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Das Zentrum

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
390 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am08.09.2014
Der alte Cipriano Algor betreibt mit seiner Tochter Marta in einem portugiesischen Dorf eine kleine Töpferei. Seit Jahren schon verkauft er sein Tongeschirr an das Zentrum, einen gigantischen Einkaufs- und Wohnkomplex. Doch von einem Tag auf den anderen kündigt man ihm die Geschäftsbeziehungen: Sein Geschirr sei nicht mehr zeitgemäß. Doch so schnell gibt sich Algor nicht geschlagen.

José Saramago (1922-2010) wurde in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Er entstammt einer Landarbeiterfamilie und arbeitete als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition.1998 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
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Produkt

KlappentextDer alte Cipriano Algor betreibt mit seiner Tochter Marta in einem portugiesischen Dorf eine kleine Töpferei. Seit Jahren schon verkauft er sein Tongeschirr an das Zentrum, einen gigantischen Einkaufs- und Wohnkomplex. Doch von einem Tag auf den anderen kündigt man ihm die Geschäftsbeziehungen: Sein Geschirr sei nicht mehr zeitgemäß. Doch so schnell gibt sich Algor nicht geschlagen.

José Saramago (1922-2010) wurde in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Er entstammt einer Landarbeiterfamilie und arbeitete als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition.1998 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455812763
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum08.09.2014
Seiten390 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.13444752
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteFür Pilar [...]Ein gar wunderliches Bild [...]Der Mann, der den [...]Der Töpfer brachte den [...]Marçal Gacho rief am [...]Seit Cipriano Algor mit [...]Autoritär, lähmend, redundant, manchmal [...]Ich gehe zu einem [...]Der Hund Achado mochte [...]In der geschützten Stille [...]Die Leute, die im [...]Die Gründe zur Klage [...]Mit bemerkenswerter und beruhigender [...]Der erste Akt der [...]Cipriano Algor träumte, er [...]Von diesem Tag an [...]Dass viele der anthropogenetischen [...]Die erste halbe Zenturie, [...]Am nächsten Morgen brachte [...]Während der Rückfahrt nach [...]Der Lieferwagen war gepackt, [...]Marta hatte ihrem Mann [...]Hier sind deine Sachen, [...]Über José SaramagoImpressummehr
Leseprobe

Der Mann, der den Lastwagen fährt, heißt Cipriano Algor, er ist Töpfer von Beruf und vierundsechzig Jahre alt, obgleich er nicht so alt wirkt. Der Mann, der neben ihm sitzt, ist sein Schwiegersohn, er heißt Marçal Gacho und ist fast dreißig. Doch seinem Gesicht nach würde ihn niemand für so alt halten. Bemerkenswert ist, dass bei dem einen wie bei dem anderen dem Vornamen ein recht ungewöhnlicher Nachname folgt, dessen Ursprung, Bedeutung und Hintergrund beiden unbekannt sind. Wahrscheinlich wären sie enttäuscht, wenn sie erführen, dass algor Schüttelfrost bedeutet, Vorbote des Fiebers, und gacho nicht mehr und nicht weniger ist als der Teil des Ochsennackens, auf dem das Joch sitzt. Der Jüngere der beiden trägt eine Uniform, ist aber nicht bewaffnet. Der Ältere hat eine normale Jacke und eine halbwegs dazu passende Hose an, das Hemd trägt er bis zum Kragen zugeknöpft, ohne Krawatte. Die Hände auf dem Lenkrad sind groß und kräftig, Bauernhände, und dennoch, vielleicht wegen des täglichen Umgangs mit dem weichen Ton, den sein Beruf mit sich bringt, verheißen sie Feinfühligkeit. Die rechte Hand Marçal Gachos ist nicht auffällig, doch der Handrücken der linken Hand weist eine Narbe auf, die nach Verbrennung aussieht, ein diagonal verlaufendes Mal, das vom Daumenansatz bis zum kleinen Finger reicht. Der Lastwagen verdient diesen Namen gar nicht, ist nur ein mittelgroßer, altmodischer Lieferwagen, der mit Töpferware beladen ist. Als die beiden Männer das Haus verließen, das war vor zwanzig Kilometern, begann es gerade erst zu dämmern, doch inzwischen sandte der Morgen genügend Licht in die Welt, dass man Marçal Gachos Narbe erkennen und die Feinfühligkeit der Hände Cipriano Algors erahnen konnte. Sie fahren mit gedrosselter Geschwindigkeit, wegen der Zerbrechlichkeit ihrer Fracht und auch wegen der Unebenheiten im Straßenbelag. Die Lieferung von Waren, die nicht als besonders dringlich gelten, und dazu gehört rustikale Keramik, erfolgt laut Vereinbarung im Laufe des Vormittags, und wenn diese beiden Männer so früh unterwegs sind, dann liegt das daran, dass Marçal Gacho mindestens eine halbe Stunde, bevor die Tore des Einkaufszentrums für die Kunden geöffnet werden, seine Stempelkarte in die Stechuhr gesteckt haben muss. An den Tagen, an denen der Schwiegersohn nicht dabei ist, er aber dennoch Keramik ausliefern muss, braucht Cipriano Algor nicht so früh aufzustehen. Dennoch ist es immer er, der Marçal Gacho alle zehn Tage von der Arbeit abholt, damit dieser die ihm zustehenden vierzig Stunden Freizeit mit seiner Familie verbringen kann, und ihn dann, mit oder ohne Keramik auf der Ladefläche, wieder pünktlich zu seinen Aufgaben und Pflichten als Wachmann im Innendienst zurückbringt. Die Tochter Cipriano Algors, die mit Vornamen Marta heißt und mit Nachnamen Isasca Algor, Ersteres vonseiten der bereits verstorbenen Mutter und Letzteres von väterlicher Seite, kann sich an der Anwesenheit ihres Mannes in Haus und Bett nur sechs Nächte und drei Tage im Monat erfreuen. In der vorletzten Nacht ist sie schwanger geworden, aber das weiß sie noch nicht.

Die Gegend ist dunkel und schmutzig, nicht wert, dass wir sie näher betrachten. Irgendjemand hat diesen riesigen Flächen, die so gar nichts Ländliches an sich haben, den Fachausdruck Agrargürtel verliehen, oder auch Grüngürtel, des poetischen Klangs wegen, doch die einzige Landschaft, die das Auge auf beiden Seiten der Straße wahrnimmt und die ohne erkennbare Begrenzung Tausende von Hektar einnimmt, sind große, rechteckige, mit Flachdächern versehene Konstruktionen aus einst durchsichtigem Plastik, das die Zeit und der Staub nach und nach grau oder braun färbten. Darunter, für die Vorbeifahrenden nicht sichtbar, wachsen Pflanzen. Auf kleineren, in die Hauptverkehrsstraße mündenden Straßen sieht man hier und da Lastwagen und Traktoren, deren Anhänger mit Gemüse beladen sind, doch die Mehrzahl der Transporte erfolgte bereits während der Nacht, wer jetzt unterwegs ist, hat entweder eine ausdrückliche Sondergenehmigung für die späte Lieferung, oder er hat verschlafen. Marçal Gacho schiebt diskret den linken Ärmel seiner Uniformjacke nach oben, um auf die Uhr zu sehen, er ist beunruhigt, weil der Verkehr immer dichter wird und er weiß, dass es von nun an, wenn sie erst in den Industriegürtel kommen, immer langsamer gehen wird. Der Schwiegervater bemerkt seine Geste, schweigt jedoch dazu, dieser Schwiegersohn ist zweifellos ein netter Kerl, aber er ist nervös, gehört zum Schlag der ewig Ruhelosen, ist stets beunruhigt über den Lauf der Zeit, selbst wenn er zu viel davon hat, und in letzterem Fall scheint er nie zu wissen, womit er sie füllen soll, die Zeit, versteht sich, Wie wird das nur, wenn er so alt ist wie ich, denkt er. Sie haben den Agrargürtel hinter sich gelassen, die Straße, nun zunehmend schmutziger, durchquert den Industriegürtel, bahnt sich ihren Weg durch Fabrikanlagen jeglicher Art und Größe, mit runden oder zylindrischen Brennstofftanks, mit Stromversorgungsanlagen, Kanalisationssystemen, Luftschläuchen, Hängebrücken, Rohren in allen möglichen Durchmessern, mal rot, mal schwarz, mit Kaminen, die giftige Rauchwolken in die Atmosphäre jagen, langarmigen Kränen, Chemielabors, Erdölraffinerien, durch ekelhafte, bittere oder süßliche Gerüche, das schrille Lärmen von Bohrern, das Kreischen aus dem Sägewerk, brutale Schläge von Maschinenhämmern, gelegentlich auch durch eine ruhige Zone, niemand weiß, was dort produziert wird. Da sagte Cipriano Algor schließlich, Mach dir keine Sorgen, wir kommen schon pünktlich an, Ich mach mir keine Sorgen, antwortete der Schwiegersohn, seine Unruhe nur schlecht verbergend, Das weiß ich doch, es war nur so dahin gesagt, sagte Cipriano Algor. Er bog in eine Seitenstraße ab, die nur für Anlieger war, Wir nehmen hier die Abkürzung, sagte er, falls die Polizei uns fragt, warum wir von der Hauptstraße abgefahren sind, denk an unsere Abmachung, wir haben in einer dieser Fabriken etwas zu erledigen, bevor wir in die Stadt fahren. Marçal Gacho atmete auf, wenn der Verkehr auf der Straße zu chaotisch wurde, wählte der Schwiegervater früher oder später einen anderen Weg. Was ihn ängstigte, war die Möglichkeit, dass er aus Zerstreutheit zu spät auf diese Idee käme. Glücklicherweise waren sie trotz der Ängste und Warnungen nie von der Polizei angehalten worden, Irgendwann muss er kapieren, dass ich kein kleines Kind mehr bin, dachte Marçal, dass er mich nicht jedes Mal daran erinnern muss, dass wir etwas in den Fabriken zu erledigen haben. Keiner der beiden kam auf die Idee, dass ausgerechnet die Wachmannuniform des Zentrums, die Marçal Gacho trug, der Grund für die beständige Toleranz oder wohlwollende Nachsicht der Verkehrspolizei war, dass dies nicht einfach Resultat vielfacher Zufälle oder hartnäckigen Glücks war, wie wahrscheinlich die Antwort der beiden gelautet hätte, hätte man sie nach dem Grund gefragt, weshalb sie wohl bislang nie bestraft worden waren. Hätte Marçal Gacho den Grund gekannt, hätte er vielleicht das Gewicht der Autorität, die die Uniform ihm verlieh, bei seinem Schwiegervater geltend gemacht, hätte Cipriano Algor ihn gekannt, hätte er seinen Schwiegersohn vielleicht mit weniger ironischer Nachsicht behandelt. Es ist wohl wahr, dass weder die Jugend weiß, was sie kann, noch das Alter kann, was es weiß.

Nach dem Industriegürtel beginnt die Stadt, das heißt, nicht die eigentliche Stadt, denn die erblickt man erst in der Ferne, sanft liebkost von den ersten, rosafarbenen Sonnenstrahlen, das, was man hier sieht, sind chaotische Ansammlungen von Baracken, bestehend aus allen möglichen, meist zweifelhaften Materialien, die diese so armselig behausten Bewohner vor Unwettern und in erster Linie vor Regen und Kälte schützen sollen. Es ist, wie die Stadtbewohner sagen, ein Ort zum Fürchten. Von Zeit zu Zeit wird in dieser Gegend im Namen der klassischen Maxime, der Zweck heiligt die Mittel, ein mit Lebensmitteln beladener Lastwagen überfallen und in weniger Zeit, als man zum Erzählen des Vorgangs braucht, leer geräumt. Die ausgesprochen effiziente Vorgehensweise wurde nach langwieriger kollektiver Reflexion des Scheiterns der ersten Versuche erarbeitet, welches, wie sich später herausstellte, auf das völlige Fehlen einer Strategie zurückzuführen war, auf die völlig veraltete Taktik, wenn man es überhaupt als solche bezeichnen kann, und schließlich auch auf eine unzureichende, falsche Koordination der beteiligten Kräfte, die in der Praxis einfach sich selbst überlassen waren. Da der Verkehrsfluss auch nachts kaum unterbrochen war, bewirkte das Absperren der Straße zum Anhalten eines Lasters, wie ursprünglich geplant, dass die Straßenräuber in ihre eigene Falle tappten, denn hinter diesem einen Lastwagen kamen sofort andere Laster nach, und somit auch Verstärkung und prompte Hilfe für den in Not geratenen Fahrer. Die Lösung des Problems, die in der Tat genial war, was hinter vorgehaltener Hand sogar die Polizeibeamten zugaben, bestand darin, dass sich die Straßenräuber in zwei Gruppen aufteilten, eine taktische und eine strategische, und zwei Sperren errichteten statt einer, wobei die taktische Gruppe damit begann, blitzschnell die Straße abzusperren, sobald ein Laster, der von den nachfolgenden weit genug entfernt war, vorbeigefahren war, und dann errichtete die strategische Gruppe, die mit Hilfe eines Leuchtsignals sofort verständigt wurde, ein paar hundert Meter weiter ebenso blitzschnell eine zweite Sperre, wo dem vom Schicksal verdammten Fahrzeug keine andere Wahl blieb, als anzuhalten und sich ausrauben zu lassen. Für die Fahrzeuge in der Gegenrichtung war keine Straßensperre erforderlich, denn die Fahrer hielten ganz von selbst an, wenn sie erkannten, was dort vorn vor sich ging. Eine dritte...
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José Saramago (1922-2010) wurde in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo geboren. Er entstammt einer Landarbeiterfamilie und arbeitete als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist, bevor er Schriftsteller wurde. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition.1998 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.