Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Odyssee der Vergessenen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Orlanda Verlag GmbHerschienen am15.03.20231. Auflage
Wie kommt es dazu, dass ein anerkannter Schriftsteller, eine junge Feministin und zwei Jugendfreunde, die alle aus Westafrika stammen, sich auf den illegalen Routen nach Europa wiederfinden? Auf einer gnadenlosen und intensiven Odyssee zwischen der Westküste Afrikas und dem Mittelmeer erzählt Khalil Diallo die Geschichte von Sembouyane und seinem Freund Idy, die fliehen, nachdem ihr Dorf von Milizen überfallen wurde, und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und nimmt uns mit in den Strom der Tausenden von Migrierenden, die, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Wüste durchqueren, um ans Meer und an eine Überfahrt nach Europa zu gelangen. Nichts wird ihnen erspart bleiben, aber trotz der Enttäuschungen und des Leids werden sie nicht aufhören, zu träumen und für ihr unveräußerliches und universelles Recht auf Würde zu kämpfen. Der Roman zeichnet in poetischer Sprache ein kompromissloses Bild Afrikas im 21. Jahrhundert und der Lebensrealitäten vieler Migrantinnen und Migranten nach und macht sie dabei in ihrer Individualität, mit ihren Hoffnungen und Ängsten sichtbar. Ein kompromissloser Roman über Freundschaft, Solidarität und Erinnerung.

Khalil Diallo, geb. 1992, ist einer der vielversprechendsten jungen Schriftsteller des afrika- nischen Kontinents. Er wurde in Mauretanien geboren und lebt in Dakar. Nachdem er Finalist des Prix Orange du livre en Afrique 2019, des Prix Kourouma 2019 und des Prix Ivoire 2019 war, wurde er Preisträger des Prix Ahmed Baba 2021 und Finalist des Prix Kourouma 2021. »Die Odyssee der Vergessenen« ist Diallos zweiter Roman.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextWie kommt es dazu, dass ein anerkannter Schriftsteller, eine junge Feministin und zwei Jugendfreunde, die alle aus Westafrika stammen, sich auf den illegalen Routen nach Europa wiederfinden? Auf einer gnadenlosen und intensiven Odyssee zwischen der Westküste Afrikas und dem Mittelmeer erzählt Khalil Diallo die Geschichte von Sembouyane und seinem Freund Idy, die fliehen, nachdem ihr Dorf von Milizen überfallen wurde, und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und nimmt uns mit in den Strom der Tausenden von Migrierenden, die, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die Wüste durchqueren, um ans Meer und an eine Überfahrt nach Europa zu gelangen. Nichts wird ihnen erspart bleiben, aber trotz der Enttäuschungen und des Leids werden sie nicht aufhören, zu träumen und für ihr unveräußerliches und universelles Recht auf Würde zu kämpfen. Der Roman zeichnet in poetischer Sprache ein kompromissloses Bild Afrikas im 21. Jahrhundert und der Lebensrealitäten vieler Migrantinnen und Migranten nach und macht sie dabei in ihrer Individualität, mit ihren Hoffnungen und Ängsten sichtbar. Ein kompromissloser Roman über Freundschaft, Solidarität und Erinnerung.

Khalil Diallo, geb. 1992, ist einer der vielversprechendsten jungen Schriftsteller des afrika- nischen Kontinents. Er wurde in Mauretanien geboren und lebt in Dakar. Nachdem er Finalist des Prix Orange du livre en Afrique 2019, des Prix Kourouma 2019 und des Prix Ivoire 2019 war, wurde er Preisträger des Prix Ahmed Baba 2021 und Finalist des Prix Kourouma 2021. »Die Odyssee der Vergessenen« ist Diallos zweiter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783949545337
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum15.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2756 Kbytes
Artikel-Nr.14248770
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Bei Tagesanbruch werden wir von drei dumpfen Schlägen gegen die Dachbodentür geweckt.

Kédougou erwacht bereits zum Leben. Mehr als siebenhundert Kilometer von Dakar entfernt kicken zerlumpte Kinder einen Ball auf dem Brachland herum und träumen dabei von der Weltmeisterschaft, von Erfolg und Anerkennung. In der Ferne sieht man andere Kinder mit vom Elend erloschenen Augen, die Kalebassen in den Händen halten und mit gebrochener Stimme fieberhaft heilige Worte stammeln, um sich ihr tägliches Brot zu erbetteln. Ihre fiebrigen Glieder sind nur in ein paar dünne Fetzen gehüllt.

Die staubigen roten Straßen verleihen den Klapperkisten, die auf der rissigen Betonplatte parken, die in Kédougou als Busbahnhof dient, eine kupferne Färbung. Das einzige verfügbare Auto, das Richtung Mali fährt, ist ein Kombi mit einer schwarzen Karosserie, an der die Zeit und die Hämmer, die den Aufbau nach einem Unfall wieder ausbeulen sollten, einige Kratzer hinterlassen haben.

Statt der vorgesehenen vier Passagiere sind wir sechs. Unser schüchternes »Guten Tag« wird von einigen leisen Stimmen erwidert. Zwei Passagiere teilen sich den Vordersitz neben dem Fahrer, der während der gesamten Fahrt pausenlos den links Sitzenden verwünscht, weil er seinetwegen nicht an den Schalthebel herankommt. Idy und ich drängen uns im Fond aneinander, zusammen mit einem jungen Mann mit freundlichem Gesicht und einer alten Frau, die mehr als die Hälfte der Rückbank in Beschlag nimmt.

Das Gespräch im Wagen wird hauptsächlich von dem Schmächtigen auf dem Vordersitz und der Frau im Fond bestritten und dreht sich um Ebola und verschiedene Verschwörungstheorien über diese Epidemie. Die beiden behaupten, der Westen habe dieses Virus eigens geschaffen, um die Demografie auf unserem Kontinent zu regulieren, sein Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen und sich eine größere Kontrolle über seine Ressourcen zu verschaffen. »Es reicht ihnen nicht, dass sie uns alles stehlen und uns jahrhundertelang versklavt haben, jetzt wollen sie auch noch unser Wachstum abwürgen«, hören wir sie zwischen zwei Beschimpfungen erklären.

Das Auto stottert erst einige Male, bevor es sich in Bewegung setzt.

Das Innere des Wagens ist ausgeräumt. Vor dem Fahrer befindet sich nur ein Lenkrad, um dessen Lenksäule sich mit Klebeband umwickelte Kabel schlingen. Es gibt kein Armaturenbrett. Aber schließlich wird das Auto auch fast nie die fünfzig Stundenkilometer erreichen! Der Innenspiegel hatte wohl die Sicht des Fahrers gestört, denn er wurde abgerissen. Die offenen Stellen im Boden dienen wahrscheinlich als Ausgleich für die fehlende Belüftung im Fahrzeug, durch sie kann man sogar unsere Fahrtgeschwindigkeit abschätzen. Es versteht sich von selbst, dass in diesem Auto eine ungeheure Hitze herrscht - anscheinend will es sich ein Stück vom Ruhm der Hölle abschneiden. Der Wagen qualmt, und wir werden eingequalmt, aber zum Glück werden wir nicht von den Sprungfedern gestochen, die sich durch die aufgeschlitzte Rückbank bohren, und die Bremsen funktionieren.

Sobald wir den Busbahnhof verlassen haben, erstreckt sich vor uns eine rote Ebene, durch die sich in der Mitte der Asphalt zieht. Die Müdigkeit der letzten schlaflosen Stunden hat Idy bereits eingeholt. Auf seiner Stirn steht Schweiß, sein Mund ist weit geöffnet, Speichel fließt an seiner Unterlippe herunter. Er ist eingeschlafen. Der zarte junge Mann, der zwischen mir und der dicken Frau sitzt, wendet sich immer wieder zu mir, um durch ein Gespräch der Langeweile zu entfliehen. Er hat sehr dunkle Haut, die einen Kontrast zum Weiß in seinen Augen bildet, was ihm ein geheimnisvolles Aussehen verleiht. Sein Blick strahlt die Kraft eines Menschen aus, den nichts schrecken kann und erst recht nicht aufmuntern. Er steckt in einem ausgebleichten, zerknitterten, schmutzigen schwarzen Hemd und wirkt völlig verloren. Er stinkt sozusagen meilenweit nach Verzweiflung und Pessimismus.

»Ich bin Abdel Karim Biaye, aber wenn du mich magst, kannst du mich einfach Karim nennen. Ich komme aus einem Vorort der senegalesischen Hauptstadt. Und du?«

»Ich heiße Sembouyane, ich bin mit meinem Freund Idy hier. Wir kommen aus Malaimé, einem Dorf in Forédougou.«

»Forédougou? Dieses Land und seine Bewohner sind ein Mythos. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der von dort stammt. Wie ist es denn bei euch? Stimmt es, dass die Regierung euch aller Freiheit beraubt, wie es die internationale Presse behauptet? Ist es wahr, dass das Land in zwei Teile gespalten ist? Dass die Bevölkerung dort zum Schweigen gebracht und die Albinos geopfert werden?«

»Das sind ja eine Menge Fragen auf einmal«, sage ich und verkneife mir das Lachen. »Ja, unser Land ist in zwei Teile gespalten, im einen herrschen die Rebellen und im anderen die Regierung, die uns alles verbietet. Die Albinos werden an den Füßen aufgehängt, man zerfetzt ihnen die Haut, schlitzt ihnen den Bauch auf und lässt ihr Blut in Kalebassen fließen, aus denen dann die führenden Köpfe des Regimes trinken.«

Meine Aussage über die Albinos lässt die dicke Frau erschaudern, ihr Grausen entlockt ihr ein schrilles Quieken und ein »Allmächtiger Gott!«. Und zum ersten Mal, seit sie mit ihrer Diskussion über Geopolitik mit dem Schmächtigen fertig ist, hebt sie die Nase aus ihrer Erdnusstüte, hört auf zu kauen und nimmt sich einen Augenblick Zeit, uns zu betrachten, bevor sie wieder weiter ihre Kiefermuskeln trainiert.

Ich berichte noch lange von meinem Dorf und von Forédougou. Und erzähle Karim das alles, um die Zeit herumzubringen, aber auch, um mein Herz auszuschütten. Inzwischen ist die dicke Frau eingeschlafen, die sengende Sonne, die die Karosserie der Klapperkiste aufheizt, hat nun auch alle anderen Insassen betäubt, außer dem Fahrer. In der Stille unserer schlafenden Gefährten fühle ich mich sicher und erzähle Karim sogar vom Ziel und den Gründen unserer Reise.

»Auch ich gehe weg, Sembouyane, so wie ihr. Ich hatte Angst, darüber zu sprechen, aber nun, wo du mir all das gesagt hast, brauchen wir einander nichts mehr zu verheimlichen. Das ist schon mein dritter Versuch, aber diesmal spüre ich, dass es klappen wird. Ich habe die Vorzeichen in mehreren Träumen gesehen, und mehrere Marabuts und Schamanen haben mir gesagt, dass diese Reise gelingen wird und dass man mich erst im Sarg in meine Heimat zurückführen wird. Sie sagten, kein Küstenwächter könne mich nach Hause zurückbringen.«

Bei dieser Antwort verschlägt es mir die Sprache. In seiner ruhigen, ernsten Stimme sind all die Demütigungen zu spüren, die er erlebt hat. Was für ein Unglück mag ihn nur so schwer getroffen haben? Schließlich macht er sich ohne einen Heller und ohne jedes Zögern auf den Weg in einen beinahe sicheren Tod. Dabei hat er eine Familie und ein Zuhause, und kein bewaffneter Konflikt bedroht sein Leben. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten, ich muss ihn einfach fragen:

»Warum bist du weggegangen?«

»Warum?«

Er schweigt lange, nachdem er meine Frage wiederholt hat. Es wirkt, als halle sie in seinen Ohren wider wie das letzte SOS, das ein verlassener Schiffbrüchiger auf hoher See absetzt, kurz bevor er untergeht.

»Ich bin weggegangen, Sembouyane, weil der Tod süß ist im Vergleich zu der Schande, die einem die Gesellschaft auflädt, wenn man als einziger Rückhalt der Familie die Grundbedürfnisse der Mäuler, für die man zu sorgen hat, nicht erfüllen kann. Wenn einem das passiert, ist man ein Zombie, dessen Dasein sich nur noch in der einfachsten Weise äußern kann: Man ist nur ein Körper, ein leerer Sack aus Fleisch und Blut. Ich bin weggegangen, um dieser Situation zu entgehen. Um aus dem Elend herauszukommen. Mein Vater ist ein pensionierter Wachmann. Trotz seiner geringen Schulbildung ist es ihm gelungen, unsere Familie zu ernähren, uns eine Ausbildung, ein Zuhause und die nötige Sicherheit zu geben, damit wir uns entfalten konnten. Früher war er ein starker, furchteinflößender Mann, aber seit etwa zehn Jahren hat er durch einen Arbeitsunfall einen Ischias im Lendenbereich und kann nicht mehr aufrecht stehen. Er ist sechzig und wirkt vierzig Jahre älter. Ich habe den Verfall des Patriarchen und den langsamen finanziellen Abstieg unserer Familie hilflos mit angesehen und musste als Ältester etwas unternehmen.

»Aber ich habe immer gedacht, dass bei euch alles in Ordnung ist, dass es da anders ist ...«

»Weißt du, Sembouyane, seit der Subprime-Krise ist Arbeit zur Mangelware geworden. Die Lage der Bauern ist erbärmlich. Das hat zu einer Zunahme der Binnenimmigration geführt, durch die Landflucht ist der Arbeitsmarkt explodiert und mehr als 50 % der Bevölkerung unseres Landes hat sich zwischen Dakar und Thiès angesiedelt, sodass diese Städte nun mit Baracken und provisorischen Unterkünften...
mehr

Autor

Khalil Diallo, geb. 1992, ist einer der vielversprechendsten jungen Schriftsteller des afrika- nischen Kontinents. Er wurde in Mauretanien geboren und lebt in Dakar. Nachdem er Finalist des Prix Orange du livre en Afrique 2019, des Prix Kourouma 2019 und des Prix Ivoire 2019 war, wurde er Preisträger des Prix Ahmed Baba 2021 und Finalist des Prix Kourouma 2021. »Die Odyssee der Vergessenen« ist Diallos zweiter Roman.
Weitere Artikel von
Diallo, Khalil
Weitere Artikel von
Bührle-Gallet, Astrid
Übersetzung