Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Du bist Ich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am27.10.20211. Auflage
Alvey Clement und Louisa Winship stammen zwar aus sehr unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und sind vom Temperament her ganz verschieden, aber vom Aussehen her sind sie sich völlig gleich. Die verwöhnte Louisa, deren Lebenstraum es ist, als Missionarin nach Indien zu gehen, und deren Eltern strikt dagegen sind, ersinnt einen Plan: Alvey soll ihren Platz in der Familie einnehmen.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
mehr

Produkt

KlappentextAlvey Clement und Louisa Winship stammen zwar aus sehr unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und sind vom Temperament her ganz verschieden, aber vom Aussehen her sind sie sich völlig gleich. Die verwöhnte Louisa, deren Lebenstraum es ist, als Missionarin nach Indien zu gehen, und deren Eltern strikt dagegen sind, ersinnt einen Plan: Alvey soll ihren Platz in der Familie einnehmen.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257612394
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum27.10.2021
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1128 Kbytes
Artikel-Nr.8198043
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


An einem warmen Juniabend saßen zwei in ein lebhaftes Gespräch vertiefte junge Damen in der Torhausstube der Abbey. School von Reading. Dieser Raum, über dem gewölbten Torweg gelegen, der zum Haupteingang und zum Schulhof führte, wurde des Lärms und der Ablenkung halber nur selten zu Unterrichtszwecken benutzt, da er Fenster nach beiden Seiten hatte und jeder Reiter, jede Kutsche, die der Schule zustrebten, von dort beobachtet werden konnten. Er blieb deshalb gewöhnlich weniger wichtigen Beschäftigungen, wie dem Handarbeiten, Zeichnen, der Erledigung von Schulaufgaben und dem Klavierüben, vorbehalten. Etliche Hilfsmittel für diese Tätigkeiten hatten ihren Weg hierher gefunden: zwei Globen, eine mit Fries bespannte Schneiderpuppe, eine Schachtel weißer Kreiden und ein Pianoforte. An den Wänden hingen von früheren Schülerinnen in Chenille gestickte Bilder, auf denen man Vasen und Trauerweiden bewundern konnte.

Es muß jedoch eingeräumt werden, daß sich die jungen Damen in die Torhausstube vornehmlich zurückzogen, um ein Plauderstündchen abzuhalten. Dazu war der Raum, fern vom Hauptstrom des gelehrsamen Treibens, trefflich geeignet. Nicht, daß man in den übrigen Bereichen des Pensionats gegen einen Schwatz geradezu etwas einzuwenden gehabt hätte. Die Abbey School war ein angenehmes, beschauliches Institut, in dem man danach trachtete, auch den trägsten Geist nicht über Gebühr zu beanspruchen, wenn auch Schülerinnen, die sich ehrlich interessiert zeigten, an allen Vormittagen der Woche bei den dort wirkenden Lehrern ein durchaus ansehnliches Wissen erwerben konnten. Mrs. Latournelle, die Begründerin der Schule, eine Dame mit mütterlichem Wesen, flinker Zunge, einem Korkbein und einer Theatervergangenheit, über die nichts Näheres bekannt war, hatte 1805, vor zehn Jahren also, die Leitung des Instituts niedergelegt, um sich fürderhin dem Trinken von Portwein zu widmen und ihr Korkbein auf einem Sofa zu lagern. Mrs. Latournelles Platz war von ihrer Nichte, Mrs. Camperdowne, eingenommen worden, die von ebenso liebenswürdiger und duldsamer Veranlagung war. Unter ihrer Ägide stand es den Schülerinnen - vorausgesetzt, sie waren manierlich und stritten sich nicht - weitgehend frei, Romane zu lesen, im Garten herumzustreifen, Obst zu pflücken, sich an Spielen zu erfreuen, miteinander zu schwatzen oder in aller Ruhe ihren Studien nachzugehen, ganz wie die Lust sie ankam.

Die beiden jungen Damen, die derzeit behaglich auf der gepolsterten Fensterbank der Torhausstube saßen, betrieben keine Studien; dennoch war zumindest eine von ihnen überaus ernst und gesammelt.

»Es ist mir so sehr, sehr wichtig. Ich muß einfach jetzt aufbrechen, verstehen Sie? Es könnte womöglich meine einzige Chance sein. Wenn Sie mir nicht helfen, verurteilen Sie mich zu einem hoffnungslosen ... engen ... provinziellen ...«

»Ich bitte Sie, liebe Miss Winship! Was für große Worte! Verurteilen? Warum, wenn ich fragen darf, sollte mir die Verantwortung für Ihr künftiges Leben zufallen?«

»Das wissen Sie ganz genau.«

»Es dürfte schwerlich meine Schuld sein, wenn Ihr Vater nicht damit einverstanden ist, daß Sie sich in ferne Länder begeben, um die Heiden zu bekehren«, war die nüchterne Antwort.

»Und doch ist es Ihre Schuld. Begreifen Sie denn nicht ... dies alles ist eine Fügung ... Daß die große Schlacht gegen die Franzosen in Brüssel gewonnen wurde ... daß der Krieg zu Ende ist ... daß Mr. und Mrs. Tothill nächsten Monat ihre Reise nach Indien antreten ...«

»Wollen Sie damit sagen«, meinte die andere ziemlich trocken, »daß der Allmächtige den Franzosen eine Niederlage beschert hat, nur damit Mr. und Mrs. Tothill Sie nach Indien mitnehmen können?«

»Seien Sie nicht so sarkastisch, Alvey. Und ... und blasphemisch. Sie wissen sehr wohl, was ich meine.«

Die beiden jungen Damen musterten sich mit gegenseitiger Abneigung. Es gab einen guten Grund für diese Antipathie. Sie waren keine nahen Verwandten, ja, sie waren überhaupt nicht miteinander verwandt. Die eine kam aus Northumberland in England, die andere aus New Bedford in Massachusetts. Dennoch sahen sie sich so ähnlich, daß man sie ständig für Schwestern oder gar für eineiige Zwillinge hielt.

Beider Gesicht war lang und oval, beider Teint klar. Beide hatten sie dunkelbraunes, leicht gewelltes Haar, schön geschnittene Lippen und kleine, gerade Nasen. Sarah Alvey Clement aus New Bedford mochte einen halben Zoll größer sein, aber sofern die beiden Mädchen sich nicht Rücken an Rücken stellten, merkte man nichts von dem Größenunterschied, besonders da Louisa Winship die zur Zeit so beliebten griechischen Locken verschmähte und ihr Haar zu einer an Quäkerfrisuren erinnernden Zopfkrone hochgesteckt trug. Es war dies kennzeichnend für Louisa, die es sich angelegen sein ließ, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Verachtung für hübsche Kleidung oder modisches Aussehen darzutun, im Grunde ihres Herzens aber äußerst konkurrenzbewußt war und es nicht ertragen konnte, wenn jemand sie in irgendeiner Hinsicht - und sei es nur in Kleinigkeiten - überflügelte.

Es ist ein eigentümliches, recht schockierendes Erlebnis, dem Doppelgänger, dem eigenen Spiegelbild zu begegnen. Dann bleibt es nicht aus, daß Groll sich regt, wenn eine andere, wildfremde Person so frei war, sich des eigenen Aussehens zu bedienen. Daß eine andere Person das gleiche Kleid, den gleichen Umhang, die gleiche Schute trägt wie man selbst, mag schlimm genug sein. Daß die Person sich mit deinen eigenen Augen, deinem eigenen Haar, deiner eigenen Nase, deinen Zähnen und Lippen ziert, ist schier unerträglich. Du bist sogleich entwertet, zu einer Abnormität, einer Kopie herabgewürdigt.

In den drei gemeinsam an der Abbey School verbrachten Jahren hatten sich die beiden jungen Mädchen deshalb nie näher aneinander angeschlossen oder waren gar Freundinnen geworden, sondern hatten stets geflissentlich Distanz gewahrt. Über die mit neuen Pensionärinnen und Tagesschülerinnen immer wiederkehrenden Witzeleien und Vermutungen, dummen Redensarten und befremdeten Betrachtungen, zu denen ihre zum Verwechseln ähnlichen Erscheinungen unweigerlich Anlaß gaben, hatten sie nie lachen können. Hin und wieder ließen sie sich widerstrebend in eine ärgerliche Partnerschaft zwingen, spielten die Rollen von Viola und Sebastian, Castor und Pollux, Antipholus oder Dromio bei den Schulaufführungen. Ansonsten aber blieben sie einander so fern, wie das im Schulbereich nur möglich war, denn sie hatten einen unterschiedlichen Geschmack, einen unterschiedlichen Freundeskreis und unterschiedliche Temperamente.

Miss Winship war eine gottesfürchtige junge Dame, deren Frömmigkeit etwas Eiferndes hatte. Am Sonntag besuchte sie dreimal die Kirche, unter der Woche so oft, wie es sich eben machen ließ. Ihr Großvater mütterlicherseits war Bischof gewesen, und sie hatte seine Neigungen geerbt. Der Sinn für Humor fehlte ihr fast ganz, dafür war sie überaus fleißig und gewissenhaft und widmete sich sämtlichen Fächern des Curriculums sowie etlichen zusätzlichen Gegenständen mit Intelligenz und Gründlichkeit. Als einzige unter allen jungen Damen an der Abbey School nahm sie nie einen Roman - nicht einmal die Werke der Maria Edgeworth - zur Hand, denn sie betrachtete all diese frivolen, unnützen Produkte der Phantasie, ob es sich nun um Erzählungen, Gedichte oder Theaterstücke handelte, mit tiefstem Argwohn. Shakespeare mußte man über sich ergehen lassen, da der Lehrplan ihn vorsah, doch nicht einmal die lehrreichen Bücher des Herrn Walter Scott rührte sie an. Und was Byron betraf, den die anderen Mädchen voller Hingabe verschlangen, wenn sie ihn zu fassen bekamen, hätte Miss Winship lieber mit bloßen Händen glühende Kohlenbrocken angefaßt, als auch nur einen flüchtigen Blick in Junker Haralds Pilgerfahrt zu werfen.

»Mein Vater im Himmel ruft mich. Man braucht mich dort bei den Heiden«, sagte sie jetzt, mit geballten Fäusten aufs Fensterbrett trommelnd, um ihren Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen. »Ich weiß, daß es Sein Wille ist.«

»Finden Sie nicht, daß Er ein wenig verschlungene Wege geht, um Sie an Ihr Ziel zu bringen? Indem er zahlreiche Menschen dazu veranlaßt, zahlreiche Unwahrheiten zu sagen?«

»Sie scheinen es noch zu genießen, sich so ... so ungefällig, so verständnislos zu zeigen.«

»Sie irren. Ich lege Ihnen nicht aus purem Zeitvertreib Steine in den Weg. Warum auch? Sind Sie denn ganz sicher, daß Ihr Vater Ihnen die Reise nicht gestatten würde?«

»Das würde er nie, nie tun. Weder er noch meine Mutter würden meine Pläne auch nur im entferntesten gutheißen. Warum, glauben Sie, hätte man mich hier in den Süden ins Pensionat geschickt, ans andere Ende des Landes, so weit wie möglich von meinem Elternhaus entfernt, wenn man nicht hoffte, mich zu einem Sinneswandel zu bewegen? Als könnte etwas so Belangloses wie ein Ortswechsel auch nur die mindeste Wirkung auf mich haben.« Miss Winship preßte starrsinnig die feingeschwungenen Lippen zusammen. Es war dies ein Ausdruck, der Phemie, die Kinderfrau, zu der Bemerkung über die dreijährige Louisa veranlaßt hatte: »Wenn die der Bock stößt, bringt kein Teufel sie vom Fleck.«

»Haben Sie auch in den Briefen an Ihre Eltern Ihre Pläne erwähnt?«

»Natürlich, ich kann gar nicht sagen wie oft. Die Antwort war stets ein glattes Nein. Deshalb durfte ich in den Ferien auch nie heim ... Freilich hieß es, die Reise nach...
mehr

Autor

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.