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Seidenwalzer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
317 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am09.02.2022
Napoleon ist aus Elba geflohen, wieder herrscht Krieg. Und auch die Familie des Grafen Wohlleben findet keinen Frieden. Während die hohe Diplomatie um ein neues Europa ringt, schreibt der adelige Nachwuchs seine eigene Geschichte. Fanny rebelliert gegen ihr Schicksal, Sophie kämpft um ihre junge Ehe, und Georg kehrt nach siegreichen Gefechten aus Frankreich zurück, um zu Hause sein persönliches Waterloo zu erleben. All diese Turbulenzen umschlingt ein unsichtbares Band: Wiens geheimes Gold, die Seide.

Michaela Baumgartner studierte Geschichte, Germanistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien und arbeitete zunächst als Sachbuch-Lektorin und freie Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen. Nach der Geburt ihrer Tochter war sie als Kommunikationstrainerin, vorwiegend für Schweizer Unternehmen, tätig. Seither leitete sie viele Jahre lang eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und Corporate Publishing in Wien. Mit ihrem Roman »Seidenwalzer« entführt die gebürtige Oberösterreicherin und gelernte Buchhändlerin erneut in das dekadente Wien des 19. Jahrhunderts.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextNapoleon ist aus Elba geflohen, wieder herrscht Krieg. Und auch die Familie des Grafen Wohlleben findet keinen Frieden. Während die hohe Diplomatie um ein neues Europa ringt, schreibt der adelige Nachwuchs seine eigene Geschichte. Fanny rebelliert gegen ihr Schicksal, Sophie kämpft um ihre junge Ehe, und Georg kehrt nach siegreichen Gefechten aus Frankreich zurück, um zu Hause sein persönliches Waterloo zu erleben. All diese Turbulenzen umschlingt ein unsichtbares Band: Wiens geheimes Gold, die Seide.

Michaela Baumgartner studierte Geschichte, Germanistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien und arbeitete zunächst als Sachbuch-Lektorin und freie Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen. Nach der Geburt ihrer Tochter war sie als Kommunikationstrainerin, vorwiegend für Schweizer Unternehmen, tätig. Seither leitete sie viele Jahre lang eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und Corporate Publishing in Wien. Mit ihrem Roman »Seidenwalzer« entführt die gebürtige Oberösterreicherin und gelernte Buchhändlerin erneut in das dekadente Wien des 19. Jahrhunderts.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839271742
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.02.2022
Reihen-Nr.2
Seiten317 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8446227
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

Missmutig starrte Fanny in den Spiegel. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Ganz und gar nicht. »Mama!«, klagte sie vorwurfsvoll.

»Gib nicht mir die Schuld, mein Kind«, antwortete Mathilde indigniert. »Hättest du deinen Bräutigam nicht zu einem Zeitpunkt ermutigt, der - darüber sind wir uns wohl einig - alles andere als schicklich war, würdest du dich jetzt nicht in dieser unerfreulichen Lage befinden.« Entschlossen zog sie die Bänder der schlichten Korsage noch etwas enger und seufzte. »Mehr kann ich nicht für dich tun.«

Fanny nickte betrübt und schlüpfte in ihr weißes Baumwollkleid. Ihr ehemals zarter Jungmädchenkörper war aus der Form geraten. Man schrieb den 10. Mai 1815, und schon jetzt hatte sie größte Mühe, ihre Schwangerschaft zu verbergen.

Als könnte Mathilde ihre Gedanken lesen, fuhr sie fort: »Du wirst deine Schwiegermutter ins Vertrauen ziehen müssen. Auf die Diskretion deiner Zofe kannst du dich nicht verlassen. Und mir fällt keine Begründung mehr ein, die deine Anwesenheit in deinem Elternhaus noch länger pardonieren könnte. Es gibt bereits Gerede.«

»Ach, was kümmert mich, was die Leute reden«, begehrte Fanny auf.

»Es hat dich zu kümmern, Fanny«, tadelte Gräfin Wohlleben ihre Jüngste entrüstet. »Du bist kein Kind mehr, sondern eine verheiratete Dame von Stand und wirst bald eine Familie dein Eigen nennen. Also benimm dich entsprechend, entschuldige dich bei deiner Schwiegermutter und tu, was man von dir erwartet. Du wirst in das Haus deines Gemahls - das nun auch dein Zuhause ist - zurückkehren, und zwar unverzüglich. Auch wenn Philipp sich im Krieg befindet.«

Trotzig stampfte Fanny mit dem Fuß auf. »Ich will aber nicht!«

»Keine Widerrede!« Mathilde schüttelte empört den Kopf. »Wie konnten wir alle nur glauben, du seist inzwischen erwachsen geworden. Ich rufe jetzt Adele. Sie soll deine Sachen packen.«

»Nein, das könnt Ihr mir nicht antun«, rief Fanny entsetzt. Als sie die entschlossene Miene ihrer Mutter sah, stürmte sie aus dem Zimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloss.

Ermattet sank Mathilde auf einen zierlichen Stuhl, das einzige Möbelstück in Fannys Zimmer, das nicht unter einem Berg von Kleidern und Kleinmädchenkram versank, und massierte sich die Schläfen. Sie seufzte tief. Was sollte sie bloß tun? Von Friedrich, dem Oberhaupt der Familie, war kein Rat zu erwarten. Er wurde von seinen Amtsgeschäften vollkommen okkupiert. Ihre Schwester Louise hatte sich in ihr Gartenpalais zurückgezogen, der meisten illustren Gäste beraubt, mit denen sie sich noch vor wenigen Wochen in ihrem Salon geschmückt hatte. Von der Welt enttäuscht zürnte sie Napoleon, diesem Wüterich, und weigerte sich, Besuche zu empfangen. Sophie, ihre stets vernünftige große Tochter, war nach der Hochzeit mit Edward Lord Thornfield in Richtung England aufgebrochen. Und Georg, der Älteste der Wohlleben-Geschwister, befand sich im Krieg, auf dem Weg nach Frankreich, um dem Schurken das Handwerk zu legen.

Diese unsägliche Politik. Mathilde presste die Lippen aufeinander. Zuerst nahm sie ihr den Ehemann, nun auch den Sohn. Und sie - sie führte in ihren eigenen vier Wänden, von allen verlassen, einen einsamen Krieg gegen ihre störrische Tochter. Was den Krieg da draußen betraf, war sie machtlos. Doch diesen unerquicklichen Kampf in ihrem Hause würde sie beenden, und zwar sofort.

Entschlossen stand sie auf und verließ das Zimmer. »Anni!«, rief sie. »Gräfin Keynitz wird uns verlassen. Sag Adele Bescheid. Sie soll packen.«

*

Hastig warf Fanny die blau karierte Pelisse über, band ihre Haube und lief aus dem Haus. Sie schenkte dem strahlend blauen Himmel keinerlei Beachtung. Fröstelnd zog sie ihren Mantel enger um sich, denn noch war es in Wien um diese Jahreszeit empfindlich kühl am Morgen.

Kein Zweifel, ihre Mutter machte Ernst. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wollte nicht weg von zu Hause. Schon gar nicht zu ihrer Schwiegermutter in dieses hässliche Palais in der Bischofgasse. Hermengilde Gräfin Keynitz war ein Drache - und sie hatte Fanny von Anfang an nicht gemocht. Wie die Gräfin sie gemustert hatte am Tag nach ihrer Verlobung, mit ihren stechend blauen Augen, die schmalen Lippen zu einem einzigen Ausdruck der Missbilligung verzogen. Um im nächsten Moment Philipp mit geradezu überschwänglicher Freude zu begrüßen. Zum Glück hatte ihr Schwiegervater, Heinrich Graf Keynitz, diesen Fauxpas seiner Gemahlin bemerkt und Fanny herzlich umarmt. Seine redlichen Versuche, an diesem ersten gemeinsamen Nachmittag im Palais eine Unterhaltung in Gang zu bringen, waren schließlich an Hermengildes ungnädigem Schweigen, Fannys Verstimmtheit und einem hochgradig verunsicherten Sohn des Hauses gescheitert. Philipps Hoffnung, dass Hermengilde ihre Meinung über Fanny ändern würde, war mit jeder Woche geschwunden. Seine Mutter hielt ihre zukünftige Schwiegertochter noch immer für ein verwöhntes, unreifes Kind, das ihren Sohn nicht verdient hatte. Und sie machte keinen Hehl daraus.

Fanny wiederum, gewöhnt, von allen und jedem vergöttert oder zumindest gemocht zu werden, hatte sich während der Verlobungszeit bei jeder Begegnung mit ihrer Schwiegermutter von ihrer schlechtesten Seite gezeigt, was wiederum zu manch unangenehmer Auseinandersetzung mit Philipp geführt hatte. Zu allem Überfluss hatte nicht nur ihre ständige Übelkeit, sondern auch der Mangel an Gelegenheiten Fanny daran gehindert, ihren größten Trumpf auszuspielen. Seit ihrem Tête-à-Tête in der Wäschekammer hatte sie Philipp kaum mehr eine Stunde für sich allein gehabt. Zu dessen Erleichterung, wie Fanny verstimmt bemerkt hatte. Gerade in diesen Tagen hatte sie das besondere Bedürfnis verspürt, ihren Verlobten - oder wen auch immer - zu verführen.

Als Philipp wieder einmal eine kostbare Gelegenheit zu einem intimen Stelldichein durch hasenherziges Zaudern hatte verstreichen lassen, hatte Fanny ihn kühl über ihre Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Ein dummer Fehler, wie sie sich später unwillig eingestehen musste. War Philipp schon davor sehr um die Wahrung der Tugendhaftigkeit seiner Braut bemüht gewesen, schien er sie nach dieser Botschaft, glücklich und beschämt zugleich, auf ein Podest zu heben.

Erst in der Hochzeitsnacht war es ihr unter Aufbietung all ihrer Geschicklichkeit gelungen, Philipps Sorgen um das Ungeborene zu zerstreuen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Die Morgengabe ihres frisch gebackenen Ehemannes - ein mit Brillanten und Smaragden besetztes Collier - hatte Fanny schließlich kurzfristig mit den Entbehrungen versöhnt, die sie hatte erleiden müssen.

Die eheliche Harmonie hatte jedoch nur bis zum Frühstück gedauert. Denn das sauertöpfische Gesicht ihrer Schwiegermutter hatte umgehend Fannys Morgenübelkeit zurückgebracht. Um das Offensichtliche nicht gar zu offensichtlich werden zu lassen, hatte sich das Paar auf Drängen des jungen Ehemannes sehr schnell wieder in seine Gemächer zurückgezogen. Doch statt dort weiterzumachen, wo die Nacht so erfreulich geendet hatte, hatte Philipp seine Frau inständig gebeten, den Krieg mit seiner Mutter zu beenden. Worauf sich Fanny beleidigt in ihr Boudoir zurückgezogen hatte. Seit diesem Tag war alles noch schlimmer geworden.

Fanny zitterte vor Kälte, während sie raschen Schrittes durch die Straßen der Innenstadt lief und schaudernd die letzten Wochen Revue passieren ließ. Nach einer schier endlosen ehelichen Eiszeit war die Hiobsbotschaft eingetroffen: Philipp wurde in das erste Armeekorps und damit, so viel konnte Fanny den Gesprächen mit seinem Vater entnehmen, in den Kampf gegen Napoleon abkommandiert. Voller Stolz hatte Heinrich seinen Sohn umarmt, während Hermengilde in ihr Taschentuch geschluchzt und Fanny mit vorwurfsvollen Blicken bedacht hatte. Die Spannungen zwischen den Eheleuten waren ihr keineswegs entgangen - und natürlich gab sie ihrer überspannten Schwiegertochter die Schuld daran.

Fannys Verzweiflung hätte größer nicht sein können. Die Tatsache, dass sie von nun an ihrer Schwiegermutter völlig ausgeliefert sein würde, hatte sie in Angst und Schrecken versetzt. Dazu kam der Abschied von ihrem Bruder Georg, der ebenfalls den Marschbefehl erhalten hatte. Ihm Lebewohl zu sagen, war ihr deutlich schwerer gefallen als die Trennung von Philipp.

Seufzend sah sie sich um. In Gedanken versunken hatte sie ihre Umgebung ganz vergessen. Sie bog vom Graben in den Kohlmarkt ein, und wie von selbst trugen ihre Füße sie in die Walchstraße, zum Stadtpalais der Baronin Altenburg. Trattenbach, korrigierte sie sich. Elisabeth. Wie lange hatten sie sich schon nicht mehr gesehen? Sie vermisste ihre Freundin. Noch mehr aber vermisste sie Karl, deren frisch angetrauten Ehemann. Er hatte unmittelbar nach der Hochzeit den Dienst quittiert und â¦

»Fanny! Was für eine Überraschung!«

Fanny fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

»Ich wollte gerade ausgehen. Aber wenn ich dich so anschau, könnte ich es mir glatt anders überlegen.«

Mit einer formvollendeten Verbeugung reichte er ihr den Arm. Sie hatte vergessen, wie attraktiv er war. Seine hohe Gestalt, seine aufrechte Haltung, sein blondes Haar, das er jetzt etwas länger trug, und das ihm verwegen ins Gesicht fiel. Und dann diese hellen blauen Augen - oder waren sie grau?

»So schweigsam heute? Na, macht nichts.« Hastig sah er sich um. »Darf ich dir Kaffee anbieten? Oder möchtest du noch länger hier auf der Straße stehen und mich anstarren?«

Fanny atmete tief ein, gab sich einen Ruck und schenkte Karl ihr...

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