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Die Beute des Tigers

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.05.2023
Inspektor Lu Fei hat das unglückliche Talent, bei seinen Ermittlungen einflussreichen Personen in die Quere zu kommen. So wurde er vor Kurzem in die nordchinesische Provinz strafversetzt, wo er einen Fall von illegalem Wildtierhandel aufklären soll. Als eine junge Frau als vermisst gemeldet wird, ist Lus Spürsinn geweckt. Ein geheimnisvoller Regierungsbeamter liefert ihm schließlich den entscheidenden Hinweis: Lu muss tief in den Dschungel Myanmars reisen, um sowohl die vermisste junge Frau zu finden, als auch die Tierschmuggler zu stoppen. Dieses Mal riskiert er nicht nur eine Strafversetzung, sondern sein Leben ...

Brian Klingborg hat in Harvard Ostasienkunde studiert und viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet. Heute lebt er in New York, ist im Verlagswesen beschäftigt und widmet sich weiterhin seinen Leidenschaften: dem Schreiben und der asiatischen Kultur.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextInspektor Lu Fei hat das unglückliche Talent, bei seinen Ermittlungen einflussreichen Personen in die Quere zu kommen. So wurde er vor Kurzem in die nordchinesische Provinz strafversetzt, wo er einen Fall von illegalem Wildtierhandel aufklären soll. Als eine junge Frau als vermisst gemeldet wird, ist Lus Spürsinn geweckt. Ein geheimnisvoller Regierungsbeamter liefert ihm schließlich den entscheidenden Hinweis: Lu muss tief in den Dschungel Myanmars reisen, um sowohl die vermisste junge Frau zu finden, als auch die Tierschmuggler zu stoppen. Dieses Mal riskiert er nicht nur eine Strafversetzung, sondern sein Leben ...

Brian Klingborg hat in Harvard Ostasienkunde studiert und viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet. Heute lebt er in New York, ist im Verlagswesen beschäftigt und widmet sich weiterhin seinen Leidenschaften: dem Schreiben und der asiatischen Kultur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641300692
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum17.05.2023
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3541 Kbytes
Artikel-Nr.10228376
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


PROLOG
MYANMAR

Der Mann und der Junge warten, bis es dunkel wird, dann begeben sie sich auf die Jagd nach Beute.

Sie verstecken ihre Motorräder im dichten Unterholz und betreten den Wald zu Fuß. Die Motorräder sind wahre Höllenmaschinen, wie von Frankenstein erschaffene Fantasiefahrzeuge, zusammengeschweißt aus chinesischen, thailändischen und burmesischen Einzelteilen - was immer ihren Motor zum Laufen und die Räder zum Drehen bringt.

Bei der Waffe des Mannes verhält es sich nicht viel anders. Es ist eine uralte AK-47, abgenutzt und zerkratzt und nur von geschnorrten Teilen und einem stillen Gebet zusammengehalten. Auf der Mündung steckt ein selbst gebastelter Schalldämpfer, den der Mann geschickt aus einem gebrauchten Ölfilter hergestellt hat.

Der Name des Mannes ist Aung; er ist fünfunddreißig Jahre alt, sieht aber wie fünfzig aus. Er trägt ein zerfetztes T-Shirt, einen traditionellen burmesischen Sarong, auch als longyi bekannt, einen Hut, Flip-Flops und um die Schulter geschlungen einen Stoffbeutel. Er raucht eine dicke Cheroot-Zigarre, und während er durch das Gestrüpp stapft, steigen süßlich riechende Rauchschwaden in den grünen Baldachin über ihm auf.

Aung hat sich früher als Soldat an den endlosen Auseinandersetzungen zwischen der Zentralregierung und separatistischen Gruppen beteiligt, manchmal auf Seiten der Tatmadaw, der Streitkräfte der Regierung, manchmal auf Seiten der Separatisten. Welche Seite gerade mehr zahlte. Er hatte eine Familie zu ernähren.

Bei seiner Vergangenheit hat er genug schlechtes Karma für zehn menschliche Leben angehäuft. Er wird als Schlange wiedergeboren werden, vermutet er, vielleicht auch als Fisch. Um Schlimmeres zu verhindern und nicht als Raupe oder gar als Kakerlake ein zweites Leben führen zu müssen, ist er seit Kurzem dazu übergegangen, Jagd auf Tiere statt auf Menschen zu machen. Damit lädt er weiterhin karmische Schuld auf sich, aber das ist nicht zu ändern. Er hat immer noch Frau und Kinder, und ihre Mägen müssen immer noch gefüllt werden.

Natürlich könnte er sich seinen Lohn wieder bei den Tatmadaw verdienen und auf Teenager oder Studenten schießen, die auf den Straßen gegen den letzten Staatsstreich protestierten, doch alles hat seine Grenzen, und so tief will sich Aung nicht erniedrigen, nicht für Geld.

Außerdem gibt es im Wald jede Menge Gold; man muss nur wissen, wo man suchen muss. Schildkröten. Marmorkatzen. Nashornvögel. Schuppentiere, doch die werden zunehmend seltener. Für eine Pythonschlange würde er fünfzigtausend Kyat bekommen. Für einen Kragenbär fünfhunderttausend Kyat. Und ein Leopard würde ihm siebenhunderttausend Kyat einbringen. Das ist mehr als das Fünffache dessen, was er monatlich mit ehrlicher Arbeit verdienen könnte, falls es überhaupt ehrliche Arbeit gäbe, denn daran mangelt es in diesen aussichtslosen Zeiten erheblich.

Oft kehrt Aung mit leeren Händen nach Hause zurück oder mit gerade genug Buschfleisch für die engste Familie. Hat er dagegen eine wertvolle Beute erlegt, gibt er einen Teil des Geldes an Bedürftige im Dorf und spendet etwas an das nahe gelegene Kloster. Seine Motive sind nicht rein altruistisch. Er hofft, dass sich seine Großzügigkeit für ihn auszahlen wird, um sein schlechtes Karma wenigstens teilweise zu kompensieren. Trotzdem genießt er hohes Ansehen im Dorf, und ohne ihn hätten die Mönche kein brauchbares Fernsehgerät zum Fußballgucken.

Wenn die Nacht den Wald überzieht, sucht sich Aung, eine alte Taschenlampe mit einer zerbrochenen Linse in der Hand, einen Weg durch das Buschwerk. Hin und wieder bleibt er stehen und richtet den Strahl der Lampe etwas weiter nach oben und hält nach zwei verräterisch glühenden Punkten Ausschau, die auf etwas hindeuten, was eine Kugel wert sein könnte.

Der Junge folgt gehorsam. Sein Name ist Zaw, er ist Aungs Neffe. Er ist gerade dreizehn geworden und das erste Mal auf der Jagd. Aung wollte ihn eigentlich nicht mitnehmen, doch Familie ist Familie, und nachdem der Vater des Jungen ihn monatelang angefleht hatte, gab Aung schließlich nach.

»Halt einfach die Augen offen und den Mund geschlossen«, sagte Aung, bevor sie aufbrachen. »Du bewegst dich nur, wenn ich es sage. Nicht husten. Nicht niesen. Und wenn du zu laut furzt und die Tiere verscheuchst, ziehe ich dir bei lebendigem Leib die Haut ab und verkaufe sie auf dem Markt.«

Hunde, die bellen, beißen nicht, denkt sich Zaw. Aber er weiß auch, was auf dem Spiel steht - sehr viel Geld. Mehr Geld, als er je in seinem kurzen Leben gesehen hat. Deswegen befolgt er Aungs Anweisungen ganz genau und hat, seitdem sie von der Straße abgebogen sind, keinen Ton von sich gegeben.

Nach einer Stunde Fußmarsch legt Aung eine Pause ein. Zaw lässt sich mit einem Seufzer der Erleichterung auf dem Boden nieder. Sein Hemd ist schweißgetränkt. Die Bäume sind erfüllt vom Surren der Insekten und nächtlichen Vogelstimmen.

Aung wirft den Stumpen in den Dreck. »Es ist jetzt ganz nah.«

Zaw öffnet den Mund und schließt ihn wieder. Er ist unsicher, ob das die Erlaubnis zu sprechen ist oder nicht. Schließlich überwiegt die Neugier. »Was, Onkel?«

Zaw kann Aungs Miene in der Dunkelheit nicht erkennen, hört aber das Missfallen aus seiner Antwort heraus. »Das wirst du schon sehen.«

Sie setzen ihren Weg fort.

Zwanzig Minuten später stehen sie vor einem Maschendrahtzaun. Plötzlich wird Zaw klar, was sein Onkel beabsichtigt.

Die Erkenntnis erschreckt ihn.

»Halt mal«, sagt Aung und reicht Zaw die AK-47. Zaw nimmt das Gewehr. Aung holt einen alten Bolzenschneider aus seinem Beutel und durchtrennt den Draht. Er schneidet ein Loch heraus, groß genug für einen schmalen Fünfunddreißigjährigen und einen noch schmaleren Dreizehnjährigen. Bevor Aung hindurchschlüpft, nimmt er Zaw das Gewehr wieder ab. Zaw folgt ihm nervös.

Sie werden von einem durchdringenden Ruf begrüßt:

Quäk-quäk-quäk-quäk-quäk!

Zaw haut es beinahe aus den Flip-Flops. Aung leuchtet mit der Taschenlampe, und Zaw sieht einen Pfau, der sich ihnen mit funkelnden Augen mutig entgegenstellt. Der Pfau spreizt sein Federkleid, ein schillerndes Muster aus augenähnlichen Gebilden. Aung zischt ihn an. Der Pfau dreht sich um und stolziert davon.

Ein paar Meter weiter stoßen sie auf einen zweiten Zaun. Er ist aus einem stabilen Stahlgeflecht und nicht dafür gedacht, Pfauen einzuhegen, wie Zaw weiß. Beim Näherkommen hört er ein tiefes Knurren, bei dem sich vor Schreck seine Hoden in die Bauchhöhle verkriechen.

»Onkel!«, fährt Zaw auf.

»Psst!« Aung schaltet die Taschenlampe aus. Er zieht seinen Neffen zu sich heran und flüstert ihm ins Ohr: »Hör gut zu. Das Gewehr macht trotz des Schalldämpfers einen Höllenlärm, deshalb müssen wir schnell reagieren. Du hältst das Licht, ich erledige den Rest. Wir nehmen das, wofür wir das meiste Geld bekommen. Schnurrhaare, Pfoten, Fell. Und ganz besonders, den lee.«

»Diese Tiere gehören bestimmt der Lady. Das ist zu gefährlich, Onkel.«

»Je größer die Gefahr, desto höher der Lohn.«

»Wenn wir geschnappt werden ...«

»Tu, was ich sage, und es wird nicht dazu kommen.« Aung kann Zaws bebende Schultern unter seiner Hand spüren. »Sei stark. Denk daran, was du dir von deinem Anteil kaufen kannst.« Er lehnt das Gewehr an den Zaun und übergibt Zaw die Taschenlampe. »Halt sie so, dass ich sehen kann, was ich tue.« Ächzend durchtrennt er mit dem Bolzenschneider den Zaun.

Ein Husten in der Dunkelheit. Zaw richtet den Strahl der Lampe in das Gehege. Er sieht zwei glühende Augäpfel, die ihn anstarren. »Onkel!«

»Ich brauche Licht!«, zischt Aung. Er schneidet ein Loch aus dem Zaun und steckt den Bolzenschneider zurück in den Beutel.

Ein erneutes Knurren. Zaws Nackenhaare richten sich auf. Die glühenden Augäpfel sind näher gekommen. Zaw zittert vor Angst.

Aung holt ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen aus seinem Beutel. Er öffnet es, entnimmt ihm ein Stück Schweineleber und wirft es in das Gehege. Dann schiebt er den Gewehrlauf durch das Loch im Zaun.

»Und wenn er das Fleisch verschmäht und angreift?«, flüstert Zaw mit zittriger Stimme.

»Dann können wir nur hoffen, dass das Gewehr keine Ladehemmung hat.«

Das Tier schleicht aus dem Unterholz heran. Es bleckt die Zähne. Blutroter Gaumen, gelbe, dolchartige Eckzähne.

»Achtung«, sagt Aung. Er hat nur einen Schuss, höchstens zwei. Und der Schalldämpfer wird die Treffsicherheit des Gewehrs stark beeinträchtigen. Seine Beute muss dicht vor ihm stehen. So dicht, dass er den ranzigen Atem riechen kann.

Je größer die Gefahr, desto höher der Lohn.

Der Tiger brüllt. Zaw hätte beinahe die Taschenlampe fallen lassen und wäre weggerannt. Aber er war noch nie so weit von seinem Dorf entfernt. Er wüsste gar nicht, in welche Richtung er fliehen sollte. Sein Schicksal ist mit dem Schicksal seines Onkels verwoben. Sie werden beide reich sein oder eines grässlichen Todes sterben.

Der Tiger schnüffelt an dem Stück Leber und bläst dabei Staubpartikel in die Luft. Mit unheilvollem Blick auf die beiden Menschen tappt er vor, öffnet das Maul, um sich die Leber zu schnappen.

Aung schießt. Einmal, zweimal.

Der Tiger wimmert, scharrt mit den Pfoten, dann liegt er still.

»Komm!«, sagt Aung. Er schlüpft durch das Loch im Zaun und zieht Zaw hinter sich her.

»Licht!«, befiehlt Aung.

Zaw sieht, dass eines der beiden Augen des Tigers nun...

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Brian Klingborg hat in Harvard Ostasienkunde studiert und viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet. Heute lebt er in New York, ist im Verlagswesen beschäftigt und widmet sich weiterhin seinen Leidenschaften: dem Schreiben und der asiatischen Kultur.