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Das rote Leuchten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
456 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am25.11.2022
In den letzten beiden Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges sieht Léa Delmas sich erneut mit den Wirren des Schicksals konfrontiert: Nachdem sie mitansehen muss, wie ihr Weingut in Montillac niederbrennt, ist Léa am Boden zerstört. Doch ihr Wille ist ungebrochen. Über das mittlerweile befreite Paris und Brüssel gelangt sie nach Berlin, wo der Krieg noch immer tobt.Das mitreißende Finale von Régine Deforges dramatischer Trilogie rund um die Winzertochter Léa Delmas. -

Régine Deforges (1935-2014) war eine französische Journalistin und Autorin. Ihr Romandebüt 'Das blaue Fahrrad', inspiriert vom Klassiker 'Vom Winde verweht', avancierte in Frankreich zu einem Bestseller und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Als eine der ersten Frauen gründete sie einen Verlag in Frankreich und engagierte sich fortan leidenschaftlich für den Feminismus.
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Produkt

KlappentextIn den letzten beiden Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges sieht Léa Delmas sich erneut mit den Wirren des Schicksals konfrontiert: Nachdem sie mitansehen muss, wie ihr Weingut in Montillac niederbrennt, ist Léa am Boden zerstört. Doch ihr Wille ist ungebrochen. Über das mittlerweile befreite Paris und Brüssel gelangt sie nach Berlin, wo der Krieg noch immer tobt.Das mitreißende Finale von Régine Deforges dramatischer Trilogie rund um die Winzertochter Léa Delmas. -

Régine Deforges (1935-2014) war eine französische Journalistin und Autorin. Ihr Romandebüt 'Das blaue Fahrrad', inspiriert vom Klassiker 'Vom Winde verweht', avancierte in Frankreich zu einem Bestseller und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Als eine der ersten Frauen gründete sie einen Verlag in Frankreich und engagierte sich fortan leidenschaftlich für den Feminismus.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788728422397
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.11.2022
Reihen-Nr.3
Seiten456 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10301107
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1.


Für Léa begann eine lange Zeit des Wartens.

 

Das Wetter, das zum Jahresbeginn 1944 mild und regnerisch gewesen war, wurde mit dem 14. Februar schlagartig kälter und das Thermometer zeigte morgens minus 5 Grad. Vierzehn Tage lang lieferte sich der Nordwind mit dem Schnee ein Duell. Mitte März wurde es endlich wärmer und es war zu spüren, dass der Frühling nahte. Auf Montillac befragte Fayard besorgt den Himmel. Keine einzige Wolke; es hatte schon lange nicht mehr geregnet. Die Trockenheit brachte die Landwirte zur Verzweiflung, denn sie wussten nicht mehr, wie sie ihr Vieh ernähren sollten, und fürchteten um die künftige Heuernte.

Das Verhältnis zwischen den Bewohnern des »Schlosses« und Fayard, dem Verwalter und Kellermeister, war gespannt, seit ein Finanzexperte die Bücher des Weinguts einer eingehenden Prüfung unterzogen hatte. Der Meister der Reben hatte seine Weinverkäufe an die Besatzungsbehörden eingestehen müssen, die er trotz des von Léa - und zuvor bereits von ihrem Vater - ausgesprochenen Verbots durchgeführt hatte. Zu seiner Verteidigung hatte der gute Mann angeführt, dass Montillac das einzige Weingut der Gegend sei, das seinen Wein nicht an die Deutschen verkaufe, dass man ihnen im Übrigen bereits lange vor dem Krieg Wein verkauft hätte und die meisten der in der Region stationierten hochrangigen Boches in ihren Heimatorten bedeutende Weinhändler seien, von denen viele seit über zwanzig Jahren Geschäftspartner in Bordeaux hatten. Mit einigen hätten sogar langjährige Beziehungen bestanden. Erinnerte sich denn Mademoiselle Léa nicht mehr an den alten Freund von Monsieur d Argilat, der 1940 während der Weinlese gekommen war, um auf Montillac guten Tag zu sagen?

Léa erinnerte sich sehr wohl daran. Und sie erinnerte sich auch, dass ihr Vater und Monsieur d Argilat den braven Münchner Händler, der zum Wehrmachtsoffizier mutiert war, gebeten hatten, sie für die Dauer des Krieges nicht mehr zu besuchen. Fayard bekannte, die Erlöse aus diesen Verkäufen mit Rücksicht auf gewisse Ideen Mademoiselle Léas »auf die Seite« gelegt zu haben, behauptete jedoch, stets die Absicht gehabt zu haben, ihr diese Gelder auch wieder auszuhändigen. Ein Teil dieser Beträge sei schließlich auch für Wartung und Erneuerung von Geräten und Material verwendet worden. Mademoiselle Léa hatte ja keine Vorstellung, was Weinfässer heutzutage kosteten!

O doch! Léa wusste durchaus, was die Dinge kosteten. Der dicke Scheck, den ihr François Tavernier ausgestellt hatte, war von dem alten Bankier in Bordeaux erleichtert entgegengenommen worden. Er hätte nur höchst ungern die Tochter seines alten Schulfreundes wegen ungedeckter Schecks und nicht eingelöster Wechsel gerichtlich verfolgen lassen. Unglücklicherweise waren die Dachziegel des rechten Flügels des Hauses von einem nächtlichen Sturm heruntergeweht worden, und so waren die Gutskonten erneut in den roten Zahlen. Der von Tavernier geschickte Finanzexperte hatte ihnen eine Summe vorgestreckt - im guten Glauben, diese bald durch Tavernier zurückerstattet zu bekommen. Doch weder der Experte noch Léa hatten seit Mitte Januar etwas von ihm gehört. Jetzt war es schon Ende März.

Der Finanzexperte beendete seine Arbeit und riet, in Anbetracht der Situation entweder mit Fayard zu verhandeln oder ihn wegen Unterschlagung anzuzeigen. Léa wies sowohl den einen wie den anderen Vorschlag zurück. Ohne den kleinen Charles, der mit seinen Spielen und seinem Juchzen ein wenig Fröhlichkeit ins Haus brachte, wäre die Atmosphäre auf Montillac sehr düster gewesen. Doch jede der Frauen bemühte sich, ihre Sorgen vor den anderen zu verbergen. Nur Bernadette Bouchardeau ließ hin und wieder eine Träne über ihre magere Wange rinnen. Camille d Argilat lebte Tag und Nacht nur für die von Radio London ausgestrahlten Meldungen, in der Hoffnung, so ein Lebenszeichen von Laurent zu erhalten. Sidonie hatte seit dem Tod von Doktor Blanchard deutlich an Kraft verloren. Sie schleppte sich täglich von ihrem Bett zu einem Lehnstuhl, der vor der Haustür platziert war. Von dort blickte sie auf das Gut und die weite Ebene, über der der Rauch der Schornsteine von Saint-Macaire und Langon aufstieg. Das Rattern der die Garonne überquerenden Eisenbahnzüge unterbrach ihre stillen und einsamen Stunden. Die alte Köchin wäre viel lieber nach Bellevue zurückgekehrt. Ruth brachte ihr jeden Tag das Essen und Léa, Camille und Bernadette schauten abwechselnd für ein paar Minuten bei ihr herein. Dann brummelte Sidonie, die Damen verschwendeten nur ihre Zeit, sie hätten Besseres zu tun, als sich um eine schwache Alte zu kümmern. Doch alle wussten, dass einzig diese Besuche sie noch am Leben hielten. Selbst die sonst so abgeklärte Ruth war von dieser Atmosphäre des Trübsinns und der Sorgen ergriffen worden. Erstmals seit Beginn des Krieges fürchtete auch sie sich. Die Angst, plötzlich die Gestapo oder die Miliz auftauchen zu sehen, brachte die bodenständige Elsässerin um den Schlaf.

Um die Zeit totzuschlagen, stürzte sich Léa mit wütendem Eifer darauf, den Gemüsegarten umzugraben und das Unkraut unter den Weinstöcken auszureißen. Wenn das nicht genügte, um ihren Körper zu erschöpfen und ihren Geist zu ermüden, radelte sie kilometerweit durch die hügelige Landschaft. Nach ihrer Rückkehr ließ sie sich auf das Sofa im Arbeitszimmer ihres Vaters fallen und sank in einen unruhigen Schlaf, ohne Erholung zu finden. Wachte sie auf, stand fast immer Camille mit einem Glas Milch oder einem Teller Suppe neben ihrem Lager. Die beiden Freundinnen tauschten ein Lächeln und betrachteten lange schweigend das im Kamin prasselnde Feuer. Wenn das Schweigen drückend wurde, schaltete eine von ihnen den großen Radioapparat, der auf einer Kommode nahe dem Sofa thronte, ein und versuchte London zu bekommen. Wegen der Störungen wurde es immer schwieriger, die ersehnten Stimmen, die von Freiheit sprachen, deutlich zu verstehen.


»Ehre und Vaterland. François Morland, ein den Stalags Entkommener, Mitglied des Führungskomitees der Vereinigung der Kriegsgefangenen in Frankreich, spricht zu Ihnen:

Liebe heimgekehrte und entkommene Kriegsgefangene, Kameraden der Widerstandsgruppen. Zuerst möchte ich euch die gute Nachricht verkünden . . . «


Knistern überdeckte die Stimme des Redners.

»Es ist immer das Gleiche: Nie erfahren wir die gute Nachricht«, schimpfte Léa und versetzte dem Apparat mehrere Fausthiebe.

»Lass das, du weißt doch, dass es nichts nützt«, sagte Camille und schob ihre Freundin sanft beiseite. Dann schaltete sie den Apparat mehrmals ein und wieder aus. Sie wollte schon aufgeben, als dieselbe Stimme wieder zu hören war:


»In eurem Namen habe ich General de Gaulle von dem Glauben gesprochen, der euch beseelt. In eurem Namen habe ich Kommissar Frenay, einem Entkommenen wie wir, berichtet, was uns am Leben erhält. Doch diese Männer, denen es zur Ehre gereicht, stets an die Zukunft geglaubt zu haben, wussten bereits, welche Hoffnungen wir in uns tragen . . .«


Die Störungen verstärkten sich, so dass nur noch einige Satzfetzen durchkamen, hörten dann aber plötzlich auf.


». . . Doch ihr Anspruch geht noch weiter und ist noch umfassender. Weil sie in den Lagern und in den Trupps sich gegenseitig schätzen gelernt haben, streben sie nach einem Vaterland, das von allen Anzeichen der Erschöpfung und des Alterns befreit ist. Weil sie sich zusammengefunden haben, streben sie nach einem Vaterland, in dem alle Klassen, Kategorien, Hierarchien eingebunden sind in eine Gerechtigkeit, die stärker ist als alle Wohltätigkeiten. Weil sie in den Städten und Regionen ihres Exils mit Männern aller Rassen und Nationen das gleiche Elend geteilt haben, wollen sie auch die Annehmlichkeiten eines zukünftigen Lebens mit ihnen teilen.

Ja, meine Kameraden, für alle und für all dies kämpfen wir. Erinnern wir uns des Schwurs, den wir geleistet haben, als wir abfuhren und die Unsrigen zurückließen. Sie baten uns: Vor allem enttäuscht uns nicht und sagt Frankreich, dass es uns mit seinem schönsten Gesicht empfangen soll.

Entkommene, Heimgekehrte, Angehörige der Hilfsorganisationen und der Widerstandsgruppen: Der Augenblick ist gekommen, dieses Versprechen einzulösen.«


»Noch ein Idealist!«, rief Léa aus. »Ah, es ist ja auch wirklich schön, das Gesicht Frankreichs. Dieser Morland soll nur kommen und sich anschauen, wie dieses schöne Gesicht aussieht: aufgedunsen von Furcht, Hass und Neid, der Blick verschlagen und der Mund triefend von Verleumdungen und Denunziationen.«

»Beruhige dich! Du weißt sehr wohl, dass Frankreich nicht nur aus solchen Leuten besteht, sondern auch aus Männern und Frauen wie Laurent, François,...

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