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Casanovas Fadenglas

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
207 Seiten
Deutsch
neobookserschienen am24.06.2022
Ein bislang unbekanntes Fragment der Memoiren von Giacomo Casanova und ein kunstvoller Glasteller mit ungewöhnlichem schwarzem Fadenglasdekor stellen Museumsleiter Dr. John Wattsen vor einige Rätsel, nachdem die berühmte Fernseherzählerin 'Tante Lorchen' aus seinem Bürofenster auf der Veste Coburg zu Tode stürzte. War es ein Unfall oder Mord? Ist der Täter in den Reihen der Laienspielgruppe zu suchen, die dort ein Theaterstück aufführen? Wattsen kommt geheimnisvollen Zusammenhängen auf die Spur, die ihren Ursprung im Venedig des 18. Jahrhunderts haben, denn dort nahm das Unheil seinen Anfang - mit Casanovas Fadenglas.

1956 in Bayern geboren. Studium und Promotion in Kunstgeschichte. Tätigkeit auf der Veste Coburg und am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Zuletzt Direktor zweier Museen in Norddeutschland.
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Produkt

KlappentextEin bislang unbekanntes Fragment der Memoiren von Giacomo Casanova und ein kunstvoller Glasteller mit ungewöhnlichem schwarzem Fadenglasdekor stellen Museumsleiter Dr. John Wattsen vor einige Rätsel, nachdem die berühmte Fernseherzählerin 'Tante Lorchen' aus seinem Bürofenster auf der Veste Coburg zu Tode stürzte. War es ein Unfall oder Mord? Ist der Täter in den Reihen der Laienspielgruppe zu suchen, die dort ein Theaterstück aufführen? Wattsen kommt geheimnisvollen Zusammenhängen auf die Spur, die ihren Ursprung im Venedig des 18. Jahrhunderts haben, denn dort nahm das Unheil seinen Anfang - mit Casanovas Fadenglas.

1956 in Bayern geboren. Studium und Promotion in Kunstgeschichte. Tätigkeit auf der Veste Coburg und am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Zuletzt Direktor zweier Museen in Norddeutschland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754194379
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum24.06.2022
Seiten207 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1357 Kbytes
Artikel-Nr.9637374
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2




Veste Coburg, 25.5.2018 mittags







Der Mann lag auf der harten Holzbank bequem hingestreckt wie auf einem gemütlichen Sofa, stützte seinen Kopf in Ermangelung eines Kissens auf die linke Hand, was entfernt an den kleinen Engel in Rafaels berühmter Sixtinischer Madonna erinnerte. Ähnlich war auch sein Blick: Er sah gelangweilt und etwas überheblich zu seinem Gegenüber auf, der breitbeinig, mit wutverzerrtem Gesicht vor ihm stand.

Du fragst mich im Ernst, was ich will? , brüllte dieser ihn an, Das weißt du ganz genau, du elender Kretin!

Langsam zog der südländisch aussehende Mann eine Pistole aus seiner abgewetzten Jeansjacke. Er lächelte schmierig, während er die Waffe langsam senkte.

Aber ich sage es dir noch ein allerletztes Mal: Du wirst mir dafür büßen, für all das, was du mir und meiner Frau angetan hast.

Ach, die Frauen ... , entgegnete der Liegende gelangweilt und aufreizend blasiert, Einen Dummkopf zu betrügen ist eine Handlung, die eines Menschen von Geist würdig ist. Und überhaupt: Sie verwechseln mich, ich habe mit Ihnen nichts zu tun.

Nichts zu tun? Ha, ha! Der Italiener lachte laut und affektiert und es wirkte unecht - als hätte er es einstudiert. Halt dein ungewaschenes Maul, du bornierter Bastard! Du wirst dafür mit dem Tod bezahlen! Du hast die Ehre meiner Frau auf dem Gewissen mit deinen betrügerischen Liebesgeschäften ...




Schaften! Verdammt, es eißt Liebschaften! Wie oft soll isch dir das noch predigen, Antonio! Dein Deutsch! Und lach nicht so laut und affektiert. Das wirkt wie einstudiert.




Descartes entriss ihm die Waffe, stellte sich breitbeinig vor den liegenden Mann und schrie mit übertriebener Emphase: ... mit ihren betrügerischen Liebschaften! Casanova! Isch abe alles verloren, was mir heilisch war! Meine Ehre ist verletzt! Die Ehre meiner Familie geht mir über alles! Nehmen Sie das dafür! Isch asse Sie!




Ein harter, ungewöhnlich lauter Knall peitschte durch den Innenhof der mittelalterlichen Veste, als er abdrückte. Lauter, als man es von einer harmlosen Schreckschusspistole aus der Theaterrequisite erwartet hätte. Alle Umstehenden erschraken und sahen herüber.

Der Getroffene zuckte heftig zusammen, rutschte von seinem improvisierten Sofa, sank etwas übertrieben röchelnd in sich zusammen - daran würde man noch arbeiten müssen - und lag dann reglos am Boden.




Sehr gut, Giaco, etwas forciert, so stirbt keiner, aber gut, Casanova tut ja in dieser Szene auch nur so, also schon ganz gut! Vielleicht nicht so viel röcheln , lobte der Regisseur, C était bien. So wird das gemacht! Und wenn du es beim nächsten Mal nischt bringst, Antonio , drohte er mit dem Finger, besetze isch die Rolle des betrogenen Ehemannes um. Pause für alle! Allez, allez, meine Lieben!




Die Schauspieler der Laienspielgruppe wandten sich murmelnd ab, teils verärgert über die erneute Unterbrechung, teils belustigt über Antonios Versprecher und suchten nach ihren Handys oder Zigarettenpackungen.




Der Mann in der Rolle des Casanova blieb still und reglos im Gras liegen und zunächst beachtete dies niemand.




Giaco, ist gut jetzt, steh endlich auf, mein Junge. Giacomo! Du wirst dich noch erkälten , rief Tante Lorchen ebenso fürsorglich wie unnötig, denn inzwischen zeigte das Thermometer wieder einmal über 30 Grad. Genau wie gestern. Und vorgestern. Und die Tage davor.

Ihre angenehm feine, aber wohlmodulierte Stimme drang irgendwo zwischen einem bunten venezianischen Fächer und einem Sonnenschirmchen aus weißer Spitze hervor. Bei beidem wusste man nicht, ob diese Dinge zur Rolle gehören würden oder tatsächlich nur etwas antiquierte Accessoires einer kultivierten alten Dame bei dieser sommerlichen Hitze waren.




Giacomo Brancuso regte sich immer noch nicht.




Etzt mache keine Scheiß! Die Mädschen kriegen ja Ongst , brüllte Descartes zu ihm hinüber, fuchtelte mit den Händen und verteilte dabei in funkelnden Wirbeln die Glut seiner Gauloises Blondes Rot , die er möglichst ständig und möglichst überall rauchte. Seine Vorliebe galt daher Freiluft-Aufführungen wie dieser, denn die Freiräume für Raucher waren auch am Theater sehr eingeschränkt worden.




Tatsächlich hatte die junge Friedlinde, die noch nicht lange zur Truppe gehörte und sich während ihrer Semesterferien aus Spaß und zur Selbstfindung als Laienschauspielerin versuchte, in einer klein-mädchenhaften Geste ihre beiden blonden Zöpfe mit den Händen verschreckt vor das Gesicht gepresst. Niemand hätte jedoch sagen können, ob es wirklich ein Ausdruck von Ängstlichkeit war oder sie damit nur ein Kichern zu verbergen suchte. Bei Friedlinde konnte man sich nie sicher sein.




Antonio kniete sich nieder, wobei seine Haltung sehr theatralisch wirkte und an einen zum Schwur niedergeknieten Tempelritter aus einem alten Hollywoodfilm erinnerte. Er stieß Giacomo rüde an.

Es reicht! Jetzt steh endlich wieder auf, du Clown!

Plötzlich schreckte er zurück.

Oh mein Gott! Da ... da ist ja Blut. Alles voll Blut! Er ist tot! Himmel ... Madonna mia ... Holt die Polizei! Descartes! Was haben Sie getan? Was ist das für eine Waffe? Policia!

Maurice Descartes, der Regisseur, kam herbeigestürzt. Seine Zigarette fiel ihm vor Schreck aus der Hand.

Isch? Du Idiot! Was ast du gemacht? Das gibt es doch gar nischt ... die Pistol war doch nur eine ...




Er war kreidebleich, sein schwarzes Seidenhemd schlagartig schweißdurchtränkt und er kniete sich nieder, um den leblosen Körper zu untersuchen, fühlte den Puls an der Halsschlagader und fuhr zu Tode erschrocken zurück, als Giacomo sich plötzlich lachend aufrichtete.

Und sagen Sie bloß nicht mehr, dass der Antonio kein guter Schauspieler wäre.

Die beiden Italiener lachten lauthals und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, während Descartes die Faust in Antonios Richtung ballte und sein Gesicht wütend verzerrte, als wäre er der grüne Hulk.




Antonio gluckste immer noch vor Lachen und sonnte sich im Erfolg ihrer kleinen Privat-Komödie. Bewunderung heischend, stellte sich nahe vor Frieda, wie Friedlinde von allen genannt wurde, und sah ihr tief in die wasserblauen Augen während er nun den Italian Lover zu geben versuchte. Sie wich instinktiv ein Stück zurück und schlug erneut - diesmal mit der Absicht verschämt zu wirken - die Zöpfe vors Gesicht.




Ich habe eine tolle Idee, Frieda , flüsterte Antonio ihr verschwörerisch zu, wir kriegen doch zur Aufführung von Dr. Wattsen diese antiken Steinschlosspistolen aus dem Museumsfundus. Die funktionieren immer noch. Ich werde eine der beiden Duellpistolen laden. Passende Kugeln haben wir reichlich im Depot, da habe ich natürlich Zugang, und etwas Schwarzpulver ist schnell besorgt. Ich könnte als Schluss-Gag einen der Scheinwerfer zerschießen. Was glaubst du, wie Giacomo erschrickt? Und das Gesicht von Descartes möchte ich zu gerne sehen. Wie würde dir das gefallen? Ich schaff das locker , prahlte er, ich bin im Schützenverein, bei den Coburger Landesschützen. Na, was hältst du davon?

Er schaute sie an und hoffte auf Anerkennung, wenn nicht gar staunende Bewunderung, doch er hatte sich in Frieda gründlich getäuscht.

Blödsinn! Mach bloß keinen Scheiß, Antonio! , blaffte sie ihn stattdessen an, Du bist ja ein völlig durchgeknallter Wirrkopf! Wie dieser Casanova! Nur ohne Chancen bei den Frauen. Ihr Italiener glaubt wieder einmal, ihr seid die Größten! Ciao bello.




Damit ließ sie ihn stehen und Descartes trat an ihre Stelle.




Verdammte Vollidioten! , herrschte er Antonio und Giacomo gleichzeitig an, Isch sollte eusch alle beide rausschmeißen! Etzt! Sofort! So etwas ätt es nischt gegeben, als isch noch mit Fellini gearbeit abe.




Tante Lorchen lächelte hinter ihrem Fächer, den sie mit großer Grandezza bewegte. Das mit Fellini streute Descartes mindestens drei Mal am Tag ein und niemand glaubte ihm, so oft er es auch wiederholen mochte. Sie hingegen wusste, dass er 1976 als Jugendlicher bei Fellinis Casanova-Verfilmung das Kamerakabel halten durfte. Und ein einziges Mal lief er in einer kurzen Tunica als römischer Sklave durchs Bild, weil einer der Komparsen krank geworden war - das war aber auch schon alles. Mit Fellini gearbeitet! Sie wusste ganz genau, womit Descartes damals sein Geld beim Film verdient hatte. Und mit Schauspielerei hatte das wenig zu tun gehabt, eher mit Casanova. Doch davon wusste wohl niemand außer ihr. Gealtert, mit grauem, hochgezwirbeltem Schnurrbart, der wohl an Dalí erinnern sollte, einer Glatze und der übertrieben bunten Künstler-Brille von Gucci sah er heute ganz anders aus und niemand würde ihn in einem seiner damaligen Sexfilmchen erkennen, für die sich - allein schon der grottenschlechten technischen Qualität wegen - längst keiner mehr interessierte.

Ebensowenig glaubte man der Behauptung des Regisseurs, ein Nachfahre des berühmten französischen Philosophen René Descartes zu sein. Er hatte sogar einen genetischen Vergleich machen lassen, um dies zu beweisen.




Tante Lorchen wusste, dass der Test negativ ausgefallen war. Sie hatte überall ihre Quellen und wusste eine erstaunliche Menge Dinge über alle möglichen Leute. Gutes...
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