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Narzissmus im Arbeitsleben

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
91 Seiten
Deutsch
Vandenhoeck & Ruprechterschienen am22.01.20241. Auflage
Wer als «narzisstisch» bezeichnet wird, kommt selten gut weg. Meist schwingt ein herabsetzender Unterton mit, der das Verständnis für die emotionale Not im Narzissmus blockiert. Weil Anerkennung und Selbstwert in der westlichen Gesellschaft maßgeblich über Karriere, Geld und Macht reguliert werden, spielt Narzissmus auch im Arbeitsleben eine bedeutsame Rolle. Die Übertragung dieses ursprünglich klinischen Konzepts in den Alltag bedarf allerdings einer sorgfältigen Klärung, die es von Bewertung und Pathologisierung befreit. Berater:innen sehen sich mit beeindruckenden Fähigkeiten und Leistungen, aber auch Selbstunsicherheit, Verletzlichkeit, Kränkbarkeit, Gefühlsblindheit, Kontroll- und Manipulationsversuchen, Provokationen und Verführungen konfrontiert. Sie sind gefordert, narzisstische Dynamiken zu erkennen und zu verstehen, um sich mit einer adäquaten Haltung, angemessenen Kommunikationsstrategien und realistischen Erwartungen darauf einzulassen. Die Herausforderung besteht darin, sowohl wohlwollend und interessiert als auch nüchtern und unabhängig zu bleiben. Das Buch vermittelt eine Konzeption von Narzissmus als zwischenmenschlich bedeutsamem, seelischem Phänomen, das wir stets mitgestalten. Sein wissenschaftliches Fundament bilden aktuelle Erkenntnisse aus Psychoanalyse, Psychotherapie, Entwicklungspsychologie und Neurobiologie. Sie werden anhand von Fallvignetten und frei von Fachjargon präsentiert und münden in ein Verständnis, das aus den alltäglichen Herausforderungen des Selbstseins hervorgeht.

Dr. phil. Marius Neukom ist klinischer Psychologe, Psychoanalytiker, eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut, Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP), Supervisor, Coach und Weiterbildner in eigener Praxis in Zürich (www.mneukom.ch). Hinzu kommen langjährige Tätigkeiten als Dozent, Psychotherapie-Forscher und stellvertretender Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Er hat zahlreiche Publikationen in den Bereichen Psychologie, Psychoanalyse, Psychotherapie, Coaching, Literaturwissenschaft und Musikkultur veröffentlicht.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR18,00
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR18,00

Produkt

KlappentextWer als «narzisstisch» bezeichnet wird, kommt selten gut weg. Meist schwingt ein herabsetzender Unterton mit, der das Verständnis für die emotionale Not im Narzissmus blockiert. Weil Anerkennung und Selbstwert in der westlichen Gesellschaft maßgeblich über Karriere, Geld und Macht reguliert werden, spielt Narzissmus auch im Arbeitsleben eine bedeutsame Rolle. Die Übertragung dieses ursprünglich klinischen Konzepts in den Alltag bedarf allerdings einer sorgfältigen Klärung, die es von Bewertung und Pathologisierung befreit. Berater:innen sehen sich mit beeindruckenden Fähigkeiten und Leistungen, aber auch Selbstunsicherheit, Verletzlichkeit, Kränkbarkeit, Gefühlsblindheit, Kontroll- und Manipulationsversuchen, Provokationen und Verführungen konfrontiert. Sie sind gefordert, narzisstische Dynamiken zu erkennen und zu verstehen, um sich mit einer adäquaten Haltung, angemessenen Kommunikationsstrategien und realistischen Erwartungen darauf einzulassen. Die Herausforderung besteht darin, sowohl wohlwollend und interessiert als auch nüchtern und unabhängig zu bleiben. Das Buch vermittelt eine Konzeption von Narzissmus als zwischenmenschlich bedeutsamem, seelischem Phänomen, das wir stets mitgestalten. Sein wissenschaftliches Fundament bilden aktuelle Erkenntnisse aus Psychoanalyse, Psychotherapie, Entwicklungspsychologie und Neurobiologie. Sie werden anhand von Fallvignetten und frei von Fachjargon präsentiert und münden in ein Verständnis, das aus den alltäglichen Herausforderungen des Selbstseins hervorgeht.

Dr. phil. Marius Neukom ist klinischer Psychologe, Psychoanalytiker, eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut, Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP), Supervisor, Coach und Weiterbildner in eigener Praxis in Zürich (www.mneukom.ch). Hinzu kommen langjährige Tätigkeiten als Dozent, Psychotherapie-Forscher und stellvertretender Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Er hat zahlreiche Publikationen in den Bereichen Psychologie, Psychoanalyse, Psychotherapie, Coaching, Literaturwissenschaft und Musikkultur veröffentlicht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783647993140
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum22.01.2024
Auflage1. Auflage
Seiten91 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1225 Kbytes
Illustrationenmit 8 Abbildungen
Artikel-Nr.13467856
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2 Anerkennung von Abhängigkeit

Die Angewiesenheit auf Anerkennung ist durch und durch menschlich und verursacht nur in übersteigerter oder frustrierter Form gravierende zwischenmenschliche Dissonanzen und Leid. Grundsätzlich ist sie ein hoch funktionales Regulativ, das dem sozial verträglichen Zusammenleben zugrunde liegt: Wenn ich auf Anerkennung anderer angewiesen bin, liegt es in meinem Interesse, diejenigen zu respektieren und anzuerkennen, von denen ich abhänge. Damit wird das Wohlbefinden des:der Einzelnen zu einem sozialen, intersubjektiven Anliegen. Empathie und Rücksichtnahme konkurrieren und übertrumpfen das Recht des Stärkeren. Sobald ein Individuum in der Lage ist, eigene und fremde Bedürfnisse in ihrem Zusammenspiel zu reflektieren, kann es von den Potenzialen sozialer Zusammenschlüsse profitieren, die Entwicklungsräume, Anerkennung, Sinnhaftigkeit und auch Schutz bieten. Darin liegt ein bedeutender Wert von Organisationen, Gesellschaft und Kultur. Sie sind Manifestationen menschlicher Autonomiebedürfnisse; entwicklungsfördernd und einschränkend zugleich.
2.1 Die Bürde schmerzlicher Abhängigkeit

Individualität, Identität, Entwicklung, Motivation, das Erleben von Gefühlen und Sinnhaftigkeit sowie das Wohlbefinden hängen von der Anerkennung durch andere ab. Zu den prekären Bedingungen des Selbstseins gehört die Angewiesenheit auf Anerkennung. Individuen können sich nie ganz vom Blick anderer ablösen. Sie sind auf Rückmeldungen angewiesen. Daher erfordert das Selbstsein die Anerkennung von schmerzlicher Abhängigkeit. Die deutsche Sprache gibt uns hier eine nützliche Unterscheidung an die Hand: »Schmerzhaft« bezieht sich auf körperlichen, »schmerzlich« auf seelischen Schmerz. Folgende Grafik veranschaulicht diese Bedingungen (Abb. 3):

Abbildung 3: Anerkennung von Abhängigkeit
Das Verlangen, gesehen, angenommen, emotional versorgt und geliebt zu werden

Neugeborene können ohne emotionale Versorgung weder überleben noch ein Gefühl für sich selbst entwickeln. Dieser Abhängigkeit entspricht das lebenslange Verlangen, von anderen gesehen und geliebt zu werden, um sich selbst sein zu können.
Angewiesenheit auf Anerkennung

Selbstsein, Individualität, Identität und Individuation sind auf die Anerkennung anderer angewiesen.
Beziehung

Wechselseitiges Anerkennen und das Gefühl des Anerkanntwerdens ereignen sich in Beziehungen, die gekennzeichnet sind von Zuwendung, Bewunderung (Wertschätzung), Liebe, Sicherheit und Schutz. Sie verlangen nicht nur die Fähigkeit, sich vertrauensvoll einzulassen, sondern bedürfen - spätestens im Erwachsenenleben - auch der Abgrenzung und des Respekts vor der Autonomie und Abhängigkeit anderer.
Souveräne Autonomie

Das Erleben von Autonomie erlaubt Kreativität, Expansion und lustvolle Erkundung der Welt. Es ist mit angenehmen Gefühlen wie Selbstsicherheit, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortlichkeit, Stolz und Freiheit verbunden. Diese ermöglichen die Ausbildung intrinsischer Motivation und die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen, dafür Leistung zu erbringen und sie zu erreichen.
Schmerzliche Abhängigkeit

Die Angewiesenheit auf Anerkennung bedeutet unausweichlich, abhängig und begrenzt zu sein. Die Erlangung fortdauernder Autonomie ist daher eine Illusion. Abhängigkeit und Begrenzung sind zudem wesensmäßig mit Verletzlichkeit, Bedürftigkeit, Unsicherheit, Ohnmacht, Scham und Angst assoziiert. Diese Gefühle sind Ausdifferenzierungen erlebter Abhängigkeit und stets in Beziehungserfahrungen eingebunden (Kap. 3.1). Wenn ich im Folgenden von »schmerzlicher Abhängigkeit« spreche, denke ich sie stets mit.

»Souveräne Autonomie« und »schmerzliche Abhängigkeit« verweisen auf die Auswirkungen von Anerkennung, Wertschätzung und Bewunderung auf das Selbstsein und die Regulation von Beziehungen. Notabene betrachte ich die mit Autonomie und Abhängigkeit einhergehenden Gefühle nicht normativ als von vornherein »positiv«, angenehm, erwünscht oder »negativ«, unangenehm, unerwünscht. Autonomie ist mitunter unwillkommen, belastend und beängstigend, so wie Abhängigkeit auch eine Quelle von intensivem Genuss sein kann.
Anerkennung von Abhängigkeit

Die Angewiesenheit auf Anerkennung und der Respekt vor der Autonomie und Abhängigkeit anderer erfordern die psychisch anspruchsvolle Leistung der Anerkennung von schmerzlicher Abhängigkeit.
Selbstsein

Das Selbstsein wie auch Individualität, Identität und Individuierung sind auf zuverlässige Bindungen, respektvolle Beziehungen und die Anerkennung anderer angewiesen. Von Geburt an definieren Letztere einen Rahmen, der Selbstachtung, realistische Selbstwahrnehmung und -reflexion sowie verantwortungsvolle Selbstbegrenzung erst ermöglicht (Kap. 3 u. 4.1).

Individuen in der Arbeitswelt sind Rollenträger, die als solche Beratungen und Coachings aufsuchen. Ihre Rollen sind Bündel von Aufgaben, Kompetenzen und Erwartungen an der Nahtstelle zwischen Individuum und Organisation (Steiger u. Lippmann, 2013, S. 46 ff.; Lewkowicz u. Neukom, 2019, S. 35 ff. u. 205 ff.). Dementsprechend gehört zu den Aufgaben von Berater:innen, das Zusammenwirken der inneren Bedingungen von Individuen (ihr Selbstsein) und der Bedingungen der jeweiligen Organisationen (Primäraufgabe, Struktur, Rollendefinitionen, Kennzahlen, Systeme, Kultur) zu verstehen und zu fördern (Kap. 5). Die Thematik »Narzissmus in der Arbeitswelt« bezieht sich darauf, wie Individuen bestimmte Gefühle in Organisationen untereinander regulieren und welche Auswirkungen dies auf die Kommunikation, Rollen, Führungsaufgaben, Strukturen, Systeme und Kulturen hat.

Das Substrat von Narzissmus

Narzissmus reguliert die menschliche Abhängigkeit von Anerkennung. Die größte Herausforderung ist, diese Abhängigkeit anzuerkennen, also die eigene Verletzlichkeit, Bedürftigkeit, (Selbst-)Unsicherheit, Ohnmacht, Scham und Angst zu erleben und auszuhalten.


Die Bürde des Narzissmus besteht in der Bewältigung der Anerkennung von Abhängigkeit. Das Erleben und die Integration schmerzlicher Abhängigkeit erfordern das Wahrnehmen und Aushalten von (Selbst-) Unsicherheit, Ohnmacht, Scham und Angst. Dies sind hemmende und zunächst unerwünschte Gefühle, die das Selbstsein infrage stellen. Sie sind jedoch wertvoll, weil sie die Außengrenze des Individuums konstellieren. Im Streben nach Individualität und Autonomie macht jeder Mensch nicht nur die Erfahrung, dass er physisch, psychisch und zeitlich limitiert ist, sondern auch, dass er in seiner Angewiesenheit auf Anerkennung von seinen Mitmenschen nicht nur abhängt, sondern auch durch deren Autonomie begrenzt wird. Narzissmus findet daher in der Intersubjektivität, das heißt zwischen den Individuen statt. In ihm werden sowohl eigene und fremde Wünsche nach Autonomie als auch schmerzliche Abhängigkeit ausgetauscht und aufeinander abgestimmt. Er ist das Regulativ, das diese unabschließbare Ausbalancierung auf intra- und interpsychischer Ebene ermöglicht.

So sehr ein Individuum nach Erfolg, Glück und Autonomie strebt und diese vielleicht auch erreicht, so sehr ist es darauf angewiesen, die eigenen Grenzen zu erfahren. Wenn es nur Erfolg erlebt, beginnt es, sich ins Unermessliche auszudehnen und sich selbst in der eigenen Fantasiewelt zu verlieren. Es benötigt unangenehme, das Autonomieerleben einschränkende Gefühlslagen, Widerspruch und limitierende äußere Bedingungen. Es muss sie aushalten und verarbeiten können, um sich selbst als lebendig zu erleben, realistisch wahrzunehmen und sowohl eigene als auch fremde Grenzen respektieren zu können. Ebenso kann sich kein Individuum restlos in den Schutz von Abhängigkeit und Versorgung begeben. Denn in symbiotischen Verschmelzungen verschwinden das Selbst und das Gegenüber, und die Beteiligten hören auf, Individuen zu sein und Verantwortung zu übernehmen.

Die Aufgabe der Integration schmerzlicher Gefühle steht nicht nur in der Verantwortung einzelner Individuen. Anerkennen und Anerkanntwerden sind Austauschprozesse innerhalb von Beziehungen und Gruppen, die sich häufig in diesem Dienst formieren. Die belastenden Gefühle bedürfen der Wahrnehmung und des Mitgefühls anderer. Doch weil sie so schwer aushaltbar sind, werden sie häufig - von Einzelnen, aber auch kollektiv - versteckt, vermieden oder gar zu eliminieren versucht. Individuen neigen dann zu übertriebener Selbstbezogenheit in Stärke oder auch Hilflosigkeit. Dies führt zu Selbstausbeutung, Überbewertung von Leistung, Erfolg, Geld und Macht, Verantwortungsabgabe oder auch Substanzmissbrauch. In Beziehungen entstehen Konstellationen, in denen typischerweise Vereinnahmungen, Asymmetrien, Täuschungen, Enttäuschungen, Kränkungen, Ausbeutungssituationen, Respektlosigkeiten und Verzerrungen infolge von Idealisierungen und Entwertungen eine Rolle zu spielen beginnen (Kap. 4.1).
2.2 Geld, Macht und die Illusion von...
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Autor

Dr. phil. Marius Neukom ist klinischer Psychologe, Psychoanalytiker, eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut, Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP), Supervisor, Coach und Weiterbildner in eigener Praxis in Zürich (mneukom.ch). Hinzu kommen langjährige Tätigkeiten als Dozent, Psychotherapie-Forscher und stellvertretender Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Er hat zahlreiche Publikationen in den Bereichen Psychologie, Psychoanalyse, Psychotherapie, Coaching, Literaturwissenschaft und Musikkultur veröffentlicht.