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Die gläserne Zelle

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.02.20201. Auflage
»Die gläserne Zelle ist die Geschichte eines Mannes, der unschuldig im Gefängnis sitzt, dabei total zerstört wird, aber dennoch versucht, sein normales, bürgerliches Leben wieder aufzubauen bis er die Tat, wofür er bereits bestraft wurde, nachholt.«

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

Klappentext»Die gläserne Zelle ist die Geschichte eines Mannes, der unschuldig im Gefängnis sitzt, dabei total zerstört wird, aber dennoch versucht, sein normales, bürgerliches Leben wieder aufzubauen bis er die Tat, wofür er bereits bestraft wurde, nachholt.«

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257608366
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum26.02.2020
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1058 Kbytes
Artikel-Nr.5081960
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Es war Dienstag nachmittag, fünf nach halb vier, und die Insassen des Staatsgefängnisses kehrten aus den Werkstätten in ihre Zellen zurück. In ungebügelten, fleischfarbenen Sträflingsanzügen, jeder mit einer Nummer auf dem Rücken, strömten die Männer durch den langen Korridor von Block A, umsummt von gedämpftem Stimmengemurmel, obwohl eigentlich keiner mit seinem Nachbarn sprach. Es war ein seltsamer, unmelodischer Chor, der Carter am ersten Tag Angst eingejagt hatte - in seiner Naivität hatte er damals tatsächlich jeden Moment mit einer Häftlingsrevolte gerechnet -, aber mittlerweile nahm er das Geräusch als Eigenheit dieses einen oder vielleicht aller Gefängnisse. Die Zellentüren im Erdgeschoß und auf den vier Etagen darüber standen offen, und die Männer verschwanden einer nach dem anderen in ihren Zellen, bis der Korridor fast leer war. Jeder hatte jetzt fünfundzwanzig Minuten, um sich am Becken in der Zelle zu waschen, bei Bedarf ein frisches Hemd anzuziehen, sofern er eins hatte, einen Brief zu schreiben oder über die Kopfhörer in das Musikprogramm hineinzuhören, das zu dieser Zeit immer lief. Um vier läutete die Glocke zum Abendessen.

Philip Carter ging langsam, weil ihm vor dem Anblick und der Gesellschaft seines Zellengenossen Hanky grauste. Hanky, ein kleiner, dicklicher Kerl, saß dreißig Jahre für bewaffneten Raubüberfall (»billig einkaufen« nannte er es) und Mord, worauf er eher stolz zu sein schien. Hanky mochte Carter nicht und nannte ihn einen Snob. In den neunzig Tagen, die sie nun schon zusammen waren, hatte es mehrere kleine Reibereien gegeben. Zum Beispiel war Hanky aufgefallen, daß Carter Hemmungen hatte, das freistehende, brillenlose Zellenklo in seiner Gegenwart zu benutzen, deshalb gestaltete er seine eigenen Sitzungen so laut und vulgär wie möglich. Carter hatte das anfangs gutmütig und gelassen hingenommen, doch vor zehn Tagen, als der Witz schon mächtig alt war, hatte er gesagt: »Zum Teufel, Hanky, hör schon auf damit«, und Hanky hatte ihn mit üblen Schimpfnamen belegt, von denen »Snob« noch der weitaus harmloseste war. Einen Moment hatten sie einander mit geballten Fäusten gegenübergestanden, aber ein Aufseher bemerkte es und ging dazwischen. Seither wahrte Carter eine kühle, aber höfliche Distanz zu Hanky, reichte ihm auch schon einmal die Kopfhörer, die sie sich teilen mußten, wenn er näher dran war, oder auch sein Handtuch oder so. Die Zelle mit den zwei Pritschen war zu klein für zwei Männer, und so galt das stillschweigende Abkommen, daß der eine sich hinlegte, wenn der andere auf war. In dieser Woche jedoch hatte Tutting, Carters Anwalt, schlechte Nachrichten gebracht: Es würde kein neues Gerichtsverfahren geben, und da die neunzig Tage bereits abgelaufen waren, kam eine Begnadigung auch nicht mehr in Frage. Carter fand sich damit ab, noch einige Zeit in dieser Zelle mit Hanky verbringen zu müssen, also sollte er vielleicht weniger reserviert und abweisend zu ihm sein. Wem half es schon, wenn das Klima so miserabel war? Hanky hatte sich letzten Freitag den Knöchel verstaucht, als er von dem Lastwagen abgesprungen war, der die Häftlinge zur Feldarbeit brachte und wieder abholte. Er konnte wenigstens Hanky fragen, was sein Knöchel machte.

Hanky saß auf dem Rand seiner unteren Pritsche und hantierte mit seinem unvollständigen Schmuddelkartenspiel.

Carter nickte ihm zu und sah auf das bandagierte Gelenk. »Wie geht´s deinem Fuß?« Er knöpfte sich das Hemd auf und steuerte direkt auf das Waschbecken zu.

»So la-la. Auftreten kann ich immer noch nicht.«

Hanky hob am Fußende der Pritsche die Matratze hoch und zog zwei Schachteln Camel hervor, die er dort versteckt hatte. Carter registrierte sie im Umdrehen, während er sich mit seinem kleinen, groben Handtuch abtrocknete.

Hanky war Nichtraucher. Die Wochenration von vier Schachteln kauften die Insassen von ihrem eigenen Geld: sie verdienten vierzehn Cent am Tag, und die Zigaretten kosteten zweiundzwanzig Cent pro Schachtel. Hanky sparte seine Ration immer auf und verkaufte sie anderen Sträflingen gegen ein Aufgeld. Die Aufseher wußten von Hankys Nebenverdienst und drückten ein Auge zu, weil er ihnen ab und an auch eine Schachtel oder sogar einen Dollar zusteckte.

»Tust du mir einen Gefallen, Cart? Bring die zu Nummer dreizehn hier unten und zu Nummer achtundvierzig in der dritten Etage. Eine für jeden. Ich mag nicht so weit laufen. Sie sind schon bezahlt.«

»Klar.« Carter ergriff sie mit der einen Hand und knöpfte sich das Hemd mit der anderen wieder zu.

Nummer 13 war nur zwei Zellen von seiner und Hankys entfernt.

Ein alter Schwarzer mit weißen Haaren saß auf der unteren Pritsche.

»Zigaretten?« fragte Carter.

Der Schwarze hob die knochige Hüfte ein Stück hoch und zog einen schmalen Zettel aus der Hosentasche. Mit steifen schwarzen Fingern drückte er Carter Hankys Quittung in die Hand.

Carter schob sich das Papier in die Tasche, warf eine Schachtel Camel auf die Pritsche und ging hinaus. Er trabte durch den Korridor weiter zur Treppe nach oben. In diesem Moment kam der Aufseher, den alle Moony nannten - eigentlich hieß er Moonan -, mit raschen Schritten stirnrunzelnd auf ihn zu. Carter hielt die andere Zigarettenschachtel in der Hand. Es war klar, daß Moony sie auch sah.

»Na, Zigaretten austragen?« Moonys langes, schmales Gesicht verzog sich noch mehr. »Als nächstes bringst du den Leuten auch noch Zeitungen und die Milch, was?«

»Ich mache das bloß für Hanky, der hat sich den Fuß verknackst.«

»Her mit den Händen!« Moony griff nach den Handschellen an seinem Gürtel.

»Ich habe die Zigaretten nicht geklaut. Fragen Sie doch Hanky.«

»Die Hände her!«

Carter streckte die Hände aus.

Moony ließ die Handschellen um die Gelenke klicken. Im selben Augenblick gingen ganz in der Nähe zwei Klospülungen los, und gleichzeitig sah Carter über Moonys Schulter hinweg einen pickligen, feisten Sträfling, der die Szene mit leiser Schadenfreude beobachtete und ihn angrinste. Eben noch war Carter sicher gewesen, Moony mache nur Spaß. Er hatte schon ein paarmal gesehen, wie Moony und Hanky miteinander scherzten, einmal hatte Moony ihm sogar mit dem Knüppel gedroht. Jetzt wurde ihm klar, daß Moony keinen Spaß machte. Moony hatte etwas gegen Carter. Er nannte ihn immer »Professor«.

»Rüber zum Ende vom Block!« sagte Moony laut.

Als er Carter angehalten hatte, war es in den zwei oder drei Zellen, von denen aus man sie sehen konnte, ganz still geworden, und diese Stille breitete sich nun im gesamten Erdgeschoß aus. Carter marschierte los, Moony hinter ihm. Vor ihnen, am Ende des Korridors, waren zwei Treppenaufgänge in den nächsten Stock, daneben die vergitterte Tür des Aufzugs, die Carter bisher nur zweimal hatte aufgehen sehen, wenn Leute nach oben auf die Krankenstation gebracht worden waren, und dann noch zwei blanke Metalltüren, die direkt in die Mauer eingelassen und mit großen runden Schlössern versehen waren. Die eine führte in den benachbarten Zellenblock B, die andere in den sogenannten Bau. Moony trat einen Schritt vor und löste klappernd das große Schlüsselbund vom Gürtel.

Ein leises, kollektives Stöhnen erhob sich von den Sträflingen, die der Szene zusahen, ein Raunen, so körperlos wie ein Windhauch.

»Was ist los, Moony?« Diese selbstsichere Stimme konnte nur einem anderen Aufseher gehören, das wußte Carter, ehe er sich umgedreht hatte.

»Hab den großen Diplomingenieur hier beim Zigarettenaustragen erwischt«, sagte Moony und stieß die Tür auf. »Da hinunter!« herrschte er Carter an.

Die Stufen führten nach unten. In den Bau.

Carter hielt nach einigen Stufen kurz inne. Vom Bau hatte er schon einiges gehört. Auch wenn die anderen übertrieben - und sie konnten ja nur übertrieben haben -, war das eine Folterkammer. »Aber hören Sie, was ich da angestellt hab ... ich wollte doch nur Hanky einen Gefallen tun ... das sind doch höchstens ein paar Strafpunkte, oder?«

Moony und Cherniver, der sich ihnen angeschlossen hatte, kicherten überheblich, als hätten sie einen Schwachsinnigen vor sich.

»Los, vorwärts«, gab Moony zurück. »Du hast schon mehr Strafpunkte zusammen, als du oder ich zählen können.« Er schubste ihn weiter.

Carter wahrte mühsam das Gleichgewicht und stieg dann weiter abwärts, sorgfältig auf die Stufen achtend; wenn er stolperte, könnte er den Sturz mit gefesselten Händen nur schwer abfangen. Auch am Einlieferungstag war er gestürzt, und damals hingen seine Handschellen an einem schweren Ledergürtel fest. Übrigens hatte er tatsächlich viele Strafpunkte, aber das lag vor allem daran, daß er noch nicht genau wußte, was man nun eigentlich durfte und was alles verboten war. Es gab Strafpunkte, wenn man beim Gänsemarsch in die Kantine aus dem Tritt kam, wenn man auf dem Weg zu den Werkstätten sprach oder sich auch nur entschuldigte (auf dem Rückweg wiederum durfte man das), sich zu ganz bestimmten Zeiten kämmte oder irgendwelche Besucher (egal, ob Mann oder Frau) durch die doppelte Gitterwand am Ende von Block A allzu lange anstarrte; und wegen solcher Strafpunkte hatte man Carter nun schon zum viertenmal hintereinander die Besuchszeit am Sonntagnachmittag gestrichen. Das war um so ärgerlicher, als jedesmal die beiden Briefe, die er wöchentlich abschicken durfte, bereits an Hazel unterwegs gewesen waren, so daß er ihr nicht mehr schreiben konnte, sie werde ihn am kommenden Sonntag nicht besuchen dürfen. So etwas wie eine Liste von Vorschriften gab es nicht, anhand deren man als...
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Autor

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling >Zwei Fremde im Zug