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Europäische Tagebücher aus vier Jahrhunderten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
622 Seiten
Deutsch
hockebookserschienen am30.08.20221. Auflage
Tagebücher - so vielfältig die Gründe sind, warum sie geschrieben werden, so vielfältig ist auch ihre Form. Aber immer sind sie ein Spiegel ihrer Zeit. Wer hat uns warum seine Tagebücher hinterlassen, welche haben Geschichte geschrieben? Gibt es Motive, die sich über die Zeit hinweg wiederholen und was hat sich im Laufe der Zeit verändert? Die überarbeite und gekürzte Ausgabe des Standardwerks zur literarischen Form des Tagebuchs von Gustav René Hocke geht aus der analytischen Lektüre von Hunderten von Tagebüchern aus ganz Europa von der Renaissance bis zur Gegenwart hervor. In Themenkreisen aufgeteilt werden Beweggründe, Motive, Schreibhaltungen und Schreibtechniken von Tagebuch-Autoren analysiert und verglichen. Die Tagebücher von Königen, Politikern und Widerstandskämpfern, Komponisten, Malern und Schriftstellern, ihre privaten Aufzeichnungen, Bekenntnisse und Reflexionen haben nicht nur einen dokumentarischen Wert, sondern sie gewähren einen tiefen Einblick in die immer wiederkehrenden Problematiken der menschlichen Existenz, in die humansten Aspekte unserer (Kultur-)Geschichte. Auf diesen echten, realen Humanismus gründet sich für Gustav René Hocke der europäische Geist.mehr

Produkt

KlappentextTagebücher - so vielfältig die Gründe sind, warum sie geschrieben werden, so vielfältig ist auch ihre Form. Aber immer sind sie ein Spiegel ihrer Zeit. Wer hat uns warum seine Tagebücher hinterlassen, welche haben Geschichte geschrieben? Gibt es Motive, die sich über die Zeit hinweg wiederholen und was hat sich im Laufe der Zeit verändert? Die überarbeite und gekürzte Ausgabe des Standardwerks zur literarischen Form des Tagebuchs von Gustav René Hocke geht aus der analytischen Lektüre von Hunderten von Tagebüchern aus ganz Europa von der Renaissance bis zur Gegenwart hervor. In Themenkreisen aufgeteilt werden Beweggründe, Motive, Schreibhaltungen und Schreibtechniken von Tagebuch-Autoren analysiert und verglichen. Die Tagebücher von Königen, Politikern und Widerstandskämpfern, Komponisten, Malern und Schriftstellern, ihre privaten Aufzeichnungen, Bekenntnisse und Reflexionen haben nicht nur einen dokumentarischen Wert, sondern sie gewähren einen tiefen Einblick in die immer wiederkehrenden Problematiken der menschlichen Existenz, in die humansten Aspekte unserer (Kultur-)Geschichte. Auf diesen echten, realen Humanismus gründet sich für Gustav René Hocke der europäische Geist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783957513885
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.08.2022
Auflage1. Auflage
Seiten622 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9837575
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Grundmotive europäischer Tagebücher

Beiträge zur vergleichenden Literaturgeschichte
Vorhaben und Methode

Schon bei den ersten Vorarbeiten zu diesem Buch bin ich mir bewusst geworden, dass eine auch nur einigermaßen vollständige Geschichte des europäischen Tagebuchs von der Antike bis heute, wollte man jedem Autor und jeder Epoche gerecht werden, von einem Einzelnen kaum geleistet werden kann. Auch eine enzyklopädische Darstellung im lexikalischen Sinne würde mehrere Verfasser voraussetzen, wollte man eben diese Vollständigkeit und dabei auch wissenschaftliche Genauigkeit beanspruchen. Georg Misch hat uns eine vorbildliche Geschichte der Autobiografie geschenkt. Veröffentlicht wurden bisher - nach einer Arbeit von Jahrzehnten - die Darstellungen von der Antike bis zum Spätmittelalter. Angeregt wurde ich ohnehin gleich am Anfang dieses Vorhabens, wie bei meinen Manierismus-Studien, stärker von motivkundlichen Forschungszielen als von Arbeitsprinzipien des Darstellers und Deuters von Geistes-Geschichte. Mehr noch wurde ich in diesem Falle, also bei der Lektüre von Tagebüchern von der Renaissance bis zu unserer Gegenwart, von der überwältigenden Menschlichkeit ergriffen, die in diesen oft nur beiläufigen Kalendernotizen geborgen liegt, von ihrer nicht selten unmittelbaren Eindringlichkeit und häufig auch ganz und gar unliterarischen Aufrichtigkeit. Ein konkretes Problem der menschlichen Existenz fügte sich ans andere. Alles und jedes Humane zwischen Geist und Stoff, zwischen Ich und Umwelt gliederte sich im Laufe einer solchen aufmerksamen Lektüre bald von selbst, und zwar nicht im Sinne der Geschichtsschreibung, sondern im Sinne der noch jungen existentiellen Menschenkunde nach Motiven bestimmter Daseinserfahrungen. Gedacht sind diese Studien ferner als Beiträge zur vergleichenden Literaturwissenschaft im Anschluss an meine Darstellungen über Manierismus in der Literatur, zur Geschichte des europäischen Subjektivismus.

Die »Einteilung« ergab sich also zwangsläufig. Die vielfältigen Selbstaussagen, Beschreibungen, Szenen, Berichte wiederholten sich immer wieder. Sie machten bald ganz bestimmte »Zeichen« für Grunderfahrungen der menschlichen Existenz deutlich. Diese Zeichen wiesen auf die Möglichkeit einer Struktur, die Zeichen nämlich von: Angst und Glück; Wahrheit und Irrtum; Menschen und Mitmenschen; Gesellschaften und einem darin oft verzweifelt einsamen »Ich«; Frömmigkeit und Laster; Freiheitssehnsucht und Versklavung; Größenwahn und Demutskult; Liebessehnsucht und Liebesohnmacht; Frivolität und Caritas; Wahrheitsforderung und Selbstbetrug; künstlerische Besessenheit und Scheitern; Aufsässigkeit und mystische Wendung zum »Absoluten«. Selbstverständlich wurde bei der motivkundlichen Disposition dieses Stoffes nicht darauf verzichtet, Hinweise auf einzelne eigengeartete historische Situationen zu geben, und insbesondere nicht auf die Hervorhebung unverwechselbar individueller Merkmale einzelner Autoren. Im Gegenteil. Auch durch zahlreiche Zitate wurde den Abstraktionstendenzen einer verallgemeinernden, einseitig verstandenen Literatur-»Wissenschaft« entgegengewirkt. Wenn die Geschichte nach Augustinus die Geschichte eines Menschen ist, so bleibt jedes menschliche Motiv dennoch an eine konkrete Individualität und an eine bestimmte historische Situation gebunden. Die Grundfiguration des Humanen kann nur in der Vielfalt seiner Träger und in der Mannigfaltigkeit ihrer Entwicklungen zum Ausdruck kommen.

Viele Tagebücher Europas haben im besten Falle einen nur dokumentarischen Wert. Andere, bedeutendere, vor allem persönlichere Tagebücher enthalten, wir deuteten es schon an, Massen toten Stoffs. Überzeitliche, überpersönliche Werte findet man meist nur in Tagebuchpartien, die über besonders schicksalhafte Situationen, über dramatische seelische Erfahrungen berichten. Konzentriert habe ich mich auf die Wesens-Zeichen und Wesens-Situationen, habe also vermieden, gewissermaßen nur Scharen wert- und unterschiedsloser Bleisoldaten aufmarschieren zu lassen. Und selbstverständlich ist es, dass ich es nur aufgrund dieses Einteilungsprinzips wagen konnte, mit dieser mehrjährigen Arbeit zu beginnen.

***

Aus manchen Einzelstudien zur Diaristik in den verschiedenen europäischen Ländern habe ich wertvolle Anregungen empfangen. Allerdings war ich darüber erstaunt, dass die Ausgangspunkte zu einer Darstellung und Wertung vor allem »intimer« Tagebücher nicht immer richtig gewählt waren und dass sich nur sehr wenige namhafte Forscher mit diesem Problem in einem europäisch umfassenden Sinne intensiv und systematisch auseinandergesetzt haben. Entweder versuchte man, aus der Fülle echter, nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Tagebücher eine sozusagen künstlerisch geprägte Form von »literarischen« Tagebüchern auszusondern, wobei man Tagebücher allein dann als geistesgeschichtlich relevant ansah, wenn sie literarischen Kunstwerken glichen; oder man benutzte Tagebücher aller Art zu systematischen psychologischen Studien, und zwar nur nach ganz bestimmten Kategorien eben dieser speziellen Erkenntnismethode. Dabei sind, wie ich meine, gerade die unliterarischen, das heißt, wenigstens im Vorhinein - wie Benjamin Constant einmal schrieb - nicht »für das Publikum« bestimmten Tagebücher, eben weil sie dann »echt«, wenn auch nicht immer ganz und gar »aufrichtig« sind, für eine Untersuchung dieser Mitteilungsform wichtiger als das literarische Pseudo-Tagebuch oder das fingierte Tagebuch. Selbstverständlich gibt es auch Tagebücher von echtem diaristischem Charakter, so zum Beispiel das von André Gide, die von vornherein zur Veröffentlichung bestimmt waren oder sogar schon zu Lebzeiten des Verfassers im Druck erschienen sind. Auf diese konnte nicht verzichtet werden, und ich werde zur gegebenen Zeit erklären, warum. Autoren hingegen, die die diaristische Form nur als Kunstmittel benutzen, werden mit ihren Titeln lediglich erwähnt. Reisetagebücher werden also nur dann beachtet, wenn sie einen persönlichen Bekenntnischarakter haben oder der diaristischen Frühzeit entstammen. Die herkömmliche und spätere Reisetagebuch-Literatur habe ich ganz ausgeschlossen. Über die Sekundärliteratur berichte ich vor allem in den beiden ersten Kapiteln, die einleitenden Charakter haben. Nähere Hinweise findet man in den Anmerkungen und im bibliografischen Teil.

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Wer »intime« Tagebücher liest, muss für »Verwirrungen« Verständnis haben. Ausgehen muss er stets davon, dass dem Menschen nichts Menschliches fremd sein sollte, vor allem dann, wenn in jeglicher Gefahr nach einem Rettenden gesucht wird, sei es in einem immanent-ethischen oder in einem transzendent-religiösen Sinn. Eine moderne, eine untheoretische existentielle Menschenkunde, die von der philosophischen Anthropologie ausgeht und diese in einzelnen Teilen ergänzen kann, muss zwangsläufig die verschiedensten menschlichen Erfahrungen, auch solche extremer Natur, beachten und darstellen. Nur so nähert man sich wenigstens der Möglichkeit, eine Motivsammlung zu vervollständigen: zur Seelen- und Schicksalsgeschichte Europas. Eine solche Geschichte ist multiform und nicht monoton; spannungsvoll und nicht schematisch; dynamisch-komplex und nicht mechanisch-dialektisch. Stets sollte sie bestimmt bleiben von einem echten »realen« Humanismus, der in ältester mythischer oder moral-psychologischer Form zu den besten Grundlagen des europäischen Geistes gehört.

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Valery Larbaud war es, glaube ich, der einmal von einem »hassenswerten Vorwort« schrieb. Er dachte dabei gewiss an das »moi haïssable«, an das »hassenswerte Ich« von Pascal. Hier und jetzt hatte ich also ein »hassenswertes« Vorwort zu dem diaristischen Drama des »hassenswerten Ichs« in Europa zu schreiben. Es lässt sich nicht vermeiden, will man den kritischen Leser, der zunächst einmal eine spannungsvolle und vielfältige Landschaft aus der Ferne klar überblicken will, bevor er sie durchwandern soll, vom Wert eines sinnvollen Unternehmens überzeugen. Ich lade den Leser ein auf eine Reise, die, wie ich hoffe, für ihn genauso beglückend und niederdrückend, genauso erregend wie beschwichtigend, genauso lehrreich und wohl auch hoffnungsreich in Bezug auf das hintergründige Gesicht des Homo europeus zu werden vermag, wie für mich, als ich die vielen Stationen dieses diaristischen Wegs hinter mich brachte. Dass auch der heutige Europäer eine weltgeschichtliche Aufgabe zu erfüllen hat, das fand ich am Ende meiner Reise doch mit einiger Sicherheit bestätigt. Das alte »Abendland« mag schon fast untergegangen sein. Wir sollten ihm nicht allzu sehr nachtrauern. Aus der Asche dieses sicherlich imposanten, aber keineswegs immer vollkommenen Phönix kann das neue, härtere, klarere, illusionslosere, moderne Europa auferstehen: im Zeitalter eines ganz neuen Ausgleichs.

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Dieser Band umfasst Darstellungen und Analyse des Stoffs im motivkundlichen Sinne; am Ende dieser Sammlung findet man auch eine erste ausführliche Bibliografie europäischer Tagebücher. Sie enthält auch ergänzende bibliographische Angaben, auf die in den Anmerkungen aus Raumgründen verzichtet werden musste. Die nicht immer einfache Beschaffung von Literatur wurde mir durch Dr. Michael Freiherrn Marschall von Bieberstein und Fräulein Ursula Engel von der Deutschen Bibliothek in Rom, sowie von Prof. Dr. Walther Holtzmann, dem ehemaligen Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, erleichtert. Auch Edoardo und Vera Cacciatore vom Keats-Institut, ebenfalls in Rom, standen mir mit der Bibliothek dieses Hauses zur Seite. Anderen internationalen Instituten verdanke ich bibliografische Hinweise, für die ich hier erneut danke, so den holländischen,...
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