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Elizas Tochter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am27.10.20211. Auflage
In ihrem weltberühmten Roman Gefühl und Verstand berichtet Jane Austen von Eliza, Colonel Brandons Mündel, die etwa 1795 mit ihrem unehelichen Kind aufs Land geschickt wird. Dieses Ende war Joan Aiken zu langweilig. Jetzt erzählt sie, wie Elizas schöne energische Tochter, die den Namen ihrer Mutter trägt, sich nicht so einfach abschieben läßt, sondern, kaum erwachsen, aufbricht, um ihre Eltern zu suchen.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
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Produkt

KlappentextIn ihrem weltberühmten Roman Gefühl und Verstand berichtet Jane Austen von Eliza, Colonel Brandons Mündel, die etwa 1795 mit ihrem unehelichen Kind aufs Land geschickt wird. Dieses Ende war Joan Aiken zu langweilig. Jetzt erzählt sie, wie Elizas schöne energische Tochter, die den Namen ihrer Mutter trägt, sich nicht so einfach abschieben läßt, sondern, kaum erwachsen, aufbricht, um ihre Eltern zu suchen.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257612400
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum27.10.2021
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1032 Kbytes
Artikel-Nr.8198042
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Heute habe ich mich entschlossen, zur Feder zu greifen, um meine Geschichte zu erzählen, denn jetzt, da ich gewissermaßen sicher und trockenen Fußes auf einer freundlichen Anhöhe stehe, kann ich auf die Sümpfe, Überschwemmungen, Stürme und tobenden Fluten meines bisherigen Lebens mit einiger Gelassenheit zurückblicken. Überdies mögen andere, denen das Schicksal zur Zeit nicht so wohlgesonnen ist, aus meinen Erlebnissen Nutzen ziehen oder sich zumindest damit zerstreuen.

Was aber im Schoß der Zukunft für uns verborgen liegt - wer mag das ermessen?

Und so will ich denn ohne weitere Vorrede beginnen.

Über die Umstände meiner Geburt habe ich keine Kenntnis, ja ich weiß nicht einmal, in welchem Land ich zur Welt kam und ob es darüber irgendwelche schriftlichen Unterlagen gibt.

Meine Erinnerungen reichen zurück bis ins Jahr 1797. Damals war ich etwa drei oder vier Jahre alt und aufgrund meiner Lebensumstände schon ein aufgewecktes kleines Mädchen. Als Kleinkind soll ich anfällig und schwächlich gewesen sein und wurde wegen meines unseligen Makels von den einen mißachtet, von anderen gefürchtet. Meine Pflegemutter Hannah Wellcome betreute damals außer mir mehrere Jungen, die größer waren als ich, und weil sie Angst hatte, ich könne durch sie zu Schaden kommen (und sie selbst dadurch ihres Pflegegeldes verlustig gehen), drückte sie mir, sobald ich laufen konnte, täglich einen Halfpenny in die Hand und schickte mich zum Pfarrhaus in die fragwürdige Obhut von Hochwürden Dr. Moultrie. Für den Halfpenny bekam ich beim Dorfbäcker drei Stückchen Kuchen als Mittagessen, und um von mir nicht durch Fragen gestört zu werden, beeilte sich der Herr Pfarrer, ein träger alter Kerl, der tagsüber viele Stunden in seinem Lehnstuhl verdämmerte, mich das Lesen zu lehren. Danach ließ er mich auf seine Bibliothek los. Die Bücher über Tom Hickathrift, Jack Riesentöter und Goldlocks, die wohl seinen inzwischen längst erwachsenen Kindern gehört hatten, waren schnell ausgelesen, so daß ich mich wohl oder übel an schwererverdauliche Kost wagen mußte - Goldsmiths Englische Geschichte, Sammelbände des Spectator, Shakespeares Dramen, Gedichte und theologische Abhandlungen, außerdem Berquins Ami des Enfants und einfache italienische Erzählungen (dank deren ich Geschmack an fremden Sprachen fand und mir erste Kenntnisse erwarb, die mir später gut zustatten kamen).

Einen Band nahm ich immer wieder zur Hand. Er hieß König Arthurs Tod, erzählte von Rittern und Schlachten, von Sir Beaumain, Sir Persaint, dem Zauberer Merlin und König Arthur und fesselte mich ganz ungemein. Wochenlang hielt mich das Buch in seinem Bann. Eines Tages aber fiel, als ich gerade atemlos las, wie der König Hermance zu Tode kam, ein großer Klecks Marmelade von meinem Törtchen auf die Buchseite. Dr. Moultrie kam dahinter, verabreichte mir eine so schreckliche Tracht Prügel, daß ich mich kaum nach Hause schleppen konnte, und schloß das Buch weg; ich habe es nie wieder gesehen.

Zu seiner Ehre sei gesagt, daß sich Hochwürden, da ich mich als gelehrige Schülerin erwies, jeden Tag ein, zwei Stunden aus seinem Dämmerzustand aufraffte, um mich die Anfangsgründe der griechischen und lateinischen Sprache zu lehren, mir Euklid nahezubringen und die Freude am Erwerb weiteren Wissens in mir zu wecken.

Doch ich greife vor.

Hannah Wellcome, meine Pflegemutter, konnte man auf den ersten Blick für eine muntere, gutherzige Frau halten; die vollen roten Wangen und die krausen weizenblonden Locken, die sich unter ihrer Haube hervorstahlen, mußten Fremde zu ihren Gunsten einnehmen. Ein gewisses Maß an angeborener Schläue hatte sie wohl dazu bewogen, eine Ehe einzugehen, was ihr einen ehrbaren Namen und den Stand einer verheirateten Frau einbrachte. Tom, ihr Ehemann, hielt sich im Hintergrund, man bekam ihn selten zu sehen. Er war ein dunkler, hagerer Mensch mit eingefallenen Wangen, der in finsteren Gassen zweifelhaften Geschäften nachging. Sie aber erweckte, wenn sie mit sauberer Schürze, Brusttuch und Haube lächelnd und knicksend unter der Tür ihres Strohdachhäuschens stand, durchaus den Eindruck wackerer Redlichkeit und hatte stets so viele junge Pfleglinge, als die kleine Behausung fassen konnte.

Das kleine, weiß getünchte Haus mit Garten stand am hintersten Ende eines lang hingestreckten Weilers, der in einer Talmulde an der Grenze zwischen Somerset und Devon lag. Wie die Falte einer zerknitterten grünen Bettdecke zog sich unsere unbefestigte Dorfstraße zwischen steil ansteigenden Weideflächen und dichten Waldstücken hin. Alles in allem hatte der Ort nicht mehr als zwanzig Häuser, dazu das alte Kirchlein, in dem Dr. Moultrie amtierte. Zu seinem Sprengel gehörte auch Over Othery, ein Dorf sieben Meilen weiter westlich, das auf einem windgezausten Hochmoor stand. Unser Dorf hieß eigentlich Nether Othery, aber in der ganzen Umgebung nannte man es nur Bankertheim.

Ich erzähle hier von längst vergangenen Tagen, als es unter den Damen der besseren Gesellschaft auch von bescheidenerem Stand, ja sogar unter den Frauen von Anwälten, Pfarrern und wohlhabenden Kaufleuten, üblich war, ihre Kinder nicht selbst zu stillen, sondern sie einer Amme anzuvertrauen. Der Busen einer Dame diente damals offenbar nicht praktischen Zwecken, sondern war ausschließlich zur Ansicht gedacht (und in der Zeit, von der ich spreche, war die Sicht auf das, was - allenfalls durch ein Fetzchen Schleierstoff und einen Streifen Batist verhüllt - aus knapp geschnittenen Kleidern mit hoher Taille hervorquoll, recht beachtlich; diese Mode und die Gewohnheit, außer Haus feuchte Unterröcke und dünne Ziegenlederschuhe zu tragen, dürfte zahlreiche junge Damen in ein frühes Grab gebracht und Pflegemüttern noch mehr Kundschaft zugetrieben haben). Man war damals aus unerfindlichen Gründen der Meinung, daß die Babys der Oberschicht besser gediehen und schneller wuchsen, wenn Frauen der Unterschicht sie stillten und pflegten, und so wurden die Neugeborenen sofort aus dem Haus gegeben, manchmal vielleicht nur von einem Ende des Dorfes zum anderen, zuweilen durch halb England auf irgendein großes Gut, wo sie dann zwei, drei oder gar vier Jahre in einer bescheidenen Kate aufwuchsen, ohne in dieser Zeit die eigene Mutter auch nur ein einziges Mal zu sehen. Gewiß, die Regel war das nicht, viele Mütter besuchten ihre Kinder sehr oft und sehr regelmäßig, es gab aber genug andere, bei denen das nicht der Fall war.

Unser Dorf war seit vielen Jahren wegen seiner vortrefflichen Ammen berühmt. Mag sein, daß diese ihre Qualitäten unter anderem auch den fleißigen Kühen des West Country verdankten, die so schöne fette Butter und Sahne lieferten. Seit zwanzig Jahren hatte Nether Othery auch noch in anderer Beziehung einen guten Namen - als entlegener, vor Klatsch und schädlichen Einflüssen sicherer Zufluchtsort mit mildem Klima in gesunder, unverdorbener Umgebung, wo unerwünschte, oft aber durchaus wohlgelittene leibliche Kinder hochstehender Persönlichkeiten (die diesem Nachwuchs häufig sehr zugetan sind, seine Existenz aber nicht an die große Glocke zu hängen wünschen) in natürlicher Umgebung, frischer Luft und aller Diskretion aufgezogen werden konnten.

So schickte beispielsweise Lord S. alle fünfzehn Kinder, die er mit seiner hübschen, entgegenkommenden Mätresse Mrs. R. zeugte, nach Nether Othery. Ebenso hielten es der Herzog von C., Mr. G.-H. und noch viele andere.

Folglich überstieg die tatsächliche und ständig schwankende Einwohnerzahl unseres Dörfchens das offizielle Ergebnis der jeweiligen Volkszählung stets bei weitem, und die meisten Einwohner waren jünger als zwölf.

Die ehelich geborenen Kinder kehrten gewöhnlich ins Elternhaus zurück, wenn sie drei oder vier waren; die anderen aber waren, wenn sie abgeholt wurden, meist schon elf oder zwölf; die Jungen kamen dann gewöhnlich aufs Internat, die Mädchen wurden je nach Stand bei einer Putzmacherin in die Lehre oder auf ein paar Jahre in ein Pensionat nach Bristol oder Exeter gegeben, um all das zu lernen, was sie später als Gouvernante in einem vornehmen Haus brauchen würden.

Als ich drei oder vier war - zu der Zeit also, da meine Geschichte beginnt -, hatte ich viele dieser Zugvögel kommen und gehen sehen, und es war mir, so jung ich war, durchaus bewußt, daß die meisten von uns erhebliche Beschwerlichkeiten und Ungemach erwarteten. Die Kinder von Bankertheim hielten zusammen; wir sprachen über unsere Hoffnungen und Ängste, tauschten das dürftige Wissen über unsere Herkunft aus und das, was an Nachrichten über das spätere Schicksal unserer Gespielinnen und Gespielen zu uns gelangte. Ich wähle diesen Begriff ganz bewußt, denn ich will nicht leugnen, daß unter den älteren Mitgliedern unserer Gruppe geschlechtliche Kontakte nicht selten waren. Da sie sich als Kuckuckseier im Nest von Nether Othery sahen, fühlten sie sich nicht an die Regeln einer Gesellschaft gebunden, die ihnen bislang noch keinerlei Wohltaten erwiesen hatte.

Die fünfzehn Anhängsel von Lord S., von denen meist mehrere gleichzeitig bei uns im Dorf lebten, korrespondierten regelmäßig miteinander, und die älteren, die sich inzwischen wieder in London aufhielten, schickten ihren jüngeren Geschwistern muntere Berichte über die unkonventionelle Lebensweise im Haus des Lords am Grosvenor Square. Ehefrau und Mätresse lebten dort einträchtig Seite an Seite, und zwischen den ehelichen und unehelichen Kindern, die zwanglos und unbefangen miteinander umgingen, wurden kaum Unterschiede gemacht. So gut...
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Autor

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.