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Das blaue Fahrrad

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
525 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am25.11.2022
Léa Delmas lebt sorglos in den Weinbergen von Bordeaux, doch mit der Besatzung ihrer Heimat durch deutsche Soldaten wird ihr Leben jäh auf den Kopf gestellt. Mit ihrem blauen Fahrrad bewegt sie sich nicht nur zwischen den Fronten des Krieges, sondern auch zwischen zwei Männern: Laurent und Francois verstricken sie gleichermaßen in die Wirrungen des Krieges wie auch der Gefühle.'Das blaue Fahrrad' ist der erste Band der gleichnamigen Trilogie, mit dem Régine Deforges der internationale Durchbruch gelang. Das Buch wurde mit Laetitia Casta in der Hauptrolle als TV-Zweiteiler verfilmt. -

Régine Deforges (1935-2014) war eine französische Journalistin und Autorin. Ihr Romandebüt 'Das blaue Fahrrad', inspiriert vom Klassiker 'Vom Winde verweht', avancierte in Frankreich zu einem Bestseller und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Als eine der ersten Frauen gründete sie einen Verlag in Frankreich und engagierte sich fortan leidenschaftlich für den Feminismus.
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Produkt

KlappentextLéa Delmas lebt sorglos in den Weinbergen von Bordeaux, doch mit der Besatzung ihrer Heimat durch deutsche Soldaten wird ihr Leben jäh auf den Kopf gestellt. Mit ihrem blauen Fahrrad bewegt sie sich nicht nur zwischen den Fronten des Krieges, sondern auch zwischen zwei Männern: Laurent und Francois verstricken sie gleichermaßen in die Wirrungen des Krieges wie auch der Gefühle.'Das blaue Fahrrad' ist der erste Band der gleichnamigen Trilogie, mit dem Régine Deforges der internationale Durchbruch gelang. Das Buch wurde mit Laetitia Casta in der Hauptrolle als TV-Zweiteiler verfilmt. -

Régine Deforges (1935-2014) war eine französische Journalistin und Autorin. Ihr Romandebüt 'Das blaue Fahrrad', inspiriert vom Klassiker 'Vom Winde verweht', avancierte in Frankreich zu einem Bestseller und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Als eine der ersten Frauen gründete sie einen Verlag in Frankreich und engagierte sich fortan leidenschaftlich für den Feminismus.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788728422373
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.11.2022
Reihen-Nr.1
Seiten525 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10301108
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Der August neigte sich seinem Ende zu. Die siebzehnjährige Léa, zweitälteste Tochter von Pierre Delmas, saß mit halb geschlossenen Augen auf dem noch warmen Steinmäuerchen der Terrasse von Montillac und ließ die nackten, gebräunten Beine mit den gestreiften Leinenschuhen herunterbaumeln. Sie hatte sich der Ebene zugewandt, über die an manchen Tagen der salzige Geruch der Pinien heranwehte, die Hände links und rechts neben sich aufgestützt, und genoß es, das pulsierende Leben ihres Körpers unter dem leichten weißen Leinenkleid zu spüren. Mit einem wohligen Seufzer räkelte sie sich und bewegte sich fast wie ihre Katze Mona, wenn sie im Sonnenschein erwachte.

Wie ihr Vater liebte Léa dieses Gut, von dem sie jeden Winkel kannte. Als Kind hatte sie sich hinter den Bündeln aus Rebenreisig und zwischen den langen Reihen der Weinfässer versteckt und hatte mit Vettern, Cousinen und den Nachbarskindern Fangen gespielt.

Léa und Mathias Fayard, der um drei Jahre ältere Sohn des Kellermeisters, waren unzertrennliche Spielkameraden gewesen. Sie brauchte ihn bloß anzulächeln, und schon las er ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Léas lockiges Haar war ständig in Unordnung, ihre Knie aufgeschürft, und ihr Gesicht schien nur aus zwei großen veilchenblauen Augen zu bestehen, die unter langen schwarzen Wimpern hervorschauten. Ihr Lieblingsspiel bestand darin, Mathias in Versuchung zu führen. An ihrem vierzehnten Geburtstag hatte sie ihn aufgefordert: »Zeig mir, wie Mann und Frau sich lieben!« Überglücklich nahm er sie daraufhin im Heu in der Scheune in seine Arme und bedeckte das schöne, hingebungsvolle Gesicht mit vielen kleinen Küssen. Aufmerksam unter halb geschlossenen Lidern hervorschauend, verfolgten die großen blauen Augen jede seiner Bewegungen. Sie stützte sich auf, um ihm zu helfen, als er die zarte weiße Bluse aufknöpfen wollte. Doch dann, aus einem plötzlichen Schamgefühl heraus, hatte sie die Hände über ihre kindlichen Brüste gelegt; ein unbekanntes Verlangen war in ihr entbrannt.

Als sie draußen die Stimme Pierre Delmas hörten, hatte Mathias in seinen Liebkosungen innegehalten. »Hör nicht auf«, hatte Léa geflüstert und seinen Kopf mit dem krausen braunen Haar an sich gepreßt.

»Dein Vater . . .«

»Hast du etwa Angst?«

»Das nicht, aber was ist, wenn er uns sieht?«

»Macht doch nichts! Was tun wir denn Schlimmes?«

»Das weißt du ganz genau. Deine Eltern sind immer so gut zu uns!«

»Aber du liebst mich doch!«

Er hatte sie lange betrachtet. Wie schön sie war: In ihrem Haar hatten sich kleine getrocknete Blumen und Grashalme verfangen, ihre Augen glänzten, der halb geöffnete Mund entblößte kleine weiße Raubtierzähne, die Spitzen ihrer knospenden Brüste hatten sich aufgerichtet. Er streckte die Hand aus, zog sie aber sogleich wieder zurück. Als spreche er zu sich selbst, sagte er: »Nein, es wäre nicht recht. Lieber nicht . . .« Dann fuhr er mit festerer Stimme fort: »Ja, ich liebe dich, und weil ich dich liebe, will ich dich nicht einfach . . . Du bist schließlich die Tochter des Gutsbesitzers, und ich . . .«

Er kletterte bereits die Leiter hinab.

»Mathias . . .«

Er antwortete nicht. Sie hörte nur noch, wie das Scheunentor hinter ihm ins Schloß fiel.

»So ein Trottel!«

Sie knöpfte ihre Bluse wieder zu und schlief ein. Erst beim zweiten Ruf zum Abendessen wurde sie wach.

 

In der Ferne, vom Kirchturm in Langon oder in Saint-Macaire, schlug es fünf. Sultan, der Hofhund, jagte fröhlich bellend hinter zwei jungen Männern her, die lachend den Rasen hinunterstürmten. Raoul Lefèvre erreichte vor seinem Bruder Jean das Mäuerchen, auf welchem Léa Platz genommen hatte. Atemlos lehnten sie sich rechts und links von Léa gegen die Mauer. Léa sah sie schmollend an.

»Ihr kommt ja reichlich spät! Ich dachte schon, ihr wärt zu dieser blöden Noëlle Villeneuve gegangen. Sie läßt ja keine Gelegenheit entgehen, euch schöne Augen zu machen.«

»Noëlle ist nicht blöd!« protestierte Raoul.

Sein Bruder versetzte ihm einen Tritt. »Ihr Vater hat uns aufgehalten. Villeneuve glaubt, daß es bald Krieg geben wird.«

»Der Krieg, der Krieg - von nichts anderem ist mehr die Rede. Ich kann es nicht mehr hören! Es interessiert mich überhaupt nicht«, entgegnete Léa schroff und schwang ihre Beine über die Mauer. Mit großer Geste warfen Jean und Raoul sich ihr zu Füßen.

»Vergib uns, Königin unserer Nächte, Sonne unserer Tage! Schämen soll er sich, dieser Krieg, der die jungen Mädchen unglücklich macht und die jungen Männer dahinrafft! Deine verhängnisvolle Schönheit soll sich nicht in die Niederungen dieser erbärmlichen Kleinigkeiten begeben müssen! Unsere Liebe zu dir ist ohnegleichen. Wen von uns erwählst du, o Königin? Triff deine Wahl. Jean? Der Glückliche! Augenblicklich will ich tot daniedersinken vor Verzweiflung«, deklamierte Raoul und ließ sich mit ausgebreiteten Armen zu Boden fallen.

Mit schelmischen Blicken umkreiste Léa den am Boden liegenden Körper, stieg mit verächtlicher Miene über ihn hinweg, stieß ihn mit dem Fuß an und meinte nicht minder dramatisch:

»Im Tode ist er noch größer als zu Lebzeiten.«

Jean bemühte sich, ernst zu bleiben, als Léa seinen Arm ergriff und ihn mit sich fort zog.

»Soll er doch da bleiben, der stinkende Kadaver. Kommt, mein Freund, und werbt um mich.«

Die beiden entfernten sich unter dem gespielt verzweifelten Blick Raouls, der ihnen mit erhobenem Kopf nachsah.

Raoul und Jean Lefèvre verfügten über enorme Kräfte. Die beiden jungen Männer - zwanzig und einundzwanzig Jahre alt - waren einander beinahe ebenso zugetan wie Zwillinge. Machte Raoul eine Dummheit, nahm auch Jean die Schuld auf sich; erhielt Jean ein Geschenk, teilte er es sogleich mit seinem Bruder. Auf dem Gymnasium in Bordeaux hatten sie die Lehrer durch ihr unverhohlenes Desinteresse schier zur Verzweiflung gebracht. Jahrelang gehörten sie zu den Schlechtesten der Klasse. Das Abitur hatten sie mit Verspätung geschafft - und das nur, um, wie sie erklärten, ihrer Mutter Amélie eine Freude zu machen. Der eigentliche Grund waren indes wohl die Hiebe mit der Reitpeitsche gewesen, die die temperamentvolle Frau ohne zu zögern unter ihrem vielköpfigen wilden Nachwuchs auszuteilen pflegte. Bereits in jungen Jahren hatte der Tod ihres Mannes sie mit sechs Kindern, von denen das jüngste gerade zwei Jahre alt war, alleingelassen. Mit Energie und Ausdauer hatte sie das Weingut La Verderais weitergeführt.

Sie mochte Léa nicht sonderlich, hielt sie für schlecht erzogen, ja für unausstehlich. Es war kein Geheimnis, daß Raoul und Jean Lefèvre in das Mädchen verliebt waren; die anderen Jungen witzelten darüber, und die Mädchen ärgerten sich.

»Sie ist unwiderstehlich«, sagten die jungen Burschen. »Wenn sie einen aus halb geschlossenen Augen anschaut, würde man alles dafür geben, sie in die Arme nehmen zu dürfen.«

»Allen Männern läuft sie nach!« sagten die Mädchen voll Eifersucht. »Sobald sie merkt, daß einer sich für eine andere interessiert, macht sie ihm schöne Augen.«

»Mag sein, aber mit Léa kann man sich über alles unterhalten: Pferde, Pinien, Weinberge und vieles andere.«

»Das paßt zu einem Bauern, aber nicht zu einem Mädchen von Welt. An ihr ist ein Junge verlorengegangen! Schickt es sich vielleicht, allein oder mit Männern und dem Gesinde den Kühen beim Kalben und den Pferden bei der Paarung zuzusehen - oder mitten in der Nacht aufzustehen, um mit dem Hund Sultan den Mond zu betrachten? Ihre Mutter ist ratlos. Léa wurde wegen Ungehorsams aus dem Internat verwiesen. Sie sollte sich ein Beispiel an ihrer Schwester Françoise nehmen. Das ist ein ordentliches junges Mädchen . . .«

»Aber so langweilig! Sie hat nichts als Musik und Kleider im Kopf . . .«

Léas Macht über die Männer war in der Tat grenzenlos. Nicht einer, der ihr zu widerstehen vermocht hätte. Alt oder jung, Pächter oder Eigentümer, das Mädchen wickelte sie alle um den Finger. Für ein Lächeln von ihr hätte so mancher eine Dummheit begangen - ihr Vater zuallererst.

Hatte sie irgend etwas angestellt, ging sie in sein Arbeitszimmer, setzte sich auf seine Knie und schmiegte sich in seine Arme. Das Glücksgefühl, das Pierre Delmas in solchen Augenblicken durchströmte, war so mächtig, daß er die Augen schloß, um es besser genießen zu...

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