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Miss Emily und der tote Diener von Higher Barton

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
330 Seiten
Deutsch
Dryas Verlagerschienen am11.09.20231. Auflage
Cornwall, 1905: Emily steht für ihre Überzeugungen als Suffragette ein und muss dafür sogar eine Nacht in der Zelle verbringen. Das wird ihrer Mutter zu viel. Sie schickt ihre Tochter zu einem entfernten Verwandten nach Cornwall aufs Land - in der Hoffnung, dass sie dort die richtige Partie für eine Heirat findet. Bei Emilys Ankunft im Herrenhaus Higher Barton wird die Leiche eines Dieners entdeckt, woraufhin sich die energische junge Frau in die Ermittlungen stürzt. Sehr zum Leidwesen des örtlichen Vikars, dem diese Vorkommnisse in seiner Kirchgemeinde gar nicht gefallen. Doch Emily scheut kein Risiko, um den Todesfall aufzuklären und gerät dadurch bald selbst in Gefahr.

Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit über 20 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane und Krimis veröffentlicht. Mehr unter: www.rebecca-michele.de
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextCornwall, 1905: Emily steht für ihre Überzeugungen als Suffragette ein und muss dafür sogar eine Nacht in der Zelle verbringen. Das wird ihrer Mutter zu viel. Sie schickt ihre Tochter zu einem entfernten Verwandten nach Cornwall aufs Land - in der Hoffnung, dass sie dort die richtige Partie für eine Heirat findet. Bei Emilys Ankunft im Herrenhaus Higher Barton wird die Leiche eines Dieners entdeckt, woraufhin sich die energische junge Frau in die Ermittlungen stürzt. Sehr zum Leidwesen des örtlichen Vikars, dem diese Vorkommnisse in seiner Kirchgemeinde gar nicht gefallen. Doch Emily scheut kein Risiko, um den Todesfall aufzuklären und gerät dadurch bald selbst in Gefahr.

Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit über 20 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane und Krimis veröffentlicht. Mehr unter: www.rebecca-michele.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783986720445
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum11.09.2023
Auflage1. Auflage
Seiten330 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1225 Kbytes
Artikel-Nr.12402180
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe



EINS

London - 1905

Die Mittagszeit war längst vorüber, doch die Menschenschlange riss nicht ab. Unablässig drängten Frauen, Kinder und alte, gebrechliche Männer mit der Hoffnung auf ein warmes Essen heran. Zumindest einmal am Tag das ständige nagende Knurren im Magen vergessen können! Vielleicht gab es für die Kinder auch heiße Milch, und die Kleinen hörten auf zu weinen.

Seufzend wischte sich Emily mit dem Ärmel ihres grauen, formlos geschnittenen Kleides über die schweißnasse Stirn und fragte: »Lucy, wie viel Suppe ist noch im Kessel?«

Lucys Bluse klebte ihr ebenfalls am Körper und ihr Gesicht war krebsrot. »Vielleicht noch für zwei Dutzend Portionen. Ein paar mehr, wenn wir etwas Wasser hinzugeben.«

Emily stöhnte. »Zwei Dutzend!« Sie deutete auf die Schlange in der Gasse vor der Suppenküche. »Da stehen gut und gern hundert hungrige Mäuler. Für die meisten ist es die erste Mahlzeit heute, wahrscheinlich sogar das erste warme Essen seit Tagen.«

»Wenn wir nur mehr Geld hätten ...«, murmelte Lucy.

Ein Junge, fünf oder sechs Jahre alt, streckte Emily seinen Blechnapf entgegen. Der Blick aus den dunklen Augen in dem spitzen, blassen Gesicht wirkte wie der eines erwachsenen Mannes. Seine schmutzige, zerlumpte Kleidung verriet Emily, dass er keine Familie mehr hatte. Die städtischen und kirchlichen Waisenhäuser waren überfüllt, die dortigen Zustände miserabel, so versuchte der kleine Kerl, sich allein durchzuschlagen. Mit allen Bedürftigen hatte Emily Mitleid, die Kinder aber taten ihr am meisten leid. Ach, wenn sie nur mehr ausrichten könnte, als aus den kargen Spendengeldern warme Suppen zu kochen!

Aus dem Kessel schöpfte Emily eine Kelle des kräftigen Gemüseeintopfes und gab sie in den blechernen Napf des Jungen. Sie zögerte, dann füllte sie eine zweite Portion hinzu.

Die blassen, spröden Lippen des Jungen verzogen sich zu einem dankbaren Lächeln. »Danke, Miss. Gott segne Sie.« Er eilte davon, um seine Suppe zu essen, solange sie noch warm war.

»Ich weiß, Lucy«, raunte Emily der Freundin zu, »nur eine Kelle pro Person. Er sah aber so hungrig aus.«

Lucys Mundwinkel verzogen sich bitter. »Du kannst nicht alle sattbekommen, dafür sind es zu viele ...«

»Wenigstens die Kinder ...«, murmelte Emily und gab die nächste Ration einem alten, zahnlosen Weib mit gekrümmtem Rücken. Lucy tat das Gleiche bei einem halbwüchsigen Mädchen, dem die Schwindsucht ins Gesicht geschrieben stand.

Die beiden Frauen arbeiteten unermüdlich weiter. Die Suppenküche im East End, wo die Ärmsten der Armen einmal täglich eine warme Mahlzeit erhielten, war eine von vielen im Moloch London, gestiftet von einem Fabrikbesitzer, der seine Arbeiter anständig behandelte und entlohnte. Er war aber nicht so vermögend, alle Hungernden zu unterstützen. Als Emily den letzten Rest aus dem Kessel in den Napf einer Hochschwangeren gefüllt hatte, schlug die Turmuhr der nahen Southwark Cathedral. Emily zählte die Glockenschläge.

»Ach herrje, schon vier Uhr!« Hastig band sie sich die befleckte Schürze ab. »Tut mir leid, Lucy, du musst allein aufräumen. Ich hab´ völlig die Zeit vergessen und muss nach Hause. Mutter erwartet einen wichtigen Gast zum Tee.«

»Geh nur! Heute Abend kommst du doch?«

»Natürlich! Um nichts in der Welt möchte ich mir den Vortrag entgehen lassen!«

Durch enge, verwinkelte und häufig schmutzige Gassen eilte Emily zur London Bridge, überquerte die Themse und stieg am Nordufer in einen Pferdeomnibus. Mit der elektrisch betriebenen Untergrundbahn würde sie zwar schneller zu ihrem Ziel gelangen, die Tube kostete aber das Doppelte als der Bus, und Emily musste ihre Pennys zusammenhalten.

Auf den Straßen herrschte dichter Verkehr: Omnibusse, Kutschen, Pferdefuhrwerke und zahlreiche Automobile. Eine Dunstglocke aus Autoabgasen und Ruß aus hunderten Fabrikschornsteinen lag über der Stadt und erschwerte das Atmen, besonders weil es an diesem Septembernachmittag so warm wie im Sommer war. Je mehr Emily nach Nordwesten kam, desto besser wurde die Luft. Sie verließ den Bus an einer Ecke des Regent s Park und hastete an der Grünfläche entlang, bis sie die Chester Terrace erreichte. Ihr Kleid war fleckig und schweißnass, ihr hellbraunes, kräftiges Haar, das kaum zu bändigen war, hatte sich aus dem Knoten gelöst und fiel ihr auf die Schultern, einzelne Strähnen klebten auf ihrem erhitzten Gesicht. Die vier Stufen zur Eingangstür des dreistöckigen, hellen Hauses nahm sie mit zwei großen Schritten. Emily streckte die Hand aus, um zu klingeln, da wurde die Tür von innen geöffnet. Unsanft prallte sie auf einen großen, hageren Mann.

Mit einem verächtlichen Blick aus dunklen, stechenden Augen sah er auf Emily hinab. »Kannst du nicht aufpassen, du dummes Ding?«

»Entschuldigung«, murmelte Emily, drückte sich an dem Hünen vorbei und trat in die kleine, quadratische Halle mit dem hellen Fliesenboden. Hier stand ihre Mutter mit gerunzelter Stirn und einem verärgerten Gesichtsausdruck. »Es tut mir leid«, wiederholte Emily und wollte die Treppe hinaufeilen, um sich frisch zu machen und das Kleid zu wechseln.

»Ich muss doch sehr bitten, Henrietta!«, sagte der Mann von der Tür her mit sonorer Stimme. »Es ist hoffentlich nicht üblich, dass dein Küchenmädchen durch die Vordertür kommt. Mögen die Sitten in London auch lockerer sein als auf dem Land - doch das geht entschieden zu weit! Du darfst so etwas auf keinen Fall dulden, Henrietta!«

Emily eilte die Treppe hinauf, die Erwiderung ihrer Mutter nahm sie nur am Rand wahr. In ihrem Zimmer im zweiten Stock musste sie nicht lange warten. Sie hatte kaum das Wasser in die Waschschüssel gegossen, als Henrietta Tremaine ohne anzuklopfen in den Raum rauschte.

»Emmeline Victoria Martha Abigail ...« Oh je, dachte Emily, immer, wenn die Mutter ihren vollständigen Taufnamen verwendete, folgte dem nichts Angenehmes. »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Nicht nur, dass du unseren Gast versäumst - du wagst es, schmutzig und übelriechend wie ein Gassenmädchen nach Hause zu kommen!«

»Es tut mir wirklich leid, Mum«, entgegnete Emily. »Ich wollte mich gerade waschen.«

»Weißt du eigentlich, wer das war, den du so brüskiert hast?«

Emily seufzte. »Alwyn Tremaine, mein Großonkel oder so was in der Art. Seit Tagen liegst du mir mit seinem Besuch in den Ohren. Ist es nicht ulkig, dass er mich für eine Bedienstete gehalten hat?«

Mit hochrotem Kopf schnaubte Henrietta Tremaine: »Das ist alles andere als lustig, Emmeline, sondern überaus beschämend! Sir Alwyn hat uns besucht, um dich kennenzulernen. Der Vetter deines seligen Vaters kehrte erst vor einem Jahr aus Indien nach England zurück und hat dich noch nie gesehen.«

»Ich weiß, Mum. Das hast du mir schon oft gesagt und ich wollte wirklich nicht ...«

Mit einer Handbewegung unterbrach Henrietta ihre Tochter. »Ich lasse dir wirklich genügend Freiheiten, Emily, und du weißt, wie ich über deine ... Arbeit«, sie spie das Wort aus, als sei es anrüchig, »denke, kann dich aber nicht daran hindern, dich unter Gossenpack zu mischen. Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, wenigstens einmal pünktlich zu sein? Vier Uhr war ausgemacht. Und zwar gewaschen und anständig gekleidet.«

»Ich kann nicht mehr tun, als um Verzeihung zu bitten«, sagte Emily mit genervtem Unterton. Wie oft sollte sie sich denn noch entschuldigen? »Heute waren es besonders viele Hungrige. Die Bedürftigen haben sich ihre Lebensumstände nicht ausgesucht, Mum! In den Fabriken schuften Frauen für Hungerlöhne. Den Großteil des verdienten Geldes müssen sie für überteuerte Mieten in heruntergekommenen Häusern ausgeben, die nicht mehr als Bruchbuden sind. Ihre Kinder können sie kaum ernähren, und die Alten und Kranken sind völlig auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen. Es ist kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn ich aber helfen kann, das Leid dieser Menschen zu lindern, ist mir dafür alles recht.«

Henrietta Tremaine seufzte und lehnte sich gegen einen Pfosten des Himmelbetts. Sie kannte die Einstellung ihrer einzigen Tochter. Prinzipiell waren Emilys Bemühungen, den Armen zu helfen, durchaus bewundernswert, wenngleich Henrietta mit Schmutz und Armut auf keinen Fall etwas zu tun haben wollte. Sie machte eine raumgreifende Handbewegung und sagte, einen versöhnlicheren Ton anschlagend: »Du weißt, wem wir dies alles hier zu verdanken haben? Wer dafür sorgt, dass du keine der armen Frauen bist, die in den Fabriken arbeiten müssen; dass unser Dach dicht ist, immer warme Speisen auf dem Tisch stehen und wir uns nicht in Lumpen kleiden müssen?«

»Alwyn Tremaine, Vaters Vetter zweiten oder dritten Grades«, murmelte Emily, nun aufrichtig zerknirscht. Sie griff nach der Hand ihrer Mutter. »Es lag nicht in meiner Absicht, unseren Gönner zu verärgern. Ich habe einfach die Zeit vergessen. Ich werde Sir Alwyn schreiben, ihn um Verzeihung bitten und für morgen Nachmittag erneut einladen. Dann werde ich mich dem Onkel wie von dir gewünscht präsentieren und ihn hoffentlich milde stimmen können.«

Als hätte Emily es nicht schon Dutzende Male gehört, sinnierte Henrietta: »Nachdem dein Vater starb und er uns nichts als Schulden hinterlassen hat, war es Ralph Tremaine, Alwyns Vater, der großzügigerweise die Ausstände beglich und dafür sorgte, dass wir das Haus behalten und unseren Lebensstandard fortführen können. Letztes Jahr starb er. Alwyn kehrte...

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Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit über 20 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane und Krimis veröffentlicht. Mehr unter: rebecca-michele.de

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