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Das Böse vom Gardasee

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
320 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am17.03.2022
Nachtschwarzer Gardasee Dokumentarfilmer Luca Spinelli hat sich nach einem Schicksalsschlag in die Einsamkeit der Berge am Gardasee zurückgezogen. Als ihn sein alter Freund Kommissar Vialli um Hilfe bei mehreren grausamen Mordfällen bittet, lehnt er ab. Doch dann verschwindet der Kommissar selbst spurlos, und Spinelli sieht sich in der Pflicht zu helfen. Er taucht in eine dunkle Geschichte aus der Vergangenheit ein und ist sich plötzlich nicht mehr sicher: Wem kann er noch vertrauen - und wie gefährlich nah ist er dem Mörder bereits?

Alessandro Montano verbrachte viele Jahre am Gardasee und schrieb Kritiken für verschiedene Filmmagazine, bevor er als Filmdramaturg diplomierte. Montano, der seinen ersten Roman 2017 veröffentlichte, lässt sich in seinen Geschichten immer wieder vom größten See Italiens inspirieren.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNachtschwarzer Gardasee Dokumentarfilmer Luca Spinelli hat sich nach einem Schicksalsschlag in die Einsamkeit der Berge am Gardasee zurückgezogen. Als ihn sein alter Freund Kommissar Vialli um Hilfe bei mehreren grausamen Mordfällen bittet, lehnt er ab. Doch dann verschwindet der Kommissar selbst spurlos, und Spinelli sieht sich in der Pflicht zu helfen. Er taucht in eine dunkle Geschichte aus der Vergangenheit ein und ist sich plötzlich nicht mehr sicher: Wem kann er noch vertrauen - und wie gefährlich nah ist er dem Mörder bereits?

Alessandro Montano verbrachte viele Jahre am Gardasee und schrieb Kritiken für verschiedene Filmmagazine, bevor er als Filmdramaturg diplomierte. Montano, der seinen ersten Roman 2017 veröffentlichte, lässt sich in seinen Geschichten immer wieder vom größten See Italiens inspirieren.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960419129
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum17.03.2022
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3435 Kbytes
Artikel-Nr.9013253
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINS

Es war dunkel im Raum. Lichtstreifen vom Morgenlicht, das durch die geschlossenen Fensterläden sickerte, schwebten scheinbar magisch in einer unbestimmbaren Entfernung, je länger er hinschaute. Wenn er die Augen wieder schloss, sah er sie immer noch, nur diesmal leuchtend blau. Diese Lichtstreifen waren wie seine Träume. Sie waren immer da. Wenn er schlief und wenn er erwachte. Sie ließen ihn nicht los. Sie veränderten ihre Farbe, aber niemals ihre Form. Zumindest nicht seit dem Unfall im Tunnel damals.

Alles in seinem Körper schmerzte. Jede Faser vermisste sie, jeder Muskel, jeder Quadratzentimeter Haut. Er glaubte, dass es einfacher für ihn wäre, wenn sie anders gestorben wäre. Aber die Nacht im Tunnel hatte sie einfach aus seinem Herzen gerissen und ein klaffendes Loch hinterlassen. Sein Herz tat, was es konnte, um gegen diesen Verlust anzukämpfen und anzupumpen. Aber wie lange es noch durchhielt, vermochte er nicht zu sagen.

Ich sollte jetzt besser aufstehen, dachte er. Die Fensterläden öffnen, das schmerzende Sonnenlicht hereinlassen und dann irgendetwas tun. Doch jeden Morgen stand er ratloser und ratloser vor dem Tag. Was konnte er machen, was ergab Sinn? Was würde irgendetwas besser machen? Was konnte ihn ablenken, zumindest für einen Augenblick? Immer wieder fragte er sich, ob es sich überhaupt lohnte aufzustehen.

»Luca!«, rief eine Stimme draußen vor der Tür. Schritte polterten auf der alten Veranda. Es war Massimo.

»Du bist zu früh!«, rief Luca.

»Gar nicht. Du schläfst zu lange«, kam es durch den schmalen Spalt in der Tür.

»Gar nicht.«

Luca rappelte sich auf und stöhnte. Mit ausgestreckten Händen tapste er durch die Dunkelheit auf die Tür zu. Er kannte sich in diesem Haus noch nicht gut genug aus, um nicht irgendwo anzustoßen. Er war erst vor Kurzem hier eingezogen. Ein kleines Haus, eigentlich mehr eine Holzhütte, auf einem verwilderten Grundstück direkt über dem Abgrund, dem Steilhang, der über Campione aufragte. Er und Martina hatten zusammenziehen wollen und seine alte Wohnung renoviert und vergrößert. Doch darin hatte er nicht mehr leben können. Er hatte sie verkauft und sich auf dieses kleine Stückchen Land zurückgezogen. Der Komfort war minimalistisch, aber mehr benötigte er nicht. Er brauchte die Abgeschiedenheit. Dafür war es perfekt. Er wollte allein sein.

»Luca!«, drängte Massimo ihn.

»Ja, ja, ich komm ja schon.« Er schlurfte schneller und schloss die Tür auf. Der kleine Massimo stand jetzt freudestrahlend vor ihm und hielt ihm ein Glas Honig hin. Auf dem Etikett waren eine Bleistiftzeichnung einer Biene und ein handgeschriebenes Datum zu sehen.

»Hier, für dich.«

»Danke dir.«

»Was machst du heute?«, fragte der Kleine.

Luca warf vorsichtig einen Blick hinaus in den Garten bis hinunter zum Grundstücksende, das von einem alten Drahtzaun und dichten, undurchdringlichen Brombeerbüschen begrenzt wurde.

»Weiß noch nicht. Und du?«

»Wir fahren nach Gargnano, Fisch kaufen.«

»Wann geht denn die Schule wieder los?«

Mürrisch senkte Massimo seinen Blick. »In zwei Wochen.«

»Tja, tut mir leid. Nutz die Zeit.«

»Deine Veranda ist kaputt, guck mal, hier und hier â¦« Er tippte mit seiner abgewetzten Schuhspitze auf morsche Stellen im Holz.

»Ja, ich weiß.«

»Irgendwann krachst du durch, und ich finde dich dann â¦« Er verdrehte die Augen nach oben und ließ seine Zunge aus dem Mund hängen, was Lucas Tod darstellen sollte.

»He, jetzt ist aber gut. Danke für den Honig, sag das deinem Vater.«

»Soll ich was einkaufen für dich?«, fragte Massimo.

»Ach so, ja â¦ wenn es dir nichts ausmacht.«

»Wenn du Geld hast, nicht.«

»Gut, dann schreib ich dir schnell was auf.«

Luca suchte eilig einen Stift und ein Stück Papier und erstellte eine Einkaufsliste für den Jungen, die er ihm mit einem Fünfzig-Euro-Schein übergab.

»Alles klar, bis später«, sagte der Junge fröhlich, sprang von der Veranda und lief davon.

Luca trat aus dem Sonnenschutz des kleinen Vordachs ins hohe Gras und beschattete mit beiden Händen seine Augen. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber es würde ein heißer Tag werden. Ungewöhnlich heiß, immerhin war es schon Ende September. Irgendwo rechts von sich hörte er die Bienen seines Nachbarn um das kleine Dorf von Körben summen. Über den Rand der Büsche hinweg blickte er auf den See und das Monte-Baldo-Massiv, das auf der anderen Seeseite über Malcesine aufragte und den Ort so klein und zerbrechlich aussehen ließ. Er wollte Martina noch Guten Morgen sagen, bevor er frühstückte, und ging ins Haus, um das Teleskop zu holen. Luca hatte es sich gekauft, kurz nachdem er hier eingezogen war. Ursprünglich nur, um Malcesine sehen zu können, doch er hatte festgestellt, dass das Gerät zu wesentlich mehr in der Lage war. Er konnte von hier aus tatsächlich bis auf den Friedhof schauen und Martinas Grabstein sehen. Die Lage seines Grundstücks auf der Hochebene und der richtige Winkel ermöglichten es ihm, wann immer er wollte, ganz nah bei ihr zu sein. Das war eine gute und wichtige Feststellung für ihn gewesen. Und so war der Blick durch das Fernrohr zu einer täglichen Routine geworden.

Er platzierte das Stativ an einem bestimmten Ort auf der Veranda, montierte das schwere, fast einen Meter lange Teleskop darauf und stellte es ein. Das ging ihm inzwischen schnell von der Hand. Und da war es auch schon, Martinas Grab. Ein Schatten lag noch schräg über dem Stein wie ein Kleidungsstück, das man dort abgelegt hatte. Er erkannte die Umrisse der Inschrift und das kleine Foto, doch Schrift und Bild blieben letzten Endes immer ein wenig verschwommen. Manchmal waren Besucher auf dem Friedhof und gingen vorbei oder blieben an einem anderen Grab stehen. Aber das war ihm egal, er hatte in diesen Momenten stets das Gefühl, allein mit ihr zu sein, eine Verbindung zu ihr zu haben. Das Innere des Teleskops war wie ein Tunnel zwischen seinem Haus und dem Friedhof, durch den er einfach zu ihr gehen konnte, über den See hinweg, über alle Hindernisse hinweg, um bei ihr zu sein.

»Guten Morgen«, flüsterte er.

***

Es war bereits siebzehn Uhr, als Massimo mit den Einkäufen zurückkam. Luca war am Schreibtisch eingeschlafen, wo er versucht hatte, eine neue Filmidee zu skizzieren. In den letzten Jahren war seine Arbeit als Dokumentarfilmer mehr als nur zu kurz gekommen. Nachdem er als Berater für die Polizei tätig geworden war, war sie quasi zum Erliegen gekommen. Der neue Job hatte ihm zwar ein halbwegs geregeltes Einkommen geschenkt, aber auch viele Wunden aufgerissen. Er hatte Dinge gesehen, die kein Mensch so einfach verkraften konnte, und eine Reise in seine eigene Vergangenheit gemacht, bei der er sich schmerzhaften Erkenntnissen stellen musste. Mit Martina hatte das alles ein Ende gefunden, und nach Jahren der Dunkelheit hatte er geglaubt, es würde nun endlich wieder Licht in sein Leben kommen. Doch tatsächlich war das Gegenteil geschehen, als Martina ihm nicht lange darauf wieder genommen worden war. Die Dunkelheit, die ihn sein Leben lang begleitete, hatte sich in die schwärzeste Nacht verwandelt und wollte ihn einfach nicht mehr loslassen.

Luca war am Ende seiner Kräfte. Eigentlich wollte er nichts weiter als schlafen und schlafen. Die Gedanken, auf die er so sehr hoffte, Gedanken, die ihn ablenken oder in eine andere Richtung führen, die ihn anregen konnten, blieben aus. Stattdessen umarmte ihn die Müdigkeit wie ein träger Riese, aus dessen Fängen er nicht entkam.

Als Massimo ihn aus einem merkwürdig verqueren und grotesken Traum riss, in dem verunstaltete Menschen ihn zu etwas zwingen wollten und er am Ende über Wasser lief, um vor ihnen zu fliehen, fuhr er mit einem dumpfen Schrei hoch und erschrak sich selbst dabei.

»Luca, hast du schon wieder geschlafen?«

Massimo stand in der geöffneten Tür, zwei Einkaufstüten zwischen seinen Beinen.

»Bin wohl kurz eingenickt. Wollte arbeiten.«

»Wo ist eigentlich deine Filmkamera?«, fragte der Junge und sah sich im Zimmer um, während er die Tüten anhob und den Einkauf auf die Arbeitsplatte neben der Spüle stellte.

»Hab ich sie dir noch nicht gezeigt?«, fragte Luca und stand auf.

»Wolltest du nur.«

»Sie liegt gut einpackt in einem Koffer, aber â¦« Luca überlegte, ob er die Kamera nicht besser verkaufen sollte. Die Technik war inzwischen überholt, und er hatte sich auch schon länger nicht mehr damit befasst. »Ich packe sie irgendwann mal aus, dann machen wir ein paar Aufnahmen zusammen.«

»Wir können unsere Bienen aufnehmen.«

»Klar, und deinen Vater auch.«

Luca nahm die Einkäufe aus den Taschen und stellte sie in den Kühlschrank, während Massimo in seinen Hosentaschen nach dem Restgeld kramte.

»Hat irgendwas mit zweiundvierzig Euro gekostet«, sagte er und klatschte die Münzen auf den Tresen.

»Behalt den Rest. Vielen Dank.«

»Echt? Fast acht Euro?«

»Du hilfst mir beinahe jeden Tag, Massimo, ich steh wirklich tief in der Kreide bei dir.«

»Hä?«

»Na ja, ich stehe in deiner Schuld, verstehst du? Du tust etwas für mich, aber ich nicht für dich. Das hier ist deine verdiente Belohnung.«

»Ach so.« Massimo sah sich um und blieb dann wie versteinert stehen.

»Was ist?«

»Hörst du das auch?«

»Das Summen? Das sind eure Bienen.«

»Ja, aber nicht so nah.« Er ging ein paar Schritte in Richtung der gegenüberliegenden Wand und lauschte. »Kommt von hier, glaub ich.«

Luca stellte sich neben ihn und horchte.

»Hast recht.«

»Wir gucken mal von außen«, schlug Massimo vor...
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