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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am20.03.2024
Uli Wehmeiers ganzes Leben ist in Frage gestellt. Seine Frau erträgt die Besessenheit, mit der er sich in seine Arbeit als Werbetexter kniet, nicht mehr. In der Agentur fühlt er sich durch die Schikanen des neuen Creative Director immer stärker eingeengt und abgewürgt. Wehmeier reagiert auf seine Art, er spielt mit dem Gedanken an einen Mord, als könne er so die Bedrohung seiner Existenz abwehren.

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.
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Produkt

KlappentextUli Wehmeiers ganzes Leben ist in Frage gestellt. Seine Frau erträgt die Besessenheit, mit der er sich in seine Arbeit als Werbetexter kniet, nicht mehr. In der Agentur fühlt er sich durch die Schikanen des neuen Creative Director immer stärker eingeengt und abgewürgt. Wehmeier reagiert auf seine Art, er spielt mit dem Gedanken an einen Mord, als könne er so die Bedrohung seiner Existenz abwehren.

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257614220
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum20.03.2024
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1001 Kbytes
Artikel-Nr.13991142
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Herr Nowakowski als Leiche: Das mußte ein beglückender Anblick sein. Beruhigend. Entspannend.

Statt des Sportjacketts, dessen Eleganz einem in die Augen schnitt, ein ordinärer Totenkittel. Nein, das wohl doch nicht. Wahrscheinlich würde er rechtzeitig vor seinem Ableben verfügen, wie seine Leiche auszustatten sei. Ein Hemd mit schmalen, offenstehenden Rüschen vielleicht. Weiße Seide, dreiviertellanger Ärmel, ein leger geschnittenes Shirt, als ginge er zu einer seiner Partys.

Und die Hände nicht falten, du lieber Gott, wie sähe das denn aus! Vielmehr eine Hand abwärts gestreckt, die andere auf die Brust gebreitet, wie in einer ausdrucksvollen Bewegung. Das würde dem Arrangement den Reiz des Asymmetrischen verleihen. Wir bringen Leben in die Sache, und wenn Sie uns Steine zu verkaufen geben.

Aber tot wäre er trotzdem. Statt des dynamischen Redeflusses, der mal samtenen, mal stahlharten Blicke nur noch Stille, Starre. Eben noch hat er den Staub aufgewirbelt mit seiner Performance. Und jetzt liegt er da wie ein aufgeputzter Sack Zement, es knirscht ein wenig, wenn man den Finger hineindrückt. In der Luft hängt noch dieser Hauch von Eau d´Homme, Les Créations Jim Morgan, Inc. Das Parfum für ganz wenige. Die Fenster auf! Sobald sie ihn abgeholt und in die Grube haben fahren lassen, wird auch das spurlos verweht sein.

»Hören Sie mir überhaupt zu?« Nowakowski beugte sich vor, er ließ den Blick ins Stählerne changieren.

»Natürlich höre ich Ihnen zu. Sie sind doch nicht zu überhören.«

»Sparen Sie sich die Ironie. Das imponiert mir nicht. Damit werden Sie mich nicht los.«

Da hatte er leider recht. Damit war Herr Nowakowski nicht aus dem Wege zu räumen. Und ans Sterben dachte der auch nicht. Der war kerngesund mit seinen dreiundvierzig Jahren. Jeden Morgen das Fitness-Training auf der Terrasse des Penthouses. Zweimal im Jahr zum Skilaufen, ein halbes dutzendmal zum Segeln, die Stirnglatze behielt auch im Winter die sportive Bräune. War vermutlich unerläßlich, um seine jungen Freunde bei der Stange zu halten.

Nein, wer den loswerden wollte, der mußte ihn schon totschlagen. Erstechen, hinterrücks. Oder vergiften. Über das Geländer der Dachterrasse stoßen, hoppla, die Hantel war wohl zu schwer, er hat sie zu dynamisch gestemmt und ist ins Taumeln geraten, kippt über das Geländer und folgt seiner Hantel, acht Stockwerke tief. Er hatte noch so viel vor.

Aber so beglückend wäre der Anblick dann vielleicht auch nicht mehr. Ganz so eklig hat man´s ihm nun doch nicht gewünscht.

»Würden Sie jetzt vielleicht die Güte haben, mir stichhaltig zu erklären, warum Sie eine gute Stunde lang nicht an Ihrem Arbeitsplatz zu finden waren?«

Man kann´s ihm gar nicht eklig genug wünschen. »Wollen Sie hier im Ernst Fabrikmethoden einführen? Ich war im Atelier.«

»Im Atelier waren Sie nicht, da habe ich Sie suchen lassen. Sie waren auch sonst nirgendwo zu finden, jedenfalls nicht in diesem Haus. Und was die Fabrikmethoden angeht, da will ich Ihnen mal was erzählen, mein lieber Herr Wehmeier ...«

Ich mußte mal an die frische Luft, du Arschloch. Aber das geht dich nichts an.

Irgendwas stimmt nicht mit Marion. So aggressiv wie heute morgen war sie früher nie. Jedenfalls nicht, wenn Jens dabei war.

Er hat noch nie geheult, wenn er einen Streit mitbekam. Ist höchstens mal abgehauen. Aber jetzt steigt er auf einmal von seinem Küchenstuhl herunter, läßt den Kakao stehen, baut sich auf in seinem T-Shirt und den Hosen, die ihm noch ein bißchen zu weit sind und bis auf die Knie reichen, mit seinen spillrigen Beinen in den großen Schnürschuhen, steht da stocksteif und fängt an zu brüllen wie am Spieß. Kneift die Lider zu, aber die Tränen schießen ihm aus den Augen, sein ganzes Gesicht ist naß. Und der Hund verzieht sich, er kriecht in seinen Korb, legt die Kinnlade auf den Rand und läßt die Augen wandern, man sieht das Weiße in seinen Augen, so strengt er sich an, die Katastrophe zu verfolgen, ohne sie durch eine auffällige Kopfbewegung auf sich zu ziehen.

»Diese Methode, Herr Wehmeier, einfach nicht zuzuhören, wird Ihnen nicht nutzen. Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, als das ernstzunehmen, was ich Ihnen sage. Sehr ernst.«

Und alles nur wegen dieser dämlichen Wanderung. Was zum Teufel findet Marion nur an diesen Leuten? Schnüren jeden Sonntagmorgen beim ersten Glockenschlag ihre Schuhe, als hätten sie Wanzen im Bett.

»Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Na klar. Alles klar. Roger.«

Das war offenbar eine Drehung zuviel. Nowakowski stemmte die Hände auf den Schreibtisch, als wolle er aufspringen. Er biß auf die Zähne, die Wangenmuskeln spielten. Nach einem tiefen Atemzug sagte er: »Herr Wehmeier, Ihres Bleibens in diesem Hause wird, so vermute ich, nicht mehr lange sein. Hier sind, bevor ich meine Aufgabe übernommen habe, einige Sitten eingerissen, an denen schon größere Unternehmen pleite gegangen sind. Aber das wird hier nicht passieren. Ich werde diesen Saustall schon auf Vordermann bringen, verlassen Sie sich drauf.«

»Das würde Herrn Verweerth aber freuen, wenn er das hörte.«

»Was Herrn Verweerth freuen wird, das überlassen Sie mal mir.« Er hob den Telefonhörer ab und wählte. »Nowakowski, Herr Verweerth. Herr Wehmeier hat sich wider Erwarten eingefunden. Wir können jetzt rüberkommen, wenn Sie wollen.«

Verweerth blätterte in Papieren. Er hob ein Blatt vor die Augen, legte den Kopf in den Nacken und las durch die Halbkreise der Brillengläser, strich sich den Bart. Dann legte er das Blatt ab, senkte den Kopf und sah über die Gläser. »Wo haben Sie denn gesteckt, Uli?«

»Ich bin mal um den Block gelaufen.«

»Probleme?«

»Ach. Nichts Besonderes. Ich mußte nur mal frische Luft schnappen.«

Verweerth nickte. Nowakowski, der schon den Mund geöffnet hatte, schloß ihn wieder. Er ließ sich im Sessel vor Verweerths Schreibtisch nieder, schlug die Beine übereinander, lehnte sich zurück, stützte das Kinn in die Hand, hob die Augenbrauen und setzte ein verhaltenes Lächeln auf. Ein Beobachter, der unversehens zum Zeugen eines ebenso unglaublichen wie grotesken Vorgangs geworden ist.

»Setzen Sie sich doch, Uli.« Verweerth wies auf den Stuhl an der Seite des Schreibtischs. »Woran arbeiten Sie im Augenblick?«

»An den Anzeigen für die Stadtsparkasse.«

Fall 3: Am Sonntagmorgen ruft die Traumfrau an, die Ihnen bisher nur Körbe gegeben hat. Ob Sie denn Zeit hätten heute abend, für einen kleinen Stadtbummel vielleicht? Sie haben Zeit - aber nicht so viel Geld im Haus, wie Sie mit ihr ausgeben möchten. Na und? Mit der Scheckkarte der Stadtsparkasse können Sie sich Ihr Geld aus unseren Automaten holen. Tag und Nacht. An 61 Filialen im ganzen Stadtgebiet. Natürlich: Ein Konto müssen Sie schon bei uns haben.

Denn wer hat, dem wird gegeben.

»Wie weit sind Sie denn damit?« Verweerth sah über die Brille.

»Ungefähr fertig.«

Nowakowski zog die Hosenfalte gerade. »Ich darf daran erinnern, daß die Präsentation am Mittwoch nächster Woche stattfinden soll. Und wie ich von Herrn Cvetkovic höre, hat er für das Layout noch keinen einzigen Text zu sehen bekommen.«

Sieh mal an, Zwetschko, dieser krumme Hund. Bohrt tagelang in der Nase, macht alles nur auf die letzte Minute, aber schwärzt andere Leute an.

»Schaffen Sie das, Uli?«

»Ich denke schon.«

Nowakowski lächelte. »Ich hab ja gleich gewarnt.« Er hob die Stimme: »Denn wer hat, dem wird gegeben!« Er schüttelte den Kopf. »Aus einem so ledernen Spruch lassen sich doch keine Funken schlagen. Damit muß man die Leute doch spätestens nach der dritten Schaltung anöden.«

»Das ist kein lederner Spruch. Das steht im Matthäus-Evangelium. Kapitel dreizehn, Vers zwölf.«

Denn wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.

»Hochinteressant, wirklich!« Nowakowski führte einen mühsam beherrschten Anfall von Heiterkeit vor, indem er die Schultern und den Bauch zucken, die Stimme ein wenig glucksen ließ. »Sagen Sie mal, Herr Wehmeier, ist es möglich, daß Sie die Arbeit in einer Werbeagentur mit der Bibelforschung verwechseln?«

Verweerth zog die Stirn zusammen. »Jetzt laßt es mal gut sein! So schlecht ist der Spruch nicht. Liegt voll im Trend.«

»Oder voll dagegen.« Nowakowski nahm ein Partikelchen vom Hosenbein. »Ich habe, wenn ich mich recht erinnere, schon gleich darauf hingewiesen, daß das auch als antikapitalistische Stimmungsmache verstanden werden kann.«

»Ja, das haben Sie.« Verweerth nahm die Blätter auf. »Uli, sehen Sie zu, daß Sie möglichst bald mit dem Auftrag fertig werden. Ich hab nämlich was Neues für Sie. Ziemlich eilig. Müßte Ihnen aber liegen.«

Die Stadtwerke? Glauben Sie nur ja nicht, daß wir Ihre Scheiße unbesehen ins Wasser pumpen. O nein: Wir bereiten sie auf, umweltfreundlich. Mit hohen Kosten - den Gewinn haben Sie. Oder vielleicht eine Sun Tan Lotion? Verleiht dem Arsch eine gesunde Gesichtsfarbe. Oder ganz was Schwieriges? Salat aus Tschernobyl vielleicht?

»Hundefutter.« Verweerth reichte die Blätter über den Schreibtisch. »Sehen Sie sich das mal an, Epple & Cie., sie haben sich eine Chance ausgerechnet, in den Markt reinzukommen. Ich hab gedacht, der Markt ist proppenvoll, aber was die da ausbaldowert haben, klingt ganz vernünftig. Natürlich muß die Kampagne ziemlich ausgefallen sein, also nicht...
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