Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Station am Horizont

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am20.08.20201. Auflage
Zum Abschluss der großen Remarque-Edition: seine frühen Romane. Die Geburt eines großen Erzählers! »Station am Horizont« erzählt vom Lebemann und Rennfahrer Kai, von Männerfreundschaft und Rivalität, von drei Frauen, von Ruhelosigkeit und Exzess in einer trägen, verwöhnten Gesellschaft. Es ist der vielleicht schönste der frühen Romane Remarques, eine Verknüpfung von Liebesgeschichte, mondänem Gesellschaftsleben, Autorennen und exquisiten Dialogen. Ein Buch, das viele interessante Querverbindungen zu späteren Werken des Autors aufweist.

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1939 lebte Remarque in den USA und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextZum Abschluss der großen Remarque-Edition: seine frühen Romane. Die Geburt eines großen Erzählers! »Station am Horizont« erzählt vom Lebemann und Rennfahrer Kai, von Männerfreundschaft und Rivalität, von drei Frauen, von Ruhelosigkeit und Exzess in einer trägen, verwöhnten Gesellschaft. Es ist der vielleicht schönste der frühen Romane Remarques, eine Verknüpfung von Liebesgeschichte, mondänem Gesellschaftsleben, Autorennen und exquisiten Dialogen. Ein Buch, das viele interessante Querverbindungen zu späteren Werken des Autors aufweist.

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1939 lebte Remarque in den USA und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462321531
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum20.08.2020
Auflage1. Auflage
ReiheKIWI
Reihen-Nr.576
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3595 Kbytes
Artikel-Nr.5171224
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


zurück

I


Kai überraschte sich bei dem Gedanken, daß er jetzt seit einem Jahr wieder zu Hause war, in der Landschaft, in der er seine Jugend verbracht hatte, und unter Menschen, mit denen er aufgewachsen war. Er hatte sie immer, wenn er zurückkam, so wiedergefunden, wie er sie verlassen hatte; - die Gräfin Ghest, die eine Vorliebe für Zitronengebäck und romantische Musik besaß, den weißhaarigen Herrn von Croy, die Geschwister Holgersen. Nur die junge Barbara war kein Kind mehr wie damals.

Man saß noch auf der Terrasse vor dem Herrenhause. Die Türen zum Musikzimmer wurden geöffnet, weil man es stimmungsvoll fand, zur Musik einigen Herbstimpressionen Raum zu geben. Der Park mit den welkenden Blättern bot dafür eine gute Silhouette. Nachher würde sich das Diner um so freundlicher gestalten; - gemäßigte Paraphrasen über die Vergänglichkeit beleben den Appetit.

Ruhig und seßhaft, nahe dem Boden, floß das Dasein hier dahin, beherrscht von der Atmosphäre der Jahreszeiten und gestützt von den Terminereignissen des Tages; - es war wichtiger, an Saat und Ernte zu denken als an das Herz. - Einer lebte wie der andere, ohne großen Unterschied; - man kannte sich zu lange, um noch viel geben zu können, und begegnete sich deshalb am liebsten auf dem mittleren Niveau gesunder Praxis. Keinem wurde es unerträglich, daß sich das Dasein in kleinen Intervallen endlos wiederholte, und niemand ahnte, wie sehr pausenloses Beieinander korrumpierte und statt sanfter Spannung geschwätzige Öde förderte.

Der Wind rauschte in langen Stößen durch die Wipfel der Platanen und übertönte manchmal die Musik. Hinter den Bäumen stand ein verspätetes Wetterleuchten.

Kai wurde unruhig; er empfand plötzlich, daß Minuten und Sekunden seines Lebens ohne Wiederkehr versanken, während er hier mit halber Teilnahme saß; - immerfort ging lautlos irgendwo der Strom der Zeit, rätselhaft und beängstigend in seinem unaufhaltsamem, schattenhaften Vergleiten, ohne Aufhören wie ein unerbittliches Verbluten.

Er konnte es nicht mehr ertragen; - mit einem Vorwand verabschiedete er sich und ging zu den Stallgebäuden, um sein Pferd zu holen und über die Heide nach seinem Hause zu reiten.

 

Im warmen Halbdunkel, das nach Streu und Tieratem roch, lag Frute, seine blaue Dogge, zwischen den Pferden. Sie sprang auf, als sie seinen Schritt hörte, und stürmte bellend und erregt voraus.

Draußen ging ihr Gebell in freudiges Winseln über. Kai horchte auf. Im Ausschnitt der Tür stand die junge Barbara und rief: »Ich will ein Stück mit Ihnen reiten, Kai; - es ist ein Abend dafür. Hinter der Heide steht sogar noch ein Gewitter.«

Sie lehnte sich an die Box und sah ihm zu. Ihr Gesicht war vom Dunkel des Raumes verschattet, der Mund und die Stirn schienen nur angedeutet zu sein in den Konturen, verschwimmendes Bleiches und Dunkles von seltsamem Reiz. Das schwache Licht der Fenster spiegelte sich in ihren Augen.

Kai sah, wie etwas in ihr fortstrebte, von dem sie selbst noch nichts ahnte. Sie war ihm gefolgt, weil sie glaubte, reiten zu wollen; aber es ging um mehr.

Zwischen den nahen Leibern der Tiere, zwischen dem glatten Fell des Pferdes und dem blanken Haar des dicht herangedrängten Hundes, zwischen Stampfen und leisem Schnauben und Kettengeklirr nahm er ihre Hände, eindringlich: »Barbara, immer wenn ich fort war und zurückkam, waren Sie gewachsen, und es war schön, Sie wiederzufinden. Sie dürfen auch nie fortgehen, glauben Sie mir, Sie gehören hierher, in dieses Herrenhaus mit seinen Linden und Platanen, den Hunden und Pferden. Man sollte nie fortgehen oder nie wiederkommen; denn man findet doch niemals ganz zurück und bleibt im Zwiespalt. Sie aber, Barbara, gehören hierher, in die Stille, um sich selbst zu leben und die einfachen Dinge des Lebens zu tun.«

Ihre Hände zuckten in den seinen. Sie antwortete nicht. Ein Schweigen wuchs zwischen ihnen auf und verdichtete sich zur Erwartung.

Er zerbrach es, ehe es bedeutungsvoll wurde: »Wir wollen Ihre Stute satteln, Barbara -«

 

Sie ritten nebeneinander her. Hinter dem Park lagen Felder und Äcker, dazwischen das Dorf; dann begann die Heide mit Birken, Wacholderbüschen und Runensteinen. Am Horizont stand Gewölk. Die krausen Adern des Wetterleuchtens zuckten darin auf. Die Pferde hoben die Köpfe. Ein Wind, der vor dem Wald gelauert hatte, überfiel den Abend.

»Aber Sie wollen wieder fort, Kai?«

»Ich weiß es nicht - vielleicht.« Kai beugte sich rasch herunter und richtete sich wieder auf. »Vielleicht, Barbara.«

Sie ritten schneller. Der Weg führte eine Anhöhe hinauf. Von oben hatte man den Blick in die Weite. Sie zügelten die Tiere. Schatten hielten den Hügel umkreist und duckten sich zwischen Gestrüpp und Steinen heran. Hinter ihnen schwamm die Heide in leicht gebuckelter Dunkelheit.

Das Wetterleuchten war stärker geworden. In seinem fahlen Schein wurde jedesmal das Dorf, das am Horizont lag, wie eine Vision aus der Nacht gerissen. Ganz deutlich zeigte das heftige Licht die Dächerreihen und den niedrigen, hellen Turm, es flammte auf und erlosch, als wäre alles in einen Abgrund gestürzt. Der sekundenkurze Blick glich einer Fata Morgana der Ferne, einem unwirklichen Traumbild, weil kein Donner in den Wechsel von Licht und Dunkelheit hineinmurrte. -

Ein Eisenbahndamm schnitt in gerader Linie durch das Gelände. Die Schienen liefen darüber wie eine starke, glänzende Verheißung, wurden silberner und matter und mischten sich weit hinten zu einem phosphoreszierenden Punkte.

Sie laufen in die Unendlichkeit , dachte Kai. Rhythmisch unter ihm ging der Pferderücken, - weit und lang dehnte sich der Schienenstrang hinaus, - die Nacht war durchweht von Winden und Blitzen. - Er rief zu Barbara hinüber: »Wir wollen langsam reiten - um diese Zeit muß ein Zug kommen -«

Das Beben rollte durch den Boden und rumorte unterirdisch heran. Metallen klangen plötzlich die Drähte am Bahndamm und sangen hoch über dem Dröhnen, das stärker wurde; - eine Kette Signallampen lief aufblinkend wie eine Schnur stehengebliebener Blitztümpel durch die Ebene, geräuschlos klappte der Querzeiger des Signalmastes hoch, Scheinwerfer schwollen über den Schienen empor, schleppten eine Fülle bleichen Lichtes vor sich her, und mit langen, hellerleuchteten Wagen zischte der Expreß an den Schauenden vorüber, - ein Blick in ein Fenster, - Menschen, - eine Gestalt, die sich an die Scheiben lehnte - eine Frau, ein Mann? - Vorbei, - schon schaukelten bunt die Schlußlichter des Zuges über die Heide, und die dröhnenden Schienen wurden leiser.

Kai hockte im Sattel, die Fäuste fest aufgestemmt. Eine helle Insel war wie ein Komet durch die Landschaft gesaust, aus dem Unbekannten kommend und im Unbekannten verschwindend, Menschen darin, zusammengeführt vor Stunden, auseinanderströmend nach Stunden, eine Fracht Schicksale, die in erleuchteten Kabinen durch das Dunkel schoß - ein Wirbel von Geheimnissen fegte hinter ihnen her und wurde zu phantastischer Lockung, - über die Ränder der Ebene, aus Wolken und Schatten, aus Boden und Nacht schienen Stimmen aufzuklingen, verworren und verwirrend, ein Meer, eine Brandung, die wogte und rief - -

Der erste Donner grollte über die Heide. Kai richtete sich auf. Er lächelte Barbara zu und faßte in ihre Zügel: »Barbara, Sie haben recht gehabt; ich will wieder fort. Ich werde reisen, gleich abreisen. Leben Sie wohl, ich danke Ihnen die schönste Sekunde -«

Er ließ die Zügel los und wollte davonreiten. Doch das Gesicht des Mädchens hielt ihn noch, da war noch etwas zu sagen, etwas Bestimmtes und Wichtiges, aber es wollte sich dem Wort nicht ergeben, es ließ sich nicht fassen von den suchenden Begriffen, es glitt unter ihnen hinweg und war fort im Strudel der Bilder. Eilig und fast heftig griff er zu in das Ungefähr, rief hinüber: »Ich komme wieder -«

Doch das war es auch noch nicht, aber die Zeit drängte, lebendig geworden, als versäume jede Minute ein Leben, das Pferd drehte sich und stampfte, angesteckt von der Unruhe des Reiters -

Da hob die junge Barbara den Kopf und machte eine Bewegung - Kai begriff. Er wendete wieder den Pferdehals, er wollte mehr, heranreiten zu dem Mädchen -, er wußte, sie würde still an seiner Brust liegen - doch er wußte auch: das »Nicht« war noch stärker, das Verhaltene war tiefer, in dieses Blut durfte keine Unruhe geworfen werden, er ließ sich nicht frei, drückte einen Augenblick vor dem Aufbrausen der Welle hart das Pferd herum, winkte und galoppierte, ohne den Blick zurückzugeben, den Abhang hinunter, seinem Hause zu. Vor ihm flog die Dogge durchs Kraut wie ein blauer Fuchs.

 

Kai ritt in den Hof ein, brachte das Pferd zum Stall, begann selbst, es abzureiben, hörte aber bald auf, gab dem Knecht Bürsten und Tücher und ging zu seinen Zimmern hinauf.

Da standen beherrschend und mächtig metallbeschlagene, große Koffer, abgestoßen an den Ecken, verschabt und verkratzt auf den Seiten, aber buntbeklebt, übersät mit Zetteln und Hotelmarken, - jeder Zettel eine Station, eine Flucht wie Möwen aufblitzender Tage, eine Erinnerung. Auf der Kante, halb herumgeklebt, der charakteristische Zettel von Mena House - Palmen, Wüste, Pyramiden, der schiefergraue Nil, Militärmusik vor dem Speisesaal des Shepheards, die Golfplätze des...
mehr

Autor

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1939 lebte Remarque in den USA und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.Thomas F. Schneider, Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums an der Universität Osnabrück, veröffentlichte zahlreiche Bücher zur Kriegs- und Antikriegsliteratur im 20. Jahrhundert und zur Exilliteratur. Er hat die Romane Erich Maria Remarques einer kritischen Durchsicht unterzogen und jeweils mit Anhang, Nachwort und weiterführender Literatur versehen.Thomas F. Schneider, Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums an der Universität Osnabrück, veröffentlichte zahlreiche Bücher zur Kriegs- und Antikriegsliteratur im 20. Jahrhundert und zur Exilliteratur. Er hat die Romane Erich Maria Remarques einer kritischen Durchsicht unterzogen und jeweils mit Anhang, Nachwort und weiterführender Literatur versehen.