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Schatten über der Rhön

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
281 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.03.2023
Die Jagd des Freiherrn von Waldenberg endet für über fünfzig Fasane und einen Grafen mit dem Tod. Der hinzugerufene Gendarm geht vom Freitod des Adligen aus, Revierjäger Bonifatius Burgmüller verdächtigt dagegen zwei Offiziere der kaiserlichen Armee. Entgegen der obrigkeitlichen Meinung glaubt er sehr wohl, dass diese zu einem solchen Verbrechen fähig sind. Als Burgmüllers Freund plötzlich wegen Mordes festgenommen wird, setzt er alles daran, den Täter zu finden.

Dietmar Armin Müller, 1968 in Frankfurt am Main geboren, ist Naturliebhaber, Tierschützer und Jäger. Er absolvierte eine Banklehre und studierte BWL in Saarbrücken. Danach arbeitete er viele Jahre bei deutschen Großbanken als Pressesprecher. Seit 2010 führt er eine Kommunikationsagentur für Immobilien- und Finanzunternehmen. Mit seiner Familie lebt der Autor in einem kleinen Städtchen südöstlich von Frankfurt am Main.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
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Produkt

KlappentextDie Jagd des Freiherrn von Waldenberg endet für über fünfzig Fasane und einen Grafen mit dem Tod. Der hinzugerufene Gendarm geht vom Freitod des Adligen aus, Revierjäger Bonifatius Burgmüller verdächtigt dagegen zwei Offiziere der kaiserlichen Armee. Entgegen der obrigkeitlichen Meinung glaubt er sehr wohl, dass diese zu einem solchen Verbrechen fähig sind. Als Burgmüllers Freund plötzlich wegen Mordes festgenommen wird, setzt er alles daran, den Täter zu finden.

Dietmar Armin Müller, 1968 in Frankfurt am Main geboren, ist Naturliebhaber, Tierschützer und Jäger. Er absolvierte eine Banklehre und studierte BWL in Saarbrücken. Danach arbeitete er viele Jahre bei deutschen Großbanken als Pressesprecher. Seit 2010 führt er eine Kommunikationsagentur für Immobilien- und Finanzunternehmen. Mit seiner Familie lebt der Autor in einem kleinen Städtchen südöstlich von Frankfurt am Main.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839274880
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Seiten281 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10294170
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 2
»Revierjäger in Buchonia«

Es war frisch an diesem Morgen im März des Jahres 1905. Obwohl die Sonnenstrahlen tagsüber bereits Kraft entwickelten und sich das erste zarte Grün an Büschen und Stauden zeigte, hatte es nachts noch Frost. So war es auch an diesem Tagesbeginn. Sein Blick raus aus den kleinen Fenstern der herrschaftlichen Jagdhütte des Freiherrn ließ Raureif auf allen Dingen der Natur erkennen, wie ein glitzernder weißer Eisatem hatte sich die Kälte über alles gelegt.

Er verweilte immer noch beim Betrachten der jungen Fichtenkultur direkt rechts vor dem Anwesen und schüttelte dabei innerlich den Kopf. Ja, die jungen Nadelbäumchen waren zwar recht hübsch anzusehen, doch sie gehörten einfach nicht hierher. Die Wälder der Rhön waren klassisches Buchenland mit einigen schönen Eichen, vereinzelten Tannen, ein paar Obstbäumen, der Haselnuss und dem Feldahorn als Saum.

Vor gut neunhundert Jahren, als die ersten christlichen Missionare in diesen Teil des noch heidnischen Germaniens kamen, war die Rhön fast in Reinkultur mit Buchen bewachsen, bis zu den Gipfeln. Und es waren diese Mönche, die das Land »Buchonia« nannten, und auch heute noch nahmen viele der Altvorderen diese Bezeichnung in den Mund, wenn sie von dem Altgau sprachen.

Ihm war klar, es ging wie nicht selten im Leben ums Geld. Die Fichten wuchsen fast doppelt so schnell und waren meist schon nach achtzig Jahren hiebreif. Die hiesigen Buchen, gerade die Bestände auf den Anhöhen im kühlen Wind und auf nicht immer reichen Böden, brauchten dagegen mindestens hundertvierzig Jahre, manches Mal hundertfünfzig Jahre, bis sie reif für die Ernte waren. Der Anblick auf die dicht bestandenen Fichtenkulturen, die kaum einen einzigen Lichtstrahl zum Waldboden durchließen, war deshalb für ihn kein Grund zur Freude.

Bodo stand plötzlich neben ihm, er forderte sein Recht auf freien Zugang zur Natur und morgendlichen Auslauf. Willkommen ließ er sich aus seinen Gedanken reißen und kraulte dem muskulösen Deutsch-Drahthaar den Kopf. Der Jäger goss frisches Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel. Obwohl das Feuer im Kamin bereits erloschen war, blieb die Wärme recht lange in der Hütte, sodass das Wasser nicht gefroren war. Nach einer Katzenwäsche und einem kurzen Stutzen des Vollbartes schlüpfte er in seine grüne Jagdkleidung aus dichtem Lodenstoff. Die schweren Stiefel aus russischem Juchtenleder standen vor dem Kamin und waren fast noch handwarm.

Er nahm seinen grünen Jägerhut mit der auf beiden Seiten aufgeklappten Krempe. Die Mode kam vom Jagdhut des Kaisers, der selbst passionierter Jäger war. Imponierend sah er aus, und auf der Stirnseite des Jagdhutes trug er das fürstliche Wappen der Freiherrn von Waldenberg mit drei Buchen, deren Kronen ineinander verwachsen waren und auf einem Berg standen, alles eingefasst in einem Schild mit einem ritterlichen Helm an der Oberseite. Er schnallte sich den obligatorischen Hirschfänger um, warf den Lodenumhang über und ging mit Bodo hinaus.

Der Tag fing gut an, der Deutsch-Drahthaar war sofort in der Dickung verschwunden, und die Pfiffe des Jägers vermochten ihn nicht herauszulocken. Offenbar hatte sich eine Wildkatze den falschen Rückweg von der nächtlichen Jagd gesucht. Hörte der Vierbeiner sonst recht ordentlich, so setzte bei ihm alles aus, wenn eine Katze in fangbarer Nähe seinen Lebensraum kreuzte. Hier merkte man, dass der Rüde mit seinen knapp zwei Jahren recht jung war und die Ausbildung bei Weitem noch nicht abgeschlossen war. Andererseits war die Nase des kräftigen Hundes extrem fein, das Gehör phänomenal und seine Ausdauer höchst lobenswert. Den Namen Bodo von Bollenstein trug sein Gefährte deshalb zu Recht.

Die Deutsch-Drahthaar-Hunde waren eine recht neue Jagdhunderasse und erst seit wenigen Jahren in der Züchtung, immerhin seit drei Jahren offiziell anerkannt und bereits der aufgehende Stern am Jagdhundehimmel. Ihre Robustheit, die Kraft, vor allem aber ihre Vielseitigkeit machten die neue Rasse zum perfekten Jagdhund für fast alle Einsatzarten. Er hatte sich sofort beim Züchter in den jungen Welpen verguckt. Nun war der Gefährte in seiner Sturm- und Drangzeit, das war nicht immer einfach, aber als klassischer Vorstehhund, der schlagartig bei der Suche erstarrt und schlicht reglos stehen blieb, wenn er Wild wahrnahm, war er eine ernst zu nehmende Erscheinung. Mit seinem leicht struppigen Fell in Dunkelbraun, bis hin zu einem Grau und Schwarz, und den an einen Schnauzer erinnernden Fang mit den typisch langen Barthaaren und den buschigen Augenbrauen stellte er viele andere Jagdhunderassen in den Schatten, erst recht den auf manche etwas verwahrlost wirkenden Griffon oder den schwerfälligen Labrador.

Nun kam Bodo aus der Dickung heraus, die Katze war wohl schneller auf dem Baum, als es dem vierbeinigen Jagdgenossen recht war. Er nahm Bodo an die Leine und ging weiter den Engelsberg hinauf. Mit seinen siebenhundertdreißig Metern war er neben dem auf der westlichen Seite gelegenen Habelberg einer von zwei Hausbergen von Tann, und die Friedrichshof genannte Jagdhütte befand sich etwa auf halber Höhe des Berges. Man kam recht zügig zur Bergkuppe. Von hier oben hatte man einen geradezu atemberaubenden Blick auf die Landschaft und das bereits seit dem zwölften Jahrhundert existierende mittelalterliche Tann mit seinen vielen Fachwerkhäusern. Auch wenn die Waldwirtschaft neben einigen Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft die Hauptertragsquellen der Region war, so lag der Waldanteil doch nur bei etwas über einem Drittel der Flächen. Der größte Teil waren Felder und vor allem Grünland mit Wiesen. Deshalb nannte man die Rhön auch das Mittelgebirge mit den offenen Weiten. Denn im Gegensatz zum nur unwesentlich höheren Schwarzwald konnte hier der Blick weit schweifen, und es sah hier vielleicht ein wenig so aus, wie Goethe in seiner »Italienischen Reise« von der Toskana schrieb: lieblich, herzöffnend und seelenberuhigend.

Der Jäger kam zurück und trat auf die hölzernen Bohlen vor der fürstlichen Jagdhütte. Dort fiel ihm der auf dem Boden liegende Brief auf. Gerhard, der Königlich-Preußische Postbote von Tann, musste ihn gestern auf der Holzbank abgelegt haben, als er mit den Fütterungen im Haselwald beschäftigt war.

Der Briefumschlag war an »Herrn Revierjäger Roderich Bonifatius Burgmüller« adressiert und gestempelt auf den 4. Februar 1905, Wilhelmsthal/Deutsch-Ost­afrika. Er wusste sofort, wer der Absender war, und öffnete den Brief vorsichtig. Im Kuvert lag eine wunderbare und sogar kolorierte Ansichtskarte des Gebäudes der Forstverwaltung in Wilhelmsthal. Die kleine Neugründung war immerhin kaiserliches Bezirksamt und lag unweit der Usambara-Eisenbahnstrecke, die Tanga am Pazifischen Ozean über rund dreihundertfünfzig Kilometer mit Moshi im Landesinneren verband.

Er musste schmunzeln, sein alter Schulkamerad Hermann Wagner war schon immer ein verrückter Bursche gewesen. Sie hatten gemeinsam nach der Volksschule die Ausbildung zum Berufsjäger gemacht. Während er nach der Lehrzeit die Stelle des Revierjägers beim Freiherrn von Waldenberg angenommen hatte, stürmte sein Freund mit seiner Jagdbüchse in die neuen kaiserlichen Schutzgebiete in Afrika.

Nun war er also in Wilhelmsthal gelandet. Er stand dort als Stellvertreter der Forst- und Jagdverwaltung vor, wobei er sich mehr um die jagdlichen Angelegenheiten kümmerte.

Neben der Jagd und der Liebe zu den Wildtieren teilten sie das Sammeln von Ansichtskarten. Für den Revierjäger war es jedenfalls die kleine häusliche Zerstreuung und vor allem die Befriedigung seiner Sehnsucht nach der Fremde. Wie für alle Einwohner von Tann und dem Rest des Reiches war eine Auslandsreise undenkbar oder besser unbezahlbar. Es blieb das Privileg der Adligen sowie der reichen Industriellen, den eigenen Horizont im Ausland zu erweitern.

Die einfachen Leute, die sich aufmachten, waren meist dazu gezwungen. Es waren vor allem Jüngere, Bauern oder einfache Handwerker, die dem Hunger und dem Elend entfliehen wollten und anderswo ihr Glück suchten.

Allein in den letzten fünfzig Jahren hatte sich die Bevölkerung in Deutschland - ohne die Kolonien - mit inzwischen sechzig Millionen nahezu verdoppelt. In Europa gab es kein anderes Land, welches auch nur annähernd so stark wuchs und eine so junge Bevölkerung hatte.

Die Auswanderungswellen führten in einigen Regionen zu einer regelrechten Entvölkerung. Auch der Revierjäger kannte einige verlassene Weiler im Land der Buchen. Doch der große Auswandererzug ebbte nach der Reichsgründung bald ab. Denn eine bessere Zukunft versprach inzwischen auch eine Übersiedlung in die prosperierenden Städte des Kaiserreichs.

Der Wunsch vom sorglosen Leben in der Stadt blieb aber für viele reiner Traum. Hunger war zwar kein Thema mehr, doch das Leben war hart. Die Sechstagewoche mit sechzig bis siebzig Arbeitsstunden war normal, und die Wohnverhältnisse in den Mietkasernen der großen Städte waren nicht nur hygienisch eine Katastrophe.

Wer eine Ausbildung, beispielsweise als gefragter Mechaniker oder Maurer, vorzuweisen hatte, konnte sich allerdings durchaus ein klein wenig leisten. Ein zweites oder sogar drittes Zimmer, ein Fahrrad, einen regelmäßigen Gasthausbesuch am Sonntag oder auch einmal die Woche einen echten Braten.

Deutschland überschlug sich Jahr für Jahr mit einem gigantischen Wirtschaftswachstum. Man war kurz davor, das Britische Empire als Europas größte Wirtschaft vom Thron zu stoßen. Kurz, Deutschland brodelte und strotzte vor Kraft.

Doch die Neuerungen auf allen Gebieten ließen bei nicht wenigen eine Sehnsucht nach einem bekannten Halt in diesen tosenden Wogen...

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Autor

Dietmar Armin Müller, 1968 in Frankfurt am Main geboren, ist Naturliebhaber, Tierschützer und Jäger. Er absolvierte eine Banklehre und studierte BWL in Saarbrücken. Danach arbeitete er viele Jahre bei deutschen Großbanken als Pressesprecher. Seit 2010 führt er eine Kommunikationsagentur für Immobilien- und Finanzunternehmen. Mit seiner Familie lebt der Autor in einem kleinen Städtchen südöstlich von Frankfurt am Main.
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Müller, Dietmar Armin