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Das Kind von Gleis 1

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am19.07.20213. Auflage
Wie weit muss eine Mutter gehen, um ihr Kind zu schützen?

1939: Die jüdische Pianistin Eva sucht in Prag verzweifelt nach einem Weg, ihre Tochter Miriam vor den heranrückenden Deutschen in Sicherheit zu bringen. Als letzter Ausweg bleibt ihr, sie mit einem Kindertransport nach London zu schicken. Doch wie wird ihr Kind die Reise ins Ungewisse überstehen? In England bemüht sich die Britin Pamela, der kleinen Miriam ein Zuhause zu geben, muss aber gleichzeitig um ihre eigene Familie fürchten. Während beide Mütter erst glauben, das zu verlieren, was ihnen das Liebste ist, finden sie inmitten der Kriegswirren die Hoffnung auf Glück ...

'Eine warmherzige Geschichte über Liebe, Verlust und die Kraft der Menschlichkeit.' Kathryn Hughes.


Gill Thompson studierte Kreatives Schreiben an der Chichester University. Beim Schreiben wird sie oft von wahren Begebenheiten inspiriert, besonders die Schicksale von Kindern während des Zweiten Weltkrieges liegen ihr am Herzen. Thompson lebt mit ihrer Familie in West Sussex und arbeitet dort als Englischdozentin. Gabriele Weber-Jari? lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin. Sie übertrug u. a. Mary Morris, Mary Basson, Kristin Hannah und Imogen Kealey ins Deutsche.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWie weit muss eine Mutter gehen, um ihr Kind zu schützen?

1939: Die jüdische Pianistin Eva sucht in Prag verzweifelt nach einem Weg, ihre Tochter Miriam vor den heranrückenden Deutschen in Sicherheit zu bringen. Als letzter Ausweg bleibt ihr, sie mit einem Kindertransport nach London zu schicken. Doch wie wird ihr Kind die Reise ins Ungewisse überstehen? In England bemüht sich die Britin Pamela, der kleinen Miriam ein Zuhause zu geben, muss aber gleichzeitig um ihre eigene Familie fürchten. Während beide Mütter erst glauben, das zu verlieren, was ihnen das Liebste ist, finden sie inmitten der Kriegswirren die Hoffnung auf Glück ...

'Eine warmherzige Geschichte über Liebe, Verlust und die Kraft der Menschlichkeit.' Kathryn Hughes.


Gill Thompson studierte Kreatives Schreiben an der Chichester University. Beim Schreiben wird sie oft von wahren Begebenheiten inspiriert, besonders die Schicksale von Kindern während des Zweiten Weltkrieges liegen ihr am Herzen. Thompson lebt mit ihrer Familie in West Sussex und arbeitet dort als Englischdozentin. Gabriele Weber-Jari? lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin. Sie übertrug u. a. Mary Morris, Mary Basson, Kristin Hannah und Imogen Kealey ins Deutsche.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841226495
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum19.07.2021
Auflage3. Auflage
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2266 Kbytes
Artikel-Nr.5453501
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog
Prag, 1930

Eva schob ihren Klavierschemel zurück, die Stunde war beendet. Doch als sie die Noten in ihre Mappe stecken wollte, bedeutete Professor Nowotny ihr mit einer Handbewegung, noch zu bleiben.

»Nur eine Minute, meine Liebe. Ich möchte, dass du die Noten eines neuen Stücks mit nach Hause nimmst.« Er durchsuchte den gefährlich schiefen Turm der Notenhefte auf seinem Klavier.

Eva warf einen Blick auf die Wanduhr, die halb fünf zeigte, und hoffte, er würde das Gesuchte bald finden. Im Probenraum wurde es bereits dämmrig, in den Ecken nistete sich Dunkelheit ein. Nervös legte sie die Fingerspitzen auf die vergilbten weißen Tasten des Klaviers. Als sie das vertraute, kühle Elfenbein spürte, wurde sie ruhiger.

»Ah, hier ist es.« Nowotny schnaufte vor Anstrengung. »Hector Berlioz. Eine Villanelle aus Les Nuits d´Été. Eines seiner weniger bekannten Werke.« Er schaltete die Deckenlampe ein, die Dunkelheit verflog.

»Eine Villa ... nelle?«, fragte Eva. Der Begriff war ihr neu, die Zeitnot schlagartig vergessen.

Nowotny winkte sie von dem Klavierschemel fort. Eva stellte sich an seine Seite. Sie wollte ihn beim Klavierspiel beobachten.

»Ein italienisches Lied.« Nowotny ließ sich auf dem Schemel nieder. »Es ist eine Ode an den Frühling und eine neue Liebe. Also sehr schön für ein junges Mädchen.« Er setzte die Brille auf, die an einer Kordel um seinen Hals hing, und nahm sie wieder ab. »Im nächsten Jahr findet im Rudolfinum ein Konzert zu Ehren Berlioz´ statt. Ich dachte, die Villanelle könnte dein erster Soloauftritt werden.«

Eva öffnete den Mund, um ihn zu korrigieren, und schloss ihn wieder, als er ungeduldig mit der Hand wedelte.

»Die Kinderwettbewerbe zählen nicht.«

Kinderwettbewerbe? Hatte sie nicht jeden von ihnen gewonnen? Sogar der prestigeträchtige Antonín-DvoÅák-Preis für junge Künstler war darunter gewesen. Ein Bild blitzte vor ihr auf. Darauf hob sie strahlend ihre Trophäe, einen schweren Notenschlüssel aus Messing, hoch. Im Geist hörte sie den tosenden Beifall.

Nowotny stellte das Notenheft auf. »Ich spiele dir etwas daraus vor. Bitte schlag die Seiten für mich um.« Wieder setzte er die Brille auf.

Eva trat näher an ihn heran und bezwang ihre Ungeduld, doch inwendig flehte sie ihn an, ihr nur einige Takte vorzuspielen.

Nowotny war ein strenger Lehrmeister, aber sie sagte sich immer, dass er das nur war, weil er an ihr Talent glaubte und sie zu Höchstleistungen antreiben wollte. Und sie war auch stets bereit, ihr Bestes zu geben, doch nun zeigte die Uhr bereits zwanzig vor fünf, und ausgerechnet an diesem Tag durfte sie nicht zu spät nach Hause kommen.

»Wenn du darauf achtest, hörst du, wie die Liebenden durch den Wald gehen und wilde Erdbeeren pflücken.«

Bei dem Wort »Liebenden« errötete Eva. Manchmal sprach Nowotny mit ihr, als wäre sie nicht erst sechzehn Jahre alt. Doch als er zu spielen begann, hörte sie tatsächlich leichte Schritte, und ihr war, als spürte sie eine frische Frühlingsbrise.

Sie schaute auf die Noten, dann auf Nowotnys Finger, die die Noten zu einer lebhaften Melodie umwandelten. Fröhlich und neckend.

Für Eva waren Noten von jeher wie Menschen gewesen. Miteinander verbundene Achtelnoten - die kurzen - erschienen ihr wie Jungen, die mit dünnen Beinen und zu groß wirkenden Fußballschuhen über einen Bolzplatz tobten. Oder wie eine Gruppe Männer und Frauen, die eine Lúcnica tanzten, die Arme auf den Rücken miteinander verschränkt. Die Viertelnoten waren Lehrer, die steif und aufrecht vor einer Klasse standen, die langen halben Noten berühmte Generäle, die eine Armee ohne große Worte beherrschten. Wäre sie selbst eine Note, wäre sie eine ganze - vielleicht sogar eine Doppelganze, allein und kraftvoll, umgeben von Stille.

Mit einer schwungvollen Geste beendete Nowotny die Villanelle und überreichte Eva die Noten. »Das ist deine Hausaufgabe. Fang heute Abend damit an.« Das Frühlingsversprechen wurde von der zunehmenden Dämmerung des Herbsttages verschluckt, gleich würde die Sonne untergehen. Evas Magen verkrampfte sich.

Sie stopfte die Notenblätter in ihre Mappe und streifte ihre Jacke über. »Vielen Dank, Professor Nowotny. Ich werde die Villanelle üben.«

»Darum bitte ich. Ich erwarte, dass du sie mir in der nächsten Stunde fehlerlos vorspielen kannst.«

Eva griff nach dem Türknauf. Noch einmal huschte ihr Blick zur Wanduhr. Kurz vor fünf. Die Villanelle hatte zu lange gedauert. Sie würde wie ein Pfeil nach Hause fliegen müssen.

»Auf Wiedersehen, meine Liebe.«

»Auf Wiedersehen, Professor! Vielen Dank für die Stunde.«

Nowotny deutete eine Verneigung an. Das Licht der Deckenlampe spiegelte sich auf seinem kahlen Schädel. Eva schlüpfte durch die Tür.

Draußen klemmte sie die Notenmappe unter ihren Arm und rannte durch die Straßen, bis sie keuchte und ihre Brust schmerzte. Doch Berlioz´ Villanelle ging ihr nicht aus dem Sinn, ihre Schritte nahmen den Takt des Stücks auf. In Gedanken lief sie mit einem Jungen, der ihr Liebster war, durch einen Wald, hinaus aus der Enge der Stadt. Sie hörte den Gesang der Vögel, roch den Duft der Walderdbeeren. Sie spürte den Atem des Jungen auf ihrer Wange, und als sie stehen blieben, seinen Mund auf ihren Lippen. Die Farbe ihres vom Laufen geröteten Gesichts vertiefte sich, als sie sich vorstellte, wie er sich an sie drängte.

Erst als ihr Kaffeegeruch in die Nase stieg, verflogen ihre Träumereien und sie wusste wieder, wo sie war - am Café Imperial, einem der großen, traditionsreichen Kaffeehäuser der Stadt. Aus dem Augenwinkel nahm sie die Gäste hinter den Fenstern wahr, schattenhafte Gestalten, die Tassen an ihre Münder führten, sich gestikulierend unterhielten und rauchten. Wie schön es wäre, dort mit Freunden an einem Tisch zu sitzen und zu plaudern, statt wie gehetzt durch die Straßen zu jagen.

Zwischen den Häusern schienen die letzten blassen Sonnenstrahlen auf. Im Geist sah Eva ihre Mutter. Die Hausarbeit würde beendet sein, die Challa unter dem Spitzendeckchen liegen, ein frisch gebackener Hefezopf mit glänzender Eierlasur. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter die Sabbatkerzen in dem silbernen, auf Hochglanz polierten Leuchter schon angezündet.

Ihr Vater, in schwarzem Anzug und Gebetsmantel, würde den Kidduschbecher mit süßem Wein füllen und den Segen für die Töchter vor sich hin murmeln, den er später mit einer Hand auf Evas Kopf sprechen würde.

Der Ewige lasse dich werden wie Sara, Riwka, Rachel und Lea.

Er segne und behüte dich.

Er lasse dir Sein Angesicht leuchten und sei dir gnädig.

Er wende dir Sein Angesicht zu und gebe dir Frieden.

Hätte Eva Brüder, würde ihr Vater den Herrn bitten, sie wie Ephraim und Manasse werden zu lassen, zwei alttestamentarische Brüder, die miteinander in Einklang gelebt hatten. Doch ihre Eltern hatten nur Eva, ihr geliebtes Kind.

Eva lief an der Moldau entlang. Über dem Fluss stieg der erste Abendnebel auf. Normalerweise beendete Nowotny die Klavierstunde pünktlich, dann konnte sie den gut beleuchteten Straßen folgen, die zur Josefstadt führten, dem jüdischen Viertel von Prag. Doch so viel Zeit hatte sie nicht mehr. Falls sie rechtzeitig nach Hause kommen wollte, musste sie den kürzeren Weg über den Alten Jüdischen Friedhof nehmen.

Am Friedhofstor angekommen, blieb sie unschlüssig stehen. Sollte sie es wagen? Sie dachte daran, wie oft ihre Mutter ihr aufgetragen hatte, sich abends an die Hauptstraßen zu halten, die hell und voller Menschen waren. Sie wären der längere, aber auch der sicherere Weg.

Eva betrachtete die schmalen, gewundenen Pfade, die an den Grabsteinen entlangführten. Es waren alte Steine, die so dicht zusammenstanden, als hätte man die Gräber in Eile und ohne Plan ausgehoben, statt sie wie auf modernen Friedhöfen in ordentlichen Reihen anzulegen.

Der Wind fuhr durch die Bäume und ließ die Zweige zittern. Um ihr aufgeregt schlagendes Herz zu beruhigen, stellte Eva sich vor, sie würde im Rudolfinum auf einem glänzenden, schwarzen Steinway-Flügel spielen und das Publikum im dunklen Konzertsaal lausche ihr andächtig.

Sie drückte gegen das schwere, dunkle Eisentor, das leise quietschend nachgab. Vielleicht war das ein Zeichen, dass sie die Abkürzung durch den Friedhof nehmen sollte.

Sie dachte an die Villanelle, wollte mit der Frühlingsmelodie die Furcht vertreiben und glitt durch die Pforte.

Auf dem Pfad, dem sie folgte, hatte der Abendtau das von den Bäumen abgefallene Herbstlaub feucht werden lassen. Kriechpflanzen hefteten sich mit winzigen Kletten an Evas Strümpfe, sie versuchte sie abzuschütteln. Rennen konnte sie nicht mehr, dazu standen die Grabsteine zu dicht zusammen. Trotzdem versuchte sie, so schnell wie möglich vorwärtszukommen, und lauerte mit geschärften Sinnen, ob von irgendwoher Gefahr drohte.

Hohe Rosskastanien und Ahornbäume schirmten sie vom letzten Tageslicht ab. Die verwitterten hebräischen Inschriften auf den Grabsteinen waren nicht mehr zu erkennen. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass in einigen Gräbern mehr als zehn Tote bestattet waren, die, um Platz zu sparen, alle aufeinanderlagen. Trotz ihrer warmen Jacke überlief Eva ein Schauder.

Sie hatte ungefähr die Hälfte des Wegs zurückgelegt, als sie glaubte, Schritte und raues...
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Autor

Gill Thompson studierte Kreatives Schreiben an der Chichester University. Beim Schreiben wird sie oft von wahren Begebenheiten inspiriert, besonders die Schicksale von Kindern während des Zweiten Weltkrieges liegen ihr am Herzen. Thompson lebt mit ihrer Familie in West Sussex und arbeitet dort als Englischdozentin.

Gabriele Weber-Jaric lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin. Sie übertrug u. a. Mary Morris, Mary Basson, Kristin Hannah und Imogen Kealey ins Deutsche.