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Die Coachin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
188 Seiten
Deutsch
Lenos Verlagerschienen am31.01.2020
Coraline coacht einflussreiche Führungskräfte und verdient eine Menge Geld damit. Als sich ihr Bruder, ein Angestellter der Post, nach umfangreichen Restrukturierungen des Unternehmens das Leben nimmt, fasst sie einen perfiden Plan: Sie gewinnt einen Topmanager der Post als Klienten, um ihn zu manipulieren und beruflich wie psychisch zu zerstören. Doch nach dem Showdown in der dreiunddreißigsten Etage des Zürcher Prime Tower wird ihre Rache überraschend zum Bumerang. Vor dem Hintergrund einer entmenschlichten Wirtschaftswelt beschreibt Nicolas Verdan den Feldzug einer ehrgeizigen Frau. Ein zynischer Roman noir und eine Anklage an die Gewalt des Neoliberalismus.

Nicolas Verdan, geboren 1971 in Vevey, arbeitete viele Jahre als Journalist fu?r 24 heures. Er veröffentlichte mehrere Romane, fu?r die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u.a. den Publikumspreis von Radio Télévision Suisse, Le Roman des Romands und den Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung (2012). Nicolas Verdan lebt in Chardonne VD und in Athen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextCoraline coacht einflussreiche Führungskräfte und verdient eine Menge Geld damit. Als sich ihr Bruder, ein Angestellter der Post, nach umfangreichen Restrukturierungen des Unternehmens das Leben nimmt, fasst sie einen perfiden Plan: Sie gewinnt einen Topmanager der Post als Klienten, um ihn zu manipulieren und beruflich wie psychisch zu zerstören. Doch nach dem Showdown in der dreiunddreißigsten Etage des Zürcher Prime Tower wird ihre Rache überraschend zum Bumerang. Vor dem Hintergrund einer entmenschlichten Wirtschaftswelt beschreibt Nicolas Verdan den Feldzug einer ehrgeizigen Frau. Ein zynischer Roman noir und eine Anklage an die Gewalt des Neoliberalismus.

Nicolas Verdan, geboren 1971 in Vevey, arbeitete viele Jahre als Journalist fu?r 24 heures. Er veröffentlichte mehrere Romane, fu?r die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u.a. den Publikumspreis von Radio Télévision Suisse, Le Roman des Romands und den Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung (2012). Nicolas Verdan lebt in Chardonne VD und in Athen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783857879784
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum31.01.2020
Seiten188 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse896 Kbytes
Artikel-Nr.10753748
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Abgesehen davon, wie sehen Sie das? Diese LEDs überall, also mir kommt es so vor, als habe die Welt von Gelb auf Weiss geschaltet. Dabei mag ich Gelb gar nicht besonders. Nur hat uns niemand gefragt, was wir von dieser Veränderung halten.

Ich bin im Flow, einer Lounge-Bar, versteckt im ersten Stock der Welle7, eines Einkaufszentrums direkt beim Bahnhof Bern.

Von meinem Platz aus kann ich hinausschauen. Graue City. Innen, wie schon gesagt: LED.

Eigentlich ist mir nicht nostalgisch zumute. Bin nicht der Typ, der ständig sagt, früher war alles besser. Ausser bei Glühbirnen und Graffiti bin ich durchaus auf der Höhe der Zeit. Ich gebe zu, dass mir vor Street-Art graut. Glauben Sie vielleicht, man fragt uns, ob wir diese Spraydosenschmierereien mögen?

Meine Einzahlungen erledige ich nicht am Schalter. Ich logge mich immer in mein E-Banking ein. Und wenn ich auch schon seit langem keine Briefe mehr verschicke, wird Esposito für all die Pöstler, die er kaputtgemacht hat, bezahlen. So leicht kommt er nicht davon.

Zunächst einmal finden Sie in der Welle7 - während der Bürozeiten und ehe Sie nach Hause fahren - alles, was man braucht: Supermarkt, Klubschule Migros. Ansonsten jede Menge Fast-Food-Marken: Cha Cha Thai, Beef Burger, Goodie. Es gibt sogar eine Schnellrestaurantkette, die Currywurst vegan anbietet.

Auf der anderen Strassenseite ist das Gebäude der Swiss Post zu sehen.

Esposito hat diesen Treffpunkt ausgewählt. Ich versuche herauszukriegen, warum. Natürlich kannte ich die Adresse. Er hätte einen Tearoom oder ein kleines italienisches Restaurant unter den Lauben in der Altstadt wählen können. Wahrscheinlich nicht neutral genug. Das Flow ist anonymer. Hier gibt es zwei, drei mit scheusslichen Paravents abgeschirmte Sofas. Nicht schlecht für ein Geschäftstreffen zwischen zwei Zügen. Diese Alkoven stammen von den Brüdern Soundso, weiss nicht mehr, welchen: zwei international angesehenen französischen Designern. Ich erinnere mich nicht an ihre Namen. Ist ja auch egal.

Noch einmal: Esposito wird teuer bezahlen.

Zu bestimmten Zeiten stösst man im Flow auf Parlamentarierpärchen, die sich schlüpfrige Sachen ins Ohr flüstern und dann den Zug heim zu ihrer Familie nehmen. Ich sage das, weil ich hier einmal einen Freund aus Kindertagen in Sierre zu erkennen glaubte, einen Politiker, der unablässig die traditionelle Familie als Säule beschwört. Er machte ein verlegenes Gesicht, als ich ihm freundschaftlich zuwinkte. Schnell hatte er die Hand der jungen Frau ihm gegenüber losgelassen.

Vielleicht hätte ich Esposito gleich am Anfang vorstellen sollen. Ihn kennenzulernen ist nicht schwer. Man braucht nur seine Fotos auf dem Smartphone durchzuscrollen: gross, angenehmes Gesicht. Er hat noch alle Haare, und die sind kaum ergraut. Achtundvierzig Jahre alt. Er hat mehr als tausend Leute unter sich. Völlig klar, Alain Esposito beherrscht das.

Auf dem Foto vom vergangenen 15. November sieht er älter aus. Seine Frau ist mit darauf. Beide elegant. Sie nehmen an der Fond Action 2015 gegen Burn-out teil.

Auf Facebook kennen die Leute keinerlei Scheu. Esposito findest du dort auf einer Wohltätigkeitsgala im Lausanne Palace, und am nächsten Tag siehst du ausgewählte Momente von seinem Wochenende mit Gattin in London. Eine Woche später ist er in Zermatt in seiner Wohnung. Zugegebenermassen sind da nur wenige Bilder, die ihn mit seinen Kindern zeigen. Nur einmal, wo er seine zwei Töchter in eine Reithalle begleitet. Da sieht er glücklich aus. Dieses Foto hat er vor zehn Tagen gepostet. Ohne jeden Kommentar. Seither nichts mehr.

Esposito dürfte bald eintreffen. In genau fünf Minuten sind wir verabredet. Wird sich zeigen, ob der Leiter PostNetz der Swiss Post pünktlich ist. Auf der Website des Konzerns hat sein Werdegang Modellcharakter. Alle Stufen hat er erklommen. In deren Jargon liest sich sein CV wie folgt. PostMail: Leiter Zustellung, Leiter Logistik, Leiter Business Development ExpressPost; Informatik: Projektleiter Bau und Liegenschaften, Chef Qualitätssicherung, Programmierer/Analytiker.

Esposito ist immer noch nicht da. Nicht schlimm. Wir haben es nicht eilig. Es wird eben so lange dauern, wie es dauert. Am Ende wird alles so kommen, wie es soll. Und alles wird nach meinen Plänen ablaufen. Ja, denn auf meinem Gebiet bin ich sehr überzeugend. Die Leute, die meine Dienste in Anspruch nehmen, treffen am Schluss immer die richtige Entscheidung. Bereits nach einer oder zwei Business-Coaching-Sitzungen finden sie ihr Selbstvertrauen wieder. Ich spüre es, wenn sie reif sind. Dann mache ich nicht weiter. Ich sage ihnen, es ist gut, Sie sind bereit, all das anzupacken, was Ihnen Angst gemacht hat, Sie sehen jetzt, dass das kein Berg war. Und damit hört meine Rolle dann auf.

Nicht so bei Esposito. Bei dem werde ich nicht aufhören, und er wird so mit Tatendrang vollgepumpt sein, dass er am Ende ganz von selbst explodiert.

Ich stecke mein Smartphone in die Handtasche. Wenn ich mit Klienten zusammen bin, lasse ich es immer verschwinden. Sie dürfen nie den Eindruck haben, dass ich nicht vollkommen bei ihnen bin. Ich habe schnell begriffen, dass ein Blick auf mein Telefon genügt, und ihre Aufmerksamkeit ist weg.

Wo war ich? Ja, genau, Esposito wird für alle Pöstler bezahlen.

Er wird sich umbringen.

Und ich werde ihn so weit kriegen, dass er sich umbringt.

Neue Nachricht. Er!

Verspäte mich, tut mir leid! Personenschaden zwischen WankdorfCity und Bahnhof Bern. Unbestimmte Verspätung, wir sitzen im RE fest.

Was ist das, ein Personenschaden? Ich antworte ihm nur, damit er dieses Wort verwendet.

Selbstmord. Fahren Sie nie mit dem Zug? Keine Ahnung, wie lange es dauert. Sie melden eine unbestimmte Verspätung.

O ja, Esposito, die Zeit, bis die Polizei kommt für das Protokoll und bis die Gleisreinigungstruppen ihren schmutzigen Job machen.

Verschieben wir?

Nein, nein, Herr Leiter PostNetz, so kommst du mir nicht davon.

Keine Sorge, ich warte auf Sie. Normalerweise dauert das eine Dreiviertelstunde. Kommt auf die Stelle an, in der Nähe einer Stadt dauert s etwas länger.

Deprimierend! Sie scheinen sich ja auszukennen mit Selbstmorden auf Bahngleisen. Gerade hiess es, dass wir in etwa zwanzig Minuten weiterfahren.

Er ahnt nicht, wie recht er hat. Ich weiss sehr genau, was von einem Körper zusammengeklaubt werden kann, wenn ein Triebwagen ihn mit hundert Stundenkilometern überrollt hat. Danach, als es darum ging, die Reste meines Bruders zu identifizieren, war ich diejenige, die hingegangen ist. Meine Mutter konnte nicht. Ständig denke ich an den Tag, an dem sich David vor den Zug geworfen hat.

Dass sich Esposito verspätet, ist mir egal. Aber wenn der »Personenschaden« schreibt, dann wird mir übel. Ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht wird mir guttun.

Ich gehe auf die Toilette. Ziehe mit Mascara den Lidstrich nach. Atme tief ein. Erst einmal werde ich mir einen zweiten Koffeinfreien bestellen. Der Leiter PostNetz der Swiss Post darf auf keinen Fall mein Unwohlsein ahnen. Ich lächle mich im Spiegel an und verlasse das WC. Komme an zwei Hostessen vorbei, die am Eingang zum Flow auf Posten sind.

Ich setze mich wieder an meinen Platz am Fenster. Die Sonne ist hinter den strengen Bürogebäuden ringsum verschwunden. Auf einen Schlag gehen die Deckenleuchten an wie in einer Kaserne. Ich kann kaum glauben, dass bald Frühling sein soll.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Strassen sehen aus wie die Riesenkühlräume bei Micarna. Ich weiss Bescheid, denn ich habe den Supply Food Manager in Courtepin gecoacht. Ein toller Metzger, der sich nicht traute, ins Fett des Personals zu schneiden. Ich weiss, Sie sagen jetzt, das ist ein billiges Wortspiel. Aber es ist einfach die Wahrheit. Drei Sitzungen haben genügt, um ihm sein Selbstvertrauen wiederzugeben. Der Metzger von Micarna hat seinen Job getan.

Da kommt Esposito. Mit hochgeschlagenem Jackenkragen. Er trägt keinen Mantel. In seinem schlechtgeschnittenen Anzug sieht er aus wie ein Bundesbeamter. Zeichen seines Rangs bei der Swiss Post, wo Eleganz nicht angesagt ist, selbst in der Konzernleitung nicht. Bei diesen Gehältern müssen sie sich nicht einmal in Schale werfen.

Er hat mich sofort hinter meinem Designparavent entdeckt.

»Coraline Salamin? Alain Esposito, angenehm! Guten Abend, und entschuldigen Sie meine Verspätung«, fängt er an und gibt mir die Hand.

»Ist schon gut.«

»Es ist doch unglaublich ⦫

Er will wieder mit diesem »Personenschaden« anfangen. Ich lasse ihm keine Zeit dazu.

»So was kommt vor, sprechen wir nicht mehr darüber«, sage ich und schneide ihm das Wort ab. »Sagen Sie, Sie sind wohl nicht besonders...
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Autor

Nicolas Verdan, geboren 1971 in Vevey, arbeitete viele Jahre als Journalist für 24 heures. Er veröffentlichte mehrere Romane, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u.a. den Publikumspreis von Radio Télévision Suisse, Le Roman des Romands und den Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung (2012). Nicolas Verdan lebt in Chardonne VD und in Athen.