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Die Haftung von Zertifizierungsgesellschaften

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
500 Seiten
Deutsch
Fachmedien Recht und Wirtschafterschienen am29.02.20241. Auflage 2024
Die Zertifikate von privatrechtlich organisierten Zertifizierungsgesellschaften über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen spielen im heutigen Wirtschaftsleben eine zentrale Rolle. Sie bieten Verbrauchern, Handelspartnern und staatlichen Aufsichtsbehörden eine zuverlässige Informationsquelle über den zertifizierten Gegenstand. Im Falle gesetzlich vorgeschriebener Zertifizierungen bilden sie regelmäßig die Voraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt. Die hohe Komplexität der Konformitätsprüfung wirft Fragen nach der zivilrechtlichen Haftung der Zertifizierungsgesellschaften auf. Dabei muss sowohl die Haftung gegenüber den Auftraggebern als auch gegenüber vertragsfremden Dritten in den Blick genommen werden. Aufgrund bestehender Haftungsunterschiede im nationalen Recht kommt der international-privatrechtlichen Behandlung derartiger Fälle eine zentrale, oftmals fallentscheidende Bedeutung zu. Angesichts der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Zertifizierungsgesellschaften sowie der anhaltenden Beliebtheit des Instruments der privaten Zertifizierung besteht in der Praxis ein großes Interesse an Rechtssicherheit hinsichtlich dieser haftungs- und kollisionsrechtlichen Fragestellungen.

Dr. Yannick Morath studierte Rechtswissenschaft in Freiburg und Beijing, China. Seine Doktorarbeit entstand während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan von Hein am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Freiburg. Die Entstehung der Arbeit wurde durch ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) gefördert.
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BuchKartoniert, Paperback
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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Produkt

KlappentextDie Zertifikate von privatrechtlich organisierten Zertifizierungsgesellschaften über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen spielen im heutigen Wirtschaftsleben eine zentrale Rolle. Sie bieten Verbrauchern, Handelspartnern und staatlichen Aufsichtsbehörden eine zuverlässige Informationsquelle über den zertifizierten Gegenstand. Im Falle gesetzlich vorgeschriebener Zertifizierungen bilden sie regelmäßig die Voraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt. Die hohe Komplexität der Konformitätsprüfung wirft Fragen nach der zivilrechtlichen Haftung der Zertifizierungsgesellschaften auf. Dabei muss sowohl die Haftung gegenüber den Auftraggebern als auch gegenüber vertragsfremden Dritten in den Blick genommen werden. Aufgrund bestehender Haftungsunterschiede im nationalen Recht kommt der international-privatrechtlichen Behandlung derartiger Fälle eine zentrale, oftmals fallentscheidende Bedeutung zu. Angesichts der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Zertifizierungsgesellschaften sowie der anhaltenden Beliebtheit des Instruments der privaten Zertifizierung besteht in der Praxis ein großes Interesse an Rechtssicherheit hinsichtlich dieser haftungs- und kollisionsrechtlichen Fragestellungen.

Dr. Yannick Morath studierte Rechtswissenschaft in Freiburg und Beijing, China. Seine Doktorarbeit entstand während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan von Hein am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Freiburg. Die Entstehung der Arbeit wurde durch ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) gefördert.

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II. Grundlegende Elemente und Strukturen
1. Gegenstände der Zertifizierung
Zertifizierung kann theoretisch überall dort stattfinden, wo es möglich ist, einen konkreten Prüfgegenstand und für diesen geltende Maßstäbe und Standards zu definieren. Der Anwendungsbereich dieses Instruments ist damit denkbar groß.32 Ein klassisches Feld der Zertifizierung ist das Produktsicherheitsrecht, das heute weitgehend europarechtlich harmonisiert ist.33 Gegenstände solcher Zertifizierungssysteme können Baumuster oder die Produkte selbst sein, also beispielsweise Maschinen und technische Anlagen, Bauprodukte, Aufzüge, Medizinprodukte oder Spielzeug. Ferner können auch unkörperliche Gegenstände wie Software, Finanzprodukte oder Unternehmen zertifiziert werden. Regelmäßig kommt es im Produktsicherheitsrecht auch zu einer Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen,34 also von Prozessen und Verfahren der Qualitätssicherung. Solche Zertifizierungen sind in der Praxis in den unterschiedlichsten Branchen sehr stark verbreitet. Ein weiteres Beispiel für die Zertifizierung eines unternehmensinternen Prozesses ist etwa die Einhaltung des Datenschutzes bei der Verarbeitung sensibler Daten35 oder die Beachtung von Umwelt- und Sozialstandards.36 Auch die Normkonformität von Dienstleistungen kann Gegenstand einer Zertifizierung sein,37 bspw. im Tourismus oder in der Finanzbranche. Ferner ist auch denkbar, dass Personen auf bestimmte Eigenschaften überprüft werden, etwa wenn diese in Unternehmen selbst für die Überwachung von Verfahren und Produkten zuständig sind.38 Da sich die Zertifizierung als Instrument zur Regulierung innovativer Technologien bewährt hat, wird in jüngerer Zeit außerdem die Zertifizierung von Algorithmen zur Risikosteuerung im Bereich künstlicher Intelligenz diskutiert.39
2. Zertifizierungsgesellschaften
Oftmals sieht der regulatorische Rahmen vor, dass sowohl öffentliche Stellen, d.h. öffentliche Unternehmen, Beliehene, Ämter oder Behörden, als auch private Anbieter zur Durchführung von Zertifizierungen akkreditiert und zugelassen werden können.40 Typisch und am weitesten verbreitet sind aber privatrechtliche Zertifizierungsunternehmen.41 Sie werden üblicherweise gegen Entgelt und auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Unternehmen, das eine Zertifizierung benötigt, tätig.42 Die Möglichkeit grenzüberschreitender Akkreditierungen erlaubt in vielen Fällen die Einschaltung ausländischer Zertifizierungsgesellschaften. Auch im Falle gesetzlich vorgeschriebener Pflichtzertifizierungen können Unternehmen regelmäßig zwischen mehreren nationalen und internationalen Anbietern wählen.

Die zahlreichen Einsatzfelder der Zertifizierung haben zu einem stark ausdifferenzierten und hart umkämpften Markt geführt, auf dem hochspezialisierte Zertifizierer neben weltweit und branchenübergreifend tätigen Prüfgesellschaften ihre Dienste anbieten.43 Zu den Marktführern, die weltweit Tochtergesellschaften betreiben, gehören u.a. die deutschen Unternehmen Dekra SE, TÜV Süd AG und TÜV Rheinland AG, ferner die französische Bureau Veritas S.A., die schweizerische SGS-Group sowie Lloyds Register aus Großbritannien. Da sie auch allgemeine Beratungsdienstleistungen erbringen, werden die Zertifizierungstätigkeiten zum Teil in eigens hierfür gegründete Gesellschaften ausgegliedert.
3. Der Zertifizierungsprozess
Die Zertifizierung setzt sich im Kern aus zwei aufeinander aufbauenden Prozessen zusammen: der Überprüfung der Normkonformität des Zertifizierungsgegenstandes und schließlich deren Bescheinigung, also der Ausstellung des Zertifikats.44 Zertifizierungsgesellschaften werden nach Abschluss eines Vertrages mit ihren Kunden tätig, der diese beiden Aspekte der Zertifizierung regelt.45 Teilweise ergeben sich die Pflichten der Zertifizierungsgesellschaft bzw. die Anforderungen an den Zertifizierungsprozess aber auch aus dem Gesetz. Beachtet werden muss, dass die Prüfungstätigkeit und die Ausstellung des Zertifikats nicht zwingend von einer einzigen Stelle vorgenommen wird, sondern auch auf mehrere, mehr oder weniger unabhängige Stellen verteilt werden kann.46 Vor der eigentlichen Prüfung finden regelmäßig Vorbereitungshandlungen statt, z.B. eine vom Zertifizierer angeleitete Selbstbeurteilung durch den Kunden sowie die Aushändigung relevanter Dokumente.47 Je nach Ausgestaltung der zu prüfenden Konformitätsmaßstäbe und je nach Zertifizierungsgegenstand ergeben sich unterschiedliche Prüfungsverfahren. Im Bereich der Produktsicherheit müssen etwa die physischen oder chemischen Eigenschaften einzelner Produktserien bzw. stichprobenartig überprüft werden. Teilweise findet die Prüfung auch lediglich auf der Grundlage von technischen Dokumenten oder Prototypen statt, die vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden.48 Das Untersuchungsverfahren bzgl. Qualitätsmanagementsystemen wird als Auditierung bezeichnet.49 Dabei werden die internen Arbeitsabläufe und Strukturen eines Unternehmens untersucht, wobei auch hier Elemente der reinen Dokumentationsprüfung und der tatsächlichen Inaugenscheinnahme vor Ort, kombiniert werden. Einzelne Zertifizierungssysteme sehen auch die Möglichkeit unangekündigter Inspektionen vor.50

Bei positiver Prüfung wird eine Konformitätsbescheinigung - das Zertifikat - ausgestellt. Sind die Voraussetzungen für eine Zertifizierung erfüllt, ist die Zertifizierungsgesellschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung verpflichtet, das Zertifikat mit dem vereinbarten Inhalt auszustellen.51 Ist ein Konformitätskennzeichen vorgesehen, wird dieses durch den Kunden oder den Zertifizierer angebracht.

Der Zertifizierungsprozess im weiteren Sinne umfasst neben der Prüfung des Zertifizierungsgegenstands und der eigentlichen Ausstellung des Zertifikats, eine weitere, dritte Phase.52 Nach der Ausstellung des Zertifikats unterliegt der Zertifizierungsgegenstand einer regelmäßigen Überwachung und Kontrolle durch die Zertifizierungsgesellschaft. Sie prüft in dieser Phase, ob die Voraussetzungen für die Zertifizierung aufrechterhalten werden und ob ggf. Maßnahmen bis hin zu Aussetzung oder Entziehung des Zertifikats ergriffen werden müssen. Entsprechende Pflichten der Zertifizierungsgesellschaft werden entweder vertraglich festgelegt oder ergeben sich aus dem gesetzlichen Rahmen des Zertifizierungssystems.

Zertifizierungen sind in der Regel befristet, erlöschen also nach einer bestimmten Zeit, ohne dass die Zertifizierungsgesellschaft sie ausdrücklich aufheben muss.53 Um dies zu verhindern, muss der Zertifizierungsprozess turnusmäßig wiederholt werden.
4. Rechtsverhältnisse der beteiligten Akteure
Zertifizierungsgesellschaften schließen mit ihren Kunden Verträge über die Durchführung der Zertifizierungstätigkeit. Sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlich-rechtlich determinierten Bereich handelt es sich dabei prinzipiell um privatrechtliche Verträge.54 Gegebenenfalls besteht aber ein Kontrahierungszwang zulasten der Zertifizierungsgesellschaften.55 Eine Besonderheit der Zertifizierungsverträge ist, dass diese je nach Zertifizierungssystem in ein mehr oder weniger starres gesetzliches Regelungsumfeld eingebettet sind, das das Rechtsverhältnis zwischen dem Zertifizierer und seinem Kunden beeinflusst und einer privatautonomen Ausgestaltung entzieht. Der Inhalt des Vertrages kann etwa hinsichtlich des Prüfungsverfahrens sowie des Prüfungsmaßstabes gesetzlich vorgeschrieben sein. Sofern ein Zertifizierungsvertrag zwingende gesetzliche Vorgaben des jeweiligen Zertifizierungssystems missachtet, ist er nach § 134 BGB nichtig.56

Da die Folgen einer fehlerhaften Zertifizierung auch weitere Personenkreise betreffen können, stellt sich v.a. aus haftungsrechtlicher Sicht die Frage, wie das Rechtsverhältnis zwischen diesen Personen, also beispielsweise dem Käufer eines zertifizierten Produkts, und der Zertifizierungsgesellschaft ausgestaltet ist. Charakteristisch für die Zertifizierung ist, dass die Endabnehmer am Abschluss des Zertifizierungsvertrages nicht beteiligt sind und auch sonst nicht in unmittelbaren Kontakt mit der Zertifizierungsgesellschaft treten. Das mit der Zertifizierung verbindende Element stellt regelmäßig das Zertifikat oder ein Zertifizierungszeichen dar, mit dem das zertifizierte Unternehmen die Durchführung der Zertifizierung nach außen dokumentiert und ggf. bewirbt. Gleichwohl ist es regelmäßig eine Verletzung einer Pflicht des Zertifizierungsvertrages, die zu einer Schädigung Dritter führt. Die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses einer Zertifizierungsgesellschaft und einem prinzipiell vertragsfremden Dritten im Grenzbereich der vertraglichen und deliktischen Sphäre bereitet daher sowohl auf sachrechtlicher als auch kollisionsrechtlicher Ebene zum Teil erhebliche Schwierigkeiten und bilden daher einen Schwerpunkt dieser Arbeit.
5. Konstitutionalisierung durch Normung
Unter Normung versteht man im Technikrecht die Schaffung von Regeln durch nichtstaatliche Institutionen.57 Ihr übergeordnetes Ziel ist die Erleichterung des weltweiten Handels durch die Standardisierung von Waren und Dienstleistungen.58 Die Normung hat für das Zertifizierungsrecht und für die Praxis eine überragende Bedeutung. Zum einen sorgt sie für eine einheitliche Terminologie bzgl. sämtlicher Formen der Konformitätsbewertung. Zum...
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Dr. Yannick Morath studierte Rechtswissenschaft in Freiburg und Beijing, China. Seine Doktorarbeit entstand während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan von Hein am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Freiburg. Die Entstehung der Arbeit wurde durch ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) gefördert.
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Morath, Yannick