Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Rechtsextremismus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
marixverlagerschienen am17.09.2021
Es ist keine verblassende, bedeutungslos werdende Spur der nationalsozialistischen Vergangenheit, sondern ein Teil unserer Gegenwart. Rechtsextremismus ist ein Problem der deutschen Gesellschaft. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich dieses radikale Lager in der Bundesrepublik und latent auch in der DDR halten können. Es hat sich immer wieder neu erfunden und so Wege gefunden, politischen Einfluss zu nehmen. Im Kern dieser Ideologie bleibt die Vorstellung einer fundamentalen Ungleichheit der Menschen, mit der strikte Hierarchien begründet werden. Sie zeigt sich als exkludierender Nationalismus, rassistisch und antisemitisch, und propagiert rigide Vorstellungen von Geschlechterrollen. Rechtem Terrorismus und rechter Straßengewalt fielen nach 1945 in Deutschland unzählige Menschen zum Opfer. Damit verbunden existiert ein verästeltes Netzwerk von Parteien, Organisationen, Medien und Subkulturen: einerseits als eigenes oppositionelles Milieu; andererseits mit anderen Teilen der Gesellschaft verbunden. Das Buch beschreibt anhand des aktuellen Forschungsstands den Rechtsextremismus in Deutschland: seine Akteure, Ideen, Kampagnen, Geschichte und gesellschaftlichen Berührungspunkte.

Christoph Schulze, geboren 1979 in Brandenburg, ist Mitarbeiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Promotion an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Rechtsextremismusforschung.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextEs ist keine verblassende, bedeutungslos werdende Spur der nationalsozialistischen Vergangenheit, sondern ein Teil unserer Gegenwart. Rechtsextremismus ist ein Problem der deutschen Gesellschaft. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich dieses radikale Lager in der Bundesrepublik und latent auch in der DDR halten können. Es hat sich immer wieder neu erfunden und so Wege gefunden, politischen Einfluss zu nehmen. Im Kern dieser Ideologie bleibt die Vorstellung einer fundamentalen Ungleichheit der Menschen, mit der strikte Hierarchien begründet werden. Sie zeigt sich als exkludierender Nationalismus, rassistisch und antisemitisch, und propagiert rigide Vorstellungen von Geschlechterrollen. Rechtem Terrorismus und rechter Straßengewalt fielen nach 1945 in Deutschland unzählige Menschen zum Opfer. Damit verbunden existiert ein verästeltes Netzwerk von Parteien, Organisationen, Medien und Subkulturen: einerseits als eigenes oppositionelles Milieu; andererseits mit anderen Teilen der Gesellschaft verbunden. Das Buch beschreibt anhand des aktuellen Forschungsstands den Rechtsextremismus in Deutschland: seine Akteure, Ideen, Kampagnen, Geschichte und gesellschaftlichen Berührungspunkte.

Christoph Schulze, geboren 1979 in Brandenburg, ist Mitarbeiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Promotion an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Rechtsextremismusforschung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843806909
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.09.2021
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1050 Kbytes
Artikel-Nr.8073717
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Ein Sommer in Chemnitz (Einleitung); Begriffe und Dimensionen; Was ist Rechtsextremismus?; Ideologischer Kern und gesellschaftliche Grundvorstellungen; Nationalismus; Rassismus; Antisemitismus; Geschlechter- und Familienvorstellungen; Demokratie und Autoritarismus; Kapitalismus und Anti-Kapitalismus; Religion; Geschichte und Erscheinung; Geschichte rechtsextremer Parteien; Aktuelles Gravitationszentrum AfD; Milieus, Jugendgruppen und Kulturgemeinschaften; Soldatenverbände; Jugendverbände; Studentenverbindungen; Kulturgemeinschaften und Seminare; Neonazigruppen; Neonazistisch geprägte Jugend- und Subkulturen; Terrorismus und Gewalt; Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden und Armee; Publizistik; Netzmilieus, Verschwörungsgläubige und "Reichsbürger"; Kampagnen; "Geschichtliche Wahrheit"; "Überfremdung"; Gegen "politische Korrektheit"; Fallbeispiel Neue Rechte: Hintergründe, Strategie, Aufstieg und Niedergang der "Identitären"; Verbreitung und Ursachen; Wie verbreitet ist rechtsextremes Denken?; Erklärungen, Bedingungen und Ursachen; Politik: Innere Faktoren und soziale Bewegung; Geschichte: Kontinuitäten und politische Kultur; Psychologie: Autoritarismus und Dominanzkultur; Soziales: Reaktion auf Krisen, Desintegration und Modernisierung; Gegenmaßnahmen und Ausblick; Weiterführende Literaturmehr
Leseprobe

BEGRIFFE UND DIMENSIONEN

Worüber reden wir, wenn wir von Rechtsextremismus reden? Was ist damit gemeint und was nicht? Die Antwort auf diese Fragen ist diffiziler, als es zunächst erscheinen mag. Noch immer werden manche Presseberichte zum Thema mit Archivfotos von klobigen Skinhead-Springerstiefeln illustriert. Doch gerecht wird man dem Phänomen mit Stereotypen nicht. Anhand von Kleidung, Symbolen oder brachialen Parolen ist Rechtsextremismus selten identifizierbar. Nur kleinere Fraktionen der Rechtsextremen bekennen sich tatsächlich über die Mode nach außen zu ihrer Gesinnung. Ein Fokus auf Äußerlichkeiten vereinfacht zu stark und suggeriert irrtümlich, dass Rechtsextremismus ein Problem randständiger Schlägertypen sei: Rechtsextreme, das sind die anderen, die mit uns nichts zu tun haben.

In diesem Kapitel werden dem Begriff Rechtsextremismus und verwandten Bezeichnungen eine Kontur verliehen. Dafür werden die gängigen Herangehensweisen vorgestellt, eingeordnet und gegebenenfalls auf jeweilige analytische Vor- und Nachteile hingewiesen. Der Schwerpunkt liegt auf der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Problem, doch auch das davon abzugrenzende behördliche Verständnis wird berücksichtigt. Vertiefend wird auf ausgewählte Elemente des rechtsextremen Denkens eingegangen und an Beispielen die Spannbreite der teils widersprüchlichen Positionen skizziert, die im Rechtsextremismus zu gesellschaftlichen Fragen zu finden sind.
Was ist Rechtsextremismus?

Kaum jemand bezeichnet sich selbst als »rechtsradikal« oder »rechtsextrem«. Sicherlich gibt es prominente Ausnahmen, wie das bis 2013 erschienene Magazin Hier & Jetzt, das sich an das NPD-Milieu wendete und den Claim »radikal rechte Zeitschrift« prominent im Untertitel führte. Die allermeisten Rechtsextremen hingegen weisen solche Einordnungen von sich und bestehen darauf, vielleicht seltener gewordene aber doch respektable, demokratische Inhalte zu vertreten. Schon die Rede von »Radikalität« wird von ihnen als aufgezwungener Platzanweiser in der politischen Landschaft verstanden. Selbst ihr Rechtssein weisen viele zurück und reklamieren stattdessen, einen soliden Konservatismus zu vertreten. Andere wollen für »gesunden Menschenverstand« jenseits von »rechts« und »links« und anderem »Schubladendenken« stehen. Durch die Geschichte der Bundesrepublik waren Eigenbezeichnungen wie »Nationale«, »nationales Lager«, »nationale Opposition« oder simpel »Patrioten« gängig und werden auch weiterhin verwendet.

Mit der »extremen Rechten« ist im Kern ein bestimmtes politisches Milieu gemeint. Es wird durch ein - manchmal enges, manchmal loseres - Wir-Gefühl zusammengehalten, das sich aus ideologischen und weltanschaulichen Grundüberzeugungen, aus der Geschichte und aus sozialen, personellen und organisatorischen Verbindungen nährt. Freilich grenzt die extreme Rechte an andere politische Milieus an und in bestimmten Bereichen sind Überlappungen zu finden. Manche Rechtextreme bewegen sich auch in nicht-rechtsextremen Organisationen. Obendrein ist rechtsextremes Denken als Einstellungsmuster in der Bevölkerung verbreitet, hat also auch eine unorganisierte und nicht notwendig mit konkreten Handlungen verknüpfte Dimension.

Folgt man dem italienischen Rechtsphilosophen Norberto Bobbio, dann können links und rechts als Pole verstanden werden, die einander entgegenstehende soziökonomische Vorstellungen betreffen. Der linke Pol des politischen Spektrums ist egalitär orientiert und strebt dementsprechend das Abfedern sozioökonomischer Schieflagen zwischen Menschengruppen oder gar das Erreichen sozialer Gleichheit an. Am rechten Pol wird die grundsätzliche Gleichheit von Menschen bestritten. Die Extremposition: Ungleichheit zwischen Menschen und Menschengruppen ist kein Unrecht und kein Produkt menschlichen Handelns, sondern ein Naturzustand, den es zu bejahen, zu bewahren und zu verwalten gilt. Für die Abbildung politischer Überzeugungen ist ergänzend zu diesen sozioökonomischen Polen eine zweite, politisch-kulturelle Achse hinzuzudenken. In der Frage nach den Grundvorstellungen bezüglich staatlicher und sozialer Ordnung bildet diese die Antagonismen Autoritarismus und Libertarismus ab, unterscheidet also zwischen strikter, pluralismusfeindlicher Herrschaft und größtmöglichen Handlungsfreiheiten.

Mit der extremen Rechten ist das politische Milieu gemeint, welches für eine scharfe Ablehnung des Gleichheitsgedankens einsteht und in aller Regel scharf autoritaristisch orientiert ist. Dabei ist es in politischen Einzelfragen, in ihren Strategien und sozial nuanciert. Generell aber will die extreme Rechte mit der Durchsetzung eines harten und ethnozentrischen Nationalismus dem Ungleichheitsgedanken in ihrer Weltanschauung die ihrer Ansicht nach gebührende politische Geltung verschaffen. Oft werden dafür die Ideen der Aufklärung und des Universalismus radikal verworfen, mindestens wird ihren Prämissen misstraut. Hierin liegt ein markanter Unterschied zwischen dem Rechtsextremismus und einem modernen, konstitutionellen und aufgeklärten Konservatismus.

Die grundsätzlich unterschiedlichen Menschen könnten laut den rechtsextremen Ideen ihr Potenzial zum Wohle der nationalen Gemeinschaft am besten entfalten, wenn diese an den ihnen qua Natur (oder: qua göttlichem Willen) zustehenden Positionen in der Gesellschaft lebten und arbeiteten. Eine soziale Mobilität der Volksangehörigen ist nur in einem geringen Maße vorgesehen. Ein Arbeiter ist Arbeiter und sollte Arbeiter bleiben. Identität ist hergebracht, den Individuen eingeschrieben und nur ihre Aufrechterhaltung und Entfaltung verspricht, die Ordnung zu bewahren. Staat und Gesellschaft werden oft als ganzheitliche Körper beschrieben, deren Fortexistenz davon abhänge, dass ihre Gliedmaßen die jeweiligen Funktionen erfüllen können und »Wucherungen« nicht zugelassen werden. Wenn alle Volksangehörigen an ihrem Platz wirkten, werde Harmonie erreicht. Ambivalenzen und gesellschaftlichen Interessenkonflikten wird tendenziell die Legitimität abgesprochen. Um den nötigen Zusammenhalt zu gewährleisten, seien Staat und Gesellschaft auf eine hierarchische Gliederung angewiesen, in der sich die Ungleichheit der Menschen organisch abbilde. Legitimen Anspruch auf Gleichheit gebe es nur unter Gleichrangigen - die sozialen Bindungskräfte, etwa bei der Pflichterfüllung im Militärdienst, gelten als kameradschaftliche Tugend. Dieses Grundprinzip von Ungleichheit und Hierarchie erstreckt sich auf die meisten gesellschaftlichen Felder, von der Arbeitswelt über das Geschlechterverhältnis bis hin zu politischen Mitspracherechten. Verbunden mit dem völkischen Nationalismus steht im Rechtsextremismus darum das Ansinnen im Zentrum, »Ordnungen der Ungleichheit« (so Stefan Breuer über die deutsche radikale Rechte von 1871 bis 1945) zu schaffen und zu sichern. Häufig blickt die extreme Rechte mit Bewunderung auf ausgewählte ältere und archaische Gesellschaften, von denen sie zu wissen glaubt, dass in ihnen eine »natürliche Ordnung« gewahrt war. Aus Sicht des Rechtsextremismus ist die eigene Politik gewissermaßen eine Art angewandte Anthropologie. Was den Menschen (bzw.: die Völker oder die »Rassen«) ausmacht, ist entweder unabänderlich oder das zu bewahrende und zu respektierende Produkt von gigantischen Werdungsprozessen. Aufgabe von Politik ist in diesem Verständnis weniger die Gestaltung von Gesellschaft, sondern eher die Gerechtigkeit gegenüber dem ohnehin Gegebenen. Die NPD etwa behauptet von sich, ein »lebensrichtiges Menschenbild« zu vertreten, das »auf der Natur des Menschen« aufbaue und die Naturgesetze in das politische Handeln einbeziehe. Das Menschenbild des Rechtsextremismus neigt zu einem starken Bezug auf vermeintlich verhaltensbiologisch bedingte Konstanten. Instinkte und Konkurrenzempfinden trieben menschliches Handeln an und Kampf und Auseinandersetzung seien darum zu bejahen. Sozialdarwinistisch wird das Recht des Stärkeren affirmiert: »Leben ist Kampf«, und wer sich durchsetzt, hat Recht.

Den hauptsächlichen Bezugsrahmen bildet für die extreme Rechte das Begriffspaar von Nation und Volk, verstanden als staatliche Formgebung bzw. als ethnisch weitgehend homogene Einheit. Wer sich zum Volk zählen darf, wird mit einer Mischung aus essenzialistisch-kulturellen und biologisch-rassistischen Argumenten begründet. Veränderungen und Verschiebungen, welche die vermeintliche Einheit des Volkes betreffen, werden von Rechtsextremen abgelehnt oder nur mit großer Trägheit und Verzögerung akzeptiert - das Deutschsein der Nachfahrinnen und Nachfahren der polnischen Einwanderung ins Ruhrgebiet im 19. Jahrhunderts wird auch von heutigen Rechtsextremen nicht mehr in Zweifel gezogen.

Rechtsextreme vertreten in Übereinstimmung mit ihren Ungleichheitsvorstellungen auf kultureller Ebene in aller Regel eine drastische Gegenwartskritik. Die von ihr als natürlich angesehene Ordnung sei aus den Fugen geraten und müsse darum restauriert werden - anders könne dem von ihr beständig diagnostizierten...
mehr

Autor

Christoph Schulze, geboren 1979 in Brandenburg, ist Mitarbeiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Promotion an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Rechtsextremismusforschung.