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Ein Spiel für die Lebenden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.02.20201. Auflage
Freundschaft, Eifersucht und Trauer sind die Themen dieses frühen Highsmith-Romans, in dem zwei Männer dieselbe Frau lieben und sich gegenseitig des Mordes verdächtigen, als Lelia entstellt und blutüberströmt in ihrem Haus in Mexiko liegt. Keiner der ungleichen Freunde wills gewesen sein, und keiner will, daß der andere es war: Theodore, reicher deutscher Künstler, zurückhaltend, gelassen; Ramón, armer mexikanischer Tischler, temperamentvoll, aufbrausend.
'

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextFreundschaft, Eifersucht und Trauer sind die Themen dieses frühen Highsmith-Romans, in dem zwei Männer dieselbe Frau lieben und sich gegenseitig des Mordes verdächtigen, als Lelia entstellt und blutüberströmt in ihrem Haus in Mexiko liegt. Keiner der ungleichen Freunde wills gewesen sein, und keiner will, daß der andere es war: Theodore, reicher deutscher Künstler, zurückhaltend, gelassen; Ramón, armer mexikanischer Tischler, temperamentvoll, aufbrausend.
'

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling ?Zwei Fremde im Zug?, dessen Verfilmung von Alfred Hitchcock sie über Nacht weltberühmt machte. Patricia Highsmith starb 1995 in Locarno.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257608342
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum26.02.2020
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse934 Kbytes
Artikel-Nr.5081966
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1


Der Glaube rechnet mit jedem Zufall ...

Und wenn du verstehen willst, daß du lieben mußt,

dann ist deine Liebe auf ewig gesichert.

S. Kierkegaard


Bei den Hidalgos war etwas los, genau wie Theodore es erwartet hatte. Er sah zu den vier erleuchteten Fenstern im ersten Stock hinauf, aus denen Gelächter und einladendes Stimmengemurmel drang, rückte die schwere Mappe unter seinem rechten Arm zurecht, so daß er sie besser halten konnte, und fragte sich bereits zum zweiten Mal, ob er bei den Hidalgos klingeln oder wieder ein Taxi suchen und direkt nach Hause fahren sollte.

Zu Hause war es sicher kalt, die Möbel würden mit Tüchern abgedeckt sein. Inocenza, sein Dienstmädchen, war noch auf Besuch bei ihrer Familie in Durango, weil er ihr kein Wort von seiner Rückkehr geschrieben hatte. Außerdem war es noch nicht einmal Mitternacht, der Abend vor dem fünften Februar, einem nationalen Feiertag. Niemand würde morgen arbeiten. Andererseits schleppte er einen Koffer, eine Zeichenmappe und eine Leinwandrolle mit sich herum. Und eingeladen hatte man ihn auch nicht, doch bei den Hidalgos war das nicht so wichtig.

Oder sollte er lieber zu Lelia fahren? Der Gedanke war ihm schon vorhin gekommen, auf dem Flug von Oaxaca hierher, und er wußte nicht, welche Eingebung ihn zu den Hidalgos geführt hatte. Er hatte Lelia geschrieben, daß er heute abend nach Mexiko City zurückkehren würde; vielleicht wartete sie sogar auf ihn. Sie besaß kein Telefon. Doch falls sie nicht gerade malte, machte es ihr nichts aus, wenn er zu den unmöglichsten Zeiten hereinschneite. Lelia war so gutmütig! Er beschloß, erst zu den Hidalgos und danach zu Lelia zu fahren, es sei denn, es würde zu spät.

Er ging zur Tür, stellte den Koffer ab und drückte fest auf die Klingel. Er schellte kein weiteres Mal, obwohl es bestimmt zwei Minuten dauerte, bis jemand aufmachte. Es war Isabel Hidalgo.

»Theodore, du bist wieder da!« begrüßte sie ihn auf englisch. Dann fuhr sie auf spanisch fort: »Komm herein. Wie schön von dir. Komm mit nach oben. Wir haben ein volles Haus.«

»Danke, Isabel. Ich bin gerade aus Oaxaca zurück.«

»Wie aufregend!« Isabel ging direkt ins Wohnzimmer, winkte und verkündete: »Theodore ist da! Carlos, Theodore ist da!«

Theodore setzte den Koffer in der kleinen Diele so ab, daß er möglichst nicht störte, lehnte die Zeichenmappe dagegen und stellte die Leinwandrolle neben den Koffer.

Carlos kam in die Diele, einen Drink in der Hand. Er trug eines seiner verwegen gemusterten Tweedjackets. »Don Theodore!« rief er und schlang einen Arm um ihn. »Sei gegrüßt! Komm herein und trink einen Schluck!«

Die meisten Gäste waren Männer, die grüppchenweise in Zimmerecken standen oder auf den beiden rechteckigen Ausziehsofas saßen, als unterhielten sie sich schon eine ganze Weile, ohne ihre Körperhaltung verändert zu haben. Theodore kannte kaum die Hälfte von ihnen und wollte nicht jedem einzeln vorgestellt werden, doch Carlos mit seiner ungestümen Energie, die noch größer schien, wenn er trank, schleppte ihn reihum von Gast zu Gast, sogar zu den Kindern - zwei amerikanischen Blondschöpfen, die auf einem zur Wand gedrehten Sofa schliefen.

»Nicht aufwecken, bloß nicht aufwecken«, protestierte Theodore rasch.

»Wo hast du dich rumgetrieben?« fragte Carlos.

»Ich war in Oaxaca«, sagte Theodore und lächelte. »Ich habe im letzten Monat ein halbes Dutzend Bilder gemalt.«

»Zeig her!« Er strahlte über das ganze Gesicht.

»Jetzt nicht. Hier ist nicht genug Platz. Ich hatte eine wunderbare Zeit. Ich ...« Er hielt inne, weil Carlos davongestürmt war. Vielleicht wollte er ihm etwas zu trinken holen.

Theodore drehte sich langsam um und suchte nach einer Sitzgelegenheit. In der vagen Hoffnung, es könnte Lelia sein, musterte er flüchtig eine vom Flur hereinkommende Frau, aber sie war es nicht. Jemand rempelte ihn an. Der milde Qualm amerikanischer Zigaretten durchzog das Zimmer, in dem sich fünf oder sechs Amerikaner aufhielten, vermutlich Professoren und Dozenten vom Mexico City College oder von der Ciudad Universidad, an der Carlos Hidalgo Theaterwissenschaften unterrichtete. Auf einem Beistelltisch neben einem der Sofas standen mehrere Flaschen Gin und Whisky sowie einige Gläser.

Mit einem frischen Drink, der wohl für ihn gedacht war, und dem eigenen, halb ausgetrunkenen dunklen Glas bahnte sich Carlos einen Weg von der Küche quer durch das Zimmer und warf jedem ein paar Worte zu. Er war neunundzwanzig, sah aber mit seinem straffen Gesicht jünger aus, weil man unwillkürlich an einen hübschen zehnjährigen Jungen denken mußte. Theodore nahm an, daß es dieser jungenhafte Charme war, den die etwas ältere Isabel so attraktiv fand. Schade nur, dachte er, daß er ein verzogener Junge war. Was Frauen anging, hielt sich Carlos für einen Experten, und vor seiner Heirat mit Isabel - die übrigens so still war, wie man es bei einem Frauenheld wie ihm nicht anders erwarten konnte - hatte er pro Jahr mindestens ein Dutzend Affären gehabt und Theodore gerne davon erzählt. Theodore hörte ihn lieber über seine Arbeit reden und hoffte stets, daß die ziemlich unkritische, für mexikanische Theaterleute aber so typische Begeisterung irgendwann auch auf das Niveau abfärbte. Doch Carlos behauptete, man habe in Mexiko für intellektuelle Dramen nichts übrig. Die Leute verstünden sie nicht oder wüßten einfach nichts mit ihnen anzufangen. Schließlich war Carlos bis zu ihm vorgedrungen, drückte ihm ein Glas Whisky mit Soda in die Hand, hastete wieder davon und rief dabei nach seiner Frau.

Als Theodore zwei flüchtige Bekannte an einem Fenster stehen sah, ging er zu ihnen und sagte: »Guten Abend, Don Ignacio. Wie geht es Ihnen?«

Señor Ignacio Ortiz y Guzman B. leitete eine der staatlich geförderten Kunstgalerien der Stadt. Einmal, vor Monaten, hatte er sich hier in diesem Haus lange mit ihm über Malerei unterhalten. Der andere Mann hieß Vincente Soundso, und Theodore hatte vergessen, was er von Beruf war.

»Malen Sie noch?« fragte Ortiz y Guzman B.

»Ja. Ich bin gerade aus Oaxaca zurück«, erwiderte Theodore, »da habe ich einen Monat gemalt.«

Ortiz y Guzman B. musterte ihn, schien ihn aber nicht gehört zu haben. Der Mann namens Vincente bot einer Frau in seiner Nähe zuvorkommend Feuer an.

Theodore fiel nichts ein, was er sagen konnte, und es entstand ein verlegenes Schweigen. Die beiden Männer begannen, sich wieder zu unterhalten. Theodore mußte an andere Gelegenheiten denken, bei denen er auf Partys oder bei einem Essen etwas gesagt hatte - zugegebenermaßen nichts Wichtiges - und vollständig ignoriert worden war, so als wäre das Gesagte unhörbar oder eine unsägliche Obszönität gewesen. Er fragte sich, ob anderen Leuten dies ebensooft wie ihm passierte. Unbedeutender aussehenden Männern, fand er, wurde zugehört, wie geistlos ihre Bemerkungen auch sein mochten. Die beiden Männer unterhielten sich mittlerweile über jemanden, den Theodore nicht kannte, und zu spät fiel ihm ein, daß Ortiz y Guzman B. vielleicht gern erfahren hätte, daß er gebeten worden war, bei einer Gruppenausstellung im Mai vier Bilder in einer der I.N.B.A.-Galerien auszustellen. Kurz darauf schlenderte Theodore davon und blieb an einer Wand stehen. Bestimmt wurde er nicht öfter ignoriert als alle anderen auch.

Theodore Wolfgang Schiebelhut war dreiunddreißig, schlank und groß - groß vor allem im Vergleich zum Durchschnittsmexikaner. Das helle, mit dunkelblonden Strähnen durchsetzte Haar lag an den Schläfen dicht an, war aber oben ziemlich wuschelig und ungescheitelt. Er machte eine gute Figur, lächelte gern, und sein Gang und seine ganze Art waren von einer Leichtigkeit, die ihm selbst dann, wenn er deprimiert war, etwas Jugendliches und Beschwingtes verlieh. Man hielt ihn meist für einen fröhlichen Menschen, obwohl seine Gedanken oft die eines Pessimisten waren. Da er aber von Natur und Erziehung aus höflich war, kaschierte er seine Niedergeschlagenheit. Gewöhnlich hatten seine Stimmungen keine von ihm oder sonstwem erkennbare Ursache, und er fand, er hätte kein Recht, sie seinem sozialen Umfeld zu zeigen. Er hielt die Welt für bedeutungslos, erwartete kein anderes Ende als das Nichts und nahm an, daß die Errungenschaften der Menschheit letztlich dem Untergang geweiht waren - kosmische Scherze, genau wie der Mensch selbst. Dank dieser Auffassung glaubte er natürlich auch, daß man aus dem Gegebenen das meiste machen sollte, aus der kurzen Zeit, dem kurzen Leben; daß man versuchen sollte, so glücklich wie möglich zu werden und dabei, wenn möglich, andere glücklich zu machen. Theodore fand, daß er so glücklich war, wie man dies vernünftigerweise in einem Zeitalter nur sein konnte, in dem die Atombombe und die allgemeine Vernichtung drohten, auch wenn ihm das Wort »vernünftigerweise« in diesem Zusammenhang zu schaffen machte. Konnte man vernünftigerweise glücklich sein?

»Wir freuen uns ja so, daß du vorbeigekommen bist, Teo«, sagte Isabel Hidalgo. »Carlos hat erst heute morgen gemeint, daß du eigentlich schon wieder zurück sein müßtest. Wir wollten dich für heute abend einladen und haben sogar bei dir angerufen.«

»Muß wohl Gedankenübertragung gewesen sein«, sagte Theodore lächelnd. »Carlos sieht müde aus. Arbeitet er zuviel?«

»Na ja, wie immer. Alle sagen, er sollte sich mal eine Pause gönnen.« Sie lächelte, aber ihre blaugrauen Augen sahen irgendwie traurig aus. »Zusätzlich zu seinem Unterricht an der Universität leitet...
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Autor

Patricia Highsmith, geboren 1921 in Fort Worth/Texas, wuchs in Texas und New York auf und studierte Literatur und Zoologie. Erste Kurzgeschichten schrieb sie an der Highschool, den ersten Lebensunterhalt verdiente sie als Comictexterin, und den ersten Welterfolg erlangte sie 1950 mit ihrem Romanerstling >Zwei Fremde im Zug