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Die Brüder Lautensack

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
364 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am01.08.20231. Auflage, Digital Original
Aufstieg und Ende eines pompösen Scharlatans

Der Hellseher Oskar Lautensack ist auf dem Weg nach ganz oben. Längst sind es nicht mehr die kleinen Laute, die sich von Oskar Gewißheit über ihre ungewisse Zukunft erhoffen. Großindustrielle kommen zu ihm und auch SA-Stabschef Proell, der über ein 'Signal' nachsinnt, das der Partei die absolute Herrschaft sichern soll. Oskar sieht, was Proell als Möglichkeit erwogen hat: Flammen in einem großen öffentlichen Gebäude. Doch der Hellseher Oskar Lautensack sieht nicht, das er damit sein eigenes Todesurteil gesprochen hat.

Dem Roman liegt die Lebensgeschichte des Telepathen Erik Jan Hanussen zugrunde, der 1933 ermordet wurde.



Lion Feuchtwanger, 1884-1958, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Als Lion Feuchtwanger mit 74 Jahren starb, galt er als einer der bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die Lebensstationen von München über Berlin, seine ausgedehnten Reisen bis nach Afrika, das Exil im französischen Sanary-sur-Mer und im kalifornischen Pacific Palisades haben den Schriftsteller, dessen unermüdliche Schaffenskraft selbst von seinem Nachbarn in Kalifornien, Thomas Mann, bestaunt wurde, zu einem ungewöhnlich breiten Wissen und kulturhistorischen Verständnis geführt. 15 Romane sowie Theaterstücke, Kurzgeschichten, Berichte, Skizzen, Kritiken und Rezensionen hatten den Freund und Mitarbeiter Bertold Brechts zum 'Meister des historischen und des Zeitromans' (Wilhelm von Sternburg) reifen lassen. Mit seiner 'Wartesaal-Trilogie' erwies sich der aufklärerische Humanist als hellsichtiger Chronist Nazi-Deutschlands.
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Produkt

KlappentextAufstieg und Ende eines pompösen Scharlatans

Der Hellseher Oskar Lautensack ist auf dem Weg nach ganz oben. Längst sind es nicht mehr die kleinen Laute, die sich von Oskar Gewißheit über ihre ungewisse Zukunft erhoffen. Großindustrielle kommen zu ihm und auch SA-Stabschef Proell, der über ein 'Signal' nachsinnt, das der Partei die absolute Herrschaft sichern soll. Oskar sieht, was Proell als Möglichkeit erwogen hat: Flammen in einem großen öffentlichen Gebäude. Doch der Hellseher Oskar Lautensack sieht nicht, das er damit sein eigenes Todesurteil gesprochen hat.

Dem Roman liegt die Lebensgeschichte des Telepathen Erik Jan Hanussen zugrunde, der 1933 ermordet wurde.



Lion Feuchtwanger, 1884-1958, war Romancier und Weltbürger. Seine Romane erreichten Millionenauflagen und sind in über 20 Sprachen erschienen. Als Lion Feuchtwanger mit 74 Jahren starb, galt er als einer der bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache. Die Lebensstationen von München über Berlin, seine ausgedehnten Reisen bis nach Afrika, das Exil im französischen Sanary-sur-Mer und im kalifornischen Pacific Palisades haben den Schriftsteller, dessen unermüdliche Schaffenskraft selbst von seinem Nachbarn in Kalifornien, Thomas Mann, bestaunt wurde, zu einem ungewöhnlich breiten Wissen und kulturhistorischen Verständnis geführt. 15 Romane sowie Theaterstücke, Kurzgeschichten, Berichte, Skizzen, Kritiken und Rezensionen hatten den Freund und Mitarbeiter Bertold Brechts zum 'Meister des historischen und des Zeitromans' (Wilhelm von Sternburg) reifen lassen. Mit seiner 'Wartesaal-Trilogie' erwies sich der aufklärerische Humanist als hellsichtiger Chronist Nazi-Deutschlands.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841228765
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.08.2023
Auflage1. Auflage, Digital Original
Reihen-Nr.10
Seiten364 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12145481
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Oskar tastete im Finstern nach der Klingel, läutete. Der Diener Ali kam, ein junger, gut anzusehender Araber in der Tracht seines Volkes; Oskar liebte es, sich mit Menschen und Dingen zu umgeben, die Aufsehen erregten. Ali zog die Vorhänge zurück, rollte den Frühstückstisch neben Oskars Bett.

Eine blasse Neujahrsonne zeigte den Prunk der schweren, sattfarbenen Möbel. Während Oskar am Frühstück herumschmeckte, weidete er sich an dem Glanz, den er da aufgebaut hatte. Er hatte es weit gebracht in den wenigen Monaten seines Berliner Lebens. Er durfte mit Genugtuung hineingehen in dieses neue Jahr 1932.

Halb zwölf. Eigentlich noch früh; denn er war erst um fünf Uhr nach Hause gekommen von der Silvesterfeier bei Frau von Trettnow. Es war dort alles so gewesen, wie er sich s in München gewünscht hatte, es war gewesen wie zur Zeit seines ersten großen Erfolges in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg; Herren mit weißen Hemdbrüsten, Damen mit tiefem Rückenausschnitt hatten ihn umdrängt, ihm gehuldigt. Er hatte es geschafft, er war wieder oben.

Er ließ sich massieren, duschte. Er fühlte sich auch körperlich gut in Form; der Erfolg bekam ihm, das heftige Berliner Leben machte ihn jung. Er nahm den üppigen, violetten Schlafrock um, beschaute sich im Spiegel; der Schlafrock stand gut zu seinem cäsarischen Kopf.

Er ging hinüber in die Bibliothek, setzte sich an den mächtigen Schreibtisch, sah wohlgefällig auf den Haufen Post, der vor ihm geschichtet lag. Brachte den Haufen zum Einstürzen, wühlte darin, kindlich, selbstvergessen lächelnd. Viele wünschten ihm Glück, er hatte sich Anhänger erworben, die Welt wußte jetzt, wer Oskar Lautensack war.

Es klopfte. Herein kam der Sekretär, Herr Friedrich Petermann. Niemals trat Herr Petermann ein, immer stahl er, drückte er, schmuggelte er sich ein. Oskar nannte ihn einen trockenen Schleicher, konnte ihn nicht leiden. Er grollte Hannsjörg, daß der, ihn überrumpelnd, ihm gerade diesen Sekretär aufgehängt hatte, jetzt konnte man ihn nicht mehr loswerden, er wußte zuviel. In seinem Heimlichsten vermutete Oskar, der Bruder lasse ihn durch Petermann bespitzeln.

Oskar behielt den Sekretär nur kurze Zeit da. Aber mit seiner Fröhlichkeit war es vorbei. Seine dicke Post machte ihm keine Freude mehr, er schob die Briefschaften beiseite und telefonierte herum, mit seinen Freunden Neujahrswünsche auszutauschen. Es waren das Leute mit klingenden Namen und Titeln, er konnte nur so herumwerfen mit Generaldirektor, Gräfin, Exzellenz; der Herr Vater hätte Augen gemacht.

Zwischendurch aber telefonierte er auch mit der kleinen Alma, der Schneiderin, ihr Glück zu wünschen; denn Oskar Lautensack ließ sich nicht lumpen; er hatte Alma großmütig mit nach Berlin genommen und ihr hier ein Geschäft gegründet.

Nach diesem Gespräch indes kehrte er zurück zu seinen Großkopfigen. Rief den Geheimrat Maedeler an, dann den Grafen Zinsdorff. Ja, er existierte wirklich, dieser Graf Ulrich Herbert Zinsdorff, der damals den Vertrag für Alois mit unterzeichnet hatte. Er war ein junger Herr mit einem schönen, frechen, lasterhaften Gesicht und großartig lockeren Manieren; Oskar war stolz auf diese Freundschaft.

Doch das heutige Gespräch mit Ulrich Zinsdorff machte Oskar keine Freude. Zinsdorff erzählte beiläufig, er habe die Silvesternacht bei dem Stabschef verbracht, bei Manfred Proell. Saftige Späße seien gemacht worden, man habe aber auch ernsthafte Politik getrieben, der Führer selber habe sich sehen lassen, gegen Morgen sei ein großer, schweinischer Film vorgeführt worden, kurz, das Jahr 1932 habe vielversprechend begonnen. Schade, daß Oskar nicht dagewesen sei.

Ja, schade. Mehr als schade. Des beweglichen Oskar Laune schlug sogleich um. Er war erbittert. Er hätte den Führer gern getroffen. Denn so große Erfolge ihm dieser Herbst und Winter gebracht hatten, sein letzter Traum, ein unmittelbares Zusammenwirken mit dem Führer, hatte sich nicht erfüllt. Hannsjörg hielt es für verfrüht, ihn mit Hitler zusammenzubringen; von der Silvesterfeier bei Manfred Proell hatte er ihn mit immer neuen Ausflüchten ferngehalten.

Finsteren Gesichtes durchschritt Oskar das weite, prunkvolle Zimmer, öffnete eine Tapetentür, stand in einem nicht großen, kahlen Raum. An der einen Wand hing düster und bedeutend eine Nachbildung der Maske. Von der zweiten schaute, gezogen von seinem Schwan, kühn und fern in seiner silbernen Rüstung der Bayernkönig Ludwig der Zweite. An der dritten stand der Schreibtisch, der armselige Schreibtisch aus Deggenburg. Die vierte aber war leer.

In dieses kleine Gelaß also, in seine »Klause«, zog sich Oskar jetzt zurück. Hier pflegte er Einkehr zu halten, Gerichtstag über sich selber. Die Häßlichkeit des Raumes, des Öldrucks, des Schreibtischs gaben ihm die rechte Stimmung. Und der erste Tag des neuen Jahres, ihm ohnedies verschandelt durch die Kunde von den frechen Machenschaften Hannsjörgs, schien ihm ein angemessener Anlaß, seine innere und seine äußere Landschaft gesammelt zu betrachten.

Da sitzt er also und macht Bilanz.

Er hat recht daran getan, den Vertrag mit dem Hravliczek schießenzulassen und nach Berlin zu gehen. Diese riesige, überaus repräsentative Wohnung in der Landgrafenstraße beweist augenscheinlich, daß er da angelangt ist, wohin er wollte. Erst hat er die Stadt Deggenburg erobert, dann die Stadt München, und jetzt, genau wie er sich s vorgenommen, die Reichshauptstadt Berlin.

Mechanisch betrachtet er den Ring an seinem Finger. Es ist ein Geschenk der Trettnow, ein schöner Siegelring. Aber eigentlich stellt er sich für seine große, weiße Hand was anderes vor. Man hat ihm da bei dem Juwelier Posener Unter den Linden einen sehr kostbaren Brillantring gezeigt. Männer tragen keine solchen Ringe mehr, aber er richtet sich nicht nach der Mode. Bald, sowie er mehr Geld hat, wird er sich den Brillantring kaufen.

Nein, ganz am Ziel ist er noch nicht. Es ist nicht nur der Ring, da ist auch noch die eine Wand in der Bibliothek. Vorläufig hängt dort ein großes Gemälde von einem gewaltigen Schinken, gemalt von einem Piloty-Schüler und darstellend den Astrologen Seni an der Leiche Wallensteins. Doch niemand weiß besser als Oskar, daß das nur ein schwacher Ersatz ist. Der rechte Schmuck für diese Wand wäre ein Gobelin, den er in der Galerie Bernheimer in München hat hängen sehen; dieser Gobelin ist wahr und wahrhaftig ein altflandrisches Original, und er zeigt die Werkstatt eines Alchimisten. Nur ist er leider unverschämt teuer. Aber: warte nur, balde wird er auch den Astrologen Seni ersetzen können durch die Werkstatt des Alchimisten.

Er hat Grund, mit sich zufrieden zu sein, so wie es ist. Auch seine innere Landschaft hält stand, da darf man genau hinschauen. Es ist nichts eingetroffen von dem, was ihm Anna Tirschenreuth vorausgesagt hat und der mißgünstige Zwerg, der sauertöpfische, der Hravliczek. Keineswegs hat er seinen äußern Erfolg bezahlen müssen mit innern Konzessionen. Nichts hat er eingebüßt von seiner Kraft, obwohl er Tricks nicht mehr ängstlich vermeidet wie früher. Er hat das der Alten auch gesteckt, hat ihr geschrieben, ihr einen eingehenden Bericht erstattet. Es ist ärgerlich, daß sie nicht darauf geantwortet hat, aber es trifft ihn nicht.

Trotzdem sieht er mit einer gewissen Scheu auf die Maske. Die Alte findet offenbar, er lebe nicht auf zu seiner Maske. Dabei nimmt sich die Maske großartig aus draußen in der Bibliothek; er hat ihr einen herrlichen Rahmen geschaffen.

Plötzlich klingen ihm Worte auf, die er als Bub gehört hat, wenn er bei seiner Großmutter war. Jahrzehntelang waren die Worte tief unten in ihm vergraben, jetzt aber, immer öfter, steigen sie ihm herauf in dem harten, ungelenken Schriftdeutsch, in dem die Großmutter aus der Bibel zu lesen pflegte. Ja, genauso lebt in ihm der Vers weiter, wie sie ihn mit ihrer alten Stimme umständlich dahergeplärrt hat: »Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.«

Blöder Schmarren, seniler. Die Tricks, die er manchmal bei seinen Experimenten verwendet, machen ihm nicht länger die leisesten Gewissensbisse. Eher schon bekümmern ihn gewisse Konsultationen, die er abhält. Es ist nicht immer der aufrichtigste Rat, den er da erteilt; es gibt Fälle, in denen ihm Hannsjörg die Richtung weist. Hier in der Einsamkeit seiner Klause darf er sich s eingestehen: es sind â¦

Oskar spürt etwas Störendes. Es muß jemand unmittelbar nebenan sein. Verärgert, ein hartes Wort auf den Lippen, kehrt er zurück in die Bibliothek.

Hannsjörg ist da. Strahlend, ein freches Lächeln über dem ganzen, spitzen, käsigen Gesicht, geht er auf Oskar zu. »Prosit Neujahr, altes Haus«, sagt er. »Ich muß dir doch persönlich meinen Glückwunsch bringen. Wie war es bei Hildchen? Wir bei Manfred haben uns ausgezeichnet unterhalten.« Der Lauser wagt es auch noch, ihn an den Abend mit dem Führer zu erinnern, von dem er ihn ferngehalten hat. Oskar setzt sein cäsarisches Gesicht auf. »Rotzbub, dreckiger«, sagt er voll Überzeugung.

»Du meinst, weil der Führer da war?« antwortete gemütlich Hannsjörg und zündete sich eine Zigarette an; schmächtig, ein wenig kläglich saß er in dem viel zu großen Sessel. »War es eine so furchtbare Zumutung«, erkundigte er sich teilnahmsvoll und gemein, »daß du den Abend bei Hildchen verbringen mußtest? Hat sie dich die Nacht über dabehalten?«

Doch da Oskar auf diesen Ton nicht einging, fuhr er ernsthafter fort: »Was willst du eigentlich? Im...
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