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Dr. Weiss' letzter Auftrag

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
146 Seiten
Deutsch
Wallstein Verlagerschienen am03.02.2020
Dr. Weiss, der Protagonist in Lars Gustafssons letztem Roman, erlebt eine atemberaubende Reise durch Raum und Zeit. Mit seinem Auftrag, eine mythische Eisenkrone aufzuspüren, die als Intelligenzverstärker dient und seit dem Mittelalter verschollen ist, verlässt er die lineare Zeitstruktur und befindet sich an Orten, die sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit liegen können. So gerät er etwa in einem Hilbertraum in Gefangenschaft, von der er nicht weiß, ob sie mehrere Jahre oder nur wenige Minuten angedauert hat, oder trifft in einer wüstenähnlichen Landschaft auf Zwergenwesen, die sich in mit Propellern ausgestatteten Schiffen fortbewegen. Seine Reise führt ihn dabei auch in verschlossene Landschaften, die nur durch Schamanen geöffnet werden können. In einem zugleich leichten als auch dunklen und geheimnisvollen Ton führt Gustafsson in diesem Roman aus seinem Nachlass viele Motive und Themen seiner Autorschaft zusammen. In einem spannenden Szenario treffen Zukunft und Vergangenheit aufeinander und es eröffnen sich Räume, in denen eine Physik zutage tritt, die mit unseren herkömmlichen Vorstellungen von Welt nichts gemein hat.

Lars Gustafsson (1936-2016), war Schriftsteller und Philosoph. Er debütierte 1957 mit seinem ersten Roman und veröffentlichte insgesamt um die achtzig Bücher, darunter Romane und Gedichtbände. Für sein Werk erhielt Gustafsson zahlreiche nationale und internationale Literaturpreise, darunter 2009 die Goethe-Medaille und 2015 den Thomas-Mann-Preis. Verena Reichel, geb. 1945, arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen und übersetzte seit den 70er-Jahren zahlreiche Bücher von Lars Gustafsson. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, sie erhielt unter anderem 2008 den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehenen Johann-Heinrich-Voß-Preis.
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Verfügbare Formate
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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Produkt

KlappentextDr. Weiss, der Protagonist in Lars Gustafssons letztem Roman, erlebt eine atemberaubende Reise durch Raum und Zeit. Mit seinem Auftrag, eine mythische Eisenkrone aufzuspüren, die als Intelligenzverstärker dient und seit dem Mittelalter verschollen ist, verlässt er die lineare Zeitstruktur und befindet sich an Orten, die sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit liegen können. So gerät er etwa in einem Hilbertraum in Gefangenschaft, von der er nicht weiß, ob sie mehrere Jahre oder nur wenige Minuten angedauert hat, oder trifft in einer wüstenähnlichen Landschaft auf Zwergenwesen, die sich in mit Propellern ausgestatteten Schiffen fortbewegen. Seine Reise führt ihn dabei auch in verschlossene Landschaften, die nur durch Schamanen geöffnet werden können. In einem zugleich leichten als auch dunklen und geheimnisvollen Ton führt Gustafsson in diesem Roman aus seinem Nachlass viele Motive und Themen seiner Autorschaft zusammen. In einem spannenden Szenario treffen Zukunft und Vergangenheit aufeinander und es eröffnen sich Räume, in denen eine Physik zutage tritt, die mit unseren herkömmlichen Vorstellungen von Welt nichts gemein hat.

Lars Gustafsson (1936-2016), war Schriftsteller und Philosoph. Er debütierte 1957 mit seinem ersten Roman und veröffentlichte insgesamt um die achtzig Bücher, darunter Romane und Gedichtbände. Für sein Werk erhielt Gustafsson zahlreiche nationale und internationale Literaturpreise, darunter 2009 die Goethe-Medaille und 2015 den Thomas-Mann-Preis. Verena Reichel, geb. 1945, arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen und übersetzte seit den 70er-Jahren zahlreiche Bücher von Lars Gustafsson. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, sie erhielt unter anderem 2008 den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehenen Johann-Heinrich-Voß-Preis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783835344846
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum03.02.2020
Seiten146 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1841 Kbytes
Artikel-Nr.5391369
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das letzte Kapitel

Ein Monat! Welch falsches, unsicheres Versprechen! Zwei, vielleicht drei, was wusste ich! Vielleicht würde uns bald noch mehr trennen?

Mit dumpf zitterndem Rumpf bahnte sich das Passagierschiff Le Havre mit seiner Perlenkette von erleuchteten Bullaugen seinen Weg hinaus durch die Flussmündung.

Die unzähligen kleinen Fähren, die sich zwischen den Stränden bewegten, stießen ihre Signale mit scharfen, gleichsam klagenden Lauten von Steuerbord und Backbord aus, und durch die nächtliche Dunkelheit wurde ihr unruhiges Pfeifen von dem dumpferen Ton des Schiffs beantwortet.

Eine frische Brise begegnete uns draußen an den äußersten Sandbänken, die jetzt wie große Walrücken im Mondschein sichtbar wurden. Es herrschte extreme Ebbe.

Bald würden auch die letzten Lichter verschwinden, die undeutlich blinkenden Lichter, die sich vom Land her zu uns hinübertasteten.

 

Tatsächlich würde es mehr als fünfzehn Jahre dauern, ehe ich in die Stadt Worthington zurückkehrte. Es war ein warmer und klarer Junitag. Diesmal traf ich unter erheblich trivialeren Umständen ein, stieg ganz einfach aus dem Zug und betrat die verräucherte kleine Bahnhofshalle. Die Reiseplakate und Reklameschilder für diverse, längst verschwundene Zigarettenmarken, die immer noch die Wände des Wartesaals zierten, schienen sich nicht verändert zu haben. Ich war der einzige Reisende, der ausstieg.

Als ich durch das schmutzige Abteilfenster die wohlbekannte Silhouette am Horizont auftauchen sah, hatte ich für einen Augenblick eine tiefe Unruhe verspürt. In diesem Moment war sie ganz und gar verschwunden.

Auf Anraten eines alten Freundes quartierte ich mich dieses Mal in einem angesehenen, altmodischen Hotel im Zentrum der Stadt ein, gleich neben der ursprünglichen, mittelalterlichen Stadtmauer. Aufgrund der Jahreszeit gab es nur eine kleine Anzahl von Reisenden, einen älteren Herrn, der anscheinend ganze Tage im Leseraum verbrachte, mit dem Schreiben von Briefen beschäftigt, zwei magere Lehrerinnen in den Dreißigern, einen Studenten.

Nachdem ich mein verwohntes, aber gemütliches Zimmer bezogen hatte, kehrte ich ins Foyer zurück. Mein erster Impuls war, nach dem örtlichen Telefonbuch zu fragen. Dieses Anliegen weckte keine Verwunderung.

Ich ließ mich mit Papier und Bleistift nieder. Der dumpfe Schlag der Kirchturmuhren drang durch das halboffene Fenster herein, ein leichter Duft von Kirschblüten vermischte sich mit der muffigen Atmosphäre im Raucherzimmer.

Was für ein eigentümliches Gefühl! Nichts deutete darauf hin, dass eine so lange Zeit vergangen war! Der Apfelduft, der Glockenschlag, alles war genauso wie in diesem fernen Sommer vor mehr als fünfzehn Jahren. Und mit Schaudern sah ich mich im Raum um, um mich zu vergewissern, dass mich niemand erkannte. Was für eine sinnlose Unruhe!

Dr. Alberstein wohnte offenbar immer noch, wenn ich mich recht erinnerte, an der alten Adresse, in der 12 Polstead Road. Zumindest musste die Straße damals einen ähnlichen Namen gehabt haben. Und ich konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken, als ich den Namen zwischen zwei anderen Albersteins auftauchen sah, von denen der eine Ophthalmologe und der andere Versicherungsvertreter war. Hatte er je begriffen, welch eine wertvolle Hilfe er mir einmal geleistet hatte, als er mir dieses abgegriffene und fleckige Exemplar von Graf von Deyms Eurydike geliehen hatte? Ich glaube nicht.

Einen Augenblick lang spielte ich schon mit dem sentimentalen Gedanken, ihn aufzusuchen, mich wieder in den Lehnstuhl in seiner Bibliothek niederzulassen und unsere langsamen, schläfrigen Gespräche über »das Gewebe«, »die drei Schlösser« und Mozarts Musik wiederaufzunehmen, als mir plötzlich einfiel, dass dieser Alberstein die Initiale T. hatte, während der alte Sammler, Experte für seltsame Spieluhren und verzwickte Mechanismen aus dem 18. Jahrhundert tatsächlich Wilhelm von Alberstein geheißen hatte. Konnte das Telefonbuch einen Druckfehler enthalten? Aber warum gerade bei seinem Namen? Oder handelte es sich ganz einfach um einen Verwandten? Einen Sohn?

Ich blätterte weiter. Wie schnell die Jahre vergehen! Kaum ein Name war noch da! Roland Berth musste seine Studien fortgesetzt haben, er war als Leiter eines Instituts angegeben. Also war es nur ein Zufall, dass er an jenem Abend nicht zu Hause gewesen war, als ich ihn fieberhaft am Telefon zu erreichen versucht hatte. Von Betsina von Deym und ihrem extravaganten Ehemann gab es keine Spur. So viele Namen, nach denen zu suchen war, und die wichtigsten waren kaum zu finden!

Halb widerwillig - und vielleicht war dieses ganze planlose Suchen im Telefonbuch nur eine Art, den Beschluss aufzuschieben - entschied ich mich schließlich doch, Alberstein aufzusuchen.

Noch auf der Schwelle verspürte ich einen fast kindlichen Widerwillen, dem verwandt, den man als kleiner Junge empfinden kann, wenn man sich in jemandes Augen blamiert hatte, dessen Urteil etwas für seine Selbstachtung bedeutet hatte.

Als sich die Tür schließlich öffnete und er vor mir stand, konnte ich keine Veränderung entdecken, nur, dass er sich mit der rechten Hand auf einen Stock stützte und unser ganzes Gespräch über diesen Stock in Reichweite behielt. Ich konnte nicht sehen, ob er hinkte, und schon gar nicht danach fragen, wozu er ihn brauchte.

Er zeigte nicht das geringste Erstaunen darüber, mich zu sehen, und auch nicht die Geringschätzung, nach der ich die ganze Zeit unruhig in seinem Tonfall horchte. Wir bahnten uns einen Weg durch die mit Möbeln vollgestellten Zimmer, dieselben Zimmer, in denen ich mich einst in der Dunkelheit wütend zwischen Stühlen und Tischen durchgedrängt hatte, und ließen uns in dem kleinen Esszimmer nieder, wo Hastings »Die Boote bei Perth« immer noch in einsamer Majestät auf einer Tapete hing, die möglicherweise mit den Jahren ein wenig verblichen war.

Ich hatte erwartet, das Gespräch würde sich vielleicht irgendwie von selbst ergeben, er würde es auf seine rasche und energische Art mit einer Anzahl von Fragen einleiten. Viele Punkte mussten ihm noch heute unklar sein, und er musste seinen schicksalhaften Anteil an den bizarren und bestürzenden Ereignissen in jenen letzten Tagen erkannt haben.

Stattdessen schien es so, als erwartete er, dass ich das Gespräch eröffnen würde. Das hätte ich gern getan, ja, für einen Augenblick meinte ich ein fast unmerkliches Flehen in seiner Haltung wahrzunehmen. Aber wie sollte ich anfangen? Was wusste er, und was wusste er nicht?

Tatsächlich schien er, zumindest glaube ich das, wenn ich nun im Nachhinein das Gespräch überdenke, völlig uninteressiert an meinem Aufenthalt in Worthington vor fünfzehn Jahren.

Beiläufig begannen wir nun ein Gespräch, das die ganze Zeit um rein Oberflächliches kreiste, Veränderungen im Stadtbild, die neuen Flugzeugfabriken in Aft, zwei Kilometer außerhalb der Stadt, und die hässliche Brücke, welche die schöne alte Promenade verschandelt hatte, auf der ich einst Elisabeth Weed ihr fest zusammengerolltes Taschentuch entrissen hatte.

- Über die Brücke geht nun, sagte er, ein ununterbrochener Verkehr von schweren Lastwagen, Motorrädern und gewöhnlichen Autofahrern. Diese Nachtigallen, die in den Büschen neben der Ruine singen, hört man nicht mehr.

Wir trennten uns unter höflichen, aber ganz und gar unpersönlichen Förmlichkeiten; nichts von dem Vergangenen schien bei ihm eine Spur hinterlassen zu haben. Für einen Augenblick war ich beunruhigt, als er während des Gesprächs in ausweichenden Worten auf eine »persönliche Katastrophe« in längst vergangener Zeit zu sprechen kam, beruhigte mich aber schnell, als ich verstand, dass er von der tragischen Feuersbrunst sprach, bei der er das Ergebnis von mehreren Jahren anthropologischer Forschung verloren hatte. Die - wie es etwas ungenau heißt - unter einem eigenartigen Zwergenvolk betrieben wurde, das er in Kleinasien aufgespürt hatte.

Von dieser Feuersbrunst hatte ich schon bei unserem ersten Treffen auf dem Hügel außerhalb von Aft gehört. Es war ein in der Stadt wohlbekanntes Ereignis.

 

Ein paar Tage vergingen. Es herrschte wie immer noch strahlendes Juniwetter. Ich streifte umher, erneuerte die Bekanntschaft mit alten Plätzen und Orten und stellte fest, wie sich die Stadt in den vielen Jahren verändert hatte. Ich sah die alte Brücke wieder und fragte mich, was wohl aus dem dänischen Philosophen Søndertoft geworden war und welche komplizierten Gründe er gehabt hatte, mir an dem Tag von Elisabeths Verschwinden sein klappriges altes Fahrrad zu leihen. Niemand von denen, mit denen ich sprach, erinnerte sich an ihn. Für sie hätte er genauso gut nicht existiert haben können.

 

Natürlich traf ich auch Elisabeth Weed. Tatsächlich war es purer Zufall. Sie war über den Schulhof unterwegs unter den schweren, duftenden Balsampappeln, mit einem Packen unkorrigierter Aufsätze unter dem Arm. Ihr Gang war noch genauso federnd, ihre Haare genauso kohlschwarz, ihr Profil ein wenig schärfer. Lange musterte sie mich mit ihren klugen, kurzsichtigen Augen. Es war eine Enttäuschung, ich kann es nicht...
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Autor

Lars Gustafsson (1936-2016), war Schriftsteller und Philosoph. Er debütierte 1957 mit seinem ersten Roman und veröffentlichte insgesamt um die achtzig Bücher, darunter Romane und Gedichtbände. Für sein Werk erhielt Gustafsson zahlreiche nationale und internationale Literaturpreise, darunter 2009 die Goethe-Medaille und 2015 den Thomas-Mann-Preis.

Verena Reichel, geb. 1945, arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Schwedischen, Norwegischen und Dänischen und übersetzte seit den 70er-Jahren zahlreiche Bücher von Lars Gustafsson. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, sie erhielt unter anderem 2008 den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehenen Johann-Heinrich-Voß-Preis.