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Marsch auf Rom und Umgebung

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Folio Verlagerschienen am20.09.20222. Auflage
Lussus brillante Darstellung des frühen italienischen Faschismus ist ein hochaktuelles Lehrstück für jede Demokratie. Mussolinis Marsch auf Rom verlief als Farce und sollte dennoch eine verhängnisvolle Auswirkung auf die italienische und europäische Geschichte haben. Emilio Lussu, der seinen literarischen Bericht bereits zehn Jahre danach, 1932, im Pariser Exil schrieb, erlebte diese Schmierenkomödie der Macht als Oppositionspolitiker auf Sardinien. Er zeigt, wie eine improvisierte Aktion durch das Versagen der demokratischen Institutionen, durch Opportunismus und das Stillhalten des Königs Vittorio Emanuele III. schließlich Mussolinis Griff nach der absoluten Macht begünstigte. Die Tragikomödie mutierte endgültig zur Katastrophe. Lussus satirischer Witz und seine Kompetenz als Augenzeuge machen sein Buch in höchstem Maß authentisch und - bei aller Ernsthaftigkeit des Themas - zu einer äußerst unterhaltsamen Lektüre. Eine eindringliche Warnung vor Terror, Dummheit und Despotie. • Mit einem Nachwort von Claus Gatterer • Mit zahlreichen Abbildungen

Emilio Lussu, geboren 1890 auf Sardinien, 1915-18 hochdekorierter Offizier, 1919 Mitbegründer der Sardischen Aktionspartei, 1921-25 Parlamentsabgeordneter. 1927 Verbannung nach Lipari, 1929 spektakuläre Flucht nach Frankreich. Mitbegründer der antifaschistischen Bewegung Giustizia e Liberta, führender Politiker der Resistenza. 1945-48 Minister, bis 1968 Senator. 1975 in Rom gestorben. Bei Folio erschien: Ein Jahr auf der Hochebene (2017).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextLussus brillante Darstellung des frühen italienischen Faschismus ist ein hochaktuelles Lehrstück für jede Demokratie. Mussolinis Marsch auf Rom verlief als Farce und sollte dennoch eine verhängnisvolle Auswirkung auf die italienische und europäische Geschichte haben. Emilio Lussu, der seinen literarischen Bericht bereits zehn Jahre danach, 1932, im Pariser Exil schrieb, erlebte diese Schmierenkomödie der Macht als Oppositionspolitiker auf Sardinien. Er zeigt, wie eine improvisierte Aktion durch das Versagen der demokratischen Institutionen, durch Opportunismus und das Stillhalten des Königs Vittorio Emanuele III. schließlich Mussolinis Griff nach der absoluten Macht begünstigte. Die Tragikomödie mutierte endgültig zur Katastrophe. Lussus satirischer Witz und seine Kompetenz als Augenzeuge machen sein Buch in höchstem Maß authentisch und - bei aller Ernsthaftigkeit des Themas - zu einer äußerst unterhaltsamen Lektüre. Eine eindringliche Warnung vor Terror, Dummheit und Despotie. • Mit einem Nachwort von Claus Gatterer • Mit zahlreichen Abbildungen

Emilio Lussu, geboren 1890 auf Sardinien, 1915-18 hochdekorierter Offizier, 1919 Mitbegründer der Sardischen Aktionspartei, 1921-25 Parlamentsabgeordneter. 1927 Verbannung nach Lipari, 1929 spektakuläre Flucht nach Frankreich. Mitbegründer der antifaschistischen Bewegung Giustizia e Liberta, führender Politiker der Resistenza. 1945-48 Minister, bis 1968 Senator. 1975 in Rom gestorben. Bei Folio erschien: Ein Jahr auf der Hochebene (2017).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990371374
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum20.09.2022
Auflage2. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4855 Kbytes
IllustrationenMit ausführlicher Biografie und zahlreiche Abbildungen.
Artikel-Nr.9893612
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

[ 1 ]

Als in Paris die Friedenskonferenz zusammentrat, lag unser Bataillon an der Waffenstillstandslinie an der jugoslawischen Grenze. Das Heer war demokratisch. Hatte man dem Volk und den Soldaten nicht fünf Jahre lang in allen möglichen Proklamationen eingehämmert, wir schlügen uns für Freiheit und Gerechtigkeit? Wilson und seine Ideen waren bei den Fronttruppen überaus populär. Als dann aber die europäischen Diplomaten die 14 Punkte des Amerikaners, einen nach dem anderen, zynisch demolierten, fühlten sich die Soldaten aufs Neue verraten: Zorn und Enttäuschung machten sich breit. Im Schützengraben hatte man nie besondere Sympathie für die Diplomatie empfunden; sie war ungefähr gleich unbeliebt wie der Generalstab.

Italien wurde in Paris durch Ministerpräsident Orlando und Außenminister Sonnino vertreten. Eines Tages wurden die beiden energisch und verlangten, dass Dalmatien - wie von den Diplomaten im Londoner Geheimpakt ausgehandelt - zu Italien komme. Unter den Offizieren unserer Brigade wurde dieses Problem leidenschaftlich diskutiert. Sogar der General, der unsere Brigade befehligte, ließ uns seine Meinung wissen. Er hatte eine gewisse Schwäche für die Außenpolitik; zudem war er mit dem sozialistischen Minister Bissolati befreundet und folglich Demokrat, soweit in Italien ein General überhaupt Demokrat sein konnte.

In einem großen Offiziersrapport offenbarte er uns seine Gedanken: Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass wir den Krieg gewonnen haben, aber diese Herren - er meinte Orlando und Sonnino - sind noch imstande, uns einzureden, wir hätten ihn verloren.

Im Lande gärte es.

Mussolini spielte den imperialen Eroberer und schrieb leidenschaftliche Artikel für seine Zeitung. Trotzdem konnten ihn die Soldaten nicht leiden. Ende 1918 hatten die ersten Heimkehrer in Rom, auf dem Kapitol, ein Treffen abgehalten: Mussolini wollte eine Rede halten, aber die Frontkämpfer ließen ihn nicht zu Wort kommen. Man munkelte, dass das Geld für seine Zeitung, den Popolo d Italia, aus trüben Quellen stammte, und man hielt ihm vor, dass er fanatisch für den Krieg, aber äußerst zurückhaltend im Krieg gekämpft habe. Gewiss, er war an der Front verwundet worden, aber in den Augen der Heimkehrer war dies kein Milderungsgrund. Wäre seine Kriegsbegeisterung echt gewesen, hätte er nach der Genesung an die Front zurückkehren müssen; ein Interventionist wie Mussolini durfte sich nicht wegen ein paar Schrammen vom Schützengrabendienst dispensieren. Alle Frontsoldaten teilten die Verachtung für jene Politiker, die den Krieg zwar gepredigt hatten, doch der Front ferngeblieben waren.

Die Demobilisierung erfolgte in Etappen. Millionen Frontkämpfer kehrten ins zivile Leben zurück, kriegsmüde und hungrig nach Frieden. Sie waren überzeugte Pazifisten, aber sie luden ihre Leidenschaft für den Frieden, wie es häufig geschieht, mit der Sprengkraft eines wahrhaft kriegerischen Geistes auf.

Die menschliche Seele ist voller Widersprüche. In den Jahren vorher war mit denjenigen, die - sei es aus romantischer, sei es aus militaristischer Begeisterung - den Eintritt Italiens in den Krieg verlangt hatten, das gerade Gegenteil passiert: Manche dieser Interventionisten hatten sehr sanftmütig am Krieg teilgenommen, andere waren nur pro forma eingerückt, und wieder andere hatten es sich so einzurichten gewusst, dass das sichere, zivile Hinterland auf sie nicht verzichten konnte.

Tausende Heimkehrer fanden nach der Demobilisierung keine Arbeit. Aber das Leben wurde von einem Tag zum anderen teurer. Enttäuschung und dumpfer Groll waren die Folge. So war das also! Die Frontkämpfer sollten vor Hunger krepieren, während die Kriegsgewinnler mit den Millionen protzten! Wenn der Friede so aussah, dann lieber Krieg. Gewiss, im Krieg war ein Leben nicht viel wert. Aber was war ein Leben schon wert?

Die Gärung im Volk wuchs.

Die Regierung hatte den Soldaten, um sie für den Krieg zu begeistern, eine Agrarreform versprochen. Ministerpräsident Salandra hatte 1915 damit begonnen: Grund und Boden für alle. Die folgenden Regierungen hatten diese Versprechungen wiederholt, und wir Offiziere hatten in den Schützengräben den Soldaten die Rundschreiben der Ministerien und des Oberkommandos erklärt: Das Land den Bauern!

Die Bauern hatten den Krieg gewonnen. Nun forderten sie von der Regierung und von den Großagrariern die Einlösung der Versprechen: Grund und Boden. Aber die Regierung hatte momentan andere Sorgen, und die Großgrundbesitzer erkannten, wenngleich mit vierjähriger Verspätung, dass sie mit allem Nachdruck gegen die Großzügigkeit der Regierung protestieren mussten. Hatten die Herren Minister nicht fremdes Hab und Gut verschenkt? Die Großgrundbesitzer waren der Meinung, man dürfe Landarbeitern und Pächtern erst dann Grund und Boden geben, wenn das Vaterland vom Untergang bedroht sei, anders gesagt: wenn man Gefahr laufe, einen Krieg zu verlieren, aber nicht, wenn man einen Krieg gewonnen hatte. Und sie verwiesen auf Russland. Soldaten, die einen Krieg gewonnen haben, erklärten sie, holen sich das Land, das sie brauchen, in den besiegten Ländern, sie vergreifen sich nicht an fremdem Besitz im eigenen Vaterland. Und da Großgrundbesitzer stets höchst praktisch denkende Leute sind, empfahlen sie der Regierung Beutezüge nach Kleinasien, Georgien, Dalmatien oder Unruhestiftung in Tunesien.

Es geschah, was geschehen musste. In vielen Gebieten Italiens taten sich die landlosen Heimkehrer mit den armen Bauern zusammen und besetzten die brachliegenden Latifundien. Mussolini stand damals auf der Seite der Bauern.

Verglichen mit den Städten war das unruhige Land eine wahre Insel des Friedens. Die Lebenshaltungskosten stiegen, aber die Löhne blieben gleich. In manchen Industriezweigen wurden sie sogar gesenkt. Die Kriegsgewinnler prassten und schwelgten in ihrem Reichtum: Die allgemeine Not kümmerte sie nicht. Die Großhändler, für die der Krieg zu rasch geendet hatte, hatten sich an große Gewinne gewöhnt. In vielen Städten herrschte Hunger. Läden wurden gestürmt, Lager geplündert. Es kam zu Zusammenstößen.

Mussolini schrieb: Nieder mit den Blutsaugern, die das Volk aushungern! Revolte ist das oberste Gebot, um die Gier dieser Blutsauger zu treffen. Erhebt euch!

Die organisierten Arbeitermassen verbanden ihre gewerkschaftlichen Forderungen mit politisch-ideologischen Zielen. Die Arbeiter sahen Russland als Vorbild, das ihnen die Revolution auch in Italien notwendig und möglich erscheinen ließ. Sooft die Arbeiter Lohnerhöhungen oder bessere Arbeitsbedingungen verlangten, musste gestreikt werden. Ein Teilstreik löste den anderen ab; die meisten betrachteten diese Streikaktionen als unerlässliches Training für den großen politischen Generalstreik, der früher oder später fällig werden würde. Die Sozialistische Partei, in der sich der Großteil der Arbeiterbewegung gesammelt hatte, war in etliche Richtungen gespalten: Ein Flügel predigte die sofortige gewaltsame Revolution, ein anderer erwartete das Heil von graduellen Reformen im Rahmen der Legalität, und ein dritter Flügel wusste überhaupt nicht, was er wollte. Dieser aber war der stärkste, lauteste und unruhigste. Die Parteiführung bemühte sich, die gegensätzlichen Strömungen miteinander zu versöhnen, doch sie vergrößerte nur das allgemeine Durcheinander.

Die Arbeiter der großen Industriebetriebe waren besonders heftige Gegner des Krieges; sie hatten nicht einzurücken brauchen, und sie setzten ihren Kampf gegen den Krieg fort, als wäre er nicht beendet, als stünde sein Ausbruch vielmehr noch bevor. In der Praxis schlug diese Ablehnung des Krieges um, in Verachtung gegen alle, die eingerückt waren: Die Arbeiter schienen zu meinen, die Frontsoldaten hätten vier Jahre lang auf Kosten der Arbeiterschaft vergnügte Feste gefeiert. Diese Haltung trug später wesentlich dazu bei, dass sich die Arbeiterbewegung die Sympathien der Heimkehrer und des Heeres verscherzte.

Ich nahm wiederholt an Kundgebungen gegen den Krieg teil. Sie waren zwar ziemlich chaotisch, aber gleichwohl eindrucksvoll. Kein anderes Land hat so viel nachträgliche Empörung über den Krieg bekundet wie Italien. Hätten die italienischen Arbeitermassen nur ein Zehntel der Antikriegsdemonstrationen, die sie nach dem Waffenstillstand veranstalteten, im Frühjahr 1915 auf die Beine gebracht, es wäre garantiert nie zum Krieg gekommen.

Die abgerüsteten Reserveoffiziere und die heimgekehrten arditi waren ein Fall für sich: Sie bildeten eine große Masse von Unzufriedenen. Die arditi waren eine Spezialtruppe, die in den letzten Kriegsjahren ausschließlich als Sturmabteilungen für Sonderaktionen eingesetzt worden waren. Sie brauchten keinen Schützengrabendienst zu machen. Sie führten in der Etappe ein sorgloses, sportliches Leben. Aber wenn...
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Autor

Emilio Lussu, geboren 1890 auf Sardinien, 1915-18 hochdekorierter Offizier, 1919 Mitbegründer der Sardischen Aktionspartei, 1921-25 Parlamentsabgeordneter. 1927 Verbannung nach Lipari, 1929 spektakuläre Flucht nach Frankreich. Mitbegründer der antifaschistischen Bewegung Giustizia e Liberta, führender Politiker der Resistenza. 1945-48 Minister, bis 1968 Senator. 1975 in Rom gestorben. Bei Folio erschien: Ein Jahr auf der Hochebene (2017).