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Rente, Corona und ich

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
264 Seiten
Deutsch
Lindemannserschienen am16.06.20231. Auflage
Genau das will Marianne nicht: als frischgebackene Rentnerin nicht mehr arbeiten. Ihr Beruf als Bankerin war alles, womit sie sich identifizierte. Während des ersten Lockdowns muss sie erkennen, dass alle Versuche, die dritte Lebensphase zu bewältigen, im besten Fall Lückenfüller sind und sie mit ihrem rudimentären Börsen- und Finanzwissen der Eigendynamik der Finanzmärkte nicht gewachsen ist. Sie macht als Anlegerin alles falsch, was man nur falsch machen kann. Diese Erkenntnis verschärft eine existentielle Krise, die sich bereits gegen Ende ihrer Berufstätigkeit abzuzeichnen beginnt und von Insuffizienzgefühlen und Selbstwertverlust geprägt ist. Außerdem erweist sich ihr Seniorenstudium, selbst nur noch auf Literatur und Kunst konzentriert, als nicht sinnstiftend. Ein langer, sehr persönlicher Prozess beginnt.

Marianne Willems, geboren 1954 in Trier, studierte Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Abschluss 1984 fand sie aufgrund des Überschusses an LehrerInnen und des damit verhängten Einstellungsstopps keine Anstellung. Sie schulte um und arbeitete bis zum Eintritt in den Ruhestand in einer großen deutschen Bank. Ihr Erfahrungsbericht will Anregung sein, über den Sinn von Arbeit nachzudenken, Lebensarbeitszeit neu zu denken - und er versteht sich teilweise auch als in der Thematik begrenztes Sachbuch zur Geldanlage unter besonderer Berücksichtigung von Hebelprodukten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
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Produkt

KlappentextGenau das will Marianne nicht: als frischgebackene Rentnerin nicht mehr arbeiten. Ihr Beruf als Bankerin war alles, womit sie sich identifizierte. Während des ersten Lockdowns muss sie erkennen, dass alle Versuche, die dritte Lebensphase zu bewältigen, im besten Fall Lückenfüller sind und sie mit ihrem rudimentären Börsen- und Finanzwissen der Eigendynamik der Finanzmärkte nicht gewachsen ist. Sie macht als Anlegerin alles falsch, was man nur falsch machen kann. Diese Erkenntnis verschärft eine existentielle Krise, die sich bereits gegen Ende ihrer Berufstätigkeit abzuzeichnen beginnt und von Insuffizienzgefühlen und Selbstwertverlust geprägt ist. Außerdem erweist sich ihr Seniorenstudium, selbst nur noch auf Literatur und Kunst konzentriert, als nicht sinnstiftend. Ein langer, sehr persönlicher Prozess beginnt.

Marianne Willems, geboren 1954 in Trier, studierte Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Abschluss 1984 fand sie aufgrund des Überschusses an LehrerInnen und des damit verhängten Einstellungsstopps keine Anstellung. Sie schulte um und arbeitete bis zum Eintritt in den Ruhestand in einer großen deutschen Bank. Ihr Erfahrungsbericht will Anregung sein, über den Sinn von Arbeit nachzudenken, Lebensarbeitszeit neu zu denken - und er versteht sich teilweise auch als in der Thematik begrenztes Sachbuch zur Geldanlage unter besonderer Berücksichtigung von Hebelprodukten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783963082061
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.06.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.408
Seiten264 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1547 Kbytes
Artikel-Nr.12052846
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Rentenbeginn

Mit meinem in den vorangegangenen Monaten entwickelten Geschäftsmodell für die Rente hatte ich geglaubt, gut gerüstet zu sein und dem Rentendasein entspannt entgegensehen zu können. Mehr Zeit für mein primitives Daytrading zu haben, eröffnete die Aussicht, dass ich wahrscheinlich mehr Geld im Monat verdienen könnte, als mir an Gehalt im Monat zur Verfügung gestanden hatte. Meine Handelserfolge der letzten Wochen vor Beginn meines Rentendaseins hatten mich in diesem Glauben bestärkt.

Unter meiner speziellen Art des Daytrading verstand ich zwar auch, wie die offizielle Definition des Daytradens besagt, keine Position über Nacht offen zu halten, aber das, was das Daytrading im eigentlichen Sinne ausmacht, nämlich von kurzfristigem Handeln an einer Börse unter Nutzung von Preisschwankungen zu profitieren, damit hatte ich mich nicht auseinandersetzen wollen.

Aus der Literatur zum Daytraden hatte ich sehr schnell entnommen, dass diese Art von Handeln ein Ganztagsjob gewesen wäre. Außerdem hätte dieser Job grundlegendes Wissen in den verschiedenen Analysetechniken wie Chart-, Trend- und Fundamentalanalyse, dazu auch umfassende Kenntnisse der verschiedenen Anlageklassen wie Aktien, Liquidität in Form von Tages- oder Festgeld oder Geldmarktfonds, Anleihen, Rohstoffen, Devisen und Immobilien erfordert. Ich hätte mich mit Anlagestrategien auseinandersetzen, mir ein finanztechnisches Handwerkszeug aneignen müssen, mittels dessen ich meine Investitionsentscheidungen getroffen hätte, anstatt nach Bauchgefühl zu entscheiden und die Risiken des Daytradens völlig auszublenden.

Dafür war mir meine Zeit dann wiederum doch zu schade. Vielleicht hätte ich mich noch darauf eingelassen, die Kunst der Chart-, Trend- und Marktanalyse, den Unterschied zwischen Growth- und Value-Strategien zu erlernen, oder mir die Kriterien zu einer Unternehmensbewertung anzueignen, um danach die Aktien auszuwählen, in die ich investieren wollte. Mit einer Zukunftsperspektive, dieses Wissen beruflich in einer Fondsgesellschaft oder bei einem Research-/Analysedienstleister verwerten zu können, wäre meine Motivation, mir dieses Wissen anzueignen, deutlich größer gewesen. Mit einer solchen beruflichen Aussicht wäre ich bereit gewesen, mich in Seminaren zur Traderin ausbilden zu lassen, notfalls auch auf eigene Kosten. Aber dass eine Fondsgesellschaft oder ähnliche Einrichtungen mich in meinem Alter eingestellt hätten - gegen Bezahlung natürlich -, davon konnte ich nicht ausgehen.

Und wenn ich an meinen Börsenverein dachte: Der wurde ehrenamtlich geführt und war fest in der Hand der Gründungsmitglieder, die über ein volkswirtschaftliches und finanztechnisches Wissen verfügten, an das ich in hundert Jahren nicht herangekommen wäre. Die einzige Perspektive, um Geld zu verdienen, war meine eigene Form des täglichen Tradens. Hierfür war mein rudimentäres Wissen über Finanzprodukte und Finanzmärkte ausreichend, so glaubte ich. Einziges Ziel dabei war der schnelle Gewinn, um mich danach ohne schlechtes Gewissen mit Dingen zu beschäftigen, die das Leben lebenswert und sinnvoll machen würden.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen letzten Arbeitstag , auch wenn er jetzt schon ein Jahr zurückliegt. Die letzten zwei Monate davor wurden von einem Gefühl der völligen Nutzlosigkeit überschattet. Ob ich nun im Büro war oder nicht, spielte keine Rolle mehr. Was ich noch zu tun hatte, war, den bevorstehenden Umzug in ein neues Gebäude mit zu organisieren.

Da die neuen Räumlichkeiten des Großraumbüros viel beengter sein würden als die alten, mussten die Sitzplätze, wer mit wem zusammensitzen würde, natürlich genau bedacht und verteilt werden. Für mich selbst war schon kein Sitzplatz mehr vorgesehen, wozu auch. Mitzubekommen, wie meine KollegInnen sich darüber austauschten, wer wie und wo und mit wem zusammensitzen würde, war sehr schmerzhaft für mich. Ich würde nicht mehr dabei sein.

Ebenso durfte ich für alle meine MitarbeiterInnen noch ein neues Diensthandy bestellen, da Telefonieren über Festnetz abgeschafft werden sollte. Auch hier stand ich nicht mehr auf der Liste derjenigen, für die ein Handy vorgesehen war.

Dabei zu sein, wenn die anderen über den Umzug sprachen, den keiner wollte, der aber aus Kostenersparnisgründen unerlässlich war, konnte ich kaum ertragen. In dem neuen Büro war nach dreiunddreißig Jahren Arbeitszeit kein (Arbeits-)Platz mehr für mich eingeplant.

Ich kann mir heute sehr gut vorstellen, dass dieser Umstand für andere MitarbeiterInnen in meiner Situation kein Grund zur Trauer, sondern eher ein Anlass zur Freude und zum Frohlocken gewesen wäre. Sie hätten vielleicht auch Witze darüber gemacht und die KollegInnen, die den Umzug mitmachen mussten, bedauert, die nämlich in diesem neuen Großraumbüro völlig eingepfercht wie Hühner in einer Legebatterie sitzen würden. Aber eine solche Perspektive einzunehmen, war mir zum damaligen Zeitpunkt unmöglich. Heute kann ich erahnen, dass meine KollegInnen aus diesem Grund begannen, hinter meinem Rücken zu tuscheln und die Absprachen über die Sitzordnung vor mir geheim zu halten.

Mein Chef hatte mir angeboten, doch einfach früher nach Hause zu gehen, auszuprobieren, wie es ist, wenn ich schon am frühen Nachmittag zuhause war.

Ich nahm sein Angebot natürlich nicht an, wozu auch. In Kürze wäre ich doch eh ganztags zuhause.

Selbst wenn ich manchmal nicht wusste, wie ich die Nachmittage im Büro überstehen sollte, kam ein Feierabend vor siebzehn Uhr für mich aus Prinzip nicht in Frage. Was sollte ich am frühen Nachmittag zuhause, der mich neben meinem Abschiedsschmerz noch mit meiner inneren Leere konfrontieren würde?

Letzte Mittagessensdates mit meinen KollegInnen, die mich immer wieder fragten, ob ich mich denn nicht langsam an die doch eigentlich schönen Zukunftsaussichten gewöhnt hätte. Der Firma den Rücken zu kehren, reisen, endlich mal ausschlafen, selbstbestimmt über die Zeit verfügen zu können. Wie gut ich es doch hätte. Und zu allen ihren gutgemeinten Äußerungen und Ratschlägen konnte ich nur gute Miene zum bösen Spiel machen.

Wie sollten mein Team und die weiteren MitarbeiterInnen der Abteilung, die zwischen zehn und zwanzig Jahre jünger waren als ich und noch mindestens zehn bis zwanzig Jahre Berufstätigkeit vor sich hatten, eine Zeit, die für sie noch endlos lange sein musste, meine Gefühle nachvollziehen können?

Und, was waren denn die Zukunftsaussichten meiner dritten Lebensphase? Krankheit, Verfall und Tod? So sah ich es. Die Chance, die diese neue Lebensphase barg, konnte und wollte ich damals nicht erkennen. In den beiden letzten Monaten in meinem Büro starb ich einen leisen Tod.

Meine Abschiedsfeier hatte ich zusammen mit einer Kollegin, die die Firma verlassen und eine neue Arbeitsstelle antreten würde, schon vier Wochen zuvor hinter mich gebracht. Diese gemeinsame Verabschiedung hatte ich ganz bewusst so inszeniert, weil ich nicht im Mittelpunkt meiner eigenen Verabschiedung stehen wollte.

Wenn ich an diesen Tag meiner Verabschiedung denke - zwei Jahre zuvor hatte ich begonnen, mir diesen Tag auszumalen, mir vorzustellen, welche Abschiedsrede ich halten würde -, spüre ich immer noch die Last dieses Tages auf mir. Kein Tag der Freude.

Alle, die ich eingeladen hatte, waren gekommen. Ich glaubte oder hoffte, in ihren Augen zu lesen, dass dieser Tag für sie genauso etwas Unwirkliches an sich hatte wie für mich. Unvorstellbar, dass ich alsbald nicht mehr in dieser Firma anzutreffen sein würde, ohne dass ich in Urlaub war und wiederkommen würde. In dieser Firma mit ihrer wechselvollen Geschichte von einer großen Bank zu einer Abwicklungsanstalt mit Neugründung einer Tochter, die als Finanzdienstleister auf dem Markt ihr Geld zu verdienen gedachte und die zwei Jahre vor meinem Rentenbeginn an eine amerikanische Firma verkauft worden war, hatte ich mich - ohne mich dabei selbst loben oder mir auf die Schulter klopfen zu wollen - zu einer Instanz hochgearbeitet. Mein Name genoss einen guten Ruf .

Seit Jahren war ich die erste Mitarbeiterin in dieser Firma, die ganz regulär in Rente ging, sich weder mit Abfindung vorzeitig verabschiedet hatte noch in die sogenannte Freistellung oder Altersteilzeit oder in den vorzeitigen Ruhestand gegangen war.

Für die Personalabteilung war die Vorbereitung meines regulären, altersbedingten Ausscheidens aus der Firma deshalb die vollkommene Herausforderung gewesen.

Immer wieder gefragt zu werden, ob mir denn der Rentenbescheid schon vorliegen würde, auf dem das genaue Datum meines Rentenbeginns bescheinigt wurde und anhand dessen mein genauer Resturlaub noch berechnet werden könnte, empfand ich als demütigend. Immer wieder fragte die Personalfrau danach, obwohl ich ihr schon zigmal erklärt hatte, dass er mir noch nicht vorliege und ich mich selbstverständlich bei ihr sofort melden würde, sobald dies der Fall sei. Damit erinnerte sie mich jedes einzelne Mal daran, dass meine Berufszeit abgelaufen war. Dabei hatte sie genau gewusst, dass ich unfreiwillig in Rente gehen würde und gern über das Rentenalter hinaus gearbeitet hätte.

Und dann war unausweichlich mein letzter Tag im Büro gekommen, ein trüber Dienstag, der 1. Oktober.

Meinen Schreibtisch und meine PC-Laufwerke hatte ich die Wochen zuvor leergeräumt. Was mir an diesem Morgen noch zu tun verblieb, war eine Abschieds-E-Mail an einen Riesenverteiler zu schreiben und zu verschicken mit den letzten Worten Time flies when you have joy. 1. Januar 1988 - 1. Oktober 2019.

Im Nachhinein...

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Marianne Willems, geboren 1954 in Trier, studierte Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Abschluss 1984 fand sie aufgrund des Überschusses an LehrerInnen und des damit verhängten Einstellungsstopps keine Anstellung. Sie schulte um und arbeitete bis zum Eintritt in den Ruhestand in einer großen deutschen Bank. Ihr Erfahrungsbericht will Anregung sein, über den Sinn von Arbeit nachzudenken, Lebensarbeitszeit neu zu denken - und er versteht sich teilweise auch als in der Thematik begrenztes Sachbuch zur Geldanlage unter besonderer Berücksichtigung von Hebelprodukten.