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Kein Tag ohne dich

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
255 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am29.06.20211. Aufl. 2021
Die Ärzte haben keine Hoffnung mehr, Angie wird sterben. Doch statt zu klagen, setzt sie alles daran, ihren geliebten Mann auf eine Zukunft ohne sie vorzubereiten. Schließlich muss er die acht Kinder auch nach ihrem Tod versorgen: Vom Zöpfeflechten über das Backen der Geburtstagskuchen bis hin zur täglichen Organisation einer Großfamilie - mit ungebremster Energie und Fröhlichkeit regelt Angie das Leben ihrer Lieben und ist für sie da - bis weit über den Tod hinaus.

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Produkt

KlappentextDie Ärzte haben keine Hoffnung mehr, Angie wird sterben. Doch statt zu klagen, setzt sie alles daran, ihren geliebten Mann auf eine Zukunft ohne sie vorzubereiten. Schließlich muss er die acht Kinder auch nach ihrem Tod versorgen: Vom Zöpfeflechten über das Backen der Geburtstagskuchen bis hin zur täglichen Organisation einer Großfamilie - mit ungebremster Energie und Fröhlichkeit regelt Angie das Leben ihrer Lieben und ist für sie da - bis weit über den Tod hinaus.

Details
Weitere ISBN/GTIN9783751716642
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum29.06.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Reihen-Nr.2
Seiten255 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5803984
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 1

März 2010

»Mill«, ruft Angie. »Kannst du bitte mal kommen?«

Ich heiße Ian, aber Angie hat mich schon immer Mill genannt. Mill, die Kurzform von Millthorpe - und damit zugleich die kürzere und männlichere Version des Spitznamens, den man mir zu meinem Leidwesen in der Schule verpasst hatte und der schlimmer nicht hätte sein können: Milly.

Ich unterbreche das Abräumen des Frühstückstischs und mache mich auf den Weg zu ihr, um herauszufinden, was sie von mir will. Wie man das eben so macht, wenn die Ehefrau ruft, nicht wahr? Es ist ein Werktag, und wir machen gerade die jüngeren Kinder für die Schule fertig. Die fünf jüngeren, um genau zu sein. Die fünf jüngeren von insgesamt acht. Was bei uns zuhause einem strategischen Einsatz gleichkommt.

Ich finde Angie im Wohnzimmer, wo sie unserer Tochter Jade vor dem großen Spiegel, der über dem Kamin hängt, Zöpfe flechtet - so wie sie es jeden Morgen getan hat, seit Jade zur Schule geht.

»Stell dich hierhin, Mill«, sagt sie und zeigt unmittelbar neben sich. »Du sollst einfach nur hier stehen und zuschauen, wie ich es mache.«

Sie muss meinen Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn sie lächelt mir zu. »Es ist ganz einfach, wenn man weiß, wie es geht«, versichert sie mir. »Bestimmt. Ganz ehrlich.«

Ich stehe da und schaue ihr zu. Ihre Hände bewegen sich flink und geübt. »Das werde ich nie lernen«, erkläre ich.

»Doch, das wirst du«, entgegnet Angie ruhig. »Weil ich es dir beibringen werde.«

Jade liebt diese Momente, in denen ihr Haar geflochten wird. Sie ist fast in Trance. Außerdem starrt sie wie gebannt auf den Fernseher, genau wie der Rest der jüngeren Kinder, der sich einen Zeichentrickfilm anschaut. »Warum willst du es mir beibringen?«, frage ich Angie, während unsere Blicke sich im Spiegel begegnen. Angie ist so dünn geworden. Obwohl sie es selbst nicht wahrhaben will und mir immer sagt, dass sie sich gut fühlt. Ihr Haar ist nach der letzten Chemo nachgewachsen und jetzt wieder wie immer - so dicht, weich und glänzend, wie es schon in ihrer Jugend war. Aber alles andere an ihr scheint vor meinen Augen zu schrumpfen. Sie muss ihre Jeans inzwischen mindestens hundertmal am Tag hochziehen.

Für einen Moment hält sie mit dem Flechten inne und schaut mich demonstrativ an. »Warum?«, wiederhole ich. »Warum willst du es mir beibringen, wenn du es doch selbst machen kannst?«

Wieder schenkt sie mir ein kleines Lächeln. Selbst die winzigste Andeutung eines Lächelns bringt ihr gesamtes Gesicht zum Strahlen. »Du weißt warum, Mill«, flüstert sie mir zu. »Weil du es eines Tages wirst machen müssen.«

Ich spüre, wie mir die Tränen kommen - Tränen, die niemand sehen darf, Angie nicht und Jade erst recht nicht. Also mache ich mich schnell wieder auf den Weg in die Küche. Es fällt mir so schwer, meine Tränen zurückzuhalten, aber ich weiß, dass ich es muss. Reece ist schon zur Arbeit gegangen. Alle Kinder außer Jake, der sich gerade oben die Zähne putzt, sind bei Angie im Wohnzimmer, und wenn es etwas gibt, das sie ganz bestimmt nicht brauchen können, dann ist es ein weinender Vater.

Dabei kommen mir die Tränen inzwischen so oft, dass ich allmählich eigentlich besser damit umgehen können müsste. Und irgendwie ist dem auch so. Ich reiße mich zusammen, spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, trockne mich ab und kehre ins Wohnzimmer zurück, wo Angie gerade mit Jades Zöpfen fertig geworden ist.

»Los, Süße«, sagt sie. »Hol deine Schuhe und den Ranzen.«

Dann dreht sie sich zu mir um und schaut mich an. »Hör auf, dich aufzuregen, Mill«, sagt sie streng. »Du wirst noch krank davon.« Ihr Blick wird weicher. »Hör zu, Liebster, ich will dich nicht verrückt machen. Wirklich nicht. Aber ich muss sicher sein, dass du das hinkriegst.«

Ich spüre, wie meine Augen sich schon wieder mit Tränen füllen, und ich weiß, dass Angie es sieht. Wie kann sie nur so stark sein, während ich ständig von Gefühlen überwältigt werde?

»Ich muss sicher sein, dass du es hinkriegst, dich um die Kinder zu kümmern, Mill«, sagt sie. »Weißt du was? Du bringst sie jetzt zur Schule, und danach reden wir, okay?«

Ich nicke lahm, ihr Mut macht mich demütig. Vor mir steht meine bildschöne, wirklich bildschöne Frau und redet über Dinge, die mir widerfahren werden, wenn sie stirbt. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit fertigwerden soll. Nur, dass ich es muss.

Unsere drei Mittleren - Connor und die Zwillinge Jake und Jade - besuchen die örtliche Schule, die Milefield Primary. Klein-Corey geht seit September zur Vorschule in derselben Einrichtung. Weil Angie keinen Führerschein hat, ist es mein Job, die Kinder dorthin zu bringen. Und das mache ich seit meiner Frühverrentung im Jahr 2004, als ich im Alter von nur zweiundvierzig Jahren eine Hirnblutung erlitt.

Der Weg zur Schule ist mir so vertraut, dass ich ihn vermutlich auch mit geschlossenen Augen fahren könnte.

Das mache ich natürlich nicht, aber innerlich habe ich in jedem Fall auf Autopilot geschaltet. Zwar spreche ich mit Connor, der zehn Jahre alt ist und neben mir auf dem Beifahrersitz fröhlich schwatzt, aber in meinem Kopf schwirren schreckliche, unausweichliche Gedanken herum.

Normalerweise fahre ich nicht sofort nach Hause, nachdem ich die Kinder abgeliefert habe. Angies Eltern wohnen nur ein kurzes Stück die Straße hinunter, und meistens halte ich auf dem Rückweg bei ihnen an und erkundige mich, ob sie irgendetwas brauchen. Herbert und Winnie kommen zwar gut klar, aber Winnie wird zunehmend gebrechlicher, und daher bemühe ich mich, ihnen schwere Arbeiten abzunehmen, Besorgungen zu erledigen und so weiter. Heute allerdings nicht. Heute fahre ich mit wild pochendem Herzen sofort nach Hause, zurück zu Angie.

Sie wischt gerade im Wohnzimmer Staub. Ich mache uns in der Küche zwei Tassen Tee, stelle sie auf den Tisch und setze mich auf das Sofa. »Okay, Angie«, sage ich und bemühe mich, meine Stimme möglichst normal klingen zu lassen, als sie sich neben mich setzt. »Was ist los, Liebes?«

Sie setzt ihre Teetasse ab und nimmt meine Hand.

»Mill«, sagt sie. »Ich habe viel nachgedacht, weißt du. Ich muss einfach sicher sein, dass ihr, du und die Kinder, zurechtkommt, falls â¦ sobald es passiert.«

»Mach dir darüber keine Gedanken«, entgegne ich. Weil es genau das ist, was du immer sagst, habe ich recht? Obwohl wir beide wissen, dass es längst nicht mehr um ein falls geht. Die Zeiten sind vorbei. Jetzt geht es nur noch um wann. »Wir schaffen das«, füge ich hinzu. »Ganz sicher. Wir werden zurechtkommen.«

Dabei werde ich allein mit den Gedanken daran schon nicht fertig, wenn ich ehrlich bin. Weshalb ich sie so oft wie möglich verdränge. Aber Angie fällt nicht darauf rein. »Kannst du denn Zöpfe flechten?«, fragt sie keck und lächelt mich an.

»Nein«, muss ich zugeben. »Du weißt, dass ich es nicht kann. Und ich kenne auch keinen einzigen Mann, der das kann.«

Jetzt lächelt sie nicht mehr. Ich sehe ihr an, dass sie ebenso mit dem kämpft, was sie mir zu sagen hat, wie ich damit, es mir anhören zu müssen. »Das weiß ich doch, Mill«, erklärt sie schließlich. »Aber du wirst anders sein müssen als die meisten Männer. Die meisten Männer müssen nämlich nicht gleichzeitig Mutter und Vater sein, oder? Du schon. Du wirst beides sein müssen.«

Ich nehme sie in die Arme und drücke sie an mich. Jetzt, wo niemand es sehen kann, beginnt sie zu weinen. Tränen strömen in kleinen Rinnsalen über ihr Gesicht. »Wir werden zurechtkommen, Angie, Liebes«, tröste ich sie. »Ich verspreche es dir.«

Sie rückt ein Stück von mir ab, schaut mir ins Gesicht und wischt ihre Tränen mit dem Handrücken fort. »Aber es wird so schrecklich anstrengend sein. Das geht mir einfach nicht aus dem Kopf. All unsere Kinder â¦ die ganze Logistik â¦ das alles wird so schrecklich anstrengend für dich. Ich habe viel darüber nachgedacht, auch darüber, wie ich es dir so einfach wie möglich machen kann. Ich werde dir einfach jeden Handgriff zeigen.« Sie schnieft die restliche Traurigkeit fort und gibt sich plötzlich ganz nüchtern. Diesen Blick kenne ich nur zu gut. Angie ist keine Frau, die leicht aufgibt. Niemand, der acht Kinder zur Welt gebracht hat, gibt leicht auf. »Ich werde dir alles beibringen. Ich werde sicherstellen, dass du alles weißt, was du wissen musst, vom Baden übers Kochen bis zum Hausaufgabenmachen und zum â¦ ja, bis hin zum Kuchenbacken. Das musst du unbedingt können, Mill. Es ist wichtig.«

»Kuchen backen?« Ich kann mir nicht einmal vorstellen, überhaupt irgendetwas in Richtung Backen erlernen zu können, geschweige denn einen Kuchen.

»Ja. Wenn die Kinder Geburtstag haben«, sagt sie und schaut mich an, als hätte ich das von allein wissen müssen. Ich spüre, dass sie wirklich ernsthaft nachgedacht hat. Sie braucht die Sicherheit, dass wir ohne sie das gewohnte Leben weiterleben. Und dass ich zumindest einen Geburtstagskuchen zustande bringe.

»Einverstanden, Liebes«, sage ich. Ich bin einfach nur dankbar, sie wieder lächeln zu sehen. »Womit fangen wir an?«

Ich nehme an, jeder Mensch glaubt, dass die erste Liebe auch die einzige bleibt, vor allem, wenn man sich im zarten Alter von vierzehn verliebt, in dem man sehr beeinflussbar ist. Aber wie oft geschieht das wirklich? Doch eher selten.

Der 27. September 1976 ist ein Tag, den ich nie vergessen werde. Ich war am späten Nachmittag auf dem Heimweg von meinem Freund David, als mir plötzlich jemand von der anderen Straßenseite etwas zurief. Ich hob den Blick und sah ein Mädchen, das ich aus der Schule kannte, auf mich zulaufen....
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