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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am15.02.2021
Wieland Göth kehrt ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg in sein besetztes Heimatdorf zurück. In den schlammigen Straßen und Gassen patrouillieren französische Soldaten zwischen misstrauischen Dörflern und verbitterten Bauern. Abgeblätterte Plakate künden von dem Verschwinden einer jungen Frau - Wielands Schwester. Ein ehemaliger russischer Zwangsarbeiter wird verdächtigt, sie ermordet zu haben. Wieland versucht, ihr Verschwinden zu verstehen, aber die Dorfbewohner haben ihr Urteil längst gefällt. Als ein Separatist ermordet wird, heizt sich die Stimmung immer mehr auf. In Hinterzimmern und in Predigten verschleiert fordern nationale Kräfte die Freiheit des deutschen Volkes. Wieland gerät zwischen die Fronten und muss bald nicht nur sein eigenes Leben schützen.

Jürgen Heimbach, geboren 1961 in Koblenz, studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Germanistik und Philosophie, betrieb in Mainz ein Off-Theater und gründete die Künstlergruppe V-I-E-R, mit der er Ausstellungen organisiert. Heute arbeitet Heimbach als Redakteur für 3sat. Sein Werk umfasst Romane, Jugendbücher und kriminalistische Kurzgeschichten. Sein Roman Die Rote Hand wurde 2020 mit dem Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet. Heimbach lebt mit seiner Familie in Mainz.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextWieland Göth kehrt ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg in sein besetztes Heimatdorf zurück. In den schlammigen Straßen und Gassen patrouillieren französische Soldaten zwischen misstrauischen Dörflern und verbitterten Bauern. Abgeblätterte Plakate künden von dem Verschwinden einer jungen Frau - Wielands Schwester. Ein ehemaliger russischer Zwangsarbeiter wird verdächtigt, sie ermordet zu haben. Wieland versucht, ihr Verschwinden zu verstehen, aber die Dorfbewohner haben ihr Urteil längst gefällt. Als ein Separatist ermordet wird, heizt sich die Stimmung immer mehr auf. In Hinterzimmern und in Predigten verschleiert fordern nationale Kräfte die Freiheit des deutschen Volkes. Wieland gerät zwischen die Fronten und muss bald nicht nur sein eigenes Leben schützen.

Jürgen Heimbach, geboren 1961 in Koblenz, studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Germanistik und Philosophie, betrieb in Mainz ein Off-Theater und gründete die Künstlergruppe V-I-E-R, mit der er Ausstellungen organisiert. Heute arbeitet Heimbach als Redakteur für 3sat. Sein Werk umfasst Romane, Jugendbücher und kriminalistische Kurzgeschichten. Sein Roman Die Rote Hand wurde 2020 mit dem Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet. Heimbach lebt mit seiner Familie in Mainz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293311046
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum15.02.2021
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3324 Kbytes
Artikel-Nr.5636094
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




8


Er eilte zum nächsten Haus. Es gehörte dem Zimmermann Bernward Weishaupt, der offen seine Freude zeigte, dass Wieland lebend und unverletzt aus dem Krieg heimgekehrt war.

»Komm rein, mein Junge!«, sagte er. »Darauf müssen wir einen trinken.« Er verschwand im Haus. Wieland folgte ihm.

Nach dem zweiten Selbstgebrannten erzählte Weishaupt, dass er zwei seiner drei Söhne auf dem Feld der Ehre, wie er spöttisch betonte, gelassen hatte, worüber seine Frau dem Trübsinn verfallen sei und ihre Tage seitdem auf dem Sessel verbringe und das Foto mit dem Bild der drei ohne Unterlass anstarre. Wieland fragte ihn nach Bertram und erfuhr, dass der ebenfalls gefallen war, schon eine Woche, nachdem er an die Front geschickt worden war. Vom Bauer Neubert wusste er zu berichten, dass der immer seltsamer wurde, kaum noch Kontakt im Dorf suchte, seine Tiere und seine Felder vernachlässigte. Der Tod seiner Frau hatte ihn dann vollends aus der Bahn geworfen. Den Rest besorgten die verfallenden Preise im Krieg. Als Wieland sich verabschiedete, sagte der Zimmermann ihm zu, dass er sich um Neuberts Leichnam kümmern würde.

Vor dem Schulhaus wartete sein Bruder Wolfgang auf ihn. In der rechten Hand hielt er einen Wasserkrug, mit der linken stützte er sich auf eine Krücke und ließ den Ankömmling nicht aus den Augen. In seinem Mundwinkel hing eine Zigarette.

Wieland verlangsamte seine Schritte.

Seinem Bruder blieb das nicht verborgen. »Geht das nicht ein bisschen schneller? Kein bisschen verändert. Ich dachte, beim Militär hätten sie einen Mann aus dir gemacht.«

Die gleiche Verachtung, die gleiche Herablassung wie früher.

Sollte Wieland geglaubt haben, dass sich sein Bruder in den sieben Jahren verändert hatte, spätestens jetzt war dieser Glaube wie eine Blase zerplatzt. Und die Miene des Bruders ließ noch Ärgeres vermuten.

»Vater liegt in seiner Kotze!«, stieß er mit geballten Fäusten aus, als Wieland sich ihm bis auf zehn oder zwölf Meter genähert hatte.

Wieland versuchte, ruhig zu bleiben.

»Ich war â¦«, setzte er zu einer Erklärung an, doch Wolfgang drehte sich wortlos um, zog im Gehen an seiner Zigarette, spuckte sie dann auf den Boden und verschwand ins Haus. Das Aufschlagen der Krücke auf der Treppe war nicht zu überhören.

Wieland zögerte eine Weile, dann trat er in den Flur. Oben hörte er Wolfgang hantieren, begleitet von den Flüchen des Vaters.

»Trink!«, befahl er dem Kranken.

»Willst du mich vergiften!«, war die Replik des alten Göth. Wieland hatte genug gehört und ging in die Küche.

Wenig später erschien sein Bruder dort.

»Wenn du jetzt hier wohnst, kannst du dich um den Alten kümmern!«

Keine Bitte, keine Frage. Ein Befehl.

»Warum bist du zurückgekommen?«

Wieland zog seine Jacke aus, hängte sie über die Stuhllehne und sah an seinem Bruder vorbei. Wie früher fiel es ihm schwer, ihm in die Augen zu schauen. Er wusste auch so um das Grinsen, das sich jetzt in seinem Gesicht zeigte. »Was ist mit Mutter? Warum hat sie so ein Grab?«

Das Grinsen verschwand aus Wolfgangs Gesicht. »So ein Grab?« Er betonte das »so«.

»So groß. So teuer. Aus Marmor. Und Blumen sind darauf. Sind die von dir?« So wie er das sagte, war klar, dass er nicht davon ausging.

»Keine Ahnung«, erwiderte Wolfgang, und Wieland meinte eine leichte Spur von Verunsicherung in seiner Stimme zu hören, die er gleich zu übertünchen versuchte. »Was willst du hier? Niemand hat dich gerufen. Wir kommen hier gut alleine zurecht.« 

Wieland schwieg.

Wolfgang nahm aus seiner Hosentasche eine Zigarettenschachtel, stützte seinen Ellenbogen auf die Krücke, nahm eine Zigarette heraus, zündete sie an. »Haben sie dir die Zunge ausgerissen? Dem schlauen Bruder, der früher so gut reden konnte. Alle totgequasselt hat«, fragte er nach dem ersten Zug.

»Was ist mit Josepha? Wo ist sie?«

»Du hast doch die Plakate gesehen! Der Russe hat sie â¦«

»Der Russe?«, fragte Wieland zurück.

Wolfgang lachte verächtlich auf. »Der Russe. Oleg. Ein Kriegsgefangener. Musste auf den Feldern arbeiten. Ist nach dem Krieg nicht zurück. Wegen den Kommunisten. Er hat Josepha â¦«, er machte mit den Händen eine obszöne Geste, »und dann umgebracht.«

Wieland dachte einen Moment nach. »Wo ist ihre Leiche?«, fragte er betont ruhig.

Wolfgang sah ihn verwundert an. »Vergraben. Wahrscheinlich.«

»Also keine Leiche.«

Wolfgang humpelte einen Schritt auf seinen Bruder zu, ballte wieder seine Fäuste. »Was willst du damit sagen?«

Es fiel Wieland immer noch schwer, ruhig zu bleiben, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. Früher hatte Wolfgang einfach zugeschlagen. Mit oder ohne Grund. Vor allem, wenn er keine Antwort wusste. Oder glaubte, dass sein kleiner Bruder sich im Recht wähnte. »Wenn es keine Leiche gibt, dann weiß niemand, ob Josepha wirklich tot ist. Und dann kann Oleg â¦«

Weiter kam er nicht. Wolfgang ließ seine Krücke fallen, machte einen Schritt vorwärts, packte den Bruder am Kragen. »Oleg ist der Mörder. Und wir werden dieses Tier jagen und fangen. Und dann wird er den Tag verfluchen, an dem ihn seine Mutter auf die Erde geworfen hat. Wäre er nur nach Russland zurück â¦«

Von einem Moment auf den andern hatte sich die Miene von Wolfgang völlig verändert. Seine Augen verdrehten sich, er taumelte zurück, fiel auf den Boden und wand sich in krampfhaften Zuckungen.

Wieland sah dem Schauspiel teilnahmslos zu, trat die noch brennende Zigarette aus, die dem Bruder aus dem Mund gefallen war, wartete, bis der Anfall nachließ, nahm dann einen Becher, füllte ihn mit Wasser, gab ihm zu trinken.

Nach einigen Minuten hatte sich Wolfgang so weit beruhigt, dass Wieland ihm auf die Beine helfen konnte, ihm sogar die Krücke reichte. »Verschüttet â¦?«, fragte er in Anspielung auf den Anfall.

»Kommt und geht«, versuchte Wolfgang die Sache herunterzuspielen. »Habe ich meist gut im Griff â¦« Seine Stimme klang noch schwach. So ganz fest schien er noch nicht auf den Beinen zu sein.

»Und Josephas Leiche â¦«

Wieder unterbrach ihn der Bruder. »Willst du das russische Tier verteidigen? Er hat Josepha umgebracht und irgendwo verscharrt. Wie ein Tier.«

»Wenn der Russe ein Tier ist, dann muss er sie tatsächlich wie ein Tier verscharren.«

Den sarkastischen Ton hatte Wieland nicht beabsichtigt. Die Antwort war ein Schlag von Wolfgang. Mit der Faust. Wieland parierte mit einer schnellen Bewegung, packte den Bruder am Handgelenk, sah ihm in die Augen. Der schien von Wielands schneller Reaktion und seiner ungewohnten Kraft sichtlich überrascht zu sein.

Er stieß Wolfgang von sich.

Wütend blickte der ihn an, stellte dann unmissverständlich fest: »Der Russe ist der Mörder, und dafür wird er büßen.« Nach einem kurzen Moment fügte er hinzu: »Wir haben seine Kette mit dem Kreuz gefunden. In Josephas Zimmer.«

Wieland sah ihn an, sprach langsam und leise. »Wie bei Tadeusz? Da wurde auch eine Kette gefunden. Ein seltsamer Zufall.«

»Was weißt du schon!« Damit wandte sich Wolfgang ab, stieg die Treppe zum Vater hinauf, den er anherrschte, das Maul zu halten.

Wieland blieb noch ein paar Sekunden stehen, dann ging er in den Hof und kühlte sich am Brunnen sein Gesicht.

Einige Minuten später kam Wolfgang auf ihn zu, unterm Arm ein paar Flaschen, die er vor Wieland abstellte. Er lehnte sich mit dem Rücken an den Brunnen, stellte die Krücke neben sich. »Du kümmerst dich jetzt. Ist ja nicht mehr lange. Verreckt sicher bald.«

»Wie ist Mutter gestorben?«

Wolfgang schien über die Frage nachdenken zu müssen. »Sie hat es nicht mehr ausgehalten.« Er deutete mit dem Kopf zum Haus. »In der Schulklasse habe ich sie gefunden. Am Strick.«

»Sie hat ein Grab. Auf dem Friedhof.«

»Wir sind ja keine Unmenschen«, entgegnete Wolfgang.

»Früher wurden die Selbstmörder vor dem Friedhof beigesetzt«, ließ Wieland nicht locker.

Dieses Mal schien der große Bruder sich nicht weiter aufzuregen. Er zuckte lediglich mit den Schultern.

»Und das Grab. Wer hat das â¦?«

»Sie hat ein Grab. Auf dem Friedhof. Sei doch froh. Frag den Pfaffen halt.«

»Und die Blumen?«

Jetzt wurde Wolfgang ungehalten. »Kümmere dich um deine Sachen. Wo warst du so lange? Der Krieg ist schon seit über einem Jahr vorbei. Hast du mit den Roten gekämpft?«

Wieland kniff die Augen zusammen, sah den Bruder fragend an.

»In Berlin? Oder in München? Wo die Roten Revolution gemacht haben. Mit den Kommunisten. Den Juden«, zischte er verächtlich.

Wieland schwieg.

»Wo warst du?«, wiederholte der Ältere seine Frage, trat einen Schritt vor, aber nicht, um den Bruder zu bedrängen. Vielmehr deutete er auf dessen rechte Schulter. »Verletzung?« Seine Stimme klang ein wenig weicher.

Wieland nickte. »Messer.«

Das schien Wolfgang zu reichen....


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Autor

Jürgen Heimbach, geboren 1961 in Koblenz, studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Germanistik und Philosophie, betrieb in Mainz ein Off-Theater und gründete die Künstlergruppe V-I-E-R, mit der er Ausstellungen organisiert. Heute arbeitet Heimbach als Redakteur für 3sat. Sein Werk umfasst Romane, Jugendbücher und kriminalistische Kurzgeschichten. Sein Roman Die Rote Hand wurde 2020 mit dem Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet. Heimbach lebt mit seiner Familie in Mainz.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt