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Die Frauen von Gut Falkensee

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
397 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am28.08.20201. Aufl. 2020
Westpreußen 1904: Um den verschuldeten Familiensitz zu retten, verlobt sich die junge Charlotte von Bargelow mit dem wohlhabenden Witwer Baldur von Krammbach. Kurz vor der Hochzeit lernt sie unter dramatischen Umständen den jungen Polen Karol kennen und verliebt sich gegen alle Vernunft in ihn. Siegen ihr leidenschaftliches Herz und die Sehnsucht nach Selbstbestimmung über Pflichtbewusstsein und die Liebe zur Heimat? Charlotte trifft eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern soll ...mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWestpreußen 1904: Um den verschuldeten Familiensitz zu retten, verlobt sich die junge Charlotte von Bargelow mit dem wohlhabenden Witwer Baldur von Krammbach. Kurz vor der Hochzeit lernt sie unter dramatischen Umständen den jungen Polen Karol kennen und verliebt sich gegen alle Vernunft in ihn. Siegen ihr leidenschaftliches Herz und die Sehnsucht nach Selbstbestimmung über Pflichtbewusstsein und die Liebe zur Heimat? Charlotte trifft eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern soll ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732588039
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum28.08.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Reihen-Nr.1
Seiten397 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5057553
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 
1. Kapitel

Veronika

Gut Falkensee, Westpreußen, 2. Juni 1904

»Ich bestehe darauf, dass du mir die Wahrheit sagst. Die ganze Wahrheit. Unbeschönigt.« Veronika von Bargelow schob das Kinn vor und sah ihrem Mann über den breiten Eichenholzschreibtisch hinweg entschlossen in die Augen.

Adalbert hob den Kopf, und sie erkannte deutlich das leichte Flackern in seinem Blick. Auf seinen Schläfen schimmerten Schweißtröpfchen. Veronika war nicht sicher, ob sie die feinen Perlen durch ihre Worte hervorgerufen hatte oder ob sie der Hitze geschuldet waren.

Seit Mai ächzte Westpreußen unter einer Hitzewelle. Angeblich waren in Danzig am 24. Mai beim feierlichen Einzug der Hauptwache in das Hohe Tor mehr als zwanzig Zuschauer ohnmächtig geworden, nachdem sie stundenlang in der Sonne ausgeharrt hatten, um die prunkvolle Zeremonie mitzuerleben.

Auch mehr als eine Woche später war noch kein Regen gefallen. Bereits am frühen Vormittag tauchte die Sonne das Herrenhaus und die Nebengebäude von Gut Falkensee in gleißendes Licht und ließ den nahegelegenen See silbern schimmern.

»Wir brauchen einfach nur Regen«, murmelte Adalbert, nachdem seine Frau längere Zeit vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte. Sein Blick wanderte zum Fenster, als hoffte er, am klaren Himmel endlich eine Wolke zu entdecken.

Veronika fragte sich, ob er wirklich glaubte, ihre Bitte mit einer vagen Bemerkung vom Tisch wischen zu können. Sie besuchte ihren Mann nicht oft in seinem Arbeitszimmer mit den Aktenschränken aus dunklem Holz, in denen die Unterlagen der vergangenen hundert Jahre aufbewahrt wurden. Hier fanden Adalberts tägliche Besprechungen mit Emil Gabrowski, dem neuen Verwalter, und Adam, dem langjährigen Stallmeister, statt. Hier besuchten ihn Lieferanten für Düngemittel und landwirtschaftliche Geräte und gelegentlich Kaufinteressenten für ein Pferd aus der bargelowschen Zucht, die Adalbert seit einigen Jahren aufzubauen versuchte.

Dies war sein Arbeitsbereich, während die Wäschekammer, der große Geschirrschrank mit dem Meißner Porzellan und den Schatullen voller Silberbesteck sowie ihr kleines Büro im Gartenzimmer ihr Zuständigkeitsbereich waren. Adalbert kümmerte sich um den Gutsbetrieb, sie um Haushalt und Hauspersonal.

Vom Beginn ihrer Ehe an hatten sie ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten akzeptiert und sich in die Angelegenheiten des anderen nicht eingemischt. Doch heute musste sie ihrem Ehemann gegenüber gewisse Dinge zur Sprache bringen, auch wenn Adalbert möglicherweise peinlich berührt reagieren würde.

»Ich gehe davon aus, dass wir â¦« Nun zögerte sie doch, fuhr aber nach kurzem Durchatmen entschlossen fort: »â¦ in Geldschwierigkeiten sind.«

»Wenn es nicht bald regnet, müssen wir beim Weizen Notreife befürchten«, zog er sich erneut auf die Wetterfrage zurück. »Aber â¦«

Veronika unterdrückte einen Seufzer. »Es geht nicht nur um die diesjährige Ernte. Im vergangenen Jahr sind fünf wertvolle Zuchtstuten an der â¦« Sie räusperte sich und sprach es dann doch aus: »â¦ an der Beschälseuche eingegangen. Nun steht der neue Stall halb leer.«

Ihr Blick wanderte durch das Fenster hinaus zu den Wirtschaftsgebäuden hinter dem Herrenhaus. Dort befanden sich das Gerätehaus, das Gesindehaus für diejenigen Dienstboten, die nicht zum Hauspersonal zählten, die Remise und vor allem die zweigeschossige Scheune mit ihren zwei großen Einfahrten für die Erntewagen.

Ein geübtes Auge konnte an den Gebäuden erste Verfallserscheinungen entdecken. Hier ein verzogener Fensterrahmen, dort ein feuchter Fleck an einer Außenmauer. Der Sonnenschein brachte auf den Dächern unbarmherzig ein Flickwerk an den Tag, denn man hatte immer wieder einzelne Dachziegel, aber auch ganze Reihen ersetzt. Es war höchste Zeit, die Dächer vollständig neu decken zu lassen.

Den Abschluss der Reihe bildete der Pferdestall, der auf den ersten Blick als Neubau zu erkennen war. Von makellosem Weiß, mit dunkelbraunem Fachwerk, großen Fenstern für viel Licht und Luft und einem glänzenden Ziegeldach war er der Ersatz für den alten Stall, dessen Dach so undicht gewesen war, dass einige Boxen unbenutzbar geworden waren. Kalter Luftzug und Feuchtigkeit waren Gift für die neugeborenen Fohlen, aber auch für die erwachsenen Pferde. Aus diesem Grund hatte Adalbert von Bargelow sich zur Aufnahme einer Hypothek durchringen müssen, um den neuen Stall bauen zu können. Zu jener Hypothek, die nun eine Gefahr für das Gut darstellte - eine unter mehreren.

»In der Zeitung habe ich gelesen, dass sich durch die Verbilligung der Seefracht stetig die Einfuhr von Getreide aus Amerika und den Balkanstaaten erhöht. Diesen Herbst wird wahrscheinlich noch mehr preisgünstiger Weizen aus dem Ausland ins Deutsche Reich geliefert werden als im vergangenen Jahr. Das bedeutet für die deutschen Landwirte fallende Preise. Und das bei der zu erwartenden schlechten Ernte.«

Adalbert schwieg, und seinem Gesichtsausdruck war deutlich zu entnehmen, wie wenig es ihm gefiel, dass seine Frau über solche Dinge sprach. Doch darauf konnte Veronika keine Rücksicht mehr nehmen.

»Ich mache mir Sorgen um das Gut. Es ist unsere Lebensgrundlage und Fredericks Erbe. Falls wir Falkensee verlieren, bleibt uns nichts. Alice ist versorgt, wenn sie in wenigen Monaten heiratet, aber unser Sohn und unsere ältere Tochter würden dann einer dunklen Zukunft entgegensehen. Zudem verursachen Fredericks häufige Erkrankungen hohe Kosten. All die Besuche durch Doktor Kramer, und die vielen Medikamente sind teuer. Ich darf gar nicht daran denken, was wäre, wenn wir diese Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten. Und wir müssten vielleicht unseren Dienstboten kündigen. Manche von ihnen sind schon seit über zwanzig Jahren bei uns. Wir haben Verantwortung für all diese Menschen.«

»Wer redet denn davon, dass wir vor dem Ruin stehen? Ich bin dein Ehemann. Es ist meine Aufgabe, dich und unsere Familie zu versorgen. Als wir vor den Traualtar getreten sind, hast du mir dein Leben anvertraut, und ich habe versprochen, dass du dich stets auf mich verlassen kannst. Der Verantwortung für unsere Bediensteten bin ich mir ebenfalls bewusst. Meiner Verantwortung, nicht unserer.«

»Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann«, sagte Veronika in besänftigendem Tonfall. »Dennoch bitte ich dich inständig, mir die Wahrheit zu sagen. Wie steht es wirklich um Gut Falkensee?«

Adalbert öffnete den Mund, und sie konnte sehen, dass er erneut versuchen würde, die Situation zu beschönigen. Er würde ihr sagen, dass sie sich um nichts sorgen musste und ganz beruhigt alles ihm überlassen konnte.

»Bitte!«, fügte sie deshalb in energischem Ton hinzu. »Es gibt etwas, das ich tun kann. Etwas, das definitiv zu meinen Aufgaben gehört.«

Damit meinte sie keine Einsparungen im Haushalt. Sie hatte schon immer sparsam gewirtschaftet und sich seit der Aufnahme der Hypothek noch mehr Mühe gegeben, möglichst wenig auszugeben, ohne auf Qualität und allzu viel Komfort zu verzichten. Aber auf diese Weise konnte sie keine nennenswerten Summen einsparen.

Veronika richtete sich auf dem lederbezogenen Stuhl vor dem Schreibtisch auf. Ihr helles Seidenkleid raschelte leise, als sie ihren Rock ordnete und den Spitzenbesatz der Ärmel zurechtzupfte. Sie hörte, wie Adalbert tief einatmete, und wusste, dass er in diesem Moment ihr Lavendel-Zitrone-Duftwasser wahrnahm. Schon vor vielen Jahren hatte ihr Mann ihr gesagt, wie sehr er es liebte, dass dieser Duft das Letzte war, was er abends vor dem Einschlafen wahrnahm, und das Erste, was ihm morgens in die Nase stieg.

Wie es in ihren Kreisen üblich war, hatten sie getrennte Schlafzimmer. Dennoch verbrachten sie fast jede Nacht gemeinsam in dem breiten Bett in Veronikas Zimmer. Nicht weil das körperliche Verlangen sie Nacht für Nacht überwältigte, sondern weil sie es beide genossen, nebeneinanderzuliegen, die Wärme des anderen zu spüren, seine Atemzüge in der Dunkelheit zu hören, sich nicht allein zu fühlen.

Unter Adalberts rechtem Auge zuckte ein Muskel, und sie konnte erkennen, wie ihr Mann mit sich kämpfte. Dann nickte er langsam. »Es steht schlecht.« Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstand. »Dabei mussten wir uns hier im Drei-Werder-Gebiet früher niemals Sorgen machen. Ebenso wie das Kulmerland nannte man unseren Teil von Westpreußen stets die Kornkammer des Deutschen Reichs.«

»Es ist nicht deine Schuld«, versuchte sie, ihn zu trösten, und tastete sich entschlossen weiter vor. »Wird das Geld, das Ronald von Bernsdorffs Familie nach seiner Hochzeit mit Alice in unser Gut investieren will, ausreichen, um das Schlimmste zu verhindern?«

»Alice bekommt über den Hausrat hinaus kaum eine Mitgift. Der Verdacht, wir könnten das Gut verlieren, hätte die von Bernsdorffs eventuell veranlasst, die Verlobung abzusagen. Schließlich müssten sie in diesem Fall befürchten, dass wir von ihnen dauerhaft finanzielle Unterstützung erwarten. Deshalb durfte ich auf keinen Fall mehr verlangen. Ihr Angebot ist ohnehin großzügig.«

Veronika nickte. Adalberts sichtliche Erleichterung über die bevorstehende Verlobung der jüngsten Tochter war schon bald neuen Sorgenfalten gewichen.

»Ich konnte der Bank mitteilen, dass wir demnächst Geld zu erwarten haben. Daraufhin hat man mir die fällige Rate der Hypothek gestundet. Aber einige Reparaturen an den Gebäuden und den Maschinen lassen sich nicht länger aufschieben. Und es müssen dringend neue Zuchtstuten angeschafft werden. Angesichts der preisgünstigen Getreideeinfuhren ist es wichtiger...

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Autor

Luisa von Kamecke wuchs mit den Erzählungen ihrer Mutter vom westpreußischen Drei-Werder-Land auf. Mit dem Roman um Gut Falkensee setzt die Autorin der Heimat ihrer Vorfahren ein literarisches Denkmal. Nach zahlreichen Romanen unter verschiedenen Pseudonymen ist dies Luisa von Kameckes persönlichstes Buch.
Die Frauen von Gut Falkensee

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt