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Regentinnen und andere Stellvertreterfiguren

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
221 Seiten
Deutsch
De Gruytererschienen am19.06.20231. Auflage
Die mittelalterliche Welt kennt eine bemerkenswerte Vielzahl von Rechtsfiguren, durch die Frauen standesunabhängig, formalisiert oder qua Gewohnheit, Ehemänner oder Söhne vertreten konnten. Regentschaft ist in dieser Vielfalt eine besonders wichtige Spielart stellvertretender Herrschaftsausübung, da sie den meist krisenanfälligen Herrschaftsübergang markiert. Es lohnt sich daher, im europäischen Vergleich und im historischen Wandel nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Theorie und Praxis zu suchen. Gefragt wird nach Handlungsspielräumen, nach Institutionen und nach Personen, die für eine solche Stellvertretung als geeignet erachtet wurden. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Grenzregionen an der Peripherie Europas mit ihren unterschiedlichen rechtlichen und sozialen Voraussetzungen. In diesem Sammelband werden daher neben Beispielen aus dem römisch-deutschen Reich weibliche Regentschaften in den Königreichen Sizilien, Aragón und Jerusalem sowie dem Herzogtum Schlesien und dem Großfürstentum Moskau in den Blick genommen.


Claudia Zey, Universität Zürich; Gabriela Signori, Universität Konstanz.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR64,95
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EUR64,95

Produkt

KlappentextDie mittelalterliche Welt kennt eine bemerkenswerte Vielzahl von Rechtsfiguren, durch die Frauen standesunabhängig, formalisiert oder qua Gewohnheit, Ehemänner oder Söhne vertreten konnten. Regentschaft ist in dieser Vielfalt eine besonders wichtige Spielart stellvertretender Herrschaftsausübung, da sie den meist krisenanfälligen Herrschaftsübergang markiert. Es lohnt sich daher, im europäischen Vergleich und im historischen Wandel nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Theorie und Praxis zu suchen. Gefragt wird nach Handlungsspielräumen, nach Institutionen und nach Personen, die für eine solche Stellvertretung als geeignet erachtet wurden. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Grenzregionen an der Peripherie Europas mit ihren unterschiedlichen rechtlichen und sozialen Voraussetzungen. In diesem Sammelband werden daher neben Beispielen aus dem römisch-deutschen Reich weibliche Regentschaften in den Königreichen Sizilien, Aragón und Jerusalem sowie dem Herzogtum Schlesien und dem Großfürstentum Moskau in den Blick genommen.


Claudia Zey, Universität Zürich; Gabriela Signori, Universität Konstanz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783111071985
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum19.06.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.111
Seiten221 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationen11 col. ill., 4 b/w tbl.
Artikel-Nr.11716402
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Anne Foerster
Regierende Herrscherwitwen und das Risiko eines fremden Herrschers
Zum Verhältnis von Dynastie und Geschlecht

Situationen, in denen Herrscherwitwen nach dem Tod ihres Gemahls als Regentinnen für ihre minderjährigen Söhne agierten, erfüllten die Zeitgenossen oft mit Unbehagen. Herrschaft war als Form der Machtausübung gewöhnlich männlich konnotiert,20 was sich etwa daran zeigt, dass ihre Ausübung durch eine weibliche Person meist einen Kommentar hervorrief, der die Frage nach deren Eignung thematisierte. Diese war demnach grundsätzlich erklärungsbedürftig. Begründungen dafür, dass die Frau, um die es jeweils ging, in der Lage war, die herrscherlichen Aufgaben zu erfüllen, fanden die Chronisten - wenn sie sie finden wollten. Sie bestanden etwa in einer Vermännlichung der Herrscherinnen in der Erzählung, in einer Reduzierung ihrer Geschlechtlichkeit oder einfach in dem Hinweis, dass ihr das weibliche Geschlecht nicht im Weg stand.21

Es ist angesichts solcher Rechtfertigungsstrategien und Erklärungen davon auszugehen, dass das Geschlecht nicht der alleinige Grund für das Unbehagen bei mütterlichen Regentschaften gewesen sein kann. Auf der Suche nach weiteren Gründen soll hier auf Fragen von Monarchie und dynastischen Prinzipien auf der einen und den Ansprüchen der Großen des Reichs auf der anderen Seite fokussiert werden, wobei der Faktor Geschlecht nicht ausgeblendet werden kann und soll. Der Aufsatz wählt also die Perspektive von außen auf die Regentschaft von Frauen. Ziel ist es, die Sorgen und Einwände aufzugreifen, die mittelalterliche Autoren notierten, und zu klären, was zu Kritik an Regentinnen führte und warum.

Die These lautet, dass die Skepsis gegenüber verwitweten Stellvertreterinnen auch darin begründet lag, dass die Fehlstelle in der dynastischen Trias aus König, Königin und Nachfolger ein Einfallstor für Außenstehende bot und das dynastische Prinzip sowie damit verbundene Herrschaftsmechanismen gefährdete. Mit dem im Titel angesprochenen fremden Herrscher ist daher nicht in erster Linie eine reichsfremde, sondern vor allem auch eine dynastiefremde Person gemeint.
Monarchische Herrschaft und königliche Familie

Die Monarchie im europäischen Mittelalter war keine One-Man-Show . Der König herrschte kooperativ und komplementär mit seiner Familie und den Fürsten des Reichs. Das Königtum war eine aus vielen Gliedern zusammengesetzte Institution, die sich um eine Familie gruppierte.22 Die Mitglieder dieser Familie - im Kern der König, seine Gattin sowie der Thronfolger - waren demnach von zentraler, aber jeweils unterschiedlicher Bedeutung für die Herrschaft.23 Und so gefährdete der Tod einer dieser drei Personen die Beständigkeit der königlichen Familie, die Beständigkeit der Dynastie, in unterschiedlicher Weise: War die Königin kinderlos verstorben, konnte der König erneut heiraten, um einen legitimen Nachfolger zu zeugen. Gab es bereits Söhne, gefährdete er mit der neuen Verbindung deren Stellung und riskierte Rivalitäten innerhalb der Familie. Dennoch heirateten auch Könige mit Nachfolgern erneut.24 Den Tod oder das Ausbleiben eines Nachfolgers empfanden die Zeitgenossen als höchst problematisch. So beklagte etwa Thietmar von Merseburg angesichts der Kinderlosigkeit Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde das Schicksal von Völkern, denen keine Hoffnung verbleibt auf die Nachfolge eines Sprosses ihrer Herren in der Herrschaft , denn ihnen drohe Fremdherrschaft und damit Unterdrückung und große Gefahr für die Freiheit .25 Starb der König und hinterließ einen minderjährigen Nachfolger, der noch zu jung war, um die Herrschaft übernehmen, heiraten und selbst einen Nachfolger zeugen zu können, verblieb eine Leerstelle in der Trias an der Seite der Königinmutter. Auch sie konnte wieder heiraten. Das jedoch geschah in solchen Fällen eher selten. Welche Implikationen sich für die königliche Trias ergaben, wenn sie es tat und was, wenn nicht, soll im Folgenden für das römisch-deutsche Reich, England und Frankreich beleuchtet werden. Die Bedeutung des weiblichen Geschlechts in solchen Konstellationen wird anschließend durch einen kontrastierenden Blick nach Jerusalem, insbesondere auf die Regentschaft des Königinwitwers Johann von Brienne für seine minderjährige Tochter, aufgezeigt.
Mütterliche Regentschaften - wer, wann, wie oder warum nicht?

Der Tod eines Königs, bevor sein Sohn die Volljährigkeit erreichte, war nicht der Regelfall und so ergab sich oft gar nicht die Notwendigkeit für die Herrscherwitwe, die Regentschaft für einen minderjährigen Sohn zu übernehmen. Im römisch-deutschen Reich waren, nach der ottonischen Kaiserin Theophanu, im Hochmittelalter Agnes von Poitou, Konstanze von Sizilien sowie Elisabeth von Bayern, Görz und Tirol in dieser Situation, wobei nur Agnes tatsächlich als Regentin für Heinrich IV. im römisch-deutschen Reich fungierte.

Agnes hatte zu Lebzeiten Heinrichs III. regen Anteil an dessen Regierung gehabt.26 Es gibt einige Hinweise darauf, dass er ihr in Absprache mit seinen Großen die Regentschaft für den minderjährigen Sohn aufgetragen haben könnte.27 Diese cura regni wird bei den Chronisten nicht nur aus Agnes Mutterrolle abgeleitet, sondern auch aus der als Kaiserin.28 Nach Lampert von Hersfeld verblieben (remansit) die höchsten Angelegenheiten (summa rerum) und die Verwaltung (administratio) gar in ihren Händen - möglicherweise ein Verweis auf Agnes Beteiligung an der Regierung Heinrichs III.29 Nicht zuletzt spricht auch das in einem Schreiben Papst Gregors VII. erwähnte, der Kaiserin von den Großen eingeräumte Mitspracherecht bei der Thronfolge, sollte Heinrich IV. vorzeitig sterben, dafür, die Regentschaft nicht primär aus der Mutterrolle abzuleiten.30

Konstanze von Sizilien konzentrierte sich in ihrem letzten Lebensjahr, das ihr nach dem Tod Heinrichs VI. noch blieb, nicht auf die Ansprüche ihres Sohnes Friedrich auf das römisch-deutsche Reich, sondern auf ihre eigenen Ansprüche und die ihres Sohnes im Königreich Sizilien.31 Dort hatte sie, anders als nördlich der Alpen, wo sie kaum in Erscheinung getreten war, bereits Regierungserfahrung gesammelt. Aus ihrer vermehrten Urkundenausstellung während der Abwesenheit ihres Gatten zwischen Ostern 1195 und dem Frühjahr 1197 lässt sich schließen, dass sie mit einem Beratergremium als Stellvertreterin agierte. Eine formelle Ernennung ist nicht belegt. Ihre Urkunden kennzeichnen sie sowohl für diese Zeit als auch für die nach Heinrichs Tod als Königin, nicht als Stellvertreterin.32

Elisabeth von Bayern, Görz und Tirol hatte dagegen keinerlei Regierungserfahrung als sie nach knapp achtjähriger Ehe mit Konrad IV. zur Witwe wurde. Konrad war im Jahr nach dem Tod seines Vaters, Friedrichs II., ohne seine schwangere Gattin nach Sizilien gezogen, um dort seine Herrschaftsansprüche durchzusetzen. Die Stellvertretung für die Angelegenheiten des Reichs übertrug er Elisabeths Vater, Otto II. von Bayern. Bevor Konrad am 21. Mai 1254 im Heerlager in Lavallo starb, ohne den Sohn, den Elisabeth ihm geboren hatte, gesehen und auch ohne seine Ansprüche im römisch-deutschen Reich oder die auf das Königreich Jerusalem, die er über seine Mutter, Isabella von Montferrat, hatte, durchgesetzt zu haben, übertrug er die Regentschaft Markgraf Berthold von Hohenburg. Elisabeth billigte man nur die Erziehung ihres Sohnes Konradin zu, die Vormundschaft übernahm ihr Bruder Ludwig II. von Bayern.33

In Frankreich trat die Konstellation für die Regentschaft einer Herrscherwitwe für einen minderjährigen Sohn im Zeitraum zwischen 1000 und 1250 zweimal auf: zunächst bei Anna von Kiew, die 1060 die Vormundschaft für ihren Sohn Philipp I. übernahm, später bei Blanka von Kastilien, der Mutter Ludwigs IX. des Heiligen. Sie nahm diese Rolle gleich zweimal ein: von 1226 bis 1235 als Regentin für den noch minderjährigen Sohn und von 1248 bis zu ihrem Tod 1252, als Ludwig sich auf dem Kreuzzug befand.34 Beiden ist aufgrund ihrer geringen Sichtbarkeit in den Urkunden ihrer Gatten zu Unrecht wenig Einfluss nachgesagt worden. Neuere Studien weisen jedoch ihre aktive Beteiligung an der Herrschaft nach.35

In England gab es im gesamten Hochmittelalter nur einen einzigen Fall eines minderjährigen Thronerben. Heinrich III. war beim Tod seines Vaters Johann Ohneland neun Jahre alt. Die Regierung übernahm ein Regentschaftsrat, sodass Johanns Witwe Isabella von Angoulême es nicht vermochte, eine zentrale Rolle am englischen Hof einzunehmen. Isabella hatte bereits als Gattin keinen Anteil an der Regierung gehabt und hatte daher weder Erfahrungen sammeln noch ein Netzwerk aufbauen können.36 Diese Faktoren dürften jedoch für die Übernahme einer...
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