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Die Letzten werden die Ersten sein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am26.05.2022Auflage
»Shriver scheint uns immer ein paar Schritte voraus zu sein. Sie ist die Kassandra der amerikanischen Literatur.« New York Times Book Review »Ich habe beschlossen, einen Marathon zu laufen«, verkündet Remington Alabaster, noch bevor er auch nur ein einziges Mal joggen war. Seine Frau Serenata dagegen hat fast alle Sportarten dieser Welt ausprobiert, bis eine Arthrose in den Knien sie zur Untätigkeit verdammte. Bleiben ihrem Mann nur deswegen so viel Kraft und Elan, weil er sie sich 64 Jahre lang aufgespart hat? Serenatas Belustigung weicht bald dem puren Entsetzen. Scharfzüngig und beschwingt schildert Lionel Shriver den Verfall unserer Körper und entwirft ein herrlich eigensinniges Paar, dessen Ehe durch einen aberwitzigen Entschluss ins Wanken gerät. »Lionel Shrivers Roman enthält die zärtlichsten Zeilen darüber, was es heißt, in einer langen Ehe alt zu werden.« The Times

Lionel Shriver, geboren 1957 in Gastonia, North Carolina, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in Portugal und London. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die Letzten werden die Ersten sein«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Shriver scheint uns immer ein paar Schritte voraus zu sein. Sie ist die Kassandra der amerikanischen Literatur.« New York Times Book Review »Ich habe beschlossen, einen Marathon zu laufen«, verkündet Remington Alabaster, noch bevor er auch nur ein einziges Mal joggen war. Seine Frau Serenata dagegen hat fast alle Sportarten dieser Welt ausprobiert, bis eine Arthrose in den Knien sie zur Untätigkeit verdammte. Bleiben ihrem Mann nur deswegen so viel Kraft und Elan, weil er sie sich 64 Jahre lang aufgespart hat? Serenatas Belustigung weicht bald dem puren Entsetzen. Scharfzüngig und beschwingt schildert Lionel Shriver den Verfall unserer Körper und entwirft ein herrlich eigensinniges Paar, dessen Ehe durch einen aberwitzigen Entschluss ins Wanken gerät. »Lionel Shrivers Roman enthält die zärtlichsten Zeilen darüber, was es heißt, in einer langen Ehe alt zu werden.« The Times

Lionel Shriver, geboren 1957 in Gastonia, North Carolina, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in Portugal und London. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die Letzten werden die Ersten sein«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492601511
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum26.05.2022
AuflageAuflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7065 Kbytes
Artikel-Nr.8154403
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

»Ich habe beschlossen, einen Marathon zu laufen.«

In einer zweitklassigen Sitcom hätte sie Kaffee über ihr Frühstück gespuckt. Aber Serenata war ein zurückhaltender Mensch und gerade zwischen zwei Schlucken. »Was?« Ihr Ton war ein wenig spitzbübisch, aber höflich.

»Du hast mich schon verstanden.« Am Herd lehnend, bedachte Remington sie mit einem irritierend ruhigen Blick. »Ich denke an den Lauf in Saratoga Springs im April.«

Sie hatte das Gefühl - selten in ihrer Ehe -, sie müsse achtgeben, was sie sagte. »Du meinst es ernst. Du willst mich nicht auf den Arm nehmen.«

»Tue ich das oft? Dass ich eine Absichtserklärung abgebe und dann sage: April, April, war nur Spaß? Mir ist nicht klar, wie ich deinen Zweifel nicht als Beleidigung auffassen sollte.«

»Mein Zweifel könnte etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass ich dich noch nie auch nur von hier ins Wohnzimmer habe laufen sehen.«

»Warum sollte ich ins Wohnzimmer laufen?«

Seine wörtliche Auslegung war nichts Ungewöhnliches. Für Remington und Serenata war es völlig normal, einander mit solchen Korinthenkackereien zu beharken. Es war ein Spiel. »In den letzten zweiunddreißig Jahren hast du dich kein einziges Mal zu einem Dauerlauf um den Block aufgerafft. Und jetzt erzählst du mir, ohne mit der Wimper zu zucken, dass du einen Marathon laufen willst. Du musstest damit rechnen, dass ich ein wenig überrascht sein würde.«

»Na, dann los. Sei überrascht.«

»Es stört dich nicht ...«, Serenata schien ein gewisses Maß an Behutsamkeit weiterhin angeraten, obwohl sie mit Behutsamkeit lieber nichts am Hut gehabt hätte, »... dass dein Vorhaben hoffnungslos banal ist?«

»Überhaupt nicht«, sagte er leutselig. »Das ist etwas, das dich stört. Mal ganz abgesehen davon, dass mein Verhalten immer noch von der großen Masse der Menschen bestimmt wäre, wenn ich nur deshalb keinen Marathon laufen würde, weil so viele andere Leute es tun.«

»Was ist das hier, Projekt Löffelliste? Hast du deine alten Beatles-Platten gehört, und plötzlich ist dir klar geworden, dass sich When I´m Sixty-Four auf dich beziehen könnte? Löffelliste ...«, wiederholte sie und schreckte zurück. »Wo habe ich das bloß her?«

Tatsächlich war das ständige Wiederholen dieses inzwischen dem allgemeinen Sprachgebrauch einverleibten Idioms genau die Art von lemminghaftem Verhalten, das sie zur Weißglut trieb. (Die Gleichsetzung tat den Lemmingen schweres Unrecht. In einer Dokumentation, die den Mythos ihres Massenselbstmords propagierte, hatten die Filmemacher die armen Kreaturen von der Klippe geworfen. Insofern war die berühmte, aber auf einem Trugschluss beruhende Metapher für massenhafte Konformität selbst ein Beispiel für massenhafte Konformität.) Okay, es war nichts verkehrt daran, sich einen neuen Begriff zu eigen zu machen. Was nervte, war die Tatsache, dass plötzlich alle munter und vollkommen selbstverständlich von ihrer Löffelliste redeten, als sei es das Normalste von der Welt.

Serenata hatte das Interesse an ihrem Tablet und den Neuigkeiten aus Albany verloren und stemmte sich aus ihrem Stuhl hoch. Sie waren erst vor vier Monaten nach Hudson gezogen, und sie fragte sich, wie lange sie die Verbundenheit zu ihrer ehemaligen Heimatstadt noch vorzutäuschen gewillt sein würde, indem sie online die Times Union las.

Sie selbst war erst sechzig - allerdings war ihre Generation die erste, die einen derart ernüchternden Sachverhalt mit dem Zusatz erst versah. Nachdem sie eine halbe Stunde in derselben Stellung verharrt hatte, waren ihre Knie steif geworden, und das rechte zu strecken erwies sich als knifflig. Wenn es einmal verkrampft war, konnte man es nur sehr langsam aus seiner Position befreien. Außerdem wusste sie nie genau, wann eines der Knie etwas Gruseliges oder Unerwartetes veranstalten würde - zum Beispiel plötzlich Pong machen und ein bisschen aus dem Gelenk springen und dann wieder zurück. Das war es, was alte Leute beschäftigte und wovon sie redeten. Sie wünschte, sie könnte sich bei ihren verstorbenen Großeltern, deren medizinisches Gejammer sie als Kind kaum hatte ertragen können, nachträglich entschuldigen. Alte Menschen unterschätzten die erbarmungslose Selbstbezogenheit ihrer Nächsten und Liebsten und ergingen sich in detaillierten Schilderungen der eigenen Leiden, weil sie unterstellten, dass jeder, der sich für sie interessierte, sich auch für ihre Schmerzen interessieren würde. Doch niemand hatte sich für die Schmerzen ihrer Großeltern interessiert, und jetzt würde sich niemand für die Schmerzen von deren Enkeltochter interessieren, die einst so gefühlskalt gewesen war. Brutale Gerechtigkeit.

Der Übergang in den aufrechten Stand war ein Erfolg. Herrje, welche mickrigen Errungenschaften würden ihr in ein paar Jahren als Triumph erscheinen. Sich an das Wort Mixer zu erinnern. Einen Schluck Wasser zu trinken, ohne das Glas fallen zu lassen. »Hast du dir über den Zeitpunkt dieser Ankündigung Gedanken gemacht?« Sie stöpselte das Tablet ein - Beschäftigungstherapie; die Batteriekapazität war noch bei 64 Prozent.

»Was ist damit?«

»Er fällt mit einer gewissen Invalidität zusammen. Ich habe gerade erst im Juli mit dem Laufen aufgehört.«

»Ich wusste, dass du es persönlich nimmst. Darum hatte ich Angst, es dir zu erzählen. Willst du wirklich, dass ich mir etwas versage, nur weil es bei dir ein Gefühl der Wehmut auslöst?«

»Wehmut. Du meinst, das löst bei mir ein Gefühl der Wehmut aus?«

»Missgunst«, korrigierte sich Remington. »Aber wenn ich mich auf ewig an einen Stuhl fessele, ist deinen Knien damit auch nicht geholfen.«

»Ja, das ist alles sehr rational.«

»Das hört sich an, als wolltest du mich kritisieren.«

»Du findest es also irrational, auf die Gefühle deiner Frau Rücksicht zu nehmen.«

»Wenn ein Opfer, das ich erbringe, nicht dazu führt, dass sie sich besser fühlt, dann ja.«

»Du planst das schon länger?«

»Seit ein paar Wochen.«

»Hat dieses untypische Erwachen eines Interesses an körperlicher Betätigung deiner Meinung nach irgendwas mit den Vorfällen im Amt für Transport und Verkehr zu tun?«

»Nur insofern, als mir die Vorfälle im Amt ein unerwartetes Maß an Freizeit beschert haben.« Obwohl er das Thema damit vom Tisch gewischt hatte, machte es Remington nervös. Er kaute auf der Innenseite seiner Wange herum, wie es seine Art war, und sein Ton wurde eisig und säuerlich, garniert mit ein paar Tropfen Bitterkeit, wie ein Cocktail.

Serenata verachtete Frauen, die ihre Gefühle zum Ausdruck brachten, indem sie in der Küche herumlärmten, aber es kostete sie ein geradezu lächerliches Maß an Selbstbeherrschung, nicht die Spülmaschine auszuräumen. »Wenn du Probleme hast, deinen Terminkalender zu füllen, vergiss nicht, warum wir überhaupt hergezogen sind. Der letzte Besuch bei deinem Vater ist schon wieder verdammt lange her, und in seinem Haus gibt es an allen Ecken und Enden etwas zu reparieren.«

»Ich werde nicht den Rest meines Lebens unter der Spüle meines Vaters verbringen. Ist das deine Methode, mir den Marathon auszureden? Das kannst du doch besser.«

»Nein, ich möchte selbstverständlich, dass du tust, was immer du tun willst.«

»So selbstverständlich scheint mir das nicht zu sein.«

Die Spülmaschine hatte sich als unwiderstehlich erwiesen. Serenata hasste sich dafür.

»Du bist so lange gelaufen ...«

»Siebenundvierzig Jahre lang«, sagte sie schroff. »Gelaufen, und noch vieles andere mehr.«

»Also - vielleicht kannst du mir ein paar Tipps geben.« Remingtons Vorschlag kam zögerlich. Er wollte keine Tipps.

»Vergiss nicht, dir die Schuhe zuzubinden. Sonst gibt es weiter nichts zu bedenken.«

»Schau mal ... Es tut mir wirklich leid, dass du etwas aufgeben musstest, was du geliebt hast.«

Serenata richtete sich auf und stellte eine Schüssel ab. »Ich habe das Laufen nicht geliebt. Hier ist doch ein Tipp für dich: Niemand liebt das Laufen. Die Leute behaupten das, aber sie lügen. Das einzig Gute ist, gelaufen zu...
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Lionel Shriver, geboren 1957 in Maryland, USA, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in London und Brooklyn. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die perfekte Freundin«.