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Die Theologie des Wildschweins

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Eisele eBookserschienen am03.05.2021Auflage
Heiliges Wildschwein! Juli 1969. Im beschaulichen sardischen Bergdorf Telévras kommt Unruhe auf, als einer seiner Bewohner erst verschwindet und dann ermordet aufgefunden wird.  Carabiniere De Stefani, ein Piemonteser, der es als Neuling in der verschworenen Gemeinschaft ohnehin schon schwer genug hat, versucht verzweifelt, die ungeschriebenen Gesetze und gut gehüteten Geheimnisse des sardischen Bergdorfs zu lüften.  Dabei ist er auf die Hilfe des Dorfpfarrers Don Cossu angewiesen - doch am Ende kommt die Auflösung von gänzlich unerwarteter Seite ...  Ein originell erzählter Krimi voller sardischer Gerüche, Geschmäcker und üppigem Lokalkolorit, der ein traditionelles Sardinien an der Schwelle zur Moderne zeigt und mit Humor und Ironie seinen skurrilen Bewohnern ein Denkmal setzt. 'Dieser Krimi ist anders, und er ist mit einer Nonchalance und Leichtigkeit erzählt, die typisch für Sardinien ist. Spannend, humorvoll, aus immer wieder neuen Perspektiven erzählt, und mit überraschendem Ende.' Ruhr Nachrichten

Gesuino Némus (der mit richtigem Namen Matteo Locci heißt) wurde 1958 in Jerzu geboren, einem kleinen Dorf auf Sardinien. Heute lebt er in Mailand. Seit frühester Jugend hielt er sich mit verschiedensten Tätigkeiten über Wasser. Für seine mittlerweile fünf Teile umfassende Krimireihe um das sardische Dorf Telévras wurde er in Italien mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. dem Premio Campiello und dem John-Fante-Preis. Nach Die Theologie des Wildschweins und Süße Versuchung ist Die Frömmigkeit der Schafe der dritte Sardinien-Krimi, der auf Deutsch erscheint.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
HörbuchCD-ROM
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextHeiliges Wildschwein! Juli 1969. Im beschaulichen sardischen Bergdorf Telévras kommt Unruhe auf, als einer seiner Bewohner erst verschwindet und dann ermordet aufgefunden wird.  Carabiniere De Stefani, ein Piemonteser, der es als Neuling in der verschworenen Gemeinschaft ohnehin schon schwer genug hat, versucht verzweifelt, die ungeschriebenen Gesetze und gut gehüteten Geheimnisse des sardischen Bergdorfs zu lüften.  Dabei ist er auf die Hilfe des Dorfpfarrers Don Cossu angewiesen - doch am Ende kommt die Auflösung von gänzlich unerwarteter Seite ...  Ein originell erzählter Krimi voller sardischer Gerüche, Geschmäcker und üppigem Lokalkolorit, der ein traditionelles Sardinien an der Schwelle zur Moderne zeigt und mit Humor und Ironie seinen skurrilen Bewohnern ein Denkmal setzt. 'Dieser Krimi ist anders, und er ist mit einer Nonchalance und Leichtigkeit erzählt, die typisch für Sardinien ist. Spannend, humorvoll, aus immer wieder neuen Perspektiven erzählt, und mit überraschendem Ende.' Ruhr Nachrichten

Gesuino Némus (der mit richtigem Namen Matteo Locci heißt) wurde 1958 in Jerzu geboren, einem kleinen Dorf auf Sardinien. Heute lebt er in Mailand. Seit frühester Jugend hielt er sich mit verschiedensten Tätigkeiten über Wasser. Für seine mittlerweile fünf Teile umfassende Krimireihe um das sardische Dorf Telévras wurde er in Italien mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. dem Premio Campiello und dem John-Fante-Preis. Nach Die Theologie des Wildschweins und Süße Versuchung ist Die Frömmigkeit der Schafe der dritte Sardinien-Krimi, der auf Deutsch erscheint.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783961611010
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum03.05.2021
AuflageAuflage
Reihen-Nr.1
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2175 Kbytes
Artikel-Nr.5452334
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



I

Is lùnis di Antoni Esulògu
Der Montag im Leben von Antoni Esulògu

Telévras, Juli 1969

Manchmal dachte er stundenlang über Unwichtiges nach. Über einen altbekannten Reim, ein Sprichwort, ein Wiegenlied oder einen Zungenbrecher. Seit Wochen beschäftigte ihn vor allem folgender: »Apu bittu s´oppaÌi ´e Putzu scorrovéndu cussu fussu, a piccu, a panga e a trebuÌssu.« (Ich habe Putzus Kumpan gesehen, wie er mit Hacke, Spaten und Gabel einen Graben aushob.)

An sich kein Satz von Bedeutung, andererseits auch nicht unwichtig, weil der einzige Augenzeuge des Mordes an Bachisio Trudìnu genau diese Aussage in Form eines Bänkelliedes machte, wann immer der Maresciallo De Stefani ihn vernahm.

Antoni Esulògu, muss man dazu wissen, hatte die Wochentage nicht so parat. Bestenfalls einen, die anderen vergingen in einem Kreislauf der Zeit, und auch Samstag und Sonntag waren für ihn nichts Besonderes. Allein der Montag war für ihn, im Gegensatz zum Rest der Welt, ein Fest- und Fresstag.

Montags zog er sich fein an, ging mit seinem Proviant, zwei, drei noch warmen Stücken casu agédu, einem kalten gegrillten Schafsschenkel, ein paar Scheiben pistóccu und einem Liter Cannonau hinunter ins Dorf und setzte sich vor die Kirche.

Während alle anderen sich mit dem trostlosesten Tag der Woche herumschlugen, feierte er, wenn auch auf seine Weise.

Don Cossu, der Dorfpfarrer, gewöhnte sich langsam an den Anblick, der sich seit drei Wochen jeden Montag wiederholte. Am Anfang schimpfte er mit Antoni, aber als er sah, dass der andere ganz friedlich auf dem Kirchplatz unter dem uralten Feigenbaum saß und auch die alten Weiber beim Gang zur Morgenandacht nicht erschreckte, ließ er sogar Wasser in den Brunnen, der eigentlich nur zu Sankt Anton und anderen Festtagen im Juni in Betrieb war. So konnte Antoni dort seine pistóccu einweichen, die sonst gänzlich ungenießbar gewesen wären.

Er hatte auch versucht, ihm die Beichte abzunehmen, was Antoni aber offenbar dermaßen aufwühlte, dass er ihn von nun an von einem Fensterchen im niedrigen Kirchturm aus bespitzelte, das aussah wie eine Imitation. Von dort aus konnte man aber alles sehen, und Don Cossu nutzte es gern, um all jenen auf die Schliche zu kommen, die am Sonntag ihre Ehefrauen zur Elf-Uhr-Messe begleiteten, sich dann aber vor der Kirche zum Rauchen und Schwatzen versammelten.

»Te genti, te genti, dieses Volk, dieses Volk, dem geht es nur um den schönen Schein. Falsch wie die Nacht ... auf geht´s, Matte´, bereite den Altar vor.«

Auch Matteo war etwas seltsam.

Im Alter von zwölf erfüllte er, hier aufgezählt nach ihrer Relevanz, folgende Aufgaben: Organist, Obermessdiener, er trug beim Gottesdienst die Lesungen vor, stimmte den Chor ein, zündete die Hundert-Lire-Kerzen an, läutete wegen seiner geringen Körpergröße die Glocken, sang bei den freudigen Mysterien die erste Stimme, bei den glorreichen die zweite, schwenkte bei Beerdigungen das Weihrauchfass, sang offiziell die Weihnachtsnovene und probierte von dem Muskatellerwein, den die Gläubigen der Kirche für die besonderen Festtage spendeten.

Mithin ein wahrer Profi der Sakramente, und dafür erhielt er Bücher, regelmäßige Mahlzeiten, Lateinunterricht, die Zusage, weiterhin auf Don Cossus Kosten die Schule besuchen zu dürfen, sowie monatlich fünftausend Lire, die er aber zu Hause bei seiner Mama abgab. Geld wurde dort immer gebraucht, und die Mama legte ganz bestimmt einen Teil davon für ein Studium zurück, vielleicht bei den Jesuiten, womit sie ihm seinen Traum erfüllt hätte.

Auf jeden Fall war Don Cossu nach dem Versuch, Antoni Esulògu die Beichte abzunehmen, ernstlich besorgt, denn danach nahm er wieder Kontakt zu Maresciallo De Stefani auf, den er ironisch su geniòsu nannte, einen Pfundskerl.

Wirklich zerstritten waren sie eigentlich nicht, aber Don Cossu war es irgendwann auf die Nerven gegangen, bei jedem Vorfall zu hören: »Wenn diese Sarden doch nur den Mund aufmachen würden.« Oder: »Ich sag´s Ihnen, da hat wieder keiner was gesehen.« Oder: »Ich sag´s Ihnen, die waren wieder alle bei Tore zum Kartenspielen.«

Don Cossu hatte in seinem Priesterleben schon Banditen die Beichte abgenommen, die allen Grund hatten, vor dem Gesetz zu flüchten, war aber von Berufs wegen an die Omertà, die Schweigepflicht, gebunden. Von der Formulierung »diese Sarden« fühlte er sich allerdings angegriffen. Als Matteo einmal eine neue Marke Weihrauch ausprobierte, die ein Vertreter aus Nuoro zur Probe dagelassen hatte, bekam er mit, wie Don Cossu der Kragen platzte.

»Genug davon, Maresciallo! Was wollen Sie eigentlich? Hier sind alle aus der Ogliastra oder der Barbagia, was wollen Sie sonst noch hören? Dass ein Cousin einem anderen Schafe gestohlen hat? Hier ist jeder mit jedem verwandt. Im Zweifelsfall bleibt der Diebstahl in der Familie. Zu Ostern isst man die Schafe, die zu Weihnachten gestohlen wurden, und zu Weihnachten die, die Ostern gestohlen wurden. Man lädt sich eben gegenseitig ein, so muss man sich nicht gegenseitig umbringen.«

»Wie schön, ein richtiges Familienessen.«

»Ob Familie oder nicht, so läuft das hier. Sie verschwenden Ihre Zeit, Maresciallo.«

»Ach, ich verschwende meine Zeit?«

»Jetzt vergessen Sie mal ihre piemontesische Heimat und kommen von Ihrem hohen Ross runter, Sie wissen ganz genau, dass ich Ihnen nichts sagen darf.«

»Ich will nicht am Beichtgeheimnis rütteln, aber versuchen Sie doch zu verstehen ... sagen Sie mir wenigstens, ob er ihn gesehen hat ...«

»Wen?«

»Nun kommen Sie schon, Sie wissen genau, von wem die Rede ist, der Typ hat zwei Carabinieri verletzt. Alle Welt weiß, dass er in die Kirche gekommen ist ...«

»Dass ich nicht lache, Peppinu Golòvru soll zu mir gekommen sein? Der marschiert Ihrer Meinung nach fünfzig Kilometer zu Fuß durch den Wald, um mich im Pfarrhaus zu besuchen, und weil ihm natürlich keiner auf den Fersen ist, trinken wir ganz gemütlich einen kalten Kaffee zusammen und dann noch einen fil´e ferru, einen Schnaps, hinterher ... na, Sie haben vielleicht Vorstellungen.«

»Das erzählt man sich im Dorf.«

»Na, dann vernehmen Sie doch mal alle. Man wird Ihnen sicher gerne eine Antwort geben. Wahrscheinlich müssen Sie für Ihre Vernehmungen noch Verstärkung aus Nuoro anfordern. An Ihrer Stelle würde ich auch noch pistòccu und casu marzu bereithalten, dann stehen sicher alle Schlange.«

»Lassen wir das, Don Cossu ... der Junge schläft wirklich hier bei Ihnen?«

»Lassen Sie bloß Matteo aus dem Spiel. Er schläft hier, weil bei ihm zu Hause kein Platz ist, dort wohnen alle in einem Zimmer, und ein Klo gibt es auch nicht.«

»Er ist doch ein Einzelkind. Es ist bestimmt Platz für ein Bett.«

»Er schläft hier. Er schläft bei meiner Schwester Matilde im Zimmer, außerdem bekommt er etwas zu essen, spielt Orgel und geht mir zur Hand.«

»Ist schon recht, Don Cossu, ich habe nur nachgefragt, weil wir uns in der Polizeikaserne schon mal darüber gewundert haben. Naja, nachdem doch der Vater weg ist ... geradezu unauffindbar. Der Viehmarkt dauert doch nur drei Tage und nicht ...«

»Das hängt davon ab, Maresciallo. Vielleicht gab es eine Menge Vieh zu verkaufen. Ein Cousin von mir aus Desulo ist einmal zwei Monate von zu Hause fortgeblieben, Sie haben doch keine Ahnung ...«

»Ich wollte nur sagen, nach allem, was man so hört, sind Peppino Golòvru und der Vater miteinander befreundet, und nach dem Verschwinden des Vaters, wollen wir es mal so nennen, soll die Mutter an ein bisschen Geld gekommen sein, angeblich Lösegeld aus der letzten Entführung. Jetzt können sie sich sogar zwei Mal in der Woche Fleisch leisten. Vielleicht hat der Junge in seiner Unbedarftheit ... ich wollte ja nur ein paar kurze Fragen ...«

»Lassen Sie die Kinder aus dem Spiel, Maresciallo! Das Geld fürs Fleisch bekommt er von mir. Was fällt Ihnen ein! Raus mit Ihnen!«

»Aber Don Cossu, ich wollte wirklich nicht ... nun kommen Sie schon, entschuldigen Sie ...«

Aber Don Cossu war auf hundertachtzig, und als er bemerkte, dass Matteo das Gespräch belauscht hatte, fuhr er ihn in einem Ton an, der keinerlei Widerspruch zuließ, außer den typisch sardischen: Schweigen und eine Mordswut im Blick.

»Und du, hau ab, du hast nichts gehört! Vergiss alles und halt die Ohren steif beim Maresciallo! Der kommt aus dem Piemont.«

»Was soll ich denn gehört haben?«

»Das, was Maresciallo De Stefani gerade alles gesagt hat.«

»Der Maresciallo De Stefani? Ich war mir ganz sicher, dass Ihr gerade Selbstgespräche geführt habt.«

»Habt? Hättet, meinst du wohl? Dass Ihr Selbstgespräche geführt hättet.«

»Habt, Don Cossu, da darf kein Konjunktiv hin, so steht es in dem Buch geschrieben, das Ihr mir geschenkt habt.«

Typisch Don Cossu. Anstatt sich über die Omertà, das Stillschweigen von Matteo zu freuen, hängte er sich daran auf, dass man ihn beim falschen Gebrauch des Konjunktivs erwischt hatte.

Er konnte diese in der Kirche übliche Besserwisserei nicht ausstehen.

»Auf jeden Fall ist es falsch, die zweite Person Plural zu verwenden, Signorino Naseweis, das ist hier in der Gegend schon seit dreißig Jahren aus der Mode. Aber ein verzeihlicher Fehler.«

»Das war kein verzeihlicher Fehler, Don Cossu, das war richtig.«

»Richtig,...

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Autor

GESUINO NÉMUS (der mit richtigem Namen Matteo Locci heißt) wurde 1958 in Jerzu geboren, einem kleinen Dorf auf Sardinien. Heute lebt er in Mailand. Die Theologie des Wildschweins ist sein Debütroman, für den er nach seinem Erscheinen in Italien mit fünf Literaturpreisen ausgezeichnet wurde, u.a. dem Premio Campiello und dem John-Fante-Preis. Mittlerweile sind bereits fünf Sardinien-Krimis um das Dorf Telévras erschienen.