Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Watched. Du sollst (nicht) lügen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Moon Noteserschienen am02.10.2021
Rena ist schuld am Tod ihres Freundes Joe. Niemand möchte mehr etwas mit ihr zu tun haben. Niemand außer dem Unbekannten, der ihr über WhatsApp seltsame Aufgaben schickt. Jede hat etwas mit einer Todsünde zu tun. Wenn sie diese nicht erfüllt, wird einer ihrer Liebsten dafür büßen. Rena bleibt keine andere Wahl, sie muss gehorchen. Doch das Sündenspiel wird immer grausamer und für Rena gibt es kein Entkommen. Wer steckt hinter den Nachrichten? Wie hängt das Ganze mit Joes Tod zusammen? Und vor allem: Wie kann sie das teuflische Spiel beenden?

Chris Kaspar, geboren 1990, liebt es, Leser an ihre Geschichten zu fesseln. Schon ihre Hausarbeiten für die Uni waren voller Cliffhanger. Blutig endete es da zum Glück selten. Ein Leben ohne das Schreiben kann sie sich nicht vorstellen.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextRena ist schuld am Tod ihres Freundes Joe. Niemand möchte mehr etwas mit ihr zu tun haben. Niemand außer dem Unbekannten, der ihr über WhatsApp seltsame Aufgaben schickt. Jede hat etwas mit einer Todsünde zu tun. Wenn sie diese nicht erfüllt, wird einer ihrer Liebsten dafür büßen. Rena bleibt keine andere Wahl, sie muss gehorchen. Doch das Sündenspiel wird immer grausamer und für Rena gibt es kein Entkommen. Wer steckt hinter den Nachrichten? Wie hängt das Ganze mit Joes Tod zusammen? Und vor allem: Wie kann sie das teuflische Spiel beenden?

Chris Kaspar, geboren 1990, liebt es, Leser an ihre Geschichten zu fesseln. Schon ihre Hausarbeiten für die Uni waren voller Cliffhanger. Blutig endete es da zum Glück selten. Ein Leben ohne das Schreiben kann sie sich nicht vorstellen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783969810002
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.10.2021
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.7062669
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Rena


3. August, 10.08 Uhr

(7 Tage, 13 Stunden und 23 Minuten danach)


Im Beichtstuhl ist es dunkel und stickig. Es riecht muffig, nach Holz und so, als hätte jemand eine Ladung nasse Handtücher in der Waschmaschine vergessen.

Auf der anderen Seite des schweren Samtvorhangs findet Joes Beerdigungsgottesdienst statt. Pfarrer Sailes Stimme dringt nur gedämpft bis zu mir in den Beichtstuhl.

Ich schlucke. Mein Mund fühlt sich an, als hätte ich den Vorhang mit der Zunge vom Staub befreit. Ich schlucke erneut. Schmirgelpapier meets Kehle.

Angestrengt ignoriere ich das, was der Pfarrer draußen über Joe zu sagen hat. Und was soll das schon sein? Er kannte ihn überhaupt nicht, und das nicht nur, weil die Deckers erst letzten Winter hergezogen sind.

Am liebsten würde ich mir die Finger in die Ohren stecken und summen, wie ein Kind, das sich vor dem Donner fürchtet. Aber ich bin kein Kind mehr, ich kann die Realität nicht wegsummen. Keine Ahnung, warum ich überhaupt hergekommen bin.

Vereinzeltes Flüstern ist zu hören. Und obwohl ich kein Wort von dem verstehe, was getuschelt wird, weiß ich sehr genau, worüber die da draußen sich das Maul zerreißen. Oder besser gesagt, über wen.

Mich.

Rena Winterstein. Siebzehn Jahre alt. Mörderin.

Sie wissen nicht, dass ich hier drin sitze. Hoffe ich. Ich bin extra eine halbe Stunde früher gekommen. Aber wenn sie es wüssten, wären sie bestimmt zufrieden. Der Beichtstuhl ist genau der richtige Ort, um über meine Sünden nachzudenken.

Und mit denen könntest du die Hölle tapezieren!, schnurrt die Besserwisserin. Seit Kurzem hat sie sich in meinem Kopf eingenistet, thront auf dem Berg aus Lügen, der sich in mir angestaut hat. Um gnadenlos genau die Dinge zu kommentieren, die ich versuche, in der hintersten Ecke zu verstecken. Wegzuschließen. Dumm nur, dass die Besserwisserin einen Generalschlüssel hat. Nichts ist sicher vor ihr. Sie ist wie ein sprechender Spiegel, der einem nur die hässlichen Dinge entgegenschreit. Die Dinge, die sonst keiner sehen kann.

Orgelmusik setzt ein. Drama pur. Die dunklen Holzwände rücken näher, drohen, mich zu zerquetschen. Mir ist heiß. Der Schweiß läuft zwischen meinen Schulterblättern runter, das Atmen fällt mir zunehmend schwerer, und die Luft ist zähflüssig wie Sirup.

Durch einen schmalen Spalt zwischen Vorhang und Beichtstuhl kann ich die vorderste Kirchenbank sehen. Dort sitzen Joes Eltern, sein bester Kumpel Aaron, sein Bruder Pascal und â¦ Olivia. Ausgerechnet. Sogar nach Joes Tod kann sie es nicht lassen. Hat sie nicht begriffen, dass es nichts mehr zu holen gibt? Jeder konnte sehen, dass sie ein Auge auf Joe geworfen hatte.

Und du hast sie deutlich spüren lassen, was du davon hältst!

Joes Mutter dreht sich ruckartig zu mir um, als hätte sie die Besserwisserin gehört. Mein Herzschlag setzt aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzurasen. Ihr Blick ist so kalt. Kann sie mich sehen? Ich fühle mich, als wäre ich in einen zugefrorenen Fluss eingebrochen. Die Strömung reißt mich fort von dem Loch, das zurück zur rettenden Oberfläche führt.

Frau Decker ist schon immer schlank gewesen, aber jetzt treten ihre Wangenknochen spitz hervor, und ihre Bluse sitzt um die Schultern locker. Ihr Oberkörper schwankt leicht. Wie das Pendel einer Standuhr. Hin. Her. Hin. Her. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie im nächsten Moment einfach von der Bank auf den Steinboden kippt. Still und leise, so wie ihre Wut auf mich. Ihre Augen sind tiefe Gräber.

Ich fröstle. Der Moment dehnt sich aus, als hätte jemand mit besonderem Hang zur Dramatik die Zeit angehalten. Frau Deckers Lippen werden zu einem schmalen Strich, sonst ändert sich nichts in ihrem Gesicht. Die Kälte bleibt, die Grabesaugen auch. Innerlich zähle ich die Sekunden, höre aber meine eigenen Gedanken nicht. Halte es aus. Halte ihnen stand. Das bin ich ihr schuldig.

Du bist ihr noch viel mehr schuldig!

Sie sieht weg. Endlich.

Pascal legt den Arm um seine Mutter. In den letzten zehn Tagen habe ich ihn nur in seiner Polizeiuniform gesehen - doch heute wirkt sie eher wie ein Statement.

Ich denke an die unzähligen Stunden, die ich in den vergangenen Tagen damit verbrachte, das Telefon anzustarren oder auf der Straße vor dem Haus der Deckers rumzulungern. Am Ende reichte mein Mut nur für einen Brief, den ich gestern Nacht heimlich in den Postschlitz neben ihrer Haustür gesteckt habe. So, dass eine Ecke des Kuverts noch rausschaute. Als Notbremse. Falls ich es mir im Laufe der Nacht doch noch anders überlegen sollte.

Gezogen habe ich sie nicht, die Notbremse. Wahrscheinlich haben Joes Eltern das Kuvert nach einem Blick auf den Absender ungeöffnet zerrissen und danach verbrannt. Ganz nach dem Motto: Doppelt hält besser. Mit einer Antwort brauche ich also nicht zu rechnen.

Ich beuge mich ein Stück nach vorne und kann einen Blick auf Tilli und Adina erhaschen, die direkt hinter den Deckers sitzen.

Meine besten Freundinnen für immer. Na ja, fast immer. Früher war ich ihr Mittelpunkt. Ihre Sonne, um die sie kreisten.

Adina schiebt ständig ihre Brille die Nase hoch. Natürlich hat sie sich auf Tillis Seite geschlagen. Sie hat schon früher ständig den Weg des geringsten Widerstands gesucht.

Du hättest es nicht anders gemacht!

Tillis Schultern beben, und ich sehe, wie sie sich mit einem Taschentuch übers Gesicht wischt. Was geht in ihr vor? Zum ersten Mal weiß ich es nicht. Nein, das ist nicht wahr. Ich habe immer nur geglaubt, es zu wissen.

Eigentlich heißt Tilli Matilda, aber diesen Namen findet sie zu omamäßig. Ich kenne sie, seit ich denken kann, und genauso lange wohnt sie auch im Haus neben unserem. Sie ist wie eine Schwester für mich â¦ gewesen. Wir klebten so sehr aneinander, dass nicht nur unsere Lehrer anfingen, uns zu verwechseln - und das, obwohl wir uns kein bisschen ähnlich sehen. Deshalb wurde mit der Zeit alles, was wir taten, zu einer Challenge. Ein geheimer Wettkampf, von dem nur wir wussten. Zu gewinnen gab es nichts außer einem Gefühl. Für mich war es wie ein Augenblick im Sonnenlicht. Nur für einen winzigen Moment. Danach in den Schatten zurückzukehren, war, wie nach Hause zu kommen, weil ich wusste, dass meine beste Freundin dort auf mich wartete.

Jetzt ist Tilli eine Fremde für mich. Und ich bin eine Fremde für sie. Das, was früher mal tiefe Freundschaft war, ist in Hass umgeschlagen. Nur weiß ich nicht genau, wer von uns beiden die andere mehr hasst.

Zwar kann ich die restlichen Besucher vom Beichtstuhl aus nicht sehen, weiß aber, dass mein ganzer Jahrgang gekommen ist. Joe war beliebt, keine Frage. Kapitän der Schwimmmannschaft, nicht auf den Kopf gefallen und absoluter Mädchenschwarm. Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum jeder ihn mag â¦ mochte, verdammt! - sondern, dass er einfach nett war.

Eine Träne kämpft sich meine Wange hinunter. Wütend wische ich sie weg. Es war so einfach gewesen, Joe zu lieben. Und darum umso schwerer zu begreifen, dass es vorbei war. Dass es kein Wir mehr gab, vielleicht sogar nie gegeben hatte. Dass sich hinter dem netten Jungen noch ein anderer Joe verbarg, einer, den sonst keiner kannte. Der Fleck auf der weißen Weste.

Seit 7 Tagen, 13 Stunden und 35 Minuten sind sie nicht mehr da, Joe und der Fleck. Ich weiß das, ich habe damals auf die Uhr gesehen. Keine Ahnung, warum. Den Sarg kann ich vom Beichtstuhl aus nicht sehen, ist vermutlich besser so.

In fünfeinhalb Wochen geht die Schule wieder los. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich jemals dorthin zurückkehren soll. Ohne Tilli. Ohne Joe. Nur mit mir allein. Denn ich bin die Einzige, die keinen großen Bogen um mich machen kann.

Meine rechte Hand schmerzt. Ich bemerke, dass ich sie zur Faust geballt habe. Darin steckt eins der Gedenkblätter. Ich öffne die Faust. Das sonnengelbe Papier ist zerknittert, was aussieht, als hätte Joe wütende Falten auf der Stirn.

Über seinem Foto steht: In Gedenken an Johannes Decker. Unvergessen.

Ja, vergessen wird ihn von den Anwesenden sicher niemand. Und auch nicht, wie er ums Leben gekommen ist. Dafür hat die Stille Post gesorgt, die in diesem Fall gar nicht so still gewesen ist. Kleinstadtleben eben.

Die Orgelmusik verstummt, das Tuscheln nicht. Was sie wohl über mich reden? Die meisten von ihnen kennen mich nicht mal richtig! Aber â¦ tue ich das überhaupt selbst? Weiß ich, wer Rena Winterstein ist?

Pfarrer Sailes Worte drohen in meinen Verstand durchzudringen. Aber ich will sie nicht hören. Mein Hals wird eng, ich muss mich ablenken, also krame ich einen Kugelschreiber aus meiner Tasche. Ich drehe das Blatt um, lege es auf mein rechtes Knie und streiche es glatt.

Ganz oben schreibe ich #10factsaboutme.

Das letzte Mal, als ich bei Instagram online war, hat Tilli mich zu #10factsaboutme getagged. Damals waren die Sommerferien in greifbarer Nähe, kurz bevor alles außer Kontrolle geriet. Bevor ich außer Kontrolle geriet. Seitdem habe ich mich nicht mehr als Rena_Steinreich eingeloggt.

Die Therapeutin, zu der Mam und Paps mich seit letzter Woche schicken, hat mir dazu geraten, eine Social-Media-Pause einzulegen. Damit ich das Schlachtfeld in den Kommentaren unter meinen Bildern nicht sehe.

Meine kleine Schwester Lou hat gewettet, dass ich mich nicht daran halten kann. Wenn ich es bis...
mehr

Autor

Chris Kaspar, geboren 1990, liebt es, Leser an ihre Geschichten zu fesseln. Schon ihre Hausarbeiten für die Uni waren voller Cliffhanger. Blutig endete es da zum Glück selten. Ein Leben ohne das Schreiben kann sie sich nicht vorstellen.