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Immer nach Hause

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
863 Seiten
Deutsch
Memoranda Verlagerschienen am16.10.20231. Auflage
Die Kesh, Überlebende einer Katastrophe, durch die halb Kalifornien im Meer versunken ist, leben im Tal der Na, einem Napa Valley der Zukunft. Sie verfügen über moderne Technologie, nutzen diese aber nur insoweit, wie sie ihrer bescheidenen Art zu leben und zu wirtschaften dient. Mehr als alles andere zählen bei ihnen der Respekt für das Miteinander von Tier und Mensch und ein wohlüberlegter, sorgsamer Umgang mit der Erde. Die Hinterlassenschaft einer Wirtschaftsform, die zur Zerstörung der Zivilisation geführt hat, verfolgt die Kesh jedoch weiter; ganze Gebiete sind kontaminiert, vieles leidet an genetischen Veränderungen. Die Frage nach gedeihlichen Lebensformen durchzieht alles, was sie tun und denken. Angelegt als phantastisches Projekt einer Archäologie der Zukunft ist Immer nach Hause eine einzigartige Sammlung von Fundsachen: Mythos und Historie, Dichtung und Drama, Erzählung, Information und Lied, aufgelesen aus einer Zukunft in unbekannter Ferne - von einer Autorin auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft zu einer schlüssigen Vision verwoben.

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autor:innen, darunter Margaret Atwood und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Becky Chambers.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR58,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR37,99

Produkt

KlappentextDie Kesh, Überlebende einer Katastrophe, durch die halb Kalifornien im Meer versunken ist, leben im Tal der Na, einem Napa Valley der Zukunft. Sie verfügen über moderne Technologie, nutzen diese aber nur insoweit, wie sie ihrer bescheidenen Art zu leben und zu wirtschaften dient. Mehr als alles andere zählen bei ihnen der Respekt für das Miteinander von Tier und Mensch und ein wohlüberlegter, sorgsamer Umgang mit der Erde. Die Hinterlassenschaft einer Wirtschaftsform, die zur Zerstörung der Zivilisation geführt hat, verfolgt die Kesh jedoch weiter; ganze Gebiete sind kontaminiert, vieles leidet an genetischen Veränderungen. Die Frage nach gedeihlichen Lebensformen durchzieht alles, was sie tun und denken. Angelegt als phantastisches Projekt einer Archäologie der Zukunft ist Immer nach Hause eine einzigartige Sammlung von Fundsachen: Mythos und Historie, Dichtung und Drama, Erzählung, Information und Lied, aufgelesen aus einer Zukunft in unbekannter Ferne - von einer Autorin auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft zu einer schlüssigen Vision verwoben.

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autor:innen, darunter Margaret Atwood und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Becky Chambers.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783910914018
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.10.2023
Auflage1. Auflage
ReiheCarcosa
Seiten863 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9592 Kbytes
Artikel-Nr.12561146
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ERZÄHLSTEIN

Erster Teil

Erzählstein[2] ist mein Letztname. Ich habe ihn selbst gewählt und angenommen, weil ich eine Geschichte zu erzählen habe, darüber, wohin ich gegangen bin, als ich jung war; aber jetzt gehe ich nirgendwohin, sondern sitze wie ein Stein auf einer Stelle an diesem Ort in diesem Tal. Ich bin dorthin gekommen, wohin ich ging.

Mein Haus ist das Blauton, mein Haushalt das Hochaltan in Sinshan.

Meine Mutter hieß Ammer, Weide und Asche. Der Name meines Vaters, Abhao, bedeutet im Tal »Töter«.

In Sinshan werden Kinder oft nach Vögeln benannt, da diese Boten sind. Im Monat, bevor meine Mutter mich gebar, kam jede Nacht eine Eule in die Gairga-Eichen vor den Fenstern auf der Nordseite von Haus Hochaltan und sang dort das Eulenlied; darum lautete mein Erstname Nordeule.

Hochaltan ist ein altes Anwesen, solide gebaut, mit großen Räumen; Skelett und Gebälk sind aus Mammutbaum, die Wände aus verputzten Lehmziegeln, die Fenster aus klarem Glas in kleinen quadratischen Scheiben, und der Fußboden ist aus Eichenholz. Die Balkone von Hochaltan sind breit und schön. Die Urgroßmutter meiner Großmutter war die Erste, die in unseren Räumlichkeiten im ersten Stock unter dem Dach wohnte; als die Familie größer wurde, belegte sie das ganze Stockwerk, aber meine Großmutter war die Einzige ihrer Generation, und so lebten wir nur in den beiden westlichen Zimmern. Wir hatten nicht viel zu geben. Wir konnten zehn wilde Olivenbäume und einige andere Bäume auf dem Sinshan-Kamm und ein Saatbeet auf der Ostseite von Wakyahum nutzen, und auf einer der Parzellen am Bach südöstlich des Lehmhügels bauten wir Kartoffeln, Mais und Gemüse an, aber wir nahmen uns viel mehr Mais und Bohnen aus den Vorratshäusern, als wir gaben. Meine Großmutter Unverzagt war Weberin. Als ich ein kleines Kind war, hatten wir keine Schafe in der Familie, und sie tauschte den größten Teil dessen, was sie webte, für neue Wolle ein. In meiner allerersten Erinnerung flogen die Finger meiner Großmutter auf dem Webstuhl hin und her, und jedes Mal blinkte ein silberner Halbreif an ihrem Handgelenk unter dem roten Ärmel auf.

Das Zweite, woran ich mich erinnere, ist, wie ich eines Wintermorgens im Nebel zur Quelle unseres Baches hinaufstieg. Es war das erste Mal, dass ich als Blautonkind Wasser für das Neumond-Wakwa schöpfte. Mir war so kalt, dass mir die Augen tränten. Die älteren Kinder lachten mich aus und sagten, ich hätte mit meinen Tränen das Wasser verdorben. Ich glaubte ihnen und fing an zu weinen, weil ich das Wasser verdorben hatte. Meine Großmutter leitete das Ritual und sagte mir, dass das Wasser in Ordnung sei, und ließ mich den Mondkrug bis in den Ort zurück tragen, aber ich heulte und schniefte die ganze Zeit, weil mir kalt war und ich mich schämte und der Krug mit dem Quellwasser kalt und schwer war. Ich kann diese Kälte und Nässe und das Gewicht noch jetzt in meinem Alter spüren und die toten Arme der schwarzen Manzanitas im Nebel sehen und die Stimmen lachen und reden hören, vor mir und hinter mir auf dem steilen Weg neben dem Bach.

Ich gehe dort, ich gehe dort,

ich gehe, wo ich ging,

weinend am Wasser.

Er geht dort, er geht dort,

der Nebel am Wasser.[3]

Ich habe nicht lange geweint, vielleicht nicht lange genug. Der Vater meiner Mutter sagte: »Wer erst weint, lacht später; wer erst lacht, weint später.« Er war ein Serpentinmann aus Chumo und war dorthin zurückgegangen, um bei der Familie seiner Mutter zu wohnen. Für meine Großmutter war das in Ordnung. Sie sagte einmal: »Mit meinem Mann zu leben ist wie ungewässerte Eicheln zu essen.« Aber sie ging von Zeit zu Zeit nach Chumo hinunter, um ihn zu besuchen, und er kam und wohnte im Sommer, wenn die Sonne Chumo im Talgrund wie einen Zwieback ausdörrte, mit uns zusammen in den Hügeln. Seine Schwester Grüntrommel war eine berühmte Sommertänzerin, aber seine Familie gab nie etwas. Er sagte, sie seien arm, weil seine Mutter und seine Großmutter in den letzten Jahren alles gegeben hätten, um die Sommertänze in Chumo aufzuführen. Meine Großmutter sagte, sie seien arm, weil sie nicht gerne arbeiteten. Vielleicht hatten beide recht.

Die einzigen anderen Menschen aus meiner engeren Familie lebten in Madidinou. Die Schwester meiner Großmutter war dorthin gezogen, und ihr Sohn hatte dort eine Rotlehmfrau geheiratet. Wir besuchten sie oft, und ich spielte mit meiner Kusine und meinem Vetter zweiten Grades, einem Mädchen namens Pelikan und einem Jungen namens Hopfen.

Als ich klein war, lebten wir mit Himpis, Hühnern und einer Katze. Unsere Katze war schwarz ohne den kleinsten weißen Fleck, ein anmutiges und manierliches Geschöpf und eine großartige Jägerin. Die Kätzchen, die sie warf, tauschten wir gegen Himpis ein, und so hatten wir eine Zeit lang einen großen Stall voller Himpis. Ich kümmerte mich um sie und die Hühner und hielt die Katze von den Gehegen und Ställen unter der Veranda fern. Als ich anfing, die Tiere zu hüten, war ich noch so klein, dass ich Angst vor dem grünschwänzigen Hahn hatte. Er wusste das und rannte immer mit ruckendem Hals schimpfend auf mich los, und ich kletterte über die Trennwand in das Gehege der Himpis, um ihm zu entkommen. Die Himpis kamen heraus, setzten sich hin und pfiffen. Sie waren mir ein Trost, mehr als die kleinen Katzen. Ich lernte, ihnen keine Namen zu geben und sie nicht lebend zum Essen herzugeben, sondern ihnen vorher schnell den Hals umzudrehen, denn manche Menschen töten Tiere ohne Rücksicht und Geschick und bereiten ihnen Angst und Schmerzen. Als eines Nachts ein Schäferhund Amok lief, in das Gehege eindrang und alle Himpis bis auf ein paar Junge totbiss, weinte ich so sehr, dass es sogar meinem Großvater genügte. Danach konnte ich monatelang mit keinem Hund reden. Aber für meine Familie war es gut, denn die Leute des Schäferhunds gaben uns als Entschädigung für den Verlust unserer Himpis ein trächtiges Schaf. Das Schaf brachte Zwillingslämmer zur Welt, und so wurde meine Mutter wieder Schäferin, und meine Großmutter hatte Familienwolle zum Spinnen und Weben.

Himpi

Ich erinnere mich nicht daran, Lesen und Tanzen gelernt zu haben; meine Großmutter brachte es mir bei, bevor ich sprechen und laufen konnte. Mit fünf begann ich morgens mit den anderen Blautonkindern zum Heyima zu gehen, und später wurde ich von den Lehrenden im Heyima und in den Blut-, Eichen- und Maulwurfshütten unterwiesen; ich lernte die Salzreise; ich ging kurz bei der Dichterin Zorn und lange bei der Töpferin Tonsonne in die Lehre. Ich war nicht schnell im Lernen und dachte nie daran, eine Schule in einem der großen Orte zu besuchen wie einige andere Kinder aus Sinshan. Ich lernte gerne im Heyima, als Teil eines geordneten Ganzen, das größer war als mein begrenztes Wissen und in dem ich von Gefühlen der Angst und Wut Erleichterung fand, die ich ohne Hilfe nicht verstehen oder überwinden konnte. Aber ich habe nicht so viel gelernt, wie es mir vielleicht möglich gewesen wäre, sondern hielt mich immer zurück und sagte: »Das kann ich nicht.«

Einige Kinder nannten mich, ob aus Bosheit oder Unwissenheit, Hwikmas, »Halbhaus«. Ich hörte auch Leute über mich sagen: »Sie ist eine Halbperson.« Ich verstand es auf meine eigene Weise, und zwar als Beleidigung, da mir zu Hause niemand erklärte, was es damit auf sich hatte. Ich hatte nicht den Mut, im Heyima Fragen zu stellen oder dorthin zu gehen, wo ich vielleicht etwas über Dinge außerhalb des Ortes Sinshan hätte erfahren und beginnen können, das Tal als Teil eines Ganzen und zugleich als Ganzes zu sehen. Da weder meine Mutter noch ihre Mutter von ihm sprach, wusste ich in den ersten Jahren meines Lebens über meinen Vater nur, dass er von außerhalb des Tals gekommen und wieder fortgegangen war. Das bedeutete für mich lediglich, dass ich keine Vatersmutter, kein Vaterhaus hatte und daher eine Halbperson war. Ich hatte noch nicht einmal vom Kondorvolk gehört. Ich hatte acht Jahre gelebt, als wir das erste Mal zu den heißen Quellen von Kastoha-na gingen, um das Rheuma meiner Großmutter zu lindern, und dort, wo die Menschen zusammenkamen, erstmals Kondormänner sahen.

Diese Reise will ich erzählen. Es war eine kleine Reise vor vielen Jahren. Eine Reise durch die stille Luft.

Wir standen eines Morgens, etwa einen Monat nach dem Welttanz, noch im Dunkeln auf. Ich gab der schwarzen Katze Sidi, die alt wurde, etwas Fleisch, das ich für sie aufgehoben hatte. Ich dachte mir, sie würde gewiss Hunger kriegen, während wir weg waren, und das hatte mir tagelang keine Ruhe gelassen. Meine Mutter sagte zu mir: »Du isst das. Die Katze fängt sich, was sie braucht!« Meine Mutter war streng und sah die Dinge nüchtern. Meine Großmutter sagte: »Das Kind gibt seiner Seele Nahrung. Lass es gut sein.«

Wir löschten das Feuer im Kamin und ließen die Tür für die Katze und den Wind einen Spalt offen. Unter den letzten Sternen gingen wir die Treppe hinunter; die Häuser sahen in der Dämmerung wie Hügel aus, dunkel. Draußen auf dem Gemeinplatz schien es heller zu sein. Wir überquerten das Scharnier und gingen zum Blauton-Heyima. Dort wartete Muschel auf uns; sie war Mitglied der Medizinhütte und hatte die Beschwerden meiner Großmutter behandelt, und sie waren alte Freunde. Sie füllten das Wasserbecken und sangen gemeinsam die Rückkehr. Als wir zum Tanzplatz kamen, begann es hell zu werden. Muschel begleitete uns zurück über das Scharnier und durch den Ort, und nachdem wir die Brücke über die Sinshan überquert hatten, hockten wir uns alle dort unter die immergrünen Eichen zum Pinkeln und...

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Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autor:innen, darunter Margaret Atwood und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Becky Chambers.