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Böse See

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
304 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am21.10.2021
Ein Familiendrama vor atemberaubender Ostsee-Kulisse. Kommissar Paul Lupin, der bei seinem Vater Urlaub an der Ostseeküste machen will, findet dort alles andere als Ruhe. In einer stürmischen Nacht verschwindet die Besitzerin des Hohwachter Hotels, in dem Lupin senior ein Schreibseminar besucht. Haben die anderen Kursteilnehmer etwas zu verbergen? Wenig später kommt es zu einem unvorstellbaren Verbrechen. Lupin stellt Nachforschungen an und stößt auf einen fünfzig Jahre alten Schwur, der vielen Menschen zum Verhängnis wurde.

Petra Tessendorf stammt aus Wuppertal und hat dort viele Jahre als Reporterin für lokale Medien gearbeitet, bevor ihr erster Roman erschien. Die acht Jahre, die sie in Ostholstein lebte, schenkten ihr tiefe Einblicke in Land und Leute an der Küste, die sie in ihren Geschichten verarbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin, wo sie als Autorin, Lektorin und Dozentin für Kreatives Schreiben tätig ist. www.petratessendorf.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextEin Familiendrama vor atemberaubender Ostsee-Kulisse. Kommissar Paul Lupin, der bei seinem Vater Urlaub an der Ostseeküste machen will, findet dort alles andere als Ruhe. In einer stürmischen Nacht verschwindet die Besitzerin des Hohwachter Hotels, in dem Lupin senior ein Schreibseminar besucht. Haben die anderen Kursteilnehmer etwas zu verbergen? Wenig später kommt es zu einem unvorstellbaren Verbrechen. Lupin stellt Nachforschungen an und stößt auf einen fünfzig Jahre alten Schwur, der vielen Menschen zum Verhängnis wurde.

Petra Tessendorf stammt aus Wuppertal und hat dort viele Jahre als Reporterin für lokale Medien gearbeitet, bevor ihr erster Roman erschien. Die acht Jahre, die sie in Ostholstein lebte, schenkten ihr tiefe Einblicke in Land und Leute an der Küste, die sie in ihren Geschichten verarbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin, wo sie als Autorin, Lektorin und Dozentin für Kreatives Schreiben tätig ist. www.petratessendorf.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960417927
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.10.2021
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3285 Kbytes
Artikel-Nr.8200155
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Montag

Und so kam es also, dass ich noch einmal die Vaterfreuden erleben durfte. Wenn auch â¦ Johann Lupin hielt inne. Sagte man »wenn auch«? Er schaute auf, im Raum war es still. Ein Räuspern hier und da, ein Magen knurrte, einmal knackte ein Knochen. Sind halt nicht mehr die Jüngsten, dachte er und zupfte gedankenverloren an seinem Kinnbärtchen. »Wenn auch« hört sich irgendwie komisch an, dachte er. »Wenn auch â¦« Je öfter ich das wiederhole, desto falscher klingt das.

Er musste dringend an seiner Grammatik arbeiten. Es war ihm ein bisschen peinlich, wenn er da Fehler machte und das dann auch noch vorlesen musste. Aber wozu hatte er schon Grammatik gebraucht in seinem Leben? Oder auch nur Rechtschreibung? Er war ja kein Deutschlehrer gewesen. Außerdem gab es doch diese Computerprogramme, die alle Fehler rot anstrichen. Johann hatte sich im Februar den sündhaft teuren Laptop gekauft und beherrschte ihn mittlerweile aus dem Effeff. Am liebsten war er im Internet, fuhr mit Google Street View durch Reykjavík oder Valparaíso oder machte Spiele für die Optimierung der Gedächtnisleistung. Er würde sich aber wirklich mal mit diesem Programm befassen müssen.

Johann kaute an seinem Stift. Wenn auch â¦ Auch wenn wir, also meine Frau und ich â¦ zum Donnerwetter, so ging das nicht!

»So, meine Lieben, kommen wir langsam zum Ende. Sie können natürlich noch den Absatz zu Ende schreiben.«

Die sanfte und warme Stimme Alice Veras riss Johann aus seinen Gedanken. Mist, dachte er. Ich habe schon wieder herumgeträumt und bin nicht fertig geworden. Das ist ja so wie in der Schule damals. Gütiger Himmel, dass ich so was noch mal erleben muss! Doch Johann schrieb unbeirrt weiter, während die anderen natürlich alle schon ihre Stifte beiseitegelegt hatten. Ihn beeindruckte das nicht. Sollen die sich doch schöntun, dachte er. Es entstand eine Stille im Raum, und als Johann aufschaute, waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Einschließlich der Alices, den er so sehr mochte, dass es ihm egal war, dass er seine Aufgabe noch nicht zu Ende gebracht hatte. Die lächelte ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an.

»Ein Minütchen«, säuselte Johann, »ein winziges.«

»Natürlich, Johann, kein Problem«, erwiderte Alice und ging zur Terrassentür, um sie zu öffnen.

»Sie kommen zurecht?«

Johann wandte sich nach rechts. Neben ihm saß Ida Rossi, die kleine und runde Haushälterin vom Gut Havgart, die Johann bisher nur vom Sehen kannte und die bislang nicht die geringsten Anstalten unternommen hatte, näher mit ihm, dem Zugezogenen, bekannt zu werden. Dies war tatsächlich der erste Annäherungsversuch.

»Natürlich komme ich zurecht.« Was dachte die denn von ihm? Zugegeben, es war die erste Veranstaltung dieser Art, die Johann in seinem Leben besuchte. »Schreiben am Meer für Junggebliebene« hieß der Kurs, zu dem Johann sich in letzter Sekunde angemeldet hatte. Und die Zusage für einen freien Platz hatte er nur bekommen, weil eine Teilnehmerin gestorben war. Dass er jemals in einem Schreibkurs in Hohwacht sitzen würde, hätte er sich jedenfalls vorher niemals vorstellen können. Was sollte er schon seiner Nachwelt in geschriebener Form hinterlassen? Seine Kinder Charlotte und Paul und seine Enkelin Lilli kannten seine Geschichten in- und auswendig, und viel mehr Menschen, die sich für das Leben Johann Lupins, Nachfahre eines Deserteurs der napoleonischen Truppen aus dem Bergischen Land, interessierten, ließen sich bestimmt nicht finden.

Aber als er gelesen hatte, wer diesen Kurs leiten würde, da hatte er es sich doch anders überlegt. Alice Vera war ihm immerhin bekannt, er hatte sie auch schon ein paarmal gesehen. Einmal im Hofladen in Havgart, weil es hier das beste Wildfleisch gab, und dann bei einem Zwischenstopp mit seinem Fahrrad, als er ein Bier im Genueser Schiff in Hohwacht getrunken hatte. Und jedes Mal war er von ihr angetan gewesen. Die Anmut dieser schönen Frau war umwerfend.

Aber da war noch etwas anderes, auf das Johann erst während des Kurses gekommen war. Da war ihm aufgefallen, dass seine Annemarie heute so wäre wie diese Alice. Ihre Stimme, die Bewegungen, die Haare, alles war eine Weiterentwicklung seiner Frau, die vor vielen Jahren gestorben war. So als hätte er sie damals nicht beerdigt, an diesem verregneten Junitag, den kleinen Paul an der einen und dessen ältere Schwester Lotte an der anderen Hand. So als wäre Annemarie damals nur verreist und jetzt, nach sechsunddreißig Jahren, heimgekehrt. Genauso schön wie zu jener Zeit; die langen glatten Haare mit dem geraden Pony tief über den Augen, groß, schlank und vom Alter so gnädig behandelt, dass die Leute voller Bewunderung von ihr sprachen.

Dass Alice unter dem Namen Kira von Lundblad einen Bestseller nach dem anderen schrieb, war für die Gegend hier natürlich von großer Bedeutung. Alle waren stolz darauf, obwohl sie nicht unbedingt an den Büchern mitgeschrieben hatten. Aber all das kümmerte Johann wenig. Er hatte, wenn auch nur in seiner Vorstellungswelt, für einige Stunden seine Annemarie wieder.

Diese Bücher, opulente Sagas, in denen adlige Familien auf Landsitzen residierten, dunkle Geheimnisse hüteten, heimliche Liebesbeziehungen und mysteriöse Verstrickungen über Generationen hinweg vertuschten, hatte Johann noch nie gelesen. Ganz im Gegensatz zu einigen Kursteilnehmern, die während der Vorstellungsrunde am ersten Kurstag beiläufig erwähnt hatten, natürlich alle ihre Bücher gelesen zu haben. Dass Johann viel lieber seine Krimihefte las und dabei Schokolade mit ganzen Nüssen aß und Bier trank, behielt er für sich. »Jerry Cotton« kontra Achthundertseiten-Werke, die jemand aus der Gruppe als Hochliteratur bezeichnete; auf keinen Fall wollte Johann in dieser Runde eine Diskussion darüber anzetteln.

Die acht Kursteilnehmer saßen an einem langen Tisch in der Bibliothek des Hotels Seewald. In der Mitte standen Schalen mit Obst und Keksen und kalte Getränke. Er ließ den Blick an den anderen entlangschweifen und zupfte dabei an seinem Kinnbärtchen. Außer Ida, die, so hatte er in der Vorstellungsrunde erfahren, mit ihren achtundsechzig Jahren die Jüngste war, waren alle anderen Teilnehmer über fünfundsiebzig, manche deutlich jenseits der achtzig. Angehende Autoren und Autorinnen, die ihr Leben als so bedeutsam erachteten, dass es zwischen zwei Buchdeckeln für die Nachwelt bereitgehalten werden sollte. So wie diese »von und zu«, wie hieß sie gleich? Johann spähte auf das Namensschild, Cecilie von Albedyll. Obwohl, die hatte auch wirklich was zu erzählen, war als Kind aus Ostpreußen gekommen, zu Fuß oder zu Pferd, wie diese andere â¦ ach, wie hieß die denn jetzt schon wieder? Ihm fiel nur der Name des Pferdes ein, Alarich.

Und dann war da Ludwig Kaspar, der hatte einen Sohn, und für den wollte er alles aufschreiben. Diedrich Teubner hingegen hatte fünfzehn Enkel, die sein Leben später einmal nachlesen sollten. Dönhoff! Marion Gräfin Dönhoff, jetzt hatte er den Namen wieder von der Frau, die auch zu Pferd, diesem Alarich, aus Ostpreußen gekommen war. Fünfzehn Enkel, für Johann eine der schlimmsten Vorstellungen überhaupt, gleich hinter Ertrinken und Verlust des Führerscheins. Seine einzige Enkelin Lilli schaffte es schon ganz alleine, ihn mundtot zu machen.

Während er noch über den letzten Satz nachdachte und die anderen Kursteilnehmer Unterhaltungen mit ihren jeweiligen Nachbarn aufgenommen hatten, sah er durch die geöffneten Flügel der Terrassentür einen Mann durch den Garten gehen, einen Rollstuhl mit einer Frau darin vor sich herschiebend.

»Das ist Jakob«, flüsterte Ida ihm zu, die offensichtlich beschlossen hatte, das kalte Schweigen, das sie ihm bisher hatte zuteilwerden lassen, zu brechen. »Einer von Alices Söhnen. Ein ganz lieber Junge.«

»Und wer ist die Frau im Rollstuhl?«

»Sofie, sie ist das jüngste der drei Kinder. Sie hat eine schwere Behinderung, schon von klein an.« Ida seufzte auf. »Sie kann zwar auch laufen, aber es fällt ihr doch schwer.«

Johann beobachtete die beiden. Dieser Jakob saß jetzt auf einer Gartenbank und schien seiner Schwester etwas Lustiges zu erzählen. Er hob beide Hände und ließ sie mehrmals herunterfallen, dabei lachte er und redete aufgeregt weiter. Das Gesicht der Frau sah Johann im Profil.

»Sie war Alices ganzes Glück, hat sie sich doch immer so sehr ein Mädchen gewünscht.« Ida seufzte erneut, als würde sie gerade in diesem Moment das ganze Unglück der Schriftstellerin noch einmal durchleben. »Es war ein schwerer Schlag«, sie sah kurz zu Johann hin, »also diese Behinderung ihres Kindes. Sie konnte jahrelang nicht mehr schreiben.« Wieder schaute Ida nach draußen. »Aber Jakob kümmert sich rührend um sie, schon immer, sie sind sehr eng verbunden.«

»Was tun die beiden hier?«, fragte Johann.

»Er wird Alice abholen wollen, nehme ich an. Er hilft ihr ja auch bei der Vorbereitung der Kurse.«

Johann schaute den beiden zu, die ein so harmonisches Bild abgaben, dass es ihn rührte. Er dachte an das Thema, an dem sie gerade geschrieben hatten, das »Elternglück« lautete. Alice hatte betont, dass das Wort auch ironisch oder als Gegenteil von Glück ausgelegt werden könne.

Johann fragte sich, wie Eltern damit zurechtkamen, wenn sich herausstellte, dass das Kind so schwer gehandicapt war, dass ihm ein normales und freies Leben verwehrt war. Wie diese Sofie dort draußen. Was bedeutete das für die Beziehung zum Ehepartner, für das eigene Leben, das der Geschwister? All diese Fragen gingen Johann durch den Kopf, und während er Gott dankte - an den er zwar nicht glaubte, den er aber als Synonym für eine höhere...
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Petra Tessendorf stammt aus Wuppertal und hat dort viele Jahre als Reporterin für lokale Medien gearbeitet, bevor ihr erster Roman erschien. Die acht Jahre, die sie in Ostholstein lebte, schenkten ihr tiefe Einblicke in Land und Leute an der Küste, die sie in ihren Geschichten verarbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin, wo sie als Autorin, Lektorin und Dozentin für Kreatives Schreiben tätig ist.petratessendorf.de