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Sieben Keller

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
365 Seiten
Deutsch
neobookserschienen am16.12.2023
Franz Jäger und Klaus Müller fühlen sich als Höhlenforscher. Jede Höhle und jeden Erdkeller ihrer südbadischen Heimat wollen sie kennenlernen. Bis sie einen tödlichen Fund machen. Für Franz beginnt ein lebenslanges Trauma. Die Geschichte seines Heimatstädtchens und grausige Funde topedieren immer wieder sein Glück.

Maler - Zeitsoldat - Hausmann - Biotoppfleger - Schriftsteller
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Produkt

KlappentextFranz Jäger und Klaus Müller fühlen sich als Höhlenforscher. Jede Höhle und jeden Erdkeller ihrer südbadischen Heimat wollen sie kennenlernen. Bis sie einen tödlichen Fund machen. Für Franz beginnt ein lebenslanges Trauma. Die Geschichte seines Heimatstädtchens und grausige Funde topedieren immer wieder sein Glück.

Maler - Zeitsoldat - Hausmann - Biotoppfleger - Schriftsteller
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756568574
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.12.2023
Seiten365 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1346 Kbytes
Artikel-Nr.13204416
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2 Höhlenforscher

Die zwei blonden und mageren Zehnjährigen waren, was Höhlen betraf, schon richtig erfahren. Franz kannte die Keller seiner Verwandten, die der Nachbarn und auch einige die ihn nichts angingen. Dabei war er weniger auf Beute aus. Wenn er zuhause mit unbekanntem Besitz aufgetaucht wäre, hätte es vom Vater was hinter die Ohren gegeben; erst danach hätte der Vater gefragt, woher das Mitbringsel stammte. Franz untersuchte Keller und Höhlen, weil es spannend und nicht ungefährlich war. Damit hatte er seinen Klassenkameraden Klaus angesteckt. Klaus hatte keine Verwandten die Keller besaßen, er hatte überhaupt keine Verwandten. Zumindest kannte er sie nicht. Die Familie Müller stammte aus Ostpreußen und war eine der vielen Flüchtlingsfamilien, die nach dem Krieg in Sandheim gestrandet waren.

Die Flüchtlinge waren von der Obrigkeit zwangseinquartiert worden, was viel Unmut erzeugt hatte. Die Einheimischen waren nicht bereit, ihren knappen Wohnraum und ihre knappen Ressourcen mit Fremden zu teilen. Zimmer mussten geräumt und abgetreten werden. Dabei sind Welten aufeinander geprallt, denn die Flüchtlinge waren evangelisch und deshalb fremder als Ausländer. Sie hatten die falsche Religion, die falsche Sprache, benahmen sich falsch und sie sahen auch fremd aus. Damals konnte man fast Jedem ansehen, aus welchem Dorf er stammte. Es gab charakteristische Gesichter und Haare, die ihre Herkunft nicht verleugnen konnten.

Über Generationen hatte sich in Punkto Zuwanderung nichts bewegt. Während dem Kaiserreich und dem Dritten Reich gab es kaum Zuwanderung von Fremden, Neubürger waren eine total neue Erfahrung. Bestimmte Familiennamen, wie Jäger und Weber zum Beispiel, waren allgegenwärtig und dominierten die Stammbücher. Die Situation entspannte sich erst in den Fünfzigerjahren, nachdem die Neue Heimat am Stadtrand zwei Wohnblocks gebaut hatte. Das war dann doch die Höhe: Die Habenichtse bekamen schöne neue Wohnungen mit Klosett und Bad, während die Alteingesessenen in den Stall mussten oder über den Hof zum Abort. Gebadet wurde am Samstag in einem Zuber in der Küche.

Nicht alle Flüchtlinge bekamen eine neue Wohnung. Die Müllers lebten in einem kleinen verfallenen Häuschen, das stetig an Substanz verlor. Klaus Vater Johannes war mit seiner Mutter Herta und seiner verbliebenen Schwester Sybille ein Jahr nach Kriegsende in Sandheim gelandet. Als jugendlicher Flakhelfer war Johannes desertiert, hatte seine Mutter und die zwei Schwestern auf einen Wagen gesetzt und war mit ihnen und ihrem spärlichen Besitz gegen Westen geflohen. Schon zwei Tage später war der Gutshof, auf dem sie gearbeitet hatten, von der Roten Armee niedergebrannt worden. Auf der Flucht verendete zuerst das Pferd, danach starb auch die jüngste Schwester. Jede große Stadt die sie ansteuerten lag in Trümmern, haltlos und traumatisiert versuchten sie es über die Dörfer, konnten manchmal Tage bleiben, manchmal Wochen. Mutter und Sohn nahmen jede Arbeit an. Verfroren, fast verhungert und halb irre waren die Müllers in Sandheim gelandet, wo sie in der Vordergass bei einem alten Lustmolch unterkamen. Zum Glück für Mutter Herta und Schwester Sybille war der nach vier Monaten an einer Infektion gestorben.

In dessen Haus konnten sie bleiben. Johannes heiratete dann mit neunzehn Jahren ein Mädchen, das auch ein Flüchtlingskind war, nämlich Klaus Mutter Brunhilde. Die Braut war mittellos wie Johannes, die Hochzeit sehr bescheiden. Die beiden bekamen zwei Kinder, Klaus und Luise. Johannes drängte seine Schwester Sybille aus dem Haus, diese arbeitete dann beim Sandheimer Apotheker als Dienstmädchen und wohnte auch bei ihm.

In Klaus´ Elternhaus gab es nur zwei Zimmerchen, eine Küche und eine Abstellkammer. Seine Eltern schliefen natürlich im Schlafzimmer, wo auch Luise nächtigte. Klaus musste im Wohnzimmer schlafen, Oma Herta in der Abstellkammer. Obwohl die Alte noch keine fünfzig Lenze zählte, war mit ihr nicht mehr viel anzufangen. Gelernt hatte sie nichts, konnte nur Haushalt. Den Müllers gelang es nicht, einen Garten oder einen Boden zu pachten, für Kleinvieh war kein Platz, weshalb Oma Herta wenig zu tun hatte. Für eine geregelte Arbeit war sie zu phlegmatisch, die Ereignisse auf der Flucht hatten aus ihr eine antriebslose Person gemacht. Die Alte achtete auch nicht auf sich, lebte stumpfsinnig in den Tag hinein. Ihre lebendigen Enkel versuchten manchmal sie aufzuheitern, nur mit viel Aufwand konnten sie ihr mal ein Grinsen abringen.

Zwei Häuser weiter in der Vordergass wohnten die Jägers, hatten ebenfalls einen Sohn und eine Tochter, aber viel mehr Platz. Sie lebten in einem ehemaligen Bauernhof, verfügten über fünf Zimmer, eine Scheune, einen Stall und einen großen Hof, in dem man ungestört spielen konnte. Franz Vater Heiner war kein Soldat gewesen, er arbeitete bei den Badischen Stromwerken und war als Kanonenfutter zu schade, weil er für die regionale Stromversorgung zuständig war. Um seine Arbeit nicht zu verlieren, musste er in die NSDAP eintreten. Viele Mitbürger haben ihm das krumm genommen. Stromer blieb er aber auch nach dem Krieg. Die Behörden waren gezwungen, mit dem vorhandenen Potential weiterzumachen, auch wenn sie in der Partei gewesen waren, sonst wäre alles aus den Fugen geraten. Als Heiner heiratete, war er schon sechsundzwanzig, und als kurz nach der Hochzeit sein Vater starb, hatte er sofort die drei Kühe verkauft, den Misthaufen ausradiert, die Felder verpachtet und aus dem Stall eine Garage gemacht. Erst Jahre später konnte er sich den VW Käfer leisten, für den die Garage gedacht war. Franz Mutter Eva arbeitete auch, in der örtlichen Zigarrenfabrik. In fast jeder Ortschaft gab es damals eine, in Sandheim sogar zwei. Die Zigarrenfabriken boten den Frauen die Möglichkeit an Geld zu kommen, damit sie sich Stoffe, Knöpfe, Gummis und auch mal etwas Geschirr kaufen konnten. Weil ihre Eltern Doppelverdiener waren und auch noch am Stadtrand einen großen Garten bewirtschafteten, kannten Franz und seine Schwester Renate keinen Mangel.

Einen Nachteil hatte Franz seinem Freund gegenüber, er musste jeden Sonntag zur Kirche, was er hasste. Bei den evangelischen Müllers spielte Religion keine Rolle mehr.

Klaus fühlte sich als Sandheimer, eine andere Stadt kannte er ja nicht. Trotzdem war er als Flüchtling gebrandmarkt, als einer der Zugereisten, die böse Zungen als Hergelaufene bezeichneten. Als ob die Ostpreußen an ihrem Schicksal selber Schuld wären. Auf jeden Fall hatten es diese Neubürger schwer, anerkannt zu werden. Irgendwie waren sie auch komisch. Dass das erlebte Trauma auch auf die nächste Generation abfärbte, war damals nur wenigen bewusst. Am ehesten erfuhr man Anerkennung in einem Verein, meistens in einem Fußball- oder Turnverein. Wenn man Leistung brachte und dem Verein zu Ruhme und Ehre verhalf, dann war man jemand.

Franz und Klaus waren gemeinsam im Turnverein, konnten deshalb, ohne Mithilfe der Beine, an einem Seil hinauf klettern, was sie auch manchmal im Feld an Lianen übten. Sie träumten davon, einmal in eine tiefe Höhle hinab zu steigen, wo sie dann die Gerippe von Höhlenbären und Mammuts finden würden. Und vielleicht sogar Neandertalerknochen. Leider besuchten sie nach den Osterferien nicht mehr die gleiche Klasse, denn Franz wechselte auf das Gymnasium, Klaus blieb bis zur achten in der Volksschule.





Im Kaiserreich musste unsinnig viel Geld in Umlauf gewesen sein. Jedes Dorf das keine schöne Kirche hatte, bekam eine neue im romanischen, neugotischen oder barocken Stil. Egal ob katholisch oder evangelisch. Viele Gemeinden erhielten ein repräsentatives Rathaus und neue Schulen. Damals bekam Sandheim ein Gymnasium und bald darauf eine neue Volksschule, beide standen klotzig am Stadtrand. Das Gymi an der Nord-, die Volksschule an der Südeinfahrt. Gegenüber im Elsass, das damals zum deutschen Kaiserreich gehörte, wurde die prächtige Hochkönigsburg wieder errichtet, in Köln der Dom vollendet, in Ulm wurde dem Münster der höchste Turm der Christenheit verpasst. Da war der Turm des Freiburger Münsters schon über 500 Jahre fertig.

Die Freiburger hatte es in der Kaiserzeit besonders hart getroffen. Zuvor hatte schon die Bahnlinie die Stadt stark verändert. Durch diese kamen nicht nur viel Neues und viele Fremde in die Stadt. Auf einmal konnten die Freiburger innerhalb eines Tages auf bequeme Weise in ihre Hauptstadt Karlsruhe reisen, konnten nun ihre Waren im ganzen Reich verkaufen. Güter aus dem ganzen Reich, ach was, aus ganz Europa, gelangten jetzt auf zuverlässige Art pünktlich nach Freiburg. Die Bahn ermöglichte auch im großen Stil die Anfuhr von Kohle. Die Kohle wurde vergast, Freiburgs Straßen wurden mit Gaslaternen ausgestattet. Die Straßenbeleuchtung machte die Stadt noch attraktiver, sie wuchs und wuchs. Auch befeuert durch die Choleraepidemien im Ruhrgebiet und in Hamburg. Um die Jahrhundertwende ließen sich Begüterte aus ganz Deutschland in Freiburg luxuriöse Zweitwohnung bauen. Riesige neue Stadtteile entstanden, alte Türme und Häuser wurden aufwändig aufgestockt. Innerhalb von fünfundzwanzig Jahren verdoppelte sich die Zahl der Einwohner und Gebäude. Wie mochten das die Menschen damals empfunden haben? Wahrscheinlich waren die Meinungen, wie fast immer, zweigeteilt. Für die Profiteure war das wohl der Aufbruch in eine neue Zeit, für die konservativen Beobachter der Verlust der südbadischen Identität und Kultur. Zusehen zu müssen, wie immer mehr Felder, Höfe und Landschaft verschwinden, erschüttert jeden Eingeborenen, der dabei keinen Reibach macht.

An Sandheim war dieser Boom vorübergegangen, zwei neue Schulen mussten genügen, obwohl die Bewohner für ein Krankenhaus gekämpft hatten, denn ihr Spital sah zwar urig aus, war es...
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