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Einband grossNacht der Bestimmung
ISBN/GTIN

Nacht der Bestimmung

von
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
248 Seiten
Deutsch
CulturBooks Verlagerschienen am02.09.2021
»Eine wahrhaft kanadische Familiengeschichte, voller unvergesslicher Figuren.« Naheed Nenshi, Mayor of Calgary »Nacht der Bestimmung« ist die berührende Geschichte eines Generationenkonflikts innerhalb einer Familie von Einwanderern. Einfühlsam beschreibt Ali das Scheitern und Wachsen an den Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, eine neue Heimat zu gewinnen und dabei die eigene Herkunft nicht zu verlieren. Es ist das Jahr 1998. Mansoor Visram lebt nun schon seit 25 Jahren in Kanada, seit Diktator Idi Amin sämtliche Südostasiaten aus Uganda vertrieben hat. Mansoor, seine Frau Layla und ihr kleiner Sohn Ashif mussten ein erfolgreiches Leben hinter sich lassen und fliehen. Aber an alte Erfolge anzuknüpfen und die Familie in Kanada zusammenzuhalten ist viel schwieriger, als er erwartet hatte. Immer deutlicher treten die Risse zutage, die bereits vor Generationen - und auf anderen Kontinenten - entstanden sind. Vor allem der Konflikt zwischen Mansoor und seinem inzwischen erwachsenen Sohn spitzt sich immer weiter zu. In der Nacht der Bestimmung, der wichtigsten Nacht des Ramadan, in der sich das Schicksal für das kommende Jahr entscheidet, ereignet sich eine schreckliche Tragödie, die das Leben der Visrams für immer verändern wird, und die sie zwingt, sich endlich den Geistern der Vergangenheit zu stellen. »Gerade heutzutage sind die Themen dieses elegant, vielschichtig und filmisch erzählten Romans von größter Relevanz: Die Lebenswelten von Zuwanderern, Familienkonflikte, die Erfahrungen religiöser und kultureller Minderheiten, die Zweischneidigkeit des Erfolgs von Migranten erster und zweiter Generation.« David Chariandy, Autor von »Francis«

Anar Ali lebt in Toronto und arbeitet als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Ihr erstes Buch, der Kurzgeschichtenband »Baby Khaki's Wings«, stand auf der Shortlist für den Commonwealth Writer's Prize, den Trillium Book Award und den Danuta Gleed Literary Prize. »Nacht der Bestimmung« (Night of Power, 2019) ist ihr Romandebüt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR14,99

Produkt

Klappentext»Eine wahrhaft kanadische Familiengeschichte, voller unvergesslicher Figuren.« Naheed Nenshi, Mayor of Calgary »Nacht der Bestimmung« ist die berührende Geschichte eines Generationenkonflikts innerhalb einer Familie von Einwanderern. Einfühlsam beschreibt Ali das Scheitern und Wachsen an den Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, eine neue Heimat zu gewinnen und dabei die eigene Herkunft nicht zu verlieren. Es ist das Jahr 1998. Mansoor Visram lebt nun schon seit 25 Jahren in Kanada, seit Diktator Idi Amin sämtliche Südostasiaten aus Uganda vertrieben hat. Mansoor, seine Frau Layla und ihr kleiner Sohn Ashif mussten ein erfolgreiches Leben hinter sich lassen und fliehen. Aber an alte Erfolge anzuknüpfen und die Familie in Kanada zusammenzuhalten ist viel schwieriger, als er erwartet hatte. Immer deutlicher treten die Risse zutage, die bereits vor Generationen - und auf anderen Kontinenten - entstanden sind. Vor allem der Konflikt zwischen Mansoor und seinem inzwischen erwachsenen Sohn spitzt sich immer weiter zu. In der Nacht der Bestimmung, der wichtigsten Nacht des Ramadan, in der sich das Schicksal für das kommende Jahr entscheidet, ereignet sich eine schreckliche Tragödie, die das Leben der Visrams für immer verändern wird, und die sie zwingt, sich endlich den Geistern der Vergangenheit zu stellen. »Gerade heutzutage sind die Themen dieses elegant, vielschichtig und filmisch erzählten Romans von größter Relevanz: Die Lebenswelten von Zuwanderern, Familienkonflikte, die Erfahrungen religiöser und kultureller Minderheiten, die Zweischneidigkeit des Erfolgs von Migranten erster und zweiter Generation.« David Chariandy, Autor von »Francis«

Anar Ali lebt in Toronto und arbeitet als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Ihr erstes Buch, der Kurzgeschichtenband »Baby Khaki's Wings«, stand auf der Shortlist für den Commonwealth Writer's Prize, den Trillium Book Award und den Danuta Gleed Literary Prize. »Nacht der Bestimmung« (Night of Power, 2019) ist ihr Romandebüt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959882033
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.09.2021
Seiten248 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.7847746
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Mansoor versucht, den Frost an der Glastür seines Geschäfts mit einem Taschentuch zu entfernen, aber er produziert bloß ein Muster aus Halbkreisen über dem Firmenschild auf der Vorderseite: M. G. Visram & Sohn Textilpflege GmbH, im Dienste Kanadas seit 1987. Draußen fällt ein dünner, scharfer Schnee, dessen Fäden nur im Licht der Straßenlaternen sichtbar sind. Es ist kurz nach sieben Uhr morgens und noch immer stockdunkel. Die winterliche Sonne wird frühestens in einer Stunde aufgehen. Die meisten Geschäfte der Shopping Plaza in einem der besseren Viertel im Südwesten Calgarys sind geschlossen: das Reisebüro, der Friseur, die Zahnarztpraxis, die Videothek. Nur die Reinigung und der 24-Stunden-Minimarkt sind geöffnet.

Mansoor dreht sich um und inspiziert sein Geschäft wie jeden Morgen. Es ist ein kleiner Raum, nur einundfünfzig Quadratmeter groß, aber alles hat seinen Platz, und das erfüllt ihn mit großer Befriedigung. Goldfarbene Bilderrahmen prangen an der Wand über der Kasse wie eine Collage aus Familienfotos. In einem ein Dollarschein, der erste, den er in Kanada verdient hat, im August 1973. In einem anderen sein Gewerbeschein und in einem weiteren sein Versprechen an die Kunden: »Vielleicht kenne ich die Antwort noch nicht, aber ich werde sie finden. Vielleicht habe ich keine Zeit, aber ich werde sie mir nehmen.« An einer anderen Wand steht ein niedriges Regal, darin Bücher mit Titeln wie »Auf der Suche nach Exzellenz«, »Kraft- & Leistungstraining für Männer« und Biografien von Männern wie Henry Ford, Bill Gates und Neil Armstrong. Der hintere Teil des Geschäfts ist durch eine Glaswand vom Kundenbereich abgetrennt, damit man sehen kann, wie gut sein Betrieb organisiert ist. Reihen von Anzügen und Hemden, eingeschlagen in Plastikfolie, hängen wie kopflose Menschen an einem Transportband.

Im hinteren Raum schlägt er einen Kalender auf, und das Bild eines einsamen arktischen Wolfes ist zu sehen. Eine Notiz neben dem Datum von heute, dem 21. Januar, ist rot eingekreist und mit einem Sternchen versehen. Bank, 15.30 Uhr. Mansoor ist bereit. Bis ins Detail vorbereitet. Schon seit Monaten. Er benötigt die Gelder für eine Trockenreinigungsanlage, die im Mittelpunkt seines neuen Geschäftsmodells stehen soll. Noch länger als auf diesen Termin wartet er darauf, seinen Sohn Ashif in seinen Plan einzuweihen. Er ist der Einzige, der die Größe und Bedeutung seines geschäftlichen Vorhabens wirklich zu erfassen vermag. Schließlich ist er ein hervorragender Geschäftsmann. Genau wie sein Vater. Morgen wird Mansoor endlich die Gelegenheit haben. Ashif kommt zum Mittagessen nach Hause. Er fliegt aus Toronto ein, um einige wichtige Meetings wahrzunehmen.

Über Mansoors Schreibtisch hängt ein riesiges Porträt seines Vaters, eine Kopie des Originalfotos, das in allen ihren Geschäften in Uganda hing, neben einem Bild von Adi Amin, wie es das Gesetz wollte, und einem des Imam, wie es die Gemeinde erwartete. Eine Dreifaltigkeit von Männern. Auf dem Foto steht sein Vater stolz vor seiner Hauptfiliale in Kampala. Er ist groß und kräftig, seine Körperfülle ist Nachweis seines Reichtums. Er trägt einen elfenbeinfarbenen Dreiteiler; an seiner Westentasche hängt eine goldene, in London gekaufte Taschenuhr. Die Hände ruhen majestätisch auf einem Gehstock mit silbernem Löwenkopf. Auf einem Schild hoch über seinem Kopf ist zu lesen: Visram P. Govindji & Sohn, gegründet 1929.

***

Als Ashif ein Kind war, fand Mansoor im Schreibtisch seines Jungen einen Zeitungsausschnitt, der das Gesicht von Colonel Sanders zeigte, diesem Kerl mit der dicken Brille und dem albernen Bart. Darunter hatte Ashif in seiner kindlichen Handschrift Dadabapa gekritzelt. Mansoor war außer sich vor Wut. Sein Vater war ein angesehener Mann, und sein Sohn hier hielt ihn für einen Amerikaner, der Hühnchen frittierte? Auf der Stelle richtete Mansoor samstagmorgendliche Schulstunden ein, für die er Ashif in sein Büro marschieren ließ, um ihm Nachhilfe in Familiengeschichte zu erteilen. Ashif erklomm den Bürostuhl seines Vaters, und seine Füße baumelten hoch über dem Boden in der Luft, während Mansoor referierte. »Als dein Dadabapa in Afrika ankam, hatte er gerade einmal zwei Rupien in der Tasche. Weißt du, wie viel das ist?«

»Gerade genug, um Kaugummi zu kaufen. Aber keine ganze Packung. Nur einen einzelnen.«

»Ganz genau!« Er tätschelte seinem Sohn die Schulter. »Kannst du dir das vorstellen? Dein Großvater war ein armer Mann aus Indien. Er kämpfte ums nackte Überleben ⦫, Mansoor drehte den Globus auf seinem Schreibtisch und deutete auf einen Staat, »â¦ hier in Gujarat. Er arbeitete in einem Steinbruch, schuftete den ganzen Tag in der heißen Sonne, zerschlug Steine und ruinierte sich dabei den Rücken. Und wofür? Damit sich die Taschen anderer Menschen füllten.« Er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Nein, Sir!«

Ashif schlug ebenfalls mit der Faust auf den Tisch. »Nein, Sir!«

»Dadabapa war dreizehn Jahre alt - nur sieben Jahre älter als du, mein Sohn -, als er davon hörte, dass viele Leute in Afrika ein Vermögen verdienten, Männer, denen nun ganze Ladenketten gehörten und die Versicherer von arabischen, indischen und swahilischen Unternehmern waren, an die sich verzweifelte Geschäftsleute wenden konnten, um einen Kredit aufzunehmen. Afrika war ihr Amerika. Dadabapa beschloss, das Risiko einzugehen. Er sparte genug Geld zusammen für eine Schiffspassage raus aus Indien und rein in die neue Welt. Er überlebte die beengte dreimonatige Reise auf einem dwho - die Ruhr, die Ratten und wer weiß, was sonst noch alles - und erreichte im Jahr 1912 die Küste Sansibars. Wie lange ist das her?« Lektionen in Mathematik und Naturwissenschaften waren fester Bestandteil einer jeden Sitzung.

Ashif griff nach dem Taschenrechner auf dem Schreibtisch seines Vaters; Mansoor nahm ihn weg. »Es wird nicht geschummelt!«

»In Ordnung.« Ashif kicherte. Er kritzelte fünfundsechzig Jahre in sein Notizheft.

»Ja, sehr gut! Aber in Sansibar gab es bereits zu viele junge Männer mit ähnlichen Träumen und Ideen. Was hat dein Dadabapa also gemacht? Er war sehr, sehr klug, musst du wissen. Er machte sich auf ins Landesinnere, um dort sein Glück zu suchen. Bis er an eine weitere Grenze stieß: Uganda. In Uganda ging er bei einem indischen Ladenbesitzer in die Lehre und tauschte seine Arbeitskraft gegen einen Schlafplatz auf dem Dach des Ladens und eine Mahlzeit aus Barazi und Mumri, Bohnen in Kokosmilch und frittiertem Brot, die er jeden Mittag zu essen bekam. Er lernte auf Hindi und Gujarati zu lesen und zu schreiben, die Bücher zu führen, mit Verkäufern zu verhandeln und den Kunden Sachen zu verkaufen, von denen sie gar nicht gewusst hatten, dass sie sie überhaupt brauchten. Und er lernte viele neue Sprachen: Suaheli, Englisch, Kikuyu und Buganda. Sogar Japanisch, nach dem Zweien Weltkrieg. Stell dir das vor! Die Japaner arbeiteten hart dafür, ihr Land wiederaufzubauen - gut für sie. Sie boten unschlagbare Qualität und unschlagbare Preise, sodass man nicht drum herumkam, mit ihnen Geschäfte zu machen. Dein Großvater hat seinen Meißel gegen einen Stift und seinen dhoti gegen einen Anzug eingetauscht und ist ein neuer Mensch geworden. Innerhalb weniger Jahre hat er den Verlauf einer tausendjährigen Familiengeschichte verändert, gerade so, als würde er einen stählernen Tanker mit bloßen Händen auf einen neuen Kurs setzen.«

Ashif rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl herum. »Genau wie Superman!«

»Ja, wie ein Superheld aus dem echten Leben. Fünfzehn Jahre nachdem er Afrika das erste Mal betreten hatte, eröffnete Dadabapa im Alter von erst achtundzwanzig Jahren seinen eigenen kleinen Kurzwarenladen in einem winzigen Dorf namens Tororo an der ugandisch-kenianischen Grenze.«

»Toronto?«, fragte Ashif.

»Nein.« Mansoor lachte. »To-ro-ro. Ein ganz ähnlicher Name, stimmt. Aber Welten entfernt. Dieses Dorf war nicht mal so groß wie deine Schule. Stell dir das vor! Als das Geschäft in Tororo erfolgreich lief, folgte er der neuen europäischen Eisenbahnlinie quer durchs Land und baute eine ganze Kette von Kurzwarenläden auf, indem er an jeder Haltestelle einen neuen Laden eröffnete - in Busembatia, Iganga, Jinja und schließlich Kampala. Ein kleines Imperium. Du siehst also, mein Sohn, man kann alles erreichen. Man kann sein, wer immer man will. Aber man darf niemals aufgeben. Niemals! Verstanden?«

Ashif nickte.

»Merk dir meine Worte, mein Sohn. Wir waren Könige in Uganda, und wir werden auch in Kanada wieder Könige sein.«

»Ich auch, Papa?«

»Natürlich!« Mansoor hob seinen Sohn in seine Arme. »Eines Tages wird alles einmal dir gehören!«

***

Mansoor greift nach dem Stapel mit Businessplänen auf seinem Schreibtisch. Zwei legt er für den Termin mit dem Banker zur Seite, dann nimmt er einen weiteren für seinen Sohn. Er schreibt die Initialen AMV darauf. Ashif M. Visram. Es gibt so viele Dinge, die er mit seinem Sohn teilen möchte, nicht nur den Businessplan. Wenn der Junge ihn nur ließe. Er weiß nicht genau, wann die Probleme begannen, aber schon seit geraumer Zeit hat Ashif eine Mauer zwischen ihnen errichtet. Was hat den Jungen nur so verändert? Früher hatten sie sich immer alles sagen können. Wenn Ashif ihm jetzt etwas mitteilen möchte, erzählt er es erst seiner Mutter, und die gibt es dann weiter an ihn. Wer ist sie - seine Übersetzerin? Aber er fragt sich, ob wohl einzelne Informationen bei der Weitergabe verloren gehen wie bei einer Partie Stille Post. Er ist...

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Autor

Anar Ali lebt in Toronto und arbeitet als Drehbuchautorin für Film und Fernsehen. Ihr erstes Buch, der Kurzgeschichtenband »Baby Khaki's Wings«, stand auf der Shortlist für den Commonwealth Writer's Prize, den Trillium Book Award und den Danuta Gleed Literary Prize. »Nacht der Bestimmung« (Night of Power, 2019) ist ihr Romandebüt.
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