eines Mannes erreicht, der behauptet, ihr Bruder zu sein. Der aber ist seit Jahren tot, sie selbst hat seinen Mörder gerichtet. Hat sie sich damals geirrt? Ihr angeblicher Bruder sitzt unschuldig im Kerker von Esslingen, nur sie kann ihn retten. Kurzentschlossen reist Melisande zu ihm - und tappt in eine Falle, die nicht nur ihr eigenes Leben in höchste Gefahr bringt ...


Hinter Sabine Martin verbirgt sich ein erfahrenes Autorenduo. Martin Conrath hat bereits einige Kriminalromane veröffentlicht, von denen einer als Tatort verfilmt wurde. Sabine Klewe schrieb mehrere Krimis und Thriller, die bis auf die höchsten Ränge der Spiegel-Beststeller-Liste kletterten. Die Autoren leben und schreiben in Düsseldorf.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732588022
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum28.08.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Reihen-Nr.3
Seiten461 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4937745
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

DIE SUCHE

Gertrud ließ Flöckchen anhalten. Dazu musste sie nur die Zügel ganz leicht zu sich ziehen. Sie sah sich um. Links von ihr stand eine schneebedeckte Tanne, die so gebeugt war, dass sie aussah wie ein alter Mann, der einen Sack Mehl zum Markt schleppt. Es war dieselbe Tanne wie vorhin. Und wie davor. Sie waren erneut im Kreis geritten, wenn auch in eine andere Richtung, andernfalls hätte sie ja ihre eigenen Spuren im Schnee bemerkt. Sie ritt um den Baum herum und fand Flöckchens Hufabdrücke. Sie seufzte.

»Wann sind wir denn endlich da, Gertrud?«, nörgelte Antonius. »Mein Hintern ist warm, aber der Rest ist eiskalt. Ich glaube, meine Nase ist schon hart gefroren und fällt gleich ab.«

Gertrud drehte sich um und befühlte Antonius´ Nase. Sie war kalt, aber nicht abgefroren.

»Deiner Nase geht es gut, vielleicht ist dein Verstand eingefroren.«

»Nein, ist er nicht. Du hast gesagt, du kennst den Weg, aber jetzt kommen wir schon zum dritten Mal hier vorbei. Warum reiten wir nicht am Neckar entlang?«

Antonius war nicht entgangen, dass sie im Kreis geritten waren. Er war aufmerksamer, als Gertrud gedacht hatte. Oft wirkte er abwesend, aber das täuschte. Trotzdem würden sie nicht zum Neckar hinabreiten, das wäre viel zu gefährlich.

»Du Dummerchen! Dann können wir auch gleich wieder nach Hause zurückkehren. Am Neckar suchen sie uns doch zuallererst. Sie werden nie auf die Idee kommen, dass wir einen anderen Weg nehmen.«

»Was nützt das, wenn wir nicht ankommen?«

»Wir kommen ja an, nur etwas später.«

»Ich habe Hunger.«

Gertrud verdrehte die Augen. Manchmal konnte ihr Bruder wirklich nerven. »Ich weiß, Antonius. Warte noch ein bisschen. Erst müssen wir einen guten Schlafplatz finden.«

»Wo willst du denn schlafen? Hier draußen erfrieren wir.«

»Wir finden schon was.« Sie trieb Flöckchen an.

Auch sie hatte Hunger, und Flöckchen würde früher oder später ebenfalls etwas zu essen und zu trinken brauchen. Ohne das Pferd würden sie Esslingen niemals erreichen. Noch war es zufrieden, weil es harte Arbeit gewohnt war. Gertrud hatte etwas Hafer eingepackt, aber der würde nicht lange vorhalten. Zudem hatten sie Stunden verloren, weil sie im Kreis geritten waren.

Sie erreichten die Stelle, an der sie falsch abgebogen waren. Jetzt erinnerte Gertrud sich. Es war aber auch wirklich nicht leicht, bei der dicken Schneedecke irgendetwas zu erkennen. Die Landschaft sah ganz anders aus, die Wegsteine, mit deren Hilfe sie die Richtung hätte erkennen können, waren unter dem Schnee verborgen. Aber Jammern half nicht. Sie mussten weiter. Und sie mussten sich beeilen.

»Mach dir keine Sorgen, Toni, ich habe den Weg wiedergefunden. Jetzt wird alles gut.«

Antonius antwortete nicht. Gertrud bekam einen gehörigen Schreck, aber dann hörte sie seine regelmäßigen Atemzüge. Er war eingeschlafen. Ohne Vorwarnung, wie so oft. Als hätte man ihm eine Pfanne über den Kopf geschlagen. Und ihr blühte das Gleiche, wenn sie nicht bald einen Unterschlupf fanden. Ständig fielen ihr die Augen zu, und sie konnte kaum noch etwas erkennen. Die ganze Welt schien aus weißem Glitzern zu bestehen, alles sah gleich aus.

Aber sie wollte wenigstens noch ein Stück Weg schaffen. Sie mussten so schnell wie möglich nach Esslingen gelangen, bevor ihrer Mutter etwas Schreckliches geschah. Sie hatten schon so viel Zeit verloren. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät!

Gertrud hatte gleich so ein mulmiges Gefühl im Bauch gehabt, als sie den Brief entdeckt hatte. Mamas Bruder hatte ihn geschrieben. Bis zu dem Augenblick hatte Gertrud gar nicht gewusst, dass ihre Mutter überhaupt einen Bruder hatte. Mama sprach nie über ihre Familie, nur einmal hatte sie gesagt, dass alle tot wären, gestorben bei einem Überfall. Mehr hatte sie nicht erzählen wollen. Der Brief hatte auf dem Boden der Schreibstube gelegen, er war ihrer Mutter aus der Tasche gefallen. Und Gertrud hatte nicht widerstehen können, obwohl sie wusste, dass ihre Mutter böse sein würde. Man durfte keine fremden Briefe lesen, das wusste sie genau.

Mama war komischerweise nicht wütend geworden, sondern nur ganz furchtbar erschrocken. Und dann hatte sie Gertrud das Versprechen abgenommen, keiner Menschenseele von dem Brief zu erzählen. Und auch nicht, dass sie nach Esslingen und nicht nach Sigmaringen reisen wollte. Nur wenn sie nach einer Woche noch nicht wieder daheim wäre und sie auch kein Lebenszeichen von ihr hätten, durfte Gertrud mit jemandem sprechen. Am besten mit Papa. Oder, falls der noch nicht zurück wäre, mit Walburg, der Köchin, oder mit Bart, dem ältesten der Knechte.

Doch dann hatte Gertrud gestern auf dem Markt gehört, dass man in Esslingen eine Hexe erwischt und in den Kerker geworfen habe. Sie war sicher gewesen, dass es ihre Mutter war, weil die rote Haare hatte und sich heimlich in die Stadt hatte schleichen wollen, um ihren Bruder aus dem Kerker zu befreien. Die Leute hatten sich furchtbar aufgeregt, dass die Inquisition in Esslingen Einzug gehalten habe, dass ein gewisser Bruder Sibert seit Monaten Angst und Schrecken verbreite und dass man in Rottweil einen solchen Unruhestifter nicht dulden würde.

Gertrud hatte ihr Versprechen gehalten. Nicht einmal Antonius wusste von dem Brief und von Mamas Bruder. Sie hatte ihm nur erzählt, dass Mama in Gefahr war und sie niemandem etwas erzählen durften.

Getrud schreckte auf, als etwas Kaltes ihre Nase berührte. Oh nein! Es begann zu schneien, dick fielen die Flocken herab. Jetzt konnte man nur noch wenige Fuß weit sehen. Flöckchen stapfte immer noch durch den Schnee, als wäre er Luft, aber wenn die Schicht weiter wuchs, würde auch das Pferd nicht mehr vorankommen. Und wenn der Schnee so tief wäre, dass sie ganz darin versanken, konnten sie irgendwann nicht mehr atmen. Papa hatte ihr erzählt, dass man im Schnee ersticken konnte. Das wollte Gertrud auf keinen Fall. Sie spürte eine Bewegung, streckte instinktiv den Arm nach hinten aus und packte zu. Antonius war zur Seite gerutscht. Sie hielt ihn an seiner Gugel fest und zog ihn wieder in eine gerade Sitzposition.

Er stieß einen erschreckten Laut aus. Dann gähnte er herzhaft. »Sind wir da?«

»Nein, sind wir nicht«, gab Gertrud ärgerlich zurück.

Antonius stöhnte. »Es schneit. Auch das noch! Und es ist fast dunkel.«

Gertrud spürte Verzweiflung in sich aufsteigen. Nur das nicht! Wenn sie die Hoffnung verlor, war es vorbei. Sie drehte sich zu Antonius um. »Wir suchen uns einen Platz an einem Baum, da sind wir ein wenig geschützt.«

»Geschützt? Da frieren wir uns zu Tode. Selbst Flöckchen kann uns nicht genug wärmen. Wir werden eingeschneit, und dann werden wir steif wie Trockenfleisch. Und erst im Frühling nach der Schneeschmelze finden sie uns. Wir brauchen ein Haus.«

»Hier gibt es aber kein Haus, Toni. Es gibt nicht einmal einen alten Stall oder eine verfallene Scheune. Und die nächste Stadt ist bestimmt meilenweit entfernt.« Gertrud spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Zu Hause war ihr alles so einfach erschienen. Sie würden auf Flöckchen nach Esslingen reiten, hatte sie gedacht, es wäre nur ein kleiner Ausflug auf dem sicheren, starken Rücken des Pferdes, mehr nicht.

Und jetzt? Sie waren allein in der endlosen Kälte und Dunkelheit. Sie würden jämmerlich erfrieren.

»Nicht weinen, Gerti. Ich habe eine Idee. Ich weiß, wie man ein Haus baut.«

***

Die letzte Viertelmeile bis zum Stadttor von Rottweil mussten sie sich vortasten, mussten sogar absteigen und die Pferde führen. Jeden Schritt galt es zu bedenken, der dichte Schneefall nahm ihnen die Sicht, in kürzester Zeit war ein halber Fuß hoch gefallen, der von einem kräftigen Wind hier und da zu wahren Bergen aufgetürmt wurde. Die Wolken nahmen zudem den letzten Rest des Tageslichts, die Eiseskälte schnitt Wendel ins Gesicht, aber er war froh über ein wenig Ablenkung. Er konnte seine Gedanken nicht beruhigen, er zermarterte sich das Hirn, was die Kinder bewogen haben konnte, einfach so aufzubrechen. Wo steckten sie jetzt? In einer Hütte, wo es warm und sicher war? Oder mutterseelenallein inmitten des Schneegestöbers? Warum hatte Melisande sie einfach zurückgelassen? Wie konnte sie nur!

Wut stieg in ihm auf, und zugleich schnürte ihm Angst die Kehle zu. Sie hatten keinen Kunden in Sigmaringen. Was zum Teufel wollte Melisande also dort? War er tatsächlich ein gehörnter Dummkopf, der nichts gemerkt hatte, vielleicht sogar jahrelang?

Vom Auentor her erschollen Rufe. Wendel hörte, wie die schweren Balken, die das Tor sicherten, zur Seite geschoben wurden. Die Flügel schwangen auf, wie geschlagene Krieger zog der Suchtrupp in die Stadt ein.

Nach und nach verabschiedeten sich die Männer, versprachen, wieder zur Stelle zu sein, sobald der Morgen graute. Wendel bedankte sich bei allen, doch sein Angebot, die Helfer auf Käse, Brot und Wein einzuladen, lehnten sie ab. Sie wollten nur noch nach Hause.

Wendel konnte es ihnen nicht verdenken. Er ging die Hauptstraße hinunter, sein Pferd trottete hinter ihm her, den Kopf ebenso tief gesenkt wie er. Bart hielt etwas Abstand, der große, kräftige Mann schien zu einem Häuflein Elend geschrumpft zu sein.

Selmtraud, die Magd, kam ihnen entgegengelaufen, keuchend blieb sie vor ihnen stehen, denn sie trug auf ihren Hüften das eine oder andere Pfund mit sich herum, das ihr schnell den Atem nahm.

Ein Funke Hoffnung keimte in Wendel auf, der aber sofort erlosch, als er Selmtrauds besorgtes Gesicht sah.

»Herr, endlich seid Ihr wieder...

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Hinter Sabine Martin verbirgt sich ein erfahrenes Autorenduo. Martin Conrath hat bereits einige Kriminalromane veröffentlicht, von denen einer als Tatort verfilmt wurde. Sabine Klewe schrieb mehrere Krimis und Thriller, die bis auf die höchsten Ränge der Spiegel-Beststeller-Liste kletterten. Die Autoren leben und schreiben in Düsseldorf.
Das Schicksal der Henkerin