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Kant und der Schachspieler

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.11.2022
Der Mörder kommt näher. Zug um Zug.
Ein Leichenfund auf dem Gelände der alten Farbenfabrik gibt Kommissar Kant und seinem Team von der Münchner Polizei Rätsel auf. Der Tote, der bei Rückbauarbeiten in einem ausrangierten Chemikalientank entdeckt wurde, trägt eine auffällig teure Lederjacke über seinen abgewetzten Klamotten. Und er umklammert mit kalter Hand eine hölzerne Schachfigur. Handelt es sich möglicherweise um den genialen Schachspieler Jakob Holler, der vor zwei Jahren spurlos verschwunden ist? Die Ermittler setzen alles daran, die Fäden zu entwirren. Doch gerade als der Durchbruch zum Greifen nahe scheint, schlägt der Schachmörder erneut zu ...

Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, als ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München. Heute lebt er halb in Deutschland, halb in Portugal. Er veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDer Mörder kommt näher. Zug um Zug.
Ein Leichenfund auf dem Gelände der alten Farbenfabrik gibt Kommissar Kant und seinem Team von der Münchner Polizei Rätsel auf. Der Tote, der bei Rückbauarbeiten in einem ausrangierten Chemikalientank entdeckt wurde, trägt eine auffällig teure Lederjacke über seinen abgewetzten Klamotten. Und er umklammert mit kalter Hand eine hölzerne Schachfigur. Handelt es sich möglicherweise um den genialen Schachspieler Jakob Holler, der vor zwei Jahren spurlos verschwunden ist? Die Ermittler setzen alles daran, die Fäden zu entwirren. Doch gerade als der Durchbruch zum Greifen nahe scheint, schlägt der Schachmörder erneut zu ...

Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, als ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München. Heute lebt er halb in Deutschland, halb in Portugal. Er veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641295561
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.11.2022
Reihen-Nr.2
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2174 Kbytes
Artikel-Nr.9099269
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Die Woche hat schon gut angefangen, dachte Kant, während er den Abschlussbericht zum Fall Bergmann schrieb.

Am Montag hatte er Streit mit seiner Tochter Frida gehabt. Er hatte mit der ersten Tasse Kaffee am Küchentisch gesessen und einen Artikel darüber gelesen, wie die Kriminalstatistik oft für politische Zwecke verzerrt wurde - ein Thema, das ihn wirklich interessierte -, als sie mit nassen Haaren zur Tür hereingestürmt kam. Schranktüren knallten, Geschirr klapperte, und sie begann auf ihn einzureden, während sie einen Apfel und eine Banane in ihr Müsli schnitt. Es ging um dasselbe Thema wie immer beim Frühstück oder Abendessen: um den Klimawandel. Kant sah auf und nickte. Er war vollkommen ihrer Meinung, es musste etwas unternommen werden. Und nicht nur das, er war auch froh, dass sie etwas gefunden hatte, für das sie sich engagieren konnte. Etwas anderes als ältere Jungen, durchgefeierte Nächte und allgemeinen Nihilismus.

Er sah ihr einen Moment lang zu, wie sie im Unterhemd am Kühlschrank lehnte und mit jugendlicher Gier ihre Körnernahrung in sich hineinschaufelte. Im Großen und Ganzen lief es in letzter Zeit gut, dachte er. Frida ging regelmäßig zur Schule, ihre Noten hatten sich gebessert, und wenn nichts dazwischenkam, würde sie übernächstes Jahr schon Abitur machen.

Kant las weiter, während er ihr mit einem Ohr zuhörte und gelegentlich nickte. Frida zitierte aus den neuesten Studien des Weltklimarats. Die Polkappen schmolzen, der Meeresspiegel stieg, extreme Wetterlagen häuften sich. Je tiefer sie in die Materie einstieg, desto weniger bekam er mit, bis ihre Stimme schließlich zu einer angenehmen Begleitmelodie für diesen strahlenden Sommermorgen wurde. Kant war bei den letzten Zeilen seines Artikels angekommen, als er merkte, dass sie plötzlich verstummte. Hatte er etwas Wichtiges verpasst? Er ließ die Zeitung sinken und sah sie an.

»Und?«, fragte Frida. »Kommst du jetzt am Donnerstag oder nicht?«

Er hätte irgendwas antworten können - mal sehen, vielleicht, muss ich mir noch überlegen -, aber die Falte zwischen ihren Augen warnte ihn, dass sie sich damit nicht abspeisen lassen würde. Sie redete über das entscheidende Thema, und er hörte nicht zu. Sofort bekam er ein schlechtes Gewissen.

»Wohin?«, fragte er möglichst beiläufig.

Die Sonne schien durch das ungeputzte Fenster, und obwohl es erst kurz nach acht war, fühlte es sich schon an, als hielte ihm jemand einen Heizstrahler vors Gesicht. Frida ließ ihren Löffel in die Schüssel fallen. »Vergiss es. Fahr zur Arbeit. Es ist ja nicht deine Zukunft.«

Sie lief aus der Küche, bevor er auch nur den Versuch unternehmen konnte, sie zu beruhigen. Ihre Zimmertür knallte, der Schlüssel wurde umgedreht, und sie ließ sich nicht mehr blicken, bis er das Haus verließ.

Am Dienstag hatte dann Katja im Präsidium angerufen und ihre Verabredung mit ihm abgesagt. Sie habe Bauchschmerzen, sagte sie, aber er hörte ihr an, dass etwas anderes dahintersteckte. Kant gab sich Mühe, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Den ganzen Vormittag lang, während er sich im stickigen Vernehmungszimmer die halbgaren Anschuldigungen der Tochter des Juweliers Bergmann anhörte, hatte er sich auf den Abend mit ihr gefreut. Eine Flasche Wein auf dem Balkon, während eine leichte Brise ihn mit dem Apfelduft ihres Shampoos umhüllte. Die leichte Belustigung in ihrer Stimme, als gäbe es nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen musste. Die Spitzen ihrer Haare, die seine Brust kitzelten, wenn sie sich im bläulichen Schein der Laterne vor dem Fenster auf seinem Bett liebten.

Er hatte Katja vor einem knappen halben Jahr bei Mordermittlungen in Schelfing kennengelernt. Zunächst war sie nur eine Polizistin gewesen, die ihm nach dem Tod seines alten Kollegen Klaus Weber Trost gespendet hatte. Doch seitdem trafen sie sich ein- oder zweimal pro Woche, unverbindlich, ohne irgendwelche Pläne für die Zukunft zu schmieden. Er selbst war zufrieden mit diesem Arrangement, aber wenn er genauer darüber nachdachte, schien sie bei ihren letzten Verabredungen gedrückter Stimmung gewesen zu sein.

»Ich ruf dich morgen an«, sagte sie am Telefon. »Dann besprechen wir alles Weitere.«

Also saß er am Abend allein auf dem Balkon. Ohne Apfelshampoo. Oder Belustigung. Eine leichte Brise gab es auch nicht, nur die Hitze, die vom Asphalt der Straße aufstieg. Während er sich fragte, was Katja mit »alles Weitere« gemeint hatte, leerte sich die Flasche Wein wie von allein.

Deshalb musste er sich jetzt, am Mittwoch, auch noch mit einem leichten Kater herumschlagen, während er die Ermittlungsergebnisse zum Tod des Juweliers zusammenfasste. Der ältere Mann war vor zwei Wochen mit einer Kopfverletzung auf dem Boden seiner Küche aufgefunden worden. Seine Tochter hatte ihren Bruder beschuldigt, ihn erschlagen zu haben, um an das Erbe zu gelangen, und Nachbarn hatten angeblich einen Streit gehört. Bei der Obduktion und den nachfolgenden Untersuchungen stellte sich allerdings heraus, dass der Mann bei dem Versuch, die Neonröhre über dem Herd zu reparieren, einen Stromschlag erlitten hatte und mit dem Hinterkopf gegen die Tischkante geschlagen war. Bei Weitem nicht jeder Todesfall, mit dem sie sich beschäftigten, entpuppte sich als Tötungsdelikt. Trotzdem musste der Sachverhalt natürlich in aller Ausführlichkeit dokumentiert werden.

Kant saß also an seinem Schreibtisch und überlegte, ob er lieber bei geschlossenem Fenster ersticken oder vom Straßenlärm wahnsinnig werden wollte, als das Telefon klingelte. Es war Katja.

»Wie geht es dir?«, fragte er.

»Besser.« Er hörte, wie sie Luft holte. »Aber ich kann so nicht mehr weitermachen.«

Es war keine Überraschung, als sie ihm erklärte, dass sie ihn eine Weile nicht mehr sehen wolle. Sie brauche einfach Zeit zum Nachdenken. Kant wusste, was das bedeutete. Es war nicht seine erste Beziehung, die so endete.

Als sie auflegte, empfand er neben Traurigkeit auch Erleichterung. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war - und bei all den Lügen, die ihn in seinem Beruf zwangsläufig umgaben, schien ihm das von großer Bedeutung -, hatte er sie nie richtig geliebt. Auch wenn Katja es nicht ausgesprochen hatte, spürte er, dass sie einen Mann wollte, der ganz für sie da war. Dieser Mann konnte er nicht sein. Er fragte sich, ob er überhaupt fähig wäre, sich noch einmal so auf eine Frau einzulassen, dass ihm alles andere egal wäre. Vielleicht war er zu alt dafür. Oder zu abgestumpft.

Er war froh, als Rademacher in sein Büro kam und ihn aus seinen trüben Gedanken erlöste.

»Die Kollegen haben einen Leichenfund gemeldet. Wir müssen nach Allach fahren, zu der alten Farbenfabrik, um uns die Sache anzusehen.«

Die Stadt summte wie ein Bienenstock. Es war Mitte Juli, kurz bevor die Ferien begannen, und alle schienen in ihre Autos gesprungen zu sein, um auf die Schnelle noch etwas zu erledigen. An einer Baustelle, wo armdicke Kabel aus der Erde quollen wie Gedärme, wechselte Rademacher die Spur. Jemand hupte wütend. Der Geruch von Benzin wehte Kant in die Nase, als Rademacher das Fenster herunterließ und den Fahrer des Cabrios neben ihnen anbrüllte.

Kant fragte sich, was mit ihm los war. Normalerweise hätte er die Situation mit einem Achselzucken abgetan und weiter von Mareikes Pfannkuchen oder ihrem geplanten Campingplatz am Meer geschwärmt, aber seit Tagen wirkte er mürrisch und unzugänglich. Vielleicht lag es nur an der Hitze, die die Stadt schon seit Wochen im Griff hielt und das allgemeine Aggressionslevel in die Höhe trieb. Mit seinen hundertzehn Kilo machte sie Rademacher noch mehr zu schaffen als den anderen. Er betrachtete den Sommer sowieso als reine Schikane.

Vor der Einfahrt zu den Kolorit-Werken ragte eine Plakatwand auf, die eine strahlend weiße Wohnsiedlung inmitten dunkelgrüner Wiesen zeigte. »Investieren Sie jetzt in Ihre Zukunft« stand neben der Internetadresse des Maklerbüros.

Die Gegenwart sah nicht ganz so rosig aus. Als sie durch das Rolltor neben dem verlassenen Pförtnerhäuschen fuhren, sah Kant zwei langgestreckte Flachbauten vor sich. Die meisten Fensterscheiben waren eingeschlagen, und Graffiti bedeckten die Mauern. Aus dem rissigen Kopfsteinpflaster neben der Straße wuchs das Unkraut einen halben Meter hoch. Nirgendwo war ein Mensch zu sehen.

»Wo sind die Deppen? «, fragte Rademacher, während er zwischen den alten Fabrikgebäuden entlangsteuerte. »Soll ich jetzt das ganze Gelände abfahren?«

Je weiter sie auf das Grundstück vordrangen, desto deutlicher hörte Kant den Baulärm. Eine Staubwolke trübte die Luft und tauchte die Backsteingebäude in unwirkliches Licht.

»Da vorne«, sagte Kant, und Rademacher bog scharf rechts ab. Der Streifenwagen parkte in einer Gasse zwischen einem großen Tank und einem umzäunten Gelände voller rostiger Metallfässer. Zwei Polizisten standen vor der Treppe, die zum Tank hinaufführte. Hinter ihnen lag eine freie Fläche, auf der eine Planierraupe Bauschutt zusammenschob. Ächzend kippte ein Bagger seine Ladung auf einen Lastwagen.

Staub hatte sich auf die Uniformen der Beamten gelegt. Rademacher fuhr so dicht an sie heran, dass sie einen Schritt zurückwichen. Die Hitze traf Kant mit voller Wucht, als er aus dem klimatisierten Dienstwagen stieg. Er sah den verzerrten Schatten eines Krans über den Boden gleiten. In der Ferne ging ein Bauarbeiter mit tief in die Stirn gezogenem Helm auf einen Container zu.

Kant zog sein Jackett aus und warf es auf den Rücksitz. In Anzughose und Hemd war ihm natürlich immer noch zu warm,...

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Autor

Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, als ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München. Heute lebt er halb in Deutschland, halb in Portugal. Er veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen.