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Wenn die Sterne fallen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.12.2022
Wie echt ist der Traum von Frieden und freier Liebe?
Ein Dorf in der Nähe von Berlin, 1969. Kalliope und Kai. Laut und leise. Wildfang und Ruhepol. Seit Kalliope denken kann, ist Kai ihr bester Freund. In diesem langweiligen Sommer vor dem Abitur sind seine Briefe ihr einziger Lichtblick. Doch als Kai aus den Ferien zurück ist, fühlt sich das Zusammensein mit ihm plötzlich fremd an. Zu spät merkt Kalliope, wie viel Kai ihr wirklich bedeutet. Auf der Suche nach sich selbst schließt sie sich der Hippiebewegung an. Und auch Kai geht seinen eigenen Weg. Immer wieder treffen die beiden aufeinander, nähern sich an, entfernen sich wieder. Wenn es nach der Legende ihrer Familie geht, werden Kalliope und ihre beiden Schwestern nur für kurze Zeit wahres Glück finden. Ist also auch Kalliopes und Kais Liebe zum Scheitern verurteilt?

Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWie echt ist der Traum von Frieden und freier Liebe?
Ein Dorf in der Nähe von Berlin, 1969. Kalliope und Kai. Laut und leise. Wildfang und Ruhepol. Seit Kalliope denken kann, ist Kai ihr bester Freund. In diesem langweiligen Sommer vor dem Abitur sind seine Briefe ihr einziger Lichtblick. Doch als Kai aus den Ferien zurück ist, fühlt sich das Zusammensein mit ihm plötzlich fremd an. Zu spät merkt Kalliope, wie viel Kai ihr wirklich bedeutet. Auf der Suche nach sich selbst schließt sie sich der Hippiebewegung an. Und auch Kai geht seinen eigenen Weg. Immer wieder treffen die beiden aufeinander, nähern sich an, entfernen sich wieder. Wenn es nach der Legende ihrer Familie geht, werden Kalliope und ihre beiden Schwestern nur für kurze Zeit wahres Glück finden. Ist also auch Kalliopes und Kais Liebe zum Scheitern verurteilt?

Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641276553
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.12.2022
Reihen-Nr.1
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2151 Kbytes
Artikel-Nr.9098798
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1   EIN MANN AUF DEM MOND

Sie hat ein Recht darauf zu erfahren, was ihr bevorsteht.

Sie hat ein Recht darauf, ihr Schicksal zu kennen.

Kalliope ist eine von uns.

Es waren nur Worte, und doch kroch mir unwillkürlich eine Gänsehaut die Arme hinauf. Ich lehnte die Stirn gegen das überraschend kühle Fensterglas und blickte auf der Suche nach irgendeinem Fixpunkt in die Nacht hinaus, erahnte den Garten, den alten Baum mit den knorrigen Ästen direkt vor meinem Zimmer, gegenüber das Haus der Martins. Links die in vollkommene Stille gehüllte Magnolienallee mit den namensgebenden Bäumen zu beiden Seiten.

Trotz aller Vertrautheit war da in der Dunkelheit nichts, was mir den so dringend benötigten Halt geben konnte.

Sie hat ein Recht darauf zu erfahren, was ihr bevorsteht.

Sie hat ein Recht darauf, ihr Schicksal zu kennen.

Kalliope ist eine von uns.

Nicht zum ersten Mal löste die Erinnerung an diese Sätze viele Gefühle gleichzeitig in mir aus: Aufregung, Neugier, aber auch Angst. Doch sobald ich an Großmutters erst wütenden, schließlich resignierten Gesichtsausdruck dachte, überwog Letzteres. Dann schlug mein Herz schneller und wappnete sich für etwas, das viel größer als diese Welt schien.

Ich hatte schon vor langer Zeit damit aufgehört, nur an das zu glauben, was ich mit eigenen Augen sah, denn es existierten Dinge, die man einfach fühlte und nicht richtig erklären konnte. Wie zum Beispiel, als ich vor wenigen Tagen mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Glühwürmchen wie immer über den schmalen Bach gesprungen war. Das tat ich, seit ich ein eigenes Rad hatte, und doch war ich zum ersten Mal mit dem Vorderrad hängen geblieben und gestürzt. Und in dem Moment hatte ich gewusst, dass dieses Missgeschick der Beginn von etwas war.

Seit einer halben Stunde tigerte ich nun schon unruhig in meinem Zimmer auf und ab, denn in Nächten wie diesen war es um so Vieles schwerer, das Aufgeschnappte als Unsinn abzutun.

Wo verdammt noch mal bleibt Kai?

Erst hatte ich es mir noch auf meinem Bett gemütlich gemacht und leise vor mich hin gesungen, um die Zeit totzuschlagen, doch obwohl Musik - die Gute, die Wahre, die Schöne - ein Heilmittel für so ziemlich alles war, hatte sie dieses Mal nicht geholfen. Nicht einmal Down on Me von Big Brother and The Holding Company, ein Song, der sonst alles irgendwie besser machte. Vielleicht aber lag es auch an Janis Joplins tiefer Stimme. Sie passte zu gut zu dem düsteren Gefühl, welches mich gefangen hielt, seit ich heute Morgen aus einem dieser grausamen Träume hochgeschreckt war.

Wieder einmal.

Bilder von sich auftürmenden Wassermassen und verzweifelte Schreie, die in diesem Szenario wohl meine eigenen waren. All das umhüllt vom dichten Nebel der Erinnerung, denn ... das war es, was mir an meinen Albträumen am meisten zu schaffen machte: die Nähe zur Realität - als handelte es sich um eine Ansammlung eigener Erinnerungen und Erlebnisse.

Auch jetzt konnte ich das Gefühl von Wassermassen, die meine Lunge fluteten und drohten, mir die Luft abzuschnüren, nicht ganz abschütteln - wartete es doch stets am Rande meines Bewusstseins. Ohnehin schien meine Kehle an den Morgen nach den Träumen wie ausgedörrt zu sein.

Himmel, Kai, wo steckst du?

Ich warf einen Blick auf die Uhr - nur noch eine Stunde. Um Mitternacht hatten wir sonst eigentlich immer angefangen.

Ist dieses Jahr alles anders? Pfeifst du auf unsere Rituale?

Unruhig sah ich wieder in den Himmel empor, als ich plötzlich hörte, wie etwas Kleines, Hartes die Fensterscheibe traf. Erschrocken zuckte ich zusammen und erwartete, Kai gegenüber an seinem Fenster stehen zu sehen. Aber alles blieb dunkel wie zuvor. Doch von irgendwoher musste das Steinchen gekommen sein. Vielleicht hatte Kai es von unten geworfen?

Und tatsächlich: Als ich das Fenster öffnete, erblickte ich nicht nur einen durch den Garten huschenden Schatten. Ich entdeckte auch das zusammengefaltete Blatt Papier, das aus dem rostroten Eimer lugte, der speziell für diesen Zweck an meinem Fenstersims hing.

Endlich.

Gegen das Lächeln, das an meinen Mundwinkeln zupfte, hatte ich keine Chance.

Ich entfernte die Schnur, die um den Zettel gewickelt war, dann faltete ich ihn vorsichtig auseinander, strich die Seite glatt und inhalierte den Geruch von Tinte.

In den letzten Monaten waren unsere Briefe seltener geworden. Ich würde einen Teufel tun, es zuzugeben, doch nach den ganzen Wochen nun wieder Kais ausladende, geschwungene Buchstaben zu betrachten und dieses Papier unter den Fingerkuppen zu spüren, machte etwas mit mir. Ein Brief, der sich zu all den anderen reihte, die ihren Weg im Laufe der Jahre in den kleinen Eimer gefunden hatten.

Wenn mein bester Freund schrieb, drückte er sich anders aus als beim Sprechen. Ganz so, als würde auf dem Papier endlich das aus ihm hervorbrechen, was sonst immer unter seiner Stille verborgen lag. Kai und Papier und wunderschöne Tintensätze gehörten zusammen, weil er immer schon in Melodien und Liedern gedacht hatte.

Mitternacht,

unser Ort,

fallende Sterne.

K.

Nur wenige Worte dieses Mal, doch sie reichten, dass mir das Herz in der Brust schneller schlug. Bevor es endlich so weit war, drapierte ich noch die vorbereiteten Kissen unter der geblümten Bettdecke, dann warf ich mir den Rucksack über die Schulter und öffnete die beiden Flügel meines Fensters möglichst leise. Ein aufgeregtes Kribbeln strömte durch meinen Körper.

Meine kleinen Schwestern Klio und Erato hatten ihre Zimmer gegenüber von mir, das Schlafzimmer meiner Eltern lag zu meiner Linken, und genau unter mir, im Erdgeschoss, schlief meine Großmutter, die seit ihrem Schlaganfall wieder bei uns wohnte. Nicht zum ersten Mal stöhnte ich entnervt auf, weil ich verdammt noch mal eingekesselt war und ständig auf der Hut sein musste, wenn ich nicht erwischt werden wollte. Die Standpauke wegen des Rauchgeruchs in meinen Haaren war mir noch zu lebhaft im Gedächtnis. Dabei hatte ja nicht einmal ich selbst geraucht ...

Routiniert kletterte ich auf den Fenstersims. Mit einer Hand stützte ich mich darauf ab, mit der anderen schloss ich die beiden Flügel - der schmale Spalt würde reichen, um das Fenster später wieder zu öffnen. Dann hielt ich mehrere Atemzüge lang still. Das dichte Blätterdach über mir verbarg den Mond, und nur ein paar wenige Straßenlaternen in der Magnolienallee spendeten schwaches Licht.

Vielleicht hätte die Dunkelheit mir Angst machen sollen, so wie meine ganz persönlichen Schreckensbilder, die irgendwo in meinem Verstand darauf warteten, mich heimzusuchen. Und ich hatte durchaus Respekt - mein schnell schlagendes Herz war der beste Beweis dafür. Doch beinah hätte ich laut aufgelacht: Wie schlimm konnte die Realität schon sein? Im Gegensatz zu den ständigen Augenringen? Der bleiernen Müdigkeit, weil ich kaum eine Nacht durchschlief? Der Angst vor neuen Bildern, die womöglich schlimmer waren als die alten?

Es war still, so unendlich still.

Der ganze Ort schlief, nur eine Eule rief irgendwo in die Dunkelheit hinein, ein anderer Vogel antwortete.

Mit einem geschickten Satz sprang ich auf den knorrigen Apfelbaum und kletterte den Stamm hinunter. Ich fluchte, als ich kurz darauf auszurutschen drohte, weil ich so ungeduldig war. Als ich nur noch knapp einen Meter über dem Boden war, ließ ich mich fallen. Das weiche Gras dämpfte das Geräusch meiner aufkommenden Füße ab. Sofort eilte ich zu den Sträuchern, wo ich mein Fahrrad versteckt hatte. Ich befreite es von Blättern und lächelte beim Anblick der Blumen, die ich im vergangenen Sommer zusammen mit Kai am Ufer des kleinen Sees am Dorfrand, dem Blauwasser, aufgemalt hatte. Dann schob ich es energisch über die Wiese hinter dem Haus, bis ich weit genug entfernt war, um mich in den Sattel zu schwingen.

Und mit jedem Meter, den ich die Magnolienallee hinter mir ließ, lockerte sich das enge Band um meine Brust ein Stück mehr. Weg von dem Haus mit seinen von der Sonne ausgeblichenen Pastellfarben und dem Porzellangeschirr im Nussbaumschrank, weg von den schweren Vorhängen und selbst gehäkelten Spitzendeckchen, weg von dem Gebäude, das einem Museum der Fünfzigerjahre glich, noch mehr aber einem Mausoleum. Die Magnolienallee 25, in der der Tod präsenter war als das Leben.

Mit dem festgeklebten Lächeln, den stets voluminös geföhnten Haaren und der Schürze mit den Rüschen war meine Mutter die Bewahrerin dieses Szenarios.

Eine Hüterin stillstehender Zeit des Jahres 1954.

Es war ein nasskalter Wintertag gewesen, als plötzlich dieser große hagere Mann mit dem löchrigen Mantel, begleitet vom eiskalten Wind, durch die Türe trat. Da war zwar fast so etwas wie ein Lächeln gewesen, als sein Blick auf mich fiel, er den Hut abnahm und gegen seine Brust knautschte, doch die Leere in seinen Augen hatte mir Angst gemacht. Das tat sie heute meistens auch noch. Trotzdem sollte dieser schweigsame Mann mein Vater sein. Doch anstatt dass das Leben nun endlich weiterging, stand es mit einem Mal so richtig still. Auch noch, als meine kleinen Schwestern Jahre später geboren wurden.

All das lag inzwischen fast mein ganzes Leben zurück, doch fremd war Papa mir in all der Zeit geblieben. Ich hätte gern gesagt, ein Schatten seiner selbst, aber woher sollte...

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Autor

Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.