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Lichter auf der Piazza Maggiore

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Schöffling & Co.erschienen am22.02.2024
Als Enrico Anna zum ersten Mal sieht, la?uft sie gerade la­chend mit ihren Freundinnen u?ber die Piazza Maggiore. Hier schla?gt jetzt, im Ma?rz 1977, das Herz der Proteste in der Universita?tsstadt Bologna, und hier treffen sich die jun­gen Studierenden, die voller Kreativita?t und Lebenslust nach Alternativen zur Lebensweise ihrer Eltern suchen. Obwohl Enrico sich zuna?chst nicht traut, Anna anzusprechen, wird aus ihnen ein Paar. Doch ihre Liebe ist eine, die unweigerlich enden muss, ebenso wie die Proteste der Studierenden, die von Polizei und Justiz mit stetig wachsender Brutalita?t ver­folgt werden. Enrico Palandri erza?hlt auf unnachahmliche Weise von einer Zeit des Aufbruchs und der Utopien: Briefe, Notizen und Gedichte verweben sich collagenartig zur Chronik der Ge­schichte von Anna und Enrico - und zugleich zur Chronik einer Bewegung. Lichter auf der Piazza Maggiore erschien 1979 in Italien und avancierte sogleich zum Kultbuch. Nun ist der Klassiker erstmals in deutscher U?bersetzung zu entdecken.

Enrico Palandri wurde 1956 in Venedig geboren, studierte bei Umberto Eco an der Universita?t Bologna und stellte ein Buch u?ber den populären Untergrundsender Radio Alice zusammen, in dem sich die damalige Protestbewegung der Studierenden wiederfand. Lange Zeit lebte er als Professor in London und inzwischen wieder in Italien. Neben Gedichten, Essays und Erzählungen schrieb er sieben weitere Romane; Lichter auf der Piazza Maggiore ist sein erstmals 1979 erschienenes Debu?t.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextAls Enrico Anna zum ersten Mal sieht, la?uft sie gerade la­chend mit ihren Freundinnen u?ber die Piazza Maggiore. Hier schla?gt jetzt, im Ma?rz 1977, das Herz der Proteste in der Universita?tsstadt Bologna, und hier treffen sich die jun­gen Studierenden, die voller Kreativita?t und Lebenslust nach Alternativen zur Lebensweise ihrer Eltern suchen. Obwohl Enrico sich zuna?chst nicht traut, Anna anzusprechen, wird aus ihnen ein Paar. Doch ihre Liebe ist eine, die unweigerlich enden muss, ebenso wie die Proteste der Studierenden, die von Polizei und Justiz mit stetig wachsender Brutalita?t ver­folgt werden. Enrico Palandri erza?hlt auf unnachahmliche Weise von einer Zeit des Aufbruchs und der Utopien: Briefe, Notizen und Gedichte verweben sich collagenartig zur Chronik der Ge­schichte von Anna und Enrico - und zugleich zur Chronik einer Bewegung. Lichter auf der Piazza Maggiore erschien 1979 in Italien und avancierte sogleich zum Kultbuch. Nun ist der Klassiker erstmals in deutscher U?bersetzung zu entdecken.

Enrico Palandri wurde 1956 in Venedig geboren, studierte bei Umberto Eco an der Universita?t Bologna und stellte ein Buch u?ber den populären Untergrundsender Radio Alice zusammen, in dem sich die damalige Protestbewegung der Studierenden wiederfand. Lange Zeit lebte er als Professor in London und inzwischen wieder in Italien. Neben Gedichten, Essays und Erzählungen schrieb er sieben weitere Romane; Lichter auf der Piazza Maggiore ist sein erstmals 1979 erschienenes Debu?t.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783731762621
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum22.02.2024
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1538 Kbytes
Artikel-Nr.13955119
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Mensch MAI! Was für besoffne Nackt-Ärsche!

arthur rimbaud, pariser kriegsgesang

Mai und September waren schon immer meine Lieblingsmonate; ich liebe die Sonne und den Himmel, die Katzen und die Dächer und all die tollen Menschen, die auf den Stufen von san petronio sitzen oder in der villa margherita auf der Wiese liegen.

Eigentlich möchte ich keinen einzigen Tag dieses schönen Monats auslassen, doch die Erinnerung verirrt sich zu einem Nachmittag auf der piazza maggiore, und von dem will ich jetzt erzählen:

mit giulianos Kurs bauten wir damals Himmelslaternen und ließen sie steigen und sangen dabei; eines nachmittags kam ich gerade von einem dieser komischen Treffen, für die ich keinen Namen habe, wo wir irgendwie alles ans Laufen brachten, wo wir wie bekloppt herumsprangen und »flieg! flieg!« schrien oder auch »brenne!! brenne!!«; ich war fröhlich und in diesem Zustand des verliebten Überfließens, den der Frühling mit sich bringt.

Du kriegst dich einfach nicht mehr ein, weißt dir nicht zu helfen, und der Sex, diese unermessliche, schlafraubende Kraft, sprengt alle Regeln (die Regeln des Winters), mit denen du dich normalerweise gegen das Elend und die Angst zu vereinsamen wappnest; alle flotten Zweier, Dreier und kollektiven Orgien werden im Frühling zu bloßen Ordnungshütern, die dir vorgaukeln, es gebe eine Konkretisierung der Begierde, wo sonst nur Abstraktion herrscht, wo Worte und Dinge streng voneinander getrennte, eigenständige Bereiche sind: Sex, Intellekt, Liebe, Kinder, Kacke und so weiter und so fort: kurz gefasst, Körper und Seele oder auch »divide et impera!«

im Zustand des Überfließens aber treten die Zusammenhänge, innerhalb derer ihr euch kennengelernt habt, zurück, Kategorien lösen sich in Luft auf, sodass ihr plötzlich das eine behaupten könnt und gleichzeitig sein Gegenteil und dann noch etwas Drittes, das völlig außen vor ist, und trotzdem ergibt alles einen Sinn, was letztlich darauf hinausläuft, dass es keinen Sinn gibt.

Im Zustand des Überfließens stößt du automatisch jene vor den Kopf, die dich als ruhige und vernünftige Persönlichkeit kennengelernt haben;

ihr erkennt das Überfließen daran, dass euch die Beziehungen, die ihr im Winter aufgebaut habt, zu eng werden, vielleicht funktionieren Frühjahrsbeziehungen auch einfach besser, was auf mich allerdings nicht zutrifft,

eure Träume fließen über und zerren euch in unerforschtes Gelände, wo ihr euch nicht mehr erklären könnt, was die doors oder irgendeine Basslinie in eurem Unterbewusstsein zu suchen haben.

Egal â¦ man hat eh keine Chance, wenn man überfließt, fließt man eben über, Erklärungen bringen da nicht viel, bla bla bla Leben versus Ideologie, bla bla bla Individuum versus Gesellschaft, bla bla und nochmals bla; um nur ein paar Symptome zu nennen.

In diesem Zustand also betrat ich an jenem Nachmittag die piazza; calabrò war da in einer tollen, knielang abgeschnittenen Jeans (dichtes schwarzes Beinfell!), und wir setzten uns zu daniele, dem lieben Frühlings-Cupido, der wie immer so hübsche Sachen anhatte, Blümchenhemd, Gamaschen und eine kurze Weste.

Neben ihm lag eine Einkaufstüte mit lauter Blüten an ein paar Zweigen; er las in einem alten, vergilbten Buch (das bestimmt nicht oft die pralle Nachmittagssonne zu Gesicht bekam!)

ich kannte daniele nicht, beobachtete ihn aber häufig, ihn und andere. Ich mag, wie er sich kleidet, und seine elegante Lässigkeit; auch wirkt er immer irgendwie bekümmert, leidend, und seine Aura des Instabilen unterschied ihn meiner Ansicht nach von den übrigen edlen Unbekannten, auf deren Betrachtung ich viel Zeit verwand.

»was liest du denn Schönes?«, frage ich ihn.

»aminta von tasso.«

»tasso?«

»ja!«

»warum liest du denn den alten Kram?«

Wenn ich Small Talk betreibe, kommt meist nur Müll dabei heraus, oder besser gesagt, ich werde unfreiwillig albern und rede in einer Tour Unsinn; und weil ich mir selbst dabei schmerzlich bewusst bin, dass ich mich gerade bis auf die Knochen blamiere, leide ich genauso darunter wie unter dem ganzen Rest, wenn ich mich »locker« unterhalte.

Ich war daniele dankbar für seine ruhige und höfliche Reaktion, die ohne Häme war; aber ich blieb auf der Hut; immerhin konnte seine Freundlichkeit jäh umschwenken in ein »das geht dich einen feuchten Kehricht an, zieh Leine, du stinkender Breitmaulfrosch!« oder was die Tierwelt sonst an miesen Vergleichen bereithält, um meinen großen Mund zu beschreiben; aber daniele ist feinfühlig, großmütig, wahrscheinlich sah er im Gegensatz zu mir keinen Grund zu Gereiztheit und antwortete geduldig und präzise auf meine nicht enden wollende Liste dämlicher Fragen; dann irgendwann, mitten in unserem semi-ernsten Literaturdiskurs, sehe ich, wie er in allem stockt (Kopf, Worte, Atmung), mich anlächelt und allein durch seine Körperhaltung unser banales Gespräch unterbricht, zu meiner großen Erleichterung, mich anblickt (ich erwarte eine umwerfende Erkenntnis von seinen Lippen!) und fragt:

»interessierst du dich für die Liebe?«

Ich war sofort in heller Aufregung, das hatte ich doch sagen wollen, genau darüber musste ich doch so dringend reden (muss ich immer noch)

»guck mal da drüben, mein Freund, siehst du die Frau da, die sich mit der Breitschultrigen unterhält, immer wenn ich sie sehe, setzt mein Verstand aus; ich weiß nicht mehr, wie mir geschieht, höre nicht mehr, was die anderen sagen, starre nur noch sie an, so wunderschön ist sie, ich habe sie, glaub ich, schon irgendwo gesehen, keine Ahnung, wo â¦«, aber das sagte ich nicht, wahrscheinlich habe ich auf danieles Frage nur »ja, total« genuschelt, woraufhin er mir mit leidenschaftlicher Verve ganze Passagen aus dem ollen Buch vorzulesen begann. ich hing meinen Gedanken nach und lauschte seinen schönen Worten.

Anna hatte sich mit diana in unsere Nähe gesetzt, sie hatte eine weiße Latzhose an

einer dieser wunderbaren Momente, die es manchmal im Leben gibt: an der frischen Luft und im klaren Licht des Frühlings, um mich herum nette Menschen, daniele liest aus seinen Gedichten vor, ich strecke mich gemütlich auf den Stufen aus und das Herz schlägt mir »bum bum bum« bis zum Hals!

daniele schenkte mir eine Blüte, ich steckte sie mir ins Knopfloch meiner Jacke und ließ mich auf die Ellbogen zurücksinken, »herrlich hingegossen auf die Stufen von san petronio«, ich empfand mich als lang und vornehm wegen der ausgestreckten Beine.

So verging die Zeit, bis irgendwann isabella und betta dazustießen und mit uns quatschten; betta ist wirklich hübsch, ich finde sie umwerfend; ich hielt mich aus der Unterhaltung raus, hüllte mich lieber in vornehmes Schweigen und lag lang und geheimnisumwoben auf der Treppe in der Hoffnung, bettas Neugier zu wecken.

So war ich ganz in meiner wirren Gefühlswelt versunken, umgeben von Leuten, die ich mochte, mich selbst fand ich auch okay und alles war doch irgendwie in Ordnung; dann schenkte daniele auch isabella und betta eine Blüte, er suchte extra die schönsten aus seiner Tüte hervor, und da erwachte ich aus meinem vornehmen Schweigen, fing die Blume für betta ab und sagte, die wolle ich ihr widmen

mit etwas verlegener und bemüht charmanter Miene sagte ich zu ihr: »Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten, bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.«

ich reichte ihr die Blume und versuchte, so normal wie möglich zu wirken, was mir nach dem ganzen Theater ziemlich schwerfiel.

Ich hatte mich offenbart! ich hatte ihr meine Liebe gestanden!

In der Liebe ist es wie fast überall: Am besten bin ich da, wo ich nicht die Initiative ergreife; nichts erzwingen und alles zulassen, die Welt nimmt ihren Lauf und ich folge ihr, wie man es wunderbar in diesem Film sieht, der mir immer wieder in den Kopf kommt, der stadtneurotiker von woody allen; darin reden er und annie kaum ein Wort miteinander, alles läuft wie von selbst in eine Richtung. und dann geht s!

Betta musste unwillkürlich lachen, war aber irgendwie auch geschmeichelt, und ich hoffte, es würde so bleiben, wir würden uns weiter verschworen anschauen und gemeinsam eine gute Zeit haben, einerseits verlegen, sodass man raus will aus der Situation und gleichzeitig auch drinbleiben, lachen und hören, wie es weitergeht, und dann lachten wir alle zusammen und so ging es weiter.

Aber nicht lange, denn isabella wandte sofort ein:

»das sagt er zu allen, betta, darauf brauchst du nichts zu geben!«

Ich schwor, dass ich nur sie allein liebte und diesen Satz noch zu keiner anderen gesagt hatte; betta tat jetzt eingeschnappt und vielleicht war sie wirklich enttäuscht: zumindest wünschte ich mir das; jedenfalls war alles ganz spielerisch, auch die Enttäuschung, betta warf die Blume zu Boden und sagte:

»Sie sind zu jung für solche Geschichten, mein Herr, heben Sie Ihre Gabe auf und meiden Sie künftig derlei Fehltritte, sie schmücken Sie nicht«

natürlich war ich tief getroffen und nach einem halbherzigen Versuch, isabellas niedere Unterstellungen zu widerlegen, versank ich wieder in mein geheimnisumwobenes Schweigen.

Ich muss versuchen, die grammatikalischen Fesseln aus erster Person Singular und Vergangenheitsform abzuwerfen; bisher klingt es wie die Geschichte eines alten Mannes, der sein Leben im Rückblick neu sortiert, um die Erinnerungen unter Kontrolle zu bringen

noch ist die Geschichte sehr oberflächlich, lässt keinen Raum für Verzweiflung; ich...

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Autor

Enrico Palandri wurde 1956 in Venedig geboren, studierte bei Umberto Eco an der Universität Bologna und stellte ein Buch u¿ber den populären Untergrundsender Radio Alice zusammen, in dem sich die damalige Protestbewegung der Studierenden wiederfand. Lange Zeit lebte er als Professor in London und inzwischen wieder in Italien. Neben Gedichten, Essays und Erzählungen schrieb er sieben weitere Romane; Lichter auf der Piazza Maggiore ist sein erstmals 1979 erschienenes Debu¿t.