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Wenn Erdbeerjoghurt auf Asphalt trifft

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
210 Seiten
Deutsch
Lindemannserschienen am18.04.20231. Auflage
Wir Menschen sind seltsame Wesen. Da sind wir einerseits dazu imstande durch unser Konsumverhalten dafür zu sorgen, dass sich superreiche Unternehmer selbst auf den Mond schießen, drücken dann aber andererseits auf Türen ein, die den gut lesbaren Schriftzug 'Bitte Ziehen' tragen. Alle Menschen haben ihre Eigenheiten, Ansichten, Sturheiten und ihre Erziehung, und richtig interessant wird es, wenn all das auf andere trifft. Denn aus eben dieser Kollision entstehen Geschichten. In diesem Buch geschieht genau das 17 Mal - und zwar in Ettlingen: in Parks, Schulen, der Altstadt, auf Spiel- und Parkplätzen, Friedhöfen und an Bushalte­stellen. Irrtümer und Fehleinschätzung bleiben da natürlich nicht aus. Nur zu, suchen Sie sich im Inhaltsverzeichnis eine Geschichte Ihrer Wahl aus, entlarven Sie die ein oder andere Fehleinschätzung und lesen Sie Ettlingen mal anders!mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,80
E-BookPDFDRM AdobeE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWir Menschen sind seltsame Wesen. Da sind wir einerseits dazu imstande durch unser Konsumverhalten dafür zu sorgen, dass sich superreiche Unternehmer selbst auf den Mond schießen, drücken dann aber andererseits auf Türen ein, die den gut lesbaren Schriftzug 'Bitte Ziehen' tragen. Alle Menschen haben ihre Eigenheiten, Ansichten, Sturheiten und ihre Erziehung, und richtig interessant wird es, wenn all das auf andere trifft. Denn aus eben dieser Kollision entstehen Geschichten. In diesem Buch geschieht genau das 17 Mal - und zwar in Ettlingen: in Parks, Schulen, der Altstadt, auf Spiel- und Parkplätzen, Friedhöfen und an Bushalte­stellen. Irrtümer und Fehleinschätzung bleiben da natürlich nicht aus. Nur zu, suchen Sie sich im Inhaltsverzeichnis eine Geschichte Ihrer Wahl aus, entlarven Sie die ein oder andere Fehleinschätzung und lesen Sie Ettlingen mal anders!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783963082009
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum18.04.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.391
Seiten210 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1813 Kbytes
Artikel-Nr.11544947
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Du bist in anderen Dingen gut
oder Out of focus

Du bist in anderen Dingen gut gehört zu jenen Sätzen, die man niemals von seiner Physiklehrerin unmittelbar vor der Abschlussprüfung hören möchte. Oder generell von irgendwem. Irgendwann. Esra starrt auf das Blatt, das ihr hingehalten wird. Die Längsseiten zeigen nach oben, wodurch ihre Abschlussarbeit ein U formt. Die Schülerin ist außerstande danach zu greifen, außerstande, etwas anderes zu sehen als die rot umkringelten drei Punkte in der Kopfzeile über dem Kürzel des Korrektors. Das Muskelzittern ihrer Lehrerin, die Esra noch immer mit ausgestrecktem Arm gegenübersteht, überträgt sich auf das Blatt Papier. Du bist in anderen Dingen gut - mal ehrlich, diese Aussage rangiert auf einer ähnlichen Skala, wie wenn man aus dem Mund von medizinischem Fachpersonal hört: Interessant. Das habe ich so jetzt auch noch nicht gesehen . Und ist in etwa so tröstlich wie ein Es liegt nicht an dir, es liegt an mir per WhatsApp.

Plötzlich ertönt der charakteristische Gong für Schuldurchsagen, dann ein Knacken, gefolgt von einer Stimme, die ihr entfernt bekannt vorkommt: Hey Esra, wie schön, dass du dich für unser ,All-inclusive -Schulabschluss-Paket entschieden hast! Wir gratulieren dir herzlich dazu, dass du eine Leistung erbracht hast. Immerhin, nicht wahr? Zudem möchten wir dich auch gleich auf unser Kleingedrucktes aufmerksam machen: Da steht hellgrau auf dunkelgrau und kaum verklausuliert, dass es keine Garantie gibt. Also so generell nicht. Daher können wir dir die ausgeschlagenen Partyeinladungen, Treffen und Kinoabende zugunsten deines Notendurchschnitts sowie angesengte Synapsen mit etwaigen Nervenzusammenbrüchen leider nicht zurückerstatten - tschuldi. Aber wie heißt es so schön? Shit happens! In diesem Sinne: Lache, liebe, lebe und bezahle immer pünktlich deine Rechnungen!

Esra riss die Augen auf. Hotelzimmerfremde umfing sie. Energisch setzte sie sich auf und schlug dabei die Bettdecke auf die Seite. Was war das denn bitte?

Sie blickte in eine der zahlreich verspiegelten Oberflächen im Zimmer und fuhr sich über die Augen, unter denen sich noch hartnäckige Mascaraüberbleibsel hielten. Vielleicht der Stress ... Beunruhigend langsam verschwand jener Ausdruck, den sie in dieser Intensität zuletzt vor elf Jahren auf ihrem Gesicht getragen hatte. Und zwar in der Schule.

Gemeinsam mit den Resten ihres Traumes versickerte der Ausdruck im harten Teppichboden, der vor dem Servierwagen mit der Nespressomaschine ein wenig fleckig war. Allmählich drang nun auch wieder das gedämpfte Verkehrsrauschen durch die Fenster zu ihr und rechts auf dem Nachttisch zerhackte der Sekundenzeiger ihres mitgebrachten Weckers erneut die Zeit. Zeit in einer Fremde, die schon beinahe vertraut geworden war. Esra schwang ihre Beine über die weiche Kante des Boxspringbettes und schaltete sowohl den mitgebrachten Wecker als auch die fünf Backup-Alarme auf ihrem Smartphone aus. Dann wurden die festgeschriebenen To-Dos abgeackert: Umziehen und den Kosmetikbeutel plündern. Sich den Rücken schmerzhaft verrenken, um das Rückenschmerzen-Soforthilfe-Gel auftragen zu können, anschließend alles wieder in den Rollkoffer packen, wegen der zerknitterten Bluse fluchen und Ladekabel nicht vergessen. Schon das Zimmer verlassen wollen, dann aber doch nochmal in alle Schränke schauen (auch in diejenigen, von denen man eigentlich genau weiß, dass man sie Zeit seines Aufenthaltes nicht geöffnet hat). Anschließend einen weiteren Punkt auf die Liste setzen und den ohnehin fehl am Platz wirkenden Kalender mit Lache, Liebe, Lebe abhängen. Im Fahrstuhl schließlich noch via Online-Banking die ausstehende Wasserrechnung begleichen. Manchmal
hasste sie ihr Unterbewusstsein - aber hilfreich war das Mistding leider schon.

Auf das Fahrstuhlflüstern folgten Frühstücksbuffetklappern und Lobbygemurmel, dann trat sie endgültig den Heimweg an.

Einen langen Heimweg: In keinem der SEVs konnte sich Esra richtig auf die Mails, geschweige denn die Excel-Tabellen konzentrieren. Aber vielleicht bin ich ja auch besser darin, aus dem Fenster zu schauen ... wer weiß das schon?

Trotzig sah sie von ihrem Laptop auf und verfolgte die sich vorbeischiebende Landschaft. Wäre sie Teil einer Netflix-Serie, hätte Esra diese atmosphärische Zwischenepisode übersprungen. Sie hatte schon seit Monaten keine Geduld mehr für Unterhaltung. Oder die Zeit dafür. Aber nervige Health-Care-Tipps in ihrem Instagram-Feed taten wohl etwas mit ihrem offenbar viel zu beeinflussbaren Unterbewusstsein und daher schaute sie doch manchmal Netflix. Aber nur Netflix, denn dort konnte man die Wiedergabe immerhin auf 1,5-fache Geschwindigkeit stellen und somit zeitökonomisch unterhalten werden. Aber es war schon seltsam. Als Kind hatte sie nämlich diese Landschaft da vor dem Zugfenster geliebt. Sich freiwillig entgegen der Fahrtrichtung ans Fenster gesetzt, weil sich dann alles von ihr weg- statt auf sie zubewegte. Ganz so, als würde sie in die Vergangenheit reisen. Heute trifft das sogar irgendwie zu, dachte Esra, als sie resigniert den Laptop wegpackte und ihre Schläfe an die kühle Scheibe lehnte. Es ärgerte sie, dass diese Erinnerung so viel in ihr auslöste. Sie war doch eigentlich darüber hinweg, hatte einen Job, der ihr lag und hatte es damit sich und allen anderen bewiesen: Sie war in anderen Dingen als Physik gut. Also vor allem in dieser einen Sache. Aber mehr brauchte sie ja auch nicht. Sie brauchte nichts außer Fokus, doch genau den begann sie gerade zu verlieren. Wegen eines Traums ... meine Güte wie alt bin ich? Fünf?

Sie schnaubte so laut durch ihre FFP2-Maske, dass sich ein älterer Herr zwei Sitzplätze weiter pikiert umdrehte. Während der restlichen Fahrt verhielt sie sich ruhig. 90 Minuten später trennten sie nur noch zwei S-Bahnfahrten von ihrem Ziel, ihrem ehemaligen Zuhause.

Es war absurd, wie viel vertrauter, aber auch gewöhnlicher alles wirkte, wenn man in bekannte Gefilde zurückkehrte. Wo es außerhalb des unmittelbaren Karlsruher Raums meist nur eine Route zu bestimmten Locations gab, führten hingegen viele Wege nach Hause. Und Esra kannte sie alle. Als dann noch eine Frauenstimme mit gewohnt ungelenker Intonation etwas blechern verkündete: Nächster Halt: Ettlingen Erbprinz, Schloss , erkannte sie auch die ersten WLAN-Netzwerknamen wieder und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag.

Ankommen.

Als sich die Türen direkt hinter ihrem Koffer schlossen, sah sie auf ihren Fitnesstracker: 15.11 Uhr. Eigentlich müsste in 22 Minuten ein Bus in Richtung Ettlingenweier kommen. Die kvv-App gab ihr recht. 22 Minuten genügten, um der Sentimentalität wegen durch die Altstadt zu schlendern. Während ihr Rollkoffer wenig später über das Kopfsteinpflaster vor dem Rathaus holperte, verhielten sich ihre Gedanken wie in unruhigem Schlaf - mal klar und nachvollziehbar, dann wieder schwammig und eher unterbewusst.

Ähnlich war es ihr immer ergangen, wenn sie im Baggerloch gemeinsam mit anderen wehrlosen Jugendliche durch den 12-minütigen Cooper-Test gefoltert und der Ausgabe von Teilnahmeurkunden bei den Bundesjugendspielen gedemütigt worden war. Immerhin konnte man an diesem Ort des Schreckens inzwischen auch selbstgemachte Maultaschen kaufen ... Offenbar gab es immer ein Licht am Ende des Tunnels.

Gedankenverloren lächelte sie der Sonne entgegen, die über die Rathausfassade strich und ihr einen sandig-goldenen Schimmer verlieh: Die Essensthematik hatte ihr aber in der Vergangenheit nicht immer geholfen. Esra verstand bis heute nicht, warum diese Sofia in der Klasse 5 a einen Kuchen in 2/32 aufteilen sollte, mathematisch 1/16 aber auch okay sind, wenn die restlichen 15 verfressenen Bälger aus der 5a auch einfach ihren eigenen Kuchen hätten backen können! Aber hey, auch Mathebücher sind sicherlich in anderen Dingen als Nachvollziehbarkeit oder Realitätsnähe gut. Sie blickte durch den Torbogen mit dem Skelettreiter - in jeder fremden Stadt hätte sie davon ein Bild gemacht oder vom Schloss in ihrem Rücken, dem Brunnen, der Alb, den Kirchen, aber wenn man an einem solchen Ort aufgewachsen ist, sieht man das alles nicht mehr. Es ist nichts Besonderes.

In diesem Moment fiel ihr Blick auf ein Wahlplakat des Jugendgemeinderats an einer schwarzen Straßenlaterne: Vermutlich haben sich die Wahlprogramme der Jugendlichen nicht verändert: McDonalds und H&M wollten schon zu der Zeit, als ich noch im Horbachpark zwischen bemalten Schulsäulen über Logarithmen gestolpert bin, durchgesetzt werden ...

Esra ging durch das Tor. Von den Wänden wurde das Geräusch der Kofferrollen stark reflektiert und dann vom Rauschen der Alb abgelöst. Einige Schritte weiter kam sie zur Kleinen Kaffeeblüte, in der sie oft ihre Mittagspausen verbracht hatte. Zumindest bevor sie sich auf ihren Abschluss fixiert und alles andere dafür ausgeblendet hatte.

Als sie nun vorbeilief hatte sie das Gefühl, dass da noch immer Überbleibsel ihrer Anekdoten in den Deckenecken hingen und sich das zu laute Lachen während ihres ersten Dates noch immer in den Sitzpolsterritzen versteckte. Lächelnd atmete sie durch und plötzlich fiel ihr auf, dass sich die Geräusche um sie herum das erste Mal seit Wochen nicht mehr dumpf anhörten - der Ohrendruck, an den sie sich so gewöhnt hatte, war tatsächlich weg. Was so ein Heimatbesuch alles ausmachen kann!

Deutlich beschwingter lief sie zurück: Am Eiscafé, in dem ein Schokoeisbecher Wunder gegen Liebeskummer wirkte, vorbei...

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