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Antoinette

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
150 Seiten
Deutsch
Verlag Freies Geisteslebenerschienen am11.10.2023
'Ich wusste nicht, dass man auch etwas verlieren konnte, was man noch nicht besaß.' Ein Mann wartet in einem Budapester Thermalbad auf eine Frau, seine Frau, auf Antoinette. Vor sieben Jahren waren sie schon einmal hier. Ganz am Anfang. Ganz am Anfang ihres Glücks. Dazwischen unzählige erfolglose Kinderwunschbehandlungen, Entfremdung und schließlich eine gescheiterte Ehe. Werden sie sich jetzt wiederbegegnen, wird ihre Liebe eine zweite Chance bekommen? Robbert Welagen, ein Meister der leisen, wohldosierten Worte, entwirft in diesem Roman das Panorama einer Ehe und das Seelenleben zweier Menschen, die an ihrer Kinderlosigkeit zu zerbrechen drohen. Sehr atmosphärisch, von minimalistischer Schönheit und ungemein tröstlich.

Robbert Welagen, 1981 geboren, studierte an der Kunsthochschule in Den Bosch und Kunstgeschichte in Utrecht. Mit 25 Jahren gab er sein Debüt. Seither sind neun Romane erschienen. Preisgekrönt und in der Presse hymnisch gefeiert. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit publiziert Welagen in mehreren namhaften niederländischen Magazinen und Zeitungen darunter 'De Groene Amsterdammer', 'Trouw', 'HP/De Tijd' und 'VPRO Books'. Robbert Welagen lebt in den Wäldern von Zeist. robbertwelagen.nl
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

Klappentext'Ich wusste nicht, dass man auch etwas verlieren konnte, was man noch nicht besaß.' Ein Mann wartet in einem Budapester Thermalbad auf eine Frau, seine Frau, auf Antoinette. Vor sieben Jahren waren sie schon einmal hier. Ganz am Anfang. Ganz am Anfang ihres Glücks. Dazwischen unzählige erfolglose Kinderwunschbehandlungen, Entfremdung und schließlich eine gescheiterte Ehe. Werden sie sich jetzt wiederbegegnen, wird ihre Liebe eine zweite Chance bekommen? Robbert Welagen, ein Meister der leisen, wohldosierten Worte, entwirft in diesem Roman das Panorama einer Ehe und das Seelenleben zweier Menschen, die an ihrer Kinderlosigkeit zu zerbrechen drohen. Sehr atmosphärisch, von minimalistischer Schönheit und ungemein tröstlich.

Robbert Welagen, 1981 geboren, studierte an der Kunsthochschule in Den Bosch und Kunstgeschichte in Utrecht. Mit 25 Jahren gab er sein Debüt. Seither sind neun Romane erschienen. Preisgekrönt und in der Presse hymnisch gefeiert. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit publiziert Welagen in mehreren namhaften niederländischen Magazinen und Zeitungen darunter 'De Groene Amsterdammer', 'Trouw', 'HP/De Tijd' und 'VPRO Books'. Robbert Welagen lebt in den Wäldern von Zeist. robbertwelagen.nl
Details
Weitere ISBN/GTIN9783772544378
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum11.10.2023
Seiten150 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1980 Kbytes
Artikel-Nr.12581105
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

In der Empfangshalle ist es kühler und dunkler. Wie ich mir vorgestellt hatte, verschluckt ein alles übertönender Halleffekt sämtliche Einzelgeräusche. Es ähnelt der relativen Geschäftigkeit in einer Bahnhofshalle, aber die Leute hier haben nasse Haare und als Gepäck Taschen mit feuchten Handtüchern. Der Nachmittag ist fast vorüber; Zeit, nach Hause zu gehen.

Durch hoch angebrachte Fenster, weit über den Köpfen der Menschen, fällt Sonnenlicht in Bahnen auf die Bodenfliesen. Vier Palmen in monumentalen Töpfen bilden ein Rechteck mit darin aufgestellten Holzbänken. Auf einer Sitzfläche fehlt eine Latte. In tadellosem Zustand ist die Halle nicht: Der Stuck weist lange Risse auf, das Holzgeländer der Treppe ist blank von all den Händen, die darübergeglitten sind, einige Fliesen im Fußboden haben sich gelockert und hier und da sind Stückchen verschwunden, abgetreten. Der Brunnen aus meiner Fantasie mitsamt Heilwasser fehlt, desgleichen die weichen Sofas. Wohl gibt es einen Informationsschalter. Bei der Frau hinter der Scheibe, sie trägt ein weißes, langärmliges Poloshirt, kann man auch Badebekleidung leihen.

Hätten Antoinette und ich uns auf einer Bank vor einer Kirche verabredet, ich wäre in die Kirche gegangen. Hätten wir uns für ein Museumscafé entschieden, dann wäre ich durch die Ausstellungssäle spaziert. Manchmal braucht der Mensch einen Ort außerhalb der täglichen Ordnung, einen Ort des Trostes.

Ich erstehe eine Eintrittskarte und leihe mir ein Handtuch, einen Bademantel, eine Badehose und ein Paar Plastiklatschen. Das Thermalbad hat bis abends um zehn geöffnet, und es gibt verschiedene Möglichkeiten. Der full service ist inklusive Massage und Abendessen. Für dieses Angebot entscheide ich mich. Meinen Aufbruch möchte ich so lange wie möglich hinauszögern.

Ich muss meinen Namen aufschreiben, und die Frau sagt: «Sie brauchen erst hinterher zu bezahlen.»

Sie weist mich auf ein Schild mit einem Piktogramm hin: ein durchgestrichenes Mobiltelefon.

«Auch nicht im Restaurant», fügt sie hinzu.

«Umso besser», erwidere ich.

Der kleine Stapel Badeutensilien ruht auf meiner rechten Hand und ist leicht gegen meine Brust gelehnt; wie ein Tablett, eine Trophäe, ein Beweis, dass ich hier sein darf. Seht, ich gehe auch schwimmen. Gleich gehe ich ins Wasser.

Umkleiden kann man sich im Keller, erreichbar über eine breite Treppe. Zusammen mit dem natürlichen Licht bleibt der Hall oben zurück. Die Decke ist niedriger, der Marmor ist einem matten Stein gewichen. Das gleiche Gefühl wie auf einem U-Bahnsteig: eine unterirdische Welt, ein von Menschen entworfenes Netz von Gängen. Wir begnügen uns nicht mit der Oberwelt, wir zwängen uns zwischen die Maulwürfe und handhaben dabei unsere eigenen Regeln: Die Frauen werden hier von den Männern getrennt.

In der Mitte der Umkleide befinden sich Holzbänke und entlang der Wände hellgelbe Schließfächer. Dieser Raum wurde für Gruppen entworfen, einen großen Zustrom von Individuen. Ich zähle vier Männer mit nassglänzenden Haaren vom Duschen und einer etwas geröteten Haut, alle mit ihrer Kleidung beschäftigt. Ich verspüre den Drang, guten Tag zu sagen wie beim Betreten eines Wartezimmers beim Hausarzt, doch der Anblick der gekrümmten nackten Rücken und des Zurrens an Schuhen hält mich davon ab. Wohl grüße ich den noch vollständig angezogenen Mann, der nach mir den Raum betritt.

Meine Badesachen lege ich auf eine Bank. Ich setze mich, die Hände auf den Knien und den Rücken kerzengerade. Es ist, als verlangte die nackte Bank eine korrekte Haltung. Neue Anstandsregeln, allein gültig in diesem Gebäude. Hierher kommen Menschen, die wissen, dass sie einen Körper haben; sie werden ihn in kaltes und warmes Wasser tauchen, ihn mit sprudelndem Wasser und Dampf umhüllen.

Ich betrachte die anderen Anwesenden. Kann man einem Mann ansehen, ob er ein Vater ist? An einem Blick, einer Geste oder etwas anderem? Ob Zufall oder nicht, im selben Augenblick packt ein Mann seine Badesachen in einen rosa Rucksack mit einem Regenbogen. Ein Stich durchfährt mich. Ich stelle mir einen unordentlichen Haushalt vor, in dem er seine eigene Tasche nicht hat finden können und dann eben den Rucksack eines seiner Kinder genommen hat, die sonntags ohnehin nicht zur Schule müssen. Mit dem kleinen Ding über der Schulter verlässt er die Umkleide.

Ich trödele etwas und hoffe, dass die anderen Männer sich auch rasch entfernen. Das Leinenhemd, die Baumwollhose und die Lederschuhe, die ich für Antoinette angezogen habe, werde ich gleich ausziehen und in ein Schließfach räumen. Ich werde weiße Slipper und eine Badehose tragen. Ich werde praktisch nackt sein.

Ich öffne schon mal die Knöpfe des Hemdes, das Antoinette mir geschenkt hat. Original von Margaret Howell, hatte sie dazugesagt. Die britische Modedesignerin und sie teilen ein einsames Hobby: Kieselsteine am Strand sammeln. Ich sehe Antoinette vor mir, wie sie direkt am Wasser entlanggeht und sich manchmal bückt, um einige aufzuheben. Sie mag deren glatte und trockene Oberfläche, sie betastet sie mit den Fingern. Manche Steine lässt sie wieder fallen, andere - gestreifte und gesprenkelte und beige, hellgrau oder blassrosa gefärbte - steckt sie in ihre Jackentasche und geht weiter. Zu Hause bekommen ihre Funde einen Platz auf einem kleinen Tisch oder der Fensterbank.

Am Ende von Antoinettes Leben, das zu irgendeinem Punkt in der Zeit kommen wird, dürfen alle Kieselsteine aus ihrer Sammlung an den Strand zurückgebracht werden. Das ist ihr Wunsch. Sie wird nichts davon durchgebracht oder verbraucht haben, sondern hätte diese Objekte aus der Natur lediglich als Leihgaben besessen.

Nur mehr zwei weitere Männer befinden sich noch im Raum. Sie schauen weder nach links noch nach rechts, ziehen sich aus. Ich beschließe, es ihnen gleichzutun. Wir sind keine fünfzehn mehr.

Hemd aus, Schuhe aus, Socken und Hose aus. Zuletzt die Unterhose.

Und doch: Sich im Beisein Fremder auszuziehen macht jünger. Ich fühle mich wieder wie ein Tertianer direkt nach der Sportstunde, als geduscht werden musste. Nur wenn ich mich bei einer Frau entkleide, komme ich mir männlich und erwachsen vor.

Ich bin nackt und beschließe, es ein Weilchen zu bleiben. Versuche, dich daran zu gewöhnen, sage ich mir, dann verwandelst du dich von einem Fünfzehnjährigen wieder zurück in dein heutiges Reisepassalter. Meine Kleidung falte ich und lege sie zu einem Stapel zusammen; eine Eigenheit, die Antoinette belächelte, als wir uns das erste Mal voreinander auszogen. «Bist du so ordentlich?», hatte sie gefragt. «Ja», war meine Antwort gewesen. Ich bin ein Mann mit Längsfalten in den Ärmeln seines Pullovers.

Jetzt liegen zwei Stapel auf der Bank. Die Badesachen und meine eigene Kleidung. Meine Schuhe mit den in sie hineingestopften Socken stehen auf dem Boden.

Ich setze mich wieder kurz auf die Bank - ich fühle mich wie gerade mal achtzehn. Mein Hintern berührt das kalte, lackierte Holz. Die Bank besteht aus zwei langen Brettern. Turnhallenbänke. Ich gleite weiter in der Zeit zurück. Die Kleiderstapel erinnern mich an die, die meine Mutter früher vor dem Zubettgehen für mich bereitlegte. Später habe ich diese Gewohnheit für mich übernommen. Es ist ein unschuldiges Ritual, mit dem der Tag endet und die Nacht beginnt. Ich sehe noch einen Stapel auftauchen: in dem Hotelzimmer mit Antoinette, beim ersten Mal. Das hilft. Die Jahre nähern sich wieder der Gegenwart. Ihr Kleid, meine Hose. Zugegeben, nur meine Hose wurde gefaltet. Ihr Kleid war mithilfe ihres Zeigefingers links und rechts von ihren Schultern geglitten und direkt neben mir auf dem Boden liegen geblieben, während ich meine Sachen zusammenfaltete - etwas schneller als üblich; sie stand in BH und Slip vor mir und ich war auch nur ein Mensch. Es hilft immer noch, die Jahre nähern sich weiter.

Ich stehe auf, um die Badehose anzuziehen, als ich etwas weiter einen wandfüllenden Spiegel bemerke. Barfuß auf den kalten Fliesen drehe ich mich ihm zu. In diesem Keller wird es einem sehr leicht gemacht, sich verloren zu fühlen. Dieser Männerkörper im Spiegel. Ja, unbestreitbar wieder ein Mann von zweiundvierzig Jahren. Pigment verlierende Haare auf Kopf und Brust: Was damit anfangen? Er stemmt eine Hand in die Hüfte.

Auf der Hälfte seines Lebens befindet er sich in einem dunklen Keller.

Es wird höchste Zeit, die Badehose anzuziehen. Die Latschen lasse ich auf die Steinfliesen klatschen und schiebe meine Füße hinein. Der weiche, lange Bademantel umhüllt meinen Körper wohltuend, und ich knote den Gürtel fest zu.

Meine Sachen lege ich in ein Schließfach und sperre es zu. Den Schlüssel verstaue ich tief in der Tasche des Bademantels. Mit einer lockeren Geste werfe ich mir...
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Autor

Robbert Welagen, 1981 geboren, studierte an der Kunsthochschule in Den Bosch und Kunstgeschichte in Utrecht. Mit 25 Jahren gab er sein Debüt. Seither sind neun Romane erschienen. Preisgekrönt und in der Presse hymnisch gefeiert.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit publiziert Welagen in mehreren namhaften niederländischen Magazinen und Zeitungen darunter "De Groene Amsterdammer", "Trouw", "HP/De Tijd" und "VPRO Books". Robbert Welagen lebt in den Wäldern von Zeist.
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