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Angst und Bangen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am24.11.20211. Auflage
Die Schauspielerin Cat bekommt eine Rolle in einer TV-Serie. Bei Außenaufnahmen auf einem Landsitz in Dorset lernt sie den Besitzer kennen. Die beiden verlieben sich, heiraten und machen eine Hochzeitsreise nach Venedig. Die Idylle scheint perfekt. Doch als Cat ihrem Mann sagt, daß sie sich erinnert, ihn vor vielen Jahren als liebevollen Begleiter eines dahinsiechenden Greises gesehen zu haben, ändert er plötzlich sein Verhalten ihr gegenüber. Die Love-Story wird zur Suspense-Story.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
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Produkt

KlappentextDie Schauspielerin Cat bekommt eine Rolle in einer TV-Serie. Bei Außenaufnahmen auf einem Landsitz in Dorset lernt sie den Besitzer kennen. Die beiden verlieben sich, heiraten und machen eine Hochzeitsreise nach Venedig. Die Idylle scheint perfekt. Doch als Cat ihrem Mann sagt, daß sie sich erinnert, ihn vor vielen Jahren als liebevollen Begleiter eines dahinsiechenden Greises gesehen zu haben, ändert er plötzlich sein Verhalten ihr gegenüber. Die Love-Story wird zur Suspense-Story.

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257612387
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum24.11.2021
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse769 Kbytes
Artikel-Nr.8447452
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Gekommen ist das alles folgendermaßen. Ich überspringe erste Gehversuche als Statistin bei einer Randgruppe des Edinburgh Festivals, eine kümmerliche Musical-Nummer in Amsterdam, die Rolle als Hinterteil vom Gestiefelten Kater in Nottingham und einen Pantomimenpart in Papp´s Public Theatre, New York. Danach kam wieder eine stumme Rolle, bei der ich sofort zugriff, als Gespenst in einer Geistergeschichte des BBC-Fernsehens, das einer Geisterharfe einige Töne entlocken muß. Die Rolle bekam ich - man stelle sich das vor! -, weil ich wirklich ein paar Harfengriffe beherrsche. Drei glückliche Jahre lang hatte ich in einem Laienorchester abwechselnd Harfe und Gitarre gespielt, mit kurzen, aber erhebenden Abstechern ans Schlagzeug. Einer aus unserer Gruppe machte später Karriere als Besetzungschef bei Pyramid Television. Eine glückliche Fügung wollte es, daß er sich meiner Harfenkünste erinnerte und mich für das Spukspiel holte. Ich mußte, in schimmerndes Grün gewandet und von einem matten Leuchten umgeben, am Fuße einer Treppe sitzen, graziös eine riesige silberne Harfe schlagen und lässig den Hals drehen und wenden. Das sollte einen Eindruck des Unheimlichen und irgendwie auch der Blindheit vermitteln. »Denk an eine Made, Schätzchen«, hatte mich Harold, der Regisseur, instruiert. »An eine Made oder einen blinden Wurm, der Hunger hat und das Futter wittert, aber nichts sehen kann, einen Wurm, der den Kopf dreht wie einen Radarschirm, um winzigste Spuren des Geruchs in der Luft aufzufangen.« Der gute Harald Flanagan, ein Ire, wie er im Buche steht, war ein Meister der schiefen Bilder. Brav drehte ich - blinde Made oder Radarscanner, mir war es gleich - den Kopf hin und her wie ein Schiedsrichter beim Tennis oder eine sonnenanbetende Narzisse. Die Gespenstergeschichte war ein Reinfall, ein Winterfüllsel, verdientermaßen verrissen und eine Woche später vergessen, in der weitläufigen Nekropole der Fernsehflops verscharrt. Ein Besetzungschef aber mußte wohl meine emsigen Halsverrenkungen gespeichert haben, denn sechs Monate später wurde ich aus heiterem Himmel und zu meinem größten Erstaunen zu Probeaufnahmen gebeten, bei denen es um zwei Bombenrollen in einer dreizehnteiligen Serie ging, ein überaus bühnenwirksames Kostümstück aus dem vorigen Jahrhundert. Rosy und Dodo sollte die Serie heißen. Den ursprünglichen Buchtitel - ein erfundener Ortsname, der sowieso nichts zur Sache tat - hatten sie über Bord geworfen.

Die Rolle, an der ich mich versuchte, war Rosy, die biestige Blondine, die durch ihre Selbstverliebtheit, Hoffart und Verschwendungssucht das Leben ihres gutaussehenden Mannes, eines idealistischen Arztes, zerstört. Echt aasig, diese Rosy, ein süßes, hübsches, gebildetes kleines Luder mit sanften Zügen und hartem Herzen. Äußerlich fallen an ihr zunächst der lange Hals auf und ein Teint wie Milch und Blut.

Alle Frauen meiner Familie (das heißt, meine Mutter, ihre vier Schwestern und ich) haben oder hatten superlange russische Hälse und einen zarten Teint. Damit war die erste Hürde genommen. Nun war zwar die Sache die, daß Rosy in der Serie als Zwanzigjährige zu sehen ist und ich vierunddreißig bin, so daß man fragen könnte, welcher Idiot denn diese Besetzungsliste zusammengestellt hatte, aber da ich allgemein zehn Jahre jünger geschätzt werde, schien sich an dem Widerspruch niemand zu stoßen.

»Sie muß ihre Zähne richten lassen, und sie braucht blaue Kontaktlinsen«, befand die allmächtige Besetzungschefin und beäugte mich wie eine nicht fertig tapezierte Eßecke. Es ist ein sehr eigenartiges, demütigendes Gefühl, einer Musterung unterzogen zu werden, als sei man kein Mensch, sondern ein Gegenstand. Zuerst war ich immer total fertig, ich kam mir - Sklaven mag es früher ähnlich gegangen sein - entselbstet, entpersönlicht, ausgelöscht vor. Heute finde ich den Vorgang eher befreiend. In dieser Hülle, an der sie so eifrig basteln, stecke noch immer ich, Cat Conwil, meiner selbst, meiner Mitmenschen und allem, was um mich her vorgeht, voll bewußt. Die Frau mit der Eisernen Maske. Wenn jemand einen Kreis um dich zieht und dir die Anweisung gibt, ihn nicht zu überschreiten, schenkt dir dieser von fremder Hand gezogene Kreis auf eine bis dahin ungeahnte Weise Klarheit über dich selbst. Es ist, als hätten sie dich in einem abgeschlossenen Zimmer alleingelassen.

Ich erhob keinen Protest gegen die blauen Kontaktlinsen, auch wenn ich mit dem Einsetzen zunächst meine liebe Not hatte. An den ersten Drehtagen hielt ich ständig den ganzen Betrieb auf, bis zu dreißig Beleuchter, Kameraschieber, Aufnahmeleiter, Schauspieler und Maskenbildner krochen auf den Knien im Studio herum und suchten nach einer heruntergefallenen Linse, die, wie sich mit schöner Regelmäßigkeit herausstellte, mir nur hinter den Augapfel gerutscht war. Nach und nach aber beherrschte ich den Trick immer fixer, besonders wenn ich die Linsen mit etwas Spucke schmierte. Die Zahnverschönerung war wohl als echtes Plus anzusehen, zumal dafür großzügigerweise Pyramid TV aufkam. Vor der Behandlung waren meine beiden vorderen Schneidezähne aufeinander zugestrebt wie die eines Bibers. Ich selbst hatte dagegen im Grunde nichts einzuwenden, es wirkte irgendwie harmlos-zutraulich, und das kann zuweilen durchaus von Vorteil sein. Als Schauspielerin aber hat man um so größere Chancen - besonders in der Werbung -, je mehr man äußerlich der Norm entspricht. Man muß das realistisch sehen. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, jemanden mit Biberzähnen Reklame für Supadent machen zu lassen.

Daß man mich vom Aussehen her auf Rosy getrimmt hatte, half mir, mich in die Rolle einzuleben. Mein Haar, das von Natur aus aalglatt ist und den Farbton von Aprikosenkonfitüre hat, mußte um mehrere Nuancen aufgehellt werden. In dem Buch ist von kinderhellem Haar die Rede, weder flachsfarben noch gelb. Ich mußte auch ein paar Pfund zunehmen, weil Rosy als eine Nymphe geschildert wird, die man sich im Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts nicht als mager, sondern als durchaus kurvenreich vorzustellen hat. Nach und nach trug ich also eine Persönlichkeit zur Schau, die der meinen ganz und gar nicht entsprach. Ich beschäftigte mich in Gedanken soviel wie möglich mit Rosy, mit ihren Beziehungen zu den Eltern, dem Bruder, den Vettern und Nachbarn in der öden Provinzstadt, in der sie lebte, in der all ihre Vorfahren gelebt hatten und in der ihr Vater, Fabrikant in der dritten Generation, Ratsherr war und kurz davor stand, Bürgermeister zu werden. (Wenn ich sage, daß die Stadt öde war, so meine ich das natürlich aus Rosys Sicht, sie strebte nach Höherem). Sie war in ein Pensionat für höhere Töchter gegangen, hatte überraschend gut Klavierspielen gelernt, weil sie sich vorzüglich darauf verstand, anderen Leuten technische Tricks abzugucken, und spielte auch ein bißchen Harfe, so daß mir diese kleine Fertigkeit hier ebenfalls zugute kam. Sie hatte gelernt, wie man damenhaft in eine Kutsche einsteigt und sie wieder verläßt und wie man im Gespräch Gentlemen und älteren Herrschaften artig nach dem Munde redet. Ansonsten hatte sie von nichts eine Ahnung. Die Mädchen ihrer Zeit und ihres Standes lernten weder kochen noch Formulare ausfüllen oder Glühbirnen wechseln - Grundkenntnisse, die Kinder heutzutage bereits im ersten Oberschuljahr erwerben. Sie brauchte sich Gedanken nur über ihre eigene Person zu machen und über die Frage, welchen Eindruck sie bei Männern hinterließ, und war dadurch total narzißtisch geworden.

Ich fand es ausgesprochen faszinierend, mich in Rosy zu verwandeln - sie war so völlig anders als die Person, die das Leben aus mir gemacht hat. Aufgrund verschiedener Umstände, auf die ich, falls notwendig, später noch näher eingehen werde, habe ich wenig Bildung erworben, war aber von jeher darauf angewiesen, auf eigenen Füßen zu stehen und praktisch zu denken. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr habe ich mich allein durchgebracht und noch andere unterstützt. Deshalb empfand ich es als einen geradezu sagenhaften Luxus, daß ich ein üppiges Honorar dafür kassieren konnte, die Rolle einer jungen Frau zu spielen, die zu Hause keine größeren körperlichen Anstrengungen auf sich zu nehmen brauchte, als an einer Klingelschnur zu ziehen, um bei der Zofe eine zweite Portion gebutterten Toast zu bestellen, und im Gespräch ihr Verhalten dem ihrer jeweiligen Gesprächspartner anzupassen. O ja, ich habe es genossen, Rosy zu werden - es war wie ein warmes Bad, in das man eine Riesenladung Badegel gekippt hat, so daß der Schaum wie ein erstarrtes Wellengebirge hochsteht und knistert, wenn man sich in die Wanne legt.

Ganz ungetrübt war die Freude freilich nicht. Ich mußte mir einige Fertigkeiten aneignen, die Rosy bereits beherrschte, unter anderem mußte ich reiten lernen. Tag für Tag zog ich brav zu einer Reitschule am Park, Tag für Tag schleppte ich mich steif und wund nach Hause, meine Beine fühlten sich an wie Rhabarberstangen, die jeden Augenblick durchbrechen können. Im weiteren Verlauf des Drehbuchs, nachdem sie sich ihren gutaussehenden Doktor geangelt hat, reitet nämlich die halsstarrige, selbstsüchtige Rosy, sich über die Weisungen ihres liebenden Gatten hinwegsetzend, mit einem schneidigen Verehrer im bunten Rock aus, stürzt von ihrem feurigen Grauschimmel und hat eine Fehlgeburt.

Endlich aber war auch das geschafft: Ich konnte reiten - sogar im Damensitz! Außerdem mußte ich mich mit Occhi-Arbeiten (sinnigerweise auch Frivolitäten genannt) vertraut...
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Autor

Joan Aiken, Tochter des amerikanischen Lyrikers Conrad Aiken und seiner kanadischen Frau, wurde 1924 in Sussex geboren. Ihre ersten Gedichte und Schauergeschichten schrieb sie im Alter von fünf Jahren. Sie wurde Verfasserin zahlreicher historischer Romane, moderner Thriller und vieler Kinderbücher. Joan Aiken starb 2004 in Petworth, West Sussex.