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Glutroter Luberon

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
240 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am25.04.2024
Stimmungsvolle Urlaubslektüre für heiße Sommertage: Die Provence ächzt unter Trockenheit und einer ungewöhnlichen Hitzewelle, allerorts droht Waldbrandgefahr. Währenddessen wird in einer Steinhütte im Luberon eine tote Frau gefunden, die wenige Wochen zuvor ein Kind zur Welt gebracht hat. Niemand scheint sie zu vermissen, und auch von dem Säugling gibt es keine Spur. Capitaine Malbec folgt den einzig verwertbaren Hinweisen: Farbpigmenten an den Händen und der Kleidung des Opfers. Sie führen ihn in die Ockerbrüche von Roussillon - und in ein Inferno, das zur tödlichen Falle wird.

Ralf Nestmeyer ist Historiker und Reisejournalist sowie Autor von zahlreichen Reiseführern, vor allem über französische Regionen, zudem verfasste er ein Buch über französische Mythen. Er ist Gründungsmitglied von PEN Berlin. www.nestmeyer.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextStimmungsvolle Urlaubslektüre für heiße Sommertage: Die Provence ächzt unter Trockenheit und einer ungewöhnlichen Hitzewelle, allerorts droht Waldbrandgefahr. Währenddessen wird in einer Steinhütte im Luberon eine tote Frau gefunden, die wenige Wochen zuvor ein Kind zur Welt gebracht hat. Niemand scheint sie zu vermissen, und auch von dem Säugling gibt es keine Spur. Capitaine Malbec folgt den einzig verwertbaren Hinweisen: Farbpigmenten an den Händen und der Kleidung des Opfers. Sie führen ihn in die Ockerbrüche von Roussillon - und in ein Inferno, das zur tödlichen Falle wird.

Ralf Nestmeyer ist Historiker und Reisejournalist sowie Autor von zahlreichen Reiseführern, vor allem über französische Regionen, zudem verfasste er ein Buch über französische Mythen. Er ist Gründungsmitglied von PEN Berlin. www.nestmeyer.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987071508
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum25.04.2024
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3730 Kbytes
Artikel-Nr.14507462
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Er hatte sie die letzten Meter in seinen Armen getragen. Sie fühlte sich so federleicht, so wunderschön an. Er ging in die Knie, um sie auf den Boden zu legen. Vorsichtig zog er die Hände unter ihrem Körper hervor und ließ die Finger zärtlich über ihren Oberschenkel gleiten. Ihre Haut war kalt, aber davon ließ er sich nicht irritieren. Mit angewinkelten Beinen ruhte sie auf der Seite. Ihr Top war verrutscht und bedeckte den wohlgeformten Busen nur zur Hälfte. Ganz langsam beugte er sich hinab, schloss die Augen und versenkte das Gesicht in ihrem Haar, um ihren Duft einzusaugen. Er verharrte reglos, denn er wollte sich nicht von ihr trennen.

Noch einmal streichelte er über die zarte Haut ihres Pos. Er atmete schwer und dachte an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten. Keine Frage, sie waren füreinander bestimmt gewesen. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er es gespürt, als sie ihm lächelnd gegenübergestanden hatte. Sie strich sich durch die langen Locken, schaute ihn verführerisch an und schob die Sonnenbrille kokett nach oben. Diese Geste deutete er als Zeichen, als geheime Botschaft, die nur an ihn gerichtet war. Schnell durchschaute er ihr Spiel, brach ihren Willen mit sanftem Druck, bis sie sich fügte, ihm gehorchte.

Er war großzügig und überhäufte sie mit Geschenken, erahnte ihre Wünsche, bevor sie ausgesprochen wurden. Seine Aufmerksamkeit und Fürsorglichkeit kannten keine Grenzen. Jeden Abend verzehrte er sich nach ihr, freute sich, ihr nah sein zu können, und hoffte auf das ersehnte Familienglück. Er kümmerte sich um alles und richtete das Kinderzimmer ein. Doch letztlich war sie undankbar gewesen, hatte ihn provoziert, sich über ihn lustig gemacht. Das konnte er ihr nicht durchgehen lassen. Nein, das ging nicht. Das ging eindeutig zu weit.

Es würde nicht leicht sein, sie nicht mehr bei sich zu wissen. Jetzt musste er sich allerdings nie mehr sorgen. Alles war gut. Vorbei. Die gemeinsamen Tage, Wochen, Monate würden ihm für immer im Gedächtnis bleiben.

Mit bedächtigen Bewegungen legte er ihre Arme zur Seite. Ihre Gesichtszüge waren entspannt, ganz friedlich lag sie da, als wäre sie eben erst eingeschlafen. Er betrachtete ihren ausgestreckten Körper. Neben ihr kniend, strich er ihr eine Haarsträhne zurück und küsste ihre erkalteten Lippen.

Nun war es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Für immer.

***

Malbecs Portable vibrierte zum wiederholten Mal auf dem Nachttisch. Langsam streckte er den Arm aus und tastete nach dem Telefon. Verschlafen drückte er auf den grünen Button, um den Anruf anzunehmen.

»Olivier«, hörte er seinen Kollegen Roland Cabanel im breiten Singsang seines südfranzösischen Akzents sagen, »ich glaube, es wäre gut, wenn du einen Ausflug nach Gordes unternimmst.«

»Roland, weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, grummelte Malbec ungehalten. Er setzte sich auf und ließ die Füße auf den kühlen Boden gleiten. Um Catherine nicht zu wecken, stand er schnell auf und lief ins Badezimmer.

»Ja, es ist bereits nach sechs Uhr, mein Lieber, und wir dienen beide dem Staat rund um die Uhr.«

»Spar dir deine Witze. Was soll ich in Gordes? Da ist um diese Zeit noch niemand unterwegs.«

»Es gibt einen triftigen Grund. Vor einer knappen Stunde wurde die Leiche einer jungen Frau gefunden. Um genau zu sein, sie wurde halb nackt in einer Steinhütte unterhalb des Dorfs entdeckt.«

»Merde!«

»Kannst du den Fall übernehmen? Ich muss heute Vormittag vor Gericht aussagen. Du weißt, es geht um den Bauingenieur, der seine Tochter entführt hat.«

»Dann wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben«, sagte Malbec und erinnerte sich daran, dass Roland Cabanel im Zusammenhang mit einer Anklage wegen Kindesentführung in einem Sorgerechtsstreit als Zeuge vorgeladen worden war.

»Danke, ich schicke dir gleich die genauen Koordinaten, informiere noch Sergent Bouzidi und die Spurensicherung. Wenn ich mehr weiß, melde ich mich wieder.«

»Alles klar, ich mache mich in zehn Minuten auf den Weg«, versicherte er gequält.

Malbec legte das Telefon zur Seite. Er stützte sich mit den Händen am Rand des Waschbeckens ab und betrachtete seine Augenringe im Spiegel. So hatte er sich den Morgen nicht vorgestellt. Geplant gewesen war, auszuschlafen und dann gemeinsam mit frischen Croissants im Garten unter dem Feigenbaum zu frühstücken. Er wollte später ins Büro, Überstunden abbauen, und auch seine Freundin Catherine Cardot hatte sich den Vormittag freigehalten. Es war schwierig, Absprachen zu treffen, da Catherine als Landschaftsarchitektin sehr beschäftigt war.

Unkonventionelle Entwürfe waren ihr Markenzeichen als Architecte paysagiste. Seit mehrere internationale Architekturmagazine vor zwei Jahren über ihre Arbeit berichtet und diese als florale Poesie gelobt hatten, konnte sie sich mit ihrem kleinen Büro vor Anfragen aus der gesamten Provence kaum retten. Das versetzte sie in die komfortable Situation, nur diejenigen Aufträge anzunehmen, die sie herausforderten. Jeder Garten trug ihre individuelle Handschrift und zeichnete sich durch eine besondere Farbgebung aus, die sich von den Bäumen bis zu den Stauden und Beeten mit spielerischer Leichtigkeit fortsetzte.

Für Malbec waren die gemeinsamen Stunden mit Catherine kostbar. Vor einem halben Jahr hätten sie sich fast getrennt, glücklicherweise war ihre Beziehungskrise überwunden, und sie hatten vereinbart, fortan eine lockere Partnerschaft ohne Zwänge und Besitzansprüche zu führen. Das war nicht einfach, jedoch besser, als sich in endlosen Streitereien aufzureiben.

Gestern Abend hatte Malbec einen Tisch im »Au Fil du Temps« reserviert, einem charmanten Restaurant, das in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Épicerie inmitten der Altstadt von Calmont-les-Fontaines untergebracht war. Sie saßen auf der Terrasse neben einem alten steinernen Brunnen und ließen sich von den kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen. Das Lokal war bekannt für seine erlesene Auswahl an Weinen und eine moderne Interpretation der provenzalischen Küche, die mit ungewöhnlichen Kombinationen wie Poireaux farcis oder Jakobsmuscheln im Mangoldmantel begeisterte.

Während sich Catherine für ein auf den Punkt gegartes Carré d´Agneau aus den Alpillen, das mit einer Oliven-Kräuter-Kruste überbacken wurde, als Hauptgericht entschied, wählte Malbec Épaule de veau. Das glasierte Kalbsschultersteak wurde mit Dinkelrisotto und Butternut-Kürbis serviert. Nach dem Dessert schlenderten sie Arm in Arm durch die stillen Gassen nach Hause. Es war ein wunderbarer Abend. Sie saßen bei einem Rosé unter dem sternenklaren Himmel und freuten sich über jeden zarten Windstoß. Catherine streichelte seinen behaarten Unterarm. Sie hatten sich zuerst sanft, dann immer leidenschaftlicher geküsst, ihre halb vollen Gläser stehen gelassen und waren Hand in Hand die Treppe hinaufgegangen.

Malbec drehte den Wasserhahn auf. Es blieb nur Zeit für eine Katzenwäsche. Leise kehrte er ins Schlafzimmer zurück. Er verharrte vor dem Bett, ging in die Hocke und beugte sich zu Catherine hinab, die seelenruhig schlief. Er küsste ihre nackte Schulter und strich über ihr dunkelblondes Haar, worauf sie mit einem wohligen Brummen reagierte. Mit einem Anflug von Wehmut richtete sich Malbec auf und begab sich ins Erdgeschoss hinunter.

Sein Schlafzimmer befand sich im Obergeschoss eines alten Steinhauses, das er vor mehreren Jahren in Calmont-les-Fontaines gekauft hatte und dessen Renovierung längst nicht abgeschlossen war. Hätte Malbec gewusst, wie viel Arbeit er sich damit aufhalsen würde, hätte er das verfallene Haus nicht erworben. Doch damals hatte er sich von einer Bauchentscheidung leiten lassen, angeregt vom Duft reifer Feigen, der vom Garten bis in das Haus hineingedrungen war. Er hatte einen Ort gesucht, an dem er sich dauerhaft zu Hause fühlen konnte, einen Ruhepol in seinem unsteten Leben. Das alte Gemäuer mit seinen massiven Wänden verkörperte für ihn eine Verbundenheit mit der Erde, und das hatte ihn von Anfang an fasziniert.

In den vergangenen Monaten hatte es ihm Freude bereitet, sein Haus mit alten Möbeln einzurichten, die er bei seinen Besuchen auf dem Antiquitätenmarkt in L´Isle-sur-la-Sorgue erstanden hatte. Besonders stolz war Malbec auf eine wurmstichige Kommode aus Zedernholz, die er im Schlafzimmer platziert hatte, und einen großen, mit Messingbeschlägen reich verzierten Spiegel, den er an der Stirnseite des Treppenhauses angebracht hatte. Demnächst wollte er wieder einen Sonntagsausflug nach L´Isle-sur-la-Sorgue unternehmen und entlang der am Ufer des Flusses errichteten Verkaufsstände flanieren.

Die Antiquitätengeschäfte übten eine magische Anziehungskraft auf ihn aus, manche von ihnen erinnerten an Ali Babas berühmte Höhle. Dort fand man selbst die skurrilsten Dinge, etwa schmiedeeiserne Zäune, alte Fensterrahmen mit wundervoller Patina, authentische Louis-seize-Sessel oder einen riesigen Kronleuchter, den man mit zwanzig Kerzen bestücken konnte. Auf Malbecs Wunschliste standen noch ein massiver Esstisch für die Küche und stylisches Mobiliar für die Terrasse.

Als Malbec die noch im Schatten gelegene Haustür öffnete, vermisste er die Kälte. Keine Frage, es würde wieder ein heißer Tag werden. Schon seit einer Woche dämmerte die Provence unter einer lähmenden Hitzeglocke dahin. Wer konnte, hielt sich im Schatten auf, ab den Mittagsstunden wurde jegliche Aktivität zur Qual. Noch war der Himmel in ein wolkenloses Kobaltblau getaucht, aber im Laufe des Tages würde es wie in den vergangenen Wochen...
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Autor

Ralf Nestmeyer ist Historiker und Reisejournalist sowie Autor von zahlreichen Reiseführern, vor allem über französische Regionen, zudem verfasste er ein Buch über französische Mythen. Er ist Gründungsmitglied von PEN Berlin.
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