Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Spätsommer ist auch noch Sommer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am08.04.20201. Auflage
Mit 75 Jahren, da fängt das Leben an. Drei Damen Mitte siebzig wollen das Leben genießen - und die Männer. Kurz: im Spätsommer des Lebens noch viel Spaß haben. Weg mit den Kreuzworträtseln, jetzt wird geliebt und gelebt. Ulla ist 74 und pensionierte Zahnärztin. Als ihr Mann Olli stirbt, ein Stinkstiefel, den sie die letzten Jahre gepflegt hat, geht sie erst mal zum Friseur. Neu gefärbt und gestylt ist sie bereit, Kontakt zu ihren alten Freundinnen aufzunehmen. Leider muss sie viele ehemalige Bekannte aus ihrem Telefonverzeichnis streichen, doch Hellu und Pike sind wie sie noch quietschfidel und zu allen Schandtaten bereit. Gemeinsam starten sie neu durch: Flamencokurse, Italienisch und Yoga - endlich probiert Ulla gemeinsam mit ihren Freundinnen aus, was Spaß machen könnte. Das wird ihren Kindern schnell suspekt. Die sehen nicht die Frau in den besten Jahren, sondern die Greisin vor sich. Doch so schnell will sich Ulla den aufgezwängten Rollenklischees nicht beugen. Ein lustiger Roman, der das Alter von seiner positiven Seite sieht: Wer sagt eigentlich, dass nicht alles immer nur noch besser werden könnte?

Minna Lindgren, geboren 1963, ist eine finnische Journalistin und Bestsellerautorin, deren Romane in Finnland von der Presse gefeierte Bestseller sind und in zahlreichen Ländern erscheinen. Minna Lindgren lebt mit ihrer Familie in Helsinki.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMit 75 Jahren, da fängt das Leben an. Drei Damen Mitte siebzig wollen das Leben genießen - und die Männer. Kurz: im Spätsommer des Lebens noch viel Spaß haben. Weg mit den Kreuzworträtseln, jetzt wird geliebt und gelebt. Ulla ist 74 und pensionierte Zahnärztin. Als ihr Mann Olli stirbt, ein Stinkstiefel, den sie die letzten Jahre gepflegt hat, geht sie erst mal zum Friseur. Neu gefärbt und gestylt ist sie bereit, Kontakt zu ihren alten Freundinnen aufzunehmen. Leider muss sie viele ehemalige Bekannte aus ihrem Telefonverzeichnis streichen, doch Hellu und Pike sind wie sie noch quietschfidel und zu allen Schandtaten bereit. Gemeinsam starten sie neu durch: Flamencokurse, Italienisch und Yoga - endlich probiert Ulla gemeinsam mit ihren Freundinnen aus, was Spaß machen könnte. Das wird ihren Kindern schnell suspekt. Die sehen nicht die Frau in den besten Jahren, sondern die Greisin vor sich. Doch so schnell will sich Ulla den aufgezwängten Rollenklischees nicht beugen. Ein lustiger Roman, der das Alter von seiner positiven Seite sieht: Wer sagt eigentlich, dass nicht alles immer nur noch besser werden könnte?

Minna Lindgren, geboren 1963, ist eine finnische Journalistin und Bestsellerautorin, deren Romane in Finnland von der Presse gefeierte Bestseller sind und in zahlreichen Ländern erscheinen. Minna Lindgren lebt mit ihrer Familie in Helsinki.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462319309
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum08.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3485 Kbytes
Artikel-Nr.4944261
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2

Mein neues Leben hatte damit begonnen, dass ich ganz unten in einem Karton meine alte Adressliste für die alljährlichen Weihnachtspostkarten und ein Büchlein mit Telefonnummern fand. In der Zeit, als ich die Liste und das Buch angelegt hatte, konnten die Telefone sich die Nummern und Adressen noch nicht merken. Verdattert blätterte ich durch die vollgeschriebenen Seiten und stieß auf erstaunlich viele alte Freunde, Bekannte und Verwandte, von denen ich seit Urzeiten nichts mehr gehört hatte. War ich wirklich mal mit so vielen Menschen befreundet gewesen?

Zuletzt hatte ich mich höchstens mal auf Facebook getummelt, meinem einzigen Fenster zur Außenwelt. Allerdings war ich eine passive Nutzerin, die lediglich beobachtete und auf dem eigenen Profil kein einziges Foto zeigte. Ich verfolgte die Wichtigtuerei von Bekannten und Prominenten, begutachtete ihre Urlaubs-, Kinder- und Essensfotos, und ihren hübschen Sommerhäusern und üppig blühenden Gärten gab ich manchmal ein »Gefällt mir«. Aber die Menschen aus meinem Telefonbüchlein waren nicht bei Facebook, die wenigsten jedenfalls. Mit ihnen hatte der Kontakt auf echten Treffen, Telefonaten und den jährlichen Weihnachtskarten basiert.

Einige waren inzwischen tot, das wusste ich. Manche Namen hatte ich sogar bereits mit einem kleinen Kreuz versehen, um zu vermeiden, dass ich Tote anrief und ihnen Weihnachtspostkarten schickte. Ein paar Leute fand ich bei genauerem Nachdenken gar nicht mehr so interessant, bei manch anderen konnte ich dem Namen keine Person mehr zuordnen. Nach einer halben Stunde hatte ich eine recht überschaubare Zahl von Personen zusammen, die ich gerne wiedersehen wollte. Ich schrieb eine alphabetisch geordnete Liste, recherchierte im Internet nach den Kontaktdaten, schickte den wenigen, die ich doch auf Facebook fand, eine Freundschaftsanfrage, und beschloss, die besonders Wichtigen kurzerhand anzurufen.

Und dann bekam ich Angst. Mein Herz klopfte, meine Hände wurden feucht. Der letzte Kontakt zu diesen Menschen lag erschreckend lange zurück. Ich würde allen von Ollis Tod erzählen müssen, was nur aufs Neue die elendige Litanei der Beileidsbekundungen nach sich zöge. Obendrein war ich nicht mehr in Übung - in den letzten Jahren hatten meine Kontakte vor allem aus Gesprächen mit ambulanten Krankenpflegerinnen, Sozialamtsangestellten, Supermarktkassiererinnen und den Fahrern von Behindertentaxis bestanden, und diese Gespräche waren immer kurz gewesen. Manche Leute hatten zudem eine andere Muttersprache, was den Austausch zusätzlich begrenzte.

Wie verlief eine normale Plauderei? Und was dachten die Menschen nach all den Jahren über mich? Würden wir uns noch immer als Freunde begegnen?


Ollis Krankheit hat sich so lange hingezogen, dass irgendwann alle verschwunden waren. Kein Wunder, dass die Beerdigung klein ausfiel. Ein Publikumsmagnet ist was anderes. Nur ein paar treue Verwandte und eine neugierige Nachbarin ließen sich blicken. Dafür durfte ich die ganzen nächsten Wochen geschmacklose Beileidsbekundungen ertragen: »Viel Kraft, liebe Ulla« und so weiter, so was von schmierig das Ganze, und dann fällt den Leuten doch glatt ein, dass ja der süße Nachbarhund auch gerade begraben wurde, und dann schluchzen sie los! Bilden sich ein, wir würden Ähnliches durchmachen, durch das gleiche verdammte Tal wandern! Aber die widerwärtigste Beileidsbekundung war diese: »Ich weiß genau, wie du dich fühlst.« Da hätte ich am liebsten gekotzt. Woher will ein vollkommen anderer Mensch auch nur annähernd wissen, wie das alles für mich ist? Dass Olli jahrelang schwer krank war und dann gestorben ist?


Ich fing oben an.

Statt meiner Cousine Ritva Aaltonen antwortete eine automatische Frauenstimme; die Nummer war nicht mehr gültig. Ritva war also höchstwahrscheinlich tot. Dem würde ich später nachgehen. Ich markierte ihren Namen mit einem dünnen Bleistiftkreuz und beeilte mich mit dem nächsten Anruf; bloß nicht zögern, sonst verließ mich noch der Mut.

»Altenpflegeheim Climax, Harusha Aramduti am Apparat.«

Harusha verstand zwar leider nicht, was ich von meiner ehemaligen Schwimmfreundin Raija Erkkilä wollte, konnte mir aber immerhin sagen, dass Raija gerade an der Gymnastik mit dem Stock teilnahm. Unklar blieb, in welcher Verfassung Raija sich befand - eine wirklich rüstige Dame würde wohl eher nicht im Pflegeheim leben und Stockgymnastik machen. Ich markierte ihren Namen mit einem Fragezeichen.

Die Patentante von meinem Sohn Marko, Riitta-Leena, war so frisch unter der Erde, dass ihr Handy noch an und der Akku noch nicht alle war: Klarer Fall für ein Kreuz, wie ich von ihrem Mann Risto hören musste. Wir bezeugten uns gegenseitig unser Beileid und ließen uns zu weiteren dummen Phrasen hinreißen. In solchen Fällen sollte man sich einfach für ein stummes Hinterbliebenen-Kaffeekränzchen verabreden. Riitta-Leena war an einem aggressiven Leberkrebs gestorben, der auch ins Gehirn gestreut hatte, aber ganz ohne Schmerzen. »Das war das Gute daran. Ein kaputtes Gehirn kann keinen Schmerz empfinden«, sagte Risto pragmatisch und verschaffte sich mit diesem Fazit auch selbst Linderung. Wir unterhielten uns noch eine Weile über Pflegedienste und verschiedene Medikamente, dann behauptete ich, es hätte an der Tür geklingelt und ich müsse auflegen. In Wahrheit würde das nie passieren. Seit keine Krankenschwestern mehr ins Haus kamen, klingelte niemand mehr bei mir.

Meine Cousine Kirsti Hirvonen wusste nicht mehr, wer ich war. Und auch bei sich selbst kam sie ins Schwimmen:

»Ich muss Schluss machen, meine Klasse wartet auf mich.«

Kirsti hatte in ihrem gesamten Leben nicht einmal als Lehrerin gearbeitet, dafür jahrzehntelang als Physiotherapeutin Kranke durchmassiert. Traurig, dass sie dement war, und traurig ebenfalls, dass sie mich abwimmelte.

Meine frühere Nachbarin Liisa Hulkkonen riss ich in Thailand aus dem Schlaf, auch dieses Telefonat war schnell zu Ende. Ich entschuldigte mich, dass ich sie aufgeweckt hatte, und berichtete, dass Olli gestorben war. Bei Liisa blieb das Beileid aus. »Herrlich, Ulla, jetzt kannst du ein zweites Leben beginnen!«

Ich war sprachlos. Mir war neu, dass man es auch so sehen und dementsprechend reagieren konnte. Liisa versprach, sich bei mir zu melden, sobald sie aus Thailand zurückkäme, wobei unklar war, wann das sein würde. Aus den ursprünglichen zwei Wochen waren schon drei Jahre geworden. »Weißt du, ich habe hier am Strand einen tollen Mann getroffen, der fünfzehn Jahre jünger ist. Schön, dass du dich gemeldet hast, aber jetzt muss ich wieder zurück ins Bett zu Jimmy. Tschüss, Ulla!«

Neben Liisas Namen malte ich eine Sonne. Als ich die Hälfte der Liste durchhatte, fühlte ich mich wie eine Hundertjährige: umgeben von Greisen und Toten. Mit Ausnahme von Liisa hatten sich die Leute in den zwölf Jahren, die ich Olli gepflegt hatte, in Kranke und Demente oder eben auch in Tote verwandelt. Verfall überall. Und diese Pflegefälle waren meine Altersgenossen?

Ich setzte mir die Brille auf und marschierte vor den Spiegel. Furchtlos schaute ich der Wahrheit ins Gesicht - und das durchs vergrößernde Glas meiner Lesebrille. Das hatte ich seit Ewigkeiten nicht getan. In der schweren Zeit mit Olli war mir mein Aussehen schlichtweg schnuppe gewesen. Außerdem war das Licht im Badezimmer schummrig, und ich hatte morgens nie die Brille aufgesetzt. Was für eine Selbsttäuschung, wie mir jetzt klar wurde. Mein Gesicht war eine Landschaft aus Falten, aus Furchen geradezu! Manche überlappten sich, andere hatten breite Gräben in die Haut gezogen. Leben! Pralles, gelebtes Leben, Tausende von Erinnerungen.

Ach ja?


Ich fühle mich eher wie eine Maschine. Ja, verdammt, ich friste das Dasein einer hocheffektiven Maschine! Mein Alltag ist schon seit Ewigkeiten kein Leben mehr, sondern ein einziges Aushalten und Erledigen! Ich habe mich in einen hocheffektiven Automaten verwandelt. Aber anders hätte ich das alles nicht durchstehen können. Das, was das Leben mir entgegengeschleudert hat. Den Brustkrebs und das Geracker an Ollis Krankenbett! Einen Angehörigen »pflegen« ... pah! Eine Sklavin war ich. Erst meine OP und die Chemo, und dann sofort die Ärmel hochkrempeln und nichts als Füttern, Waschen und Windeln wechseln, und immer schön regelmäßig den klapprigen Körper wenden! Verflucht noch mal, mein Leben ist wirklich kein Zuckerschlecken. Aber ich habe nun mal getan, was getan werden muss.

Doch innerlich war ich die ganze Zeit wie tot. Und jetzt ist Olli tot. Und ich will wieder leben! Aber wie soll das gehen, bitte schön? Ich bin jetzt frei, zum allerersten Mal. Ich könnte tun und lassen, was ich will. Aber mit wem denn, bitte schön?


Meine Haare waren noch dick und gesund. Doch die ungepflegte Länge und das scheckige Grau störten mich; ich gehörte nun mal leider nicht zu den Frauen, die man für ihr elegantes Naturgrau bewunderte. Meine Wangen und Schläfen waren von Altersflecken übersät, um die wohl keiner herumkam. Ein kleines Muttermal auf der Stirn ließ mich erschrocken an Hautkrebs denken, aber dann fiel mir ein, dass es schon immer dort gewesen war und auch genau so ausgesehen hatte. Mein Hals war eine Zumutung, Truthahn hoch zwei, aber auch das war normal. Und meine Augen waren nur gerade eben noch zu sehen, immerhin konnte ich gucken. Fragte sich, für wie lange. Ich schob meine Hängelider mit den Zeigefingern nach oben und überlegte, ob eine Lidkorrektur von der Krankenkasse bezahlt würde. Immerhin stellte eine eingeschränkte Sicht ein...
mehr

Autor

Minna Lindgren, geboren 1963, ist eine finnische Journalistin und Bestsellerautorin, deren Romane in Finnland von der Presse gefeierte Bestseller sind und in zahlreichen Ländern erscheinen. Minna Lindgren lebt mit ihrer Familie in Helsinki.Elina Kritzokat, Jahrgang 1971 und deutschfinnische Doppelstaatsbürgerin, übersetzt seit 2002 Belletristik, Kinderbücher, Theaterstücke und Kinofilme ins Deutsche, u.a. Werke von Elina Hirvonen, Leena Krohn, Johanna Sinisalo, Riikka Pulkkinen und Miika Nousiainen. 2019 erhielt sie den Finnischen Staatspreis für Übersetzung in ausländische Sprachen.