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Europa. Ein Gesang

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
283 Seiten
Deutsch
Folio Verlagerschienen am26.09.20231. Auflage
Auf der Suche nach einem verlorenen Europa segeln vier moderne Argonauten über das Mittelmeer, der Hoffnung entgegen. Europa hat seine Ursprünge aus den Augen verloren. Um sie wiederzufinden, machen sich vier Gefährten mit einem alten Segelboot auf den Weg in Richtung Orient, dem Duft von Ginster und Senfblüten folgend. Doch bedrohlich lastet der Himmel über dem Mittelmeer, dem nassen Grab für Migranten. Im Hafen von Tyros flüchtet sich ein syrisches Mädchen an Bord, traumatisiert von Zwangsheirat, Krieg, Vergewaltigung. Ihr Name ist Evropa. Ihre Anwesenheit verbindet die Gegenwart mit der fernen Epoche der Mythen, als Zeus selbst in Gestalt eines Stiers die Königstochter über das offene Meer entführte. Paolo Rumiz' großes modernes Epos über einen Kontinent, der dabei ist, seine Menschlichkeit zu verlieren. Geschrieben im Rhythmus der Wellen, im Gleichklang mit dem Rauschen des Meeres. 'Sturmwind brist auf und die Wellen wachsen, laut fangen die Segel an zu klagen, sich blähen im Wind, während das Bugspriet sich aufbäumt und wieder absinkt in seiner unnachahmlichen Trägheit im Spiel der Wellen.'

Paolo Rumiz, geboren 1947, lebt in Triest und im slowenischen Karst. Segler, Wanderer, Autor eigenwilliger Bucher. Korrespondent aus Krisenregionen, schreibt er seit 1998 Reportagen von seinen Radtouren nach Istanbul, den Bus-, Anhalter- und Fußreisen zu den Rändern Europas oder in die Arktis. Er segelte entlang der alten Handelsrouten Venedigs und verbrachte drei Wochen auf einem einsamen Leuchtturm im Adriatischen Meer.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextAuf der Suche nach einem verlorenen Europa segeln vier moderne Argonauten über das Mittelmeer, der Hoffnung entgegen. Europa hat seine Ursprünge aus den Augen verloren. Um sie wiederzufinden, machen sich vier Gefährten mit einem alten Segelboot auf den Weg in Richtung Orient, dem Duft von Ginster und Senfblüten folgend. Doch bedrohlich lastet der Himmel über dem Mittelmeer, dem nassen Grab für Migranten. Im Hafen von Tyros flüchtet sich ein syrisches Mädchen an Bord, traumatisiert von Zwangsheirat, Krieg, Vergewaltigung. Ihr Name ist Evropa. Ihre Anwesenheit verbindet die Gegenwart mit der fernen Epoche der Mythen, als Zeus selbst in Gestalt eines Stiers die Königstochter über das offene Meer entführte. Paolo Rumiz' großes modernes Epos über einen Kontinent, der dabei ist, seine Menschlichkeit zu verlieren. Geschrieben im Rhythmus der Wellen, im Gleichklang mit dem Rauschen des Meeres. 'Sturmwind brist auf und die Wellen wachsen, laut fangen die Segel an zu klagen, sich blähen im Wind, während das Bugspriet sich aufbäumt und wieder absinkt in seiner unnachahmlichen Trägheit im Spiel der Wellen.'

Paolo Rumiz, geboren 1947, lebt in Triest und im slowenischen Karst. Segler, Wanderer, Autor eigenwilliger Bucher. Korrespondent aus Krisenregionen, schreibt er seit 1998 Reportagen von seinen Radtouren nach Istanbul, den Bus-, Anhalter- und Fußreisen zu den Rändern Europas oder in die Arktis. Er segelte entlang der alten Handelsrouten Venedigs und verbrachte drei Wochen auf einem einsamen Leuchtturm im Adriatischen Meer.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990371435
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum26.09.2023
Auflage1. Auflage
Seiten283 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7295 Kbytes
Artikel-Nr.12498817
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Figuren und Beinamen

PROLOG
Am Anfang war das Meer
An den Mond

BUCH DER BEGEGNUNG
1. Die Seekarten
2. Die Frau
3. Die Galionsfigur
4. Der Alkoven
5. Die Leuchttürme

BUCH DER FLUCHT
6. Die Furcht
7. Der Schakal
8. Der Überfall
9. Der Schatten
10. Die Gerte

BUCH DER SCHLAFLOSIGKEIT
11. Die Abwesenheit
12. Das Muhen
13. Venus
14. Der Liebesakt

BUCH DER SCHIFFBRÜCHIGEN
15. Des Meeres Kinder
16. Die nackte Jungfrau
17. Die Bouzouki
18. Das Geheimnis
19. Der Ring
20. In der Falle

BUCH DES WIEDERGEFUNDENEN NAMENS
21. Die Tortur
22. Die Schmähung
23. Das Traumbild
24. Die Leuchtkäfer
25. Der Pelikan

BUCH DER HERKUNFT
26. Der Mond
27. Der Wal
28. Das Blut
29. Der Abgrund
30. Im Auge der vier Winde
31. Der Vulkan
32. Die Passage

BUCH DES UNENDLICH WEITEN MEERES
33. Die Schildkröte
34. Die Schwalbe
35. Der Nostos

Nachwort: Europa ist weiblich
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Leseprobe

3.
Die Galionsfigur

Rot flatterte unser Schmetterling, das Gaffelsegel, als wir es setzten, den Bug in den Wind gedreht, in einem Arpeggio aus Windstößen vom Festland her, der Himmel rotierte, bis das Segel voll stand. Wir nahmen Fahrt auf.

Die Petroleumlampe knarzte und flackerte am Gewindering, und über den Rahen und der Saling glitzerten die Sterne wie Edelsteine und zeichneten hell funkelnde Sternbilder.

Mesopotamien, Zehntausende Meilen Wüste, alles hatten wir hinter uns gelassen, die See war stürmisch, Heimweh, herauf- und herunterdekliniert, segelte in vielen Abarten mit uns mit, der Bootsrumpf schlug hart und deutlich hörbar auf die Wellen, das war Moyas Rhythmus, ihre Auf- und Abwärtsbewegung, ein ums andere Mal.

Die Tochter Asiens reiste mit auf dem Boot, im Firmament pflichtete Venus allem bei.

Plötzlich sahen wir gleichauf mit uns ein Motorboot, darin fünf Polizisten mit Maschinenpistolen am Schulterriemen. Sie befahlen Halt, um unser Boot zu perlustrieren. Überall wühlten sie herum, doch was uns überraschte, war, niemand sah zur Galionsfigur ganz vorne am Bugspriet, wo sie sich am Ausläufer festgeklammert hatte. Niemand verstand, dass die Galionsfigur, sie wirkte wie aus Holz, unsere Evropa war.

Nachdem das Polizeiboot wieder abgedreht hatte und endlich von der Finsternis verschluckt worden war, stieß das Mädchen einen herzzerreißenden Schrei aus, vom Rohrblatt in ihrem Hals vervielfältigt, zog er Kratzspuren über die Partitur der Stille.

Wie ein flacher Kiesel bei gespannter Schleuder flog ihr lang gezogener modulierter Schrei von jenseits der Strände des Libanon und seinen schneebedeckten Gebirgen bis nach Syrien und zum Euphrat.

Zurück lasse ich und hinter mir für immer meine Mutter, ohne Wiederkehr.

Das schien der Schrei zu bedeuten. Wir stellten uns ein Haus vor, dort in Tyros in den Steilhang gebaut.

Sie aber hatte Asien gemeint, diese drei Silben, die Frau brachte es nicht fertig, sie auszusprechen, ihre syrische Heimat jenseits des Gebirges.

Petros hatte verstanden, aber auch uns war der Grund ihres verzweifelten Rufs klar geworden.

Hinter den mächtigen schneebedeckten Bergen regierte Schnitter Tod, er vernichtete alles Leben. Das war der Grund gewesen für Evropa.

Weit weg wollte sie fliehen, bis ans Ende der Welt. Hinter sich wollte sie lassen den glühend heißen Wüstenwind, der aus Kadavern Mumien machte.

Nie mehr wollte sie mitten auf der Straße Leichen liegen sehen, den streunenden Hunden zum Fraß und den Aasgeiern.

Wir schenkten ihr einen Schlafanzug für Männer, er war ihr viel zu groß und doch sah sie entzückend aus darin, dann wiesen wir ihr die einzige Kajüte an Bord auf dem Vorschiff zu. Petros zog um, ohne sich zu beklagen, und wortlos übernahm er das Steuer und ließ Tausende und Abertausende Meilen von Krieg und Wüsten hinter sich.

Mondlicht schien ihm auf die Schultern und den erdschwarzen thessalischen Rock aus grobem Wollstoff.

Dieser Lebenskünstler mit Wahlheimat England und heidnische Sohn Hellas war Witwer und hatte zwei erwachsene Kinder, beide waren auf dem Boot zur Welt gekommen, schon lange aber lebte er wie ein Vagabund. Heimisch fühlte er sich im bunten Völkergemisch, wo man nach Jahrhunderten das Kriegsbeil vergraben, ein Bündnis geschlossen und die blaue Flagge mit dem Sternenkranz gehisst hatte.

Zusammen mit dem Union Jack am Achterstag setzte der stolze Steuermann die blaue Flagge mit dem Sternenkranz auf der Saling oder dem Großtopp. Jeden Morgen befestigte er sie penibel mit Schmetterlingsknoten an einer Steertleine und am Abend, wenn Venus rief und dann im Meer versank, holte er sie wieder ein.

Sorgfältig faltete er die Flagge zu einem Dreieck und legte sie in den Spind neben seinem Nachtlager, das war sein immergleiches Ritual.

Mit dem Setzen und Einholen der Flaggen - der englischen, der griechischen, der türkischen und jener mit Europas Sternenkranz - bewies er eine jahrtausendealte Weisheit, genauso alt wie die Seefahrt.

Irrlichter flackerten aus dem Logbuch, so wild, dass ich in der Dunkelheit fürchtete, mich zu verbrennen.

Genau auf diesem Meer wüteten manchmal Windhosen - ich schwöre, ich, der Einzige, der nicht schlafen konnte, habe sie mit eigenen Augen gesehen -, dazu gewaltige Blitze, und ein Orkan nach dem anderen fegte über uns hinweg.

Unsere Mutter Erde, die Terra Madre, war in der Hand von Regenten ohne Hirn, unter dem Vorwand des Nationalstolzes führten sie die Leute ins Verderben.

Bruchlinien wurden aufgerissen, Turbulenzen an Finanzmärkten folgten Tweets eines Präsidenten, der sich in alles einmischte, Rohstoffquellen beutete man aus, immer wieder neue Nationalflaggen wurden dort gehisst, wo man vorher Bomben abgeworfen hatte.

Nationalstaaten brüteten Fieber aus, entschlossen, schändliche Mauern zu errichten als Abwehr gegen alle und alles.

Das weltweite Netz, ein riesiges Spinnennetz, verbreitete Angst und Schrecken.

Bloß das Meer blieb schläfrig, unberührt vom Trommeldonner und den Märschen endloser Armeen, die hinauszogen ins Nichts.

Der in die Jahre gekommene Kontinent lag in den letzten Zügen.

Er war durch alle Arten von Abscheu gegangen, die Gabe, sich daran zu erinnern, war ihm irgendwann abhandengekommen.

Vergessen der Schlamm, die Schützengräben, die Viehkarren für Menschen, die Krematorien, das Giftgas, die Bomben, vergessen die Massengräber und die Menschenmassen, die den Volkstribunen zujubelten. Sie brüteten Untergang aus und Verderben.

Erloschen waren die Augen der Menschen.

Und es gab welche, die wieder unheilbringende Runen ausgruben, die Feindbilder suchten und Sklaven, um sie auszubeuten wie in der Kolonialzeit.

Petros fragte sich, wo denn das Leuchten in den Augen geblieben war und die Begeisterung, als alle Mauern fielen.

Er liebte diese seine Welt und verstand nicht, warum Menschen aller Länder ihr so zusetzten.

Er kannte keine andere Region, so wunderschön gelegen zwischen Bergen, Ozeanen und Steppen, wo auf einem Raum die Birke mit dem Feigenbaum und der Agave wächst, wo es Kathedralen gibt und alpine Schutzhütten, Inselgruppen und mäandernde Flüsse, Synagogen, Leuchttürme und Minarette.

Eu-ro-pa. Die drei verschwundenen Silben.

Sechs Buchstaben, vergessen, verflüchtigt, in alle Winde verweht, ausgelöscht von Viren ohne Namen, ersetzt von Periphrasen ohne Sinn, zerstört von Nachrichtenströmen und Gezwitscher, vom Dauerlärm der Registrierkassen und in den Abgrund gestoßen vom Höllenkrach ewigen Gequassels.

Und doch leuchtete er hell, der Name mit seinen Feuerbuchstaben, ausgerechnet mitten im Zodiakus, auf dem Hals des Himmelsstiers, unter dem azurblauen Licht der funkelnden Plejaden.

Das Wort war dort, aber wir sahen es nicht.

Seit Wochen war ihm die Crew, allesamt Vagabunden, unterwegs auf einem Segler aus England, auf der Spur.

Wir segelten ohne vorgegebene Route und suchten nach dem Wort in jedem Hafen, bald schien es uns, als sei es verschwunden, verloren gegangen nach Jahrtausenden. Keiner von uns wollte sich damit abfinden.

An einem College in Cardiff an der breiten Mündung des Severn hat der Kapitän Griechisch und Latein unterrichtet, dort, wo im Nebeldunst die Gezeiten regieren, wollte er den Klang der Verse Homers zerstreuten walisischen Schülern näherbringen und den Gedanken, dass eine Welt ohne Epos keine Zukunft hat.

Diese neue Unternehmung war in seinen Augen keine Reise. Eher eine Mission mit ungewissem Ausgang, ein aussichtsloser Kampf gegen die Zeit. Die Jahrhunderte oder Jahrtausende, was bedeuteten sie denn für einen Menschen, der in den Sprachen des Altertums zu Hause war? Nichts.

Und so trieb Petros seine Moya an auf ihrer Reise durch die Zeit, er hatte sich das Mittelmeer ausgesucht, denn er wollte das Verlorene wiederfinden, diesen Zierrahmen mit den Hieroglyphen eines Lebens, den er verloren hatte irgendwo zwischen einer Insel und der nächsten.

Ein Gürtel aus Sternenkonstellationen schmückte die Planken des Seglers als Glücksbringer für eine sichere Reise, unermüdlich segelte die Moya auf der Passatwindroute.

Die Erdkugel atmete entlang der Längengrade durch ihren riesengroßen Brustkorb aus den Meerestiefen.

Achteraus, wo die Spur des Kielwassers sich auflöste, erschien ein Termitenhügel aus Licht, das Libanongebirge erteilte uns seinen Segen, schimmernd wie das leise murmelnde Meer.

Draußen Ohrfeigen. Es waren die Wellen. Im Boot ein Solfeggio von Seufzern, synchron dazu Dämmerschlaf, Stampfen, Schlingern, Rollen mitten durch Plankton, das Fruchtwasser glich.

Jahre schon kämpfte der Grieche mit seinen Mythen an gegen ein Weltgefüge ohne Sinn.

Es waren Erzählungen von Frauen, die sich mit Tierwesen paaren, von Färsen, um den Verstand gebracht durch eine Bremse, von Raub und Inzest, von menschenfressenden Minotauren, eingesperrt in labyrinthischen Höhlengängen, und von Urstieren, darüber halb nackte...
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Autor

Paolo Rumiz, geboren 1947, lebt in Triest und im slowenischen Karst. Segler, Wanderer, Autor eigenwilliger Bucher. Korrespondent aus Krisenregionen, schreibt er seit 1998 Reportagen von seinen Radtouren nach Istanbul, den Bus-, Anhalter- und Fußreisen zu den Rändern Europas oder in die Arktis. Er segelte entlang der alten Handelsrouten Venedigs und verbrachte drei Wochen auf einem einsamen Leuchtturm im Adriatischen Meer.

Bei Folio sind erschienen: Der Leuchtturm (2017), Die Seele des Flusses (2018), Via Appia (2019) und Der unendliche Faden (2020).
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Paolo, Rumiz
Weitere Artikel von
Brunner, Maria E.
Übersetzung

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt