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Dank meiner Mutter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am02.05.20241. Auflage
Niemals aufgeben! Susie Weksler ist elf Jahre alt, als die Gestapo das jüdische Ghetto in Wilna auflöst. Eigentlich ist sie zu jung, um bei der Selektion, die über Leben oder Tod entscheidet, eine Chance zu haben. Aber ihrer Mutter gelingt es, sie auf die Seite zu schleusen, die Leben bedeutet. Während der folgenden zwei Jahre kämpft Susie im Konzentrationslager darum, nicht als Kind erkannt zu werden. Mit List und Geistesgegenwart findet ihre Mutter immer neue Mittel, um sie älter und kräftiger aussehen zu lassen. Als sie im April 1945 von der Roten Armee befreit werden, ist Susie bis auf das Skelett abgemagert und krank, aber sie lebt. Ein überzeugendes Bekenntnis - erschütternd und bewegend. Mit Fotos, Karten und einem Glossar im Anhang

Schoschana Rabinovici, 1932 in Paris geboren, kehrt 1937 mit ihren Eltern ins heimatliche Wilna zurück. 1943 wird sie zusammen mit ihrer Mutter ins KZ Kaiserwald geworfen, 1944 ins KZ Stutthof bei Danzig verlegt. Sie überleben den Todesmarsch nach Tauentzin im Februar 1945, wo sie im April von der Roten Armee befreit werden. 1950 wanderten Mutter und Tochter nach Israel aus. Schoschana Rabinovici verstarb am 2. August 2019.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextNiemals aufgeben! Susie Weksler ist elf Jahre alt, als die Gestapo das jüdische Ghetto in Wilna auflöst. Eigentlich ist sie zu jung, um bei der Selektion, die über Leben oder Tod entscheidet, eine Chance zu haben. Aber ihrer Mutter gelingt es, sie auf die Seite zu schleusen, die Leben bedeutet. Während der folgenden zwei Jahre kämpft Susie im Konzentrationslager darum, nicht als Kind erkannt zu werden. Mit List und Geistesgegenwart findet ihre Mutter immer neue Mittel, um sie älter und kräftiger aussehen zu lassen. Als sie im April 1945 von der Roten Armee befreit werden, ist Susie bis auf das Skelett abgemagert und krank, aber sie lebt. Ein überzeugendes Bekenntnis - erschütternd und bewegend. Mit Fotos, Karten und einem Glossar im Anhang

Schoschana Rabinovici, 1932 in Paris geboren, kehrt 1937 mit ihren Eltern ins heimatliche Wilna zurück. 1943 wird sie zusammen mit ihrer Mutter ins KZ Kaiserwald geworfen, 1944 ins KZ Stutthof bei Danzig verlegt. Sie überleben den Todesmarsch nach Tauentzin im Februar 1945, wo sie im April von der Roten Armee befreit werden. 1950 wanderten Mutter und Tochter nach Israel aus. Schoschana Rabinovici verstarb am 2. August 2019.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783733607494
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum02.05.2024
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse6269 Kbytes
Artikel-Nr.14578972
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ghetto Wilna

Wagen mit Lautsprechern fuhren durch die Stadt und verkündeten, dass am folgenden Tag alle Juden ins Ghetto verbracht würden. In unserem Stadtteil bestand fast kein Kontakt mehr zwischen den einzelnen jüdischen Familien, denn die meisten saßen in ihren Wohnungen und hatten Angst, auf die Straße zu gehen. Wir wussten nicht, wen wir um Rat fragen konnten und was wir tun sollten. Nachdem die Lautsprecher die schlimme Nachricht verkündet hatten, begannen wir sofort, uns für den Umzug zu rüsten. Um die vergrabenen Wertsachen meines Großvaters zu holen, hatten wir weder die Zeit noch die Möglichkeit, aber meine Mutter hatte bereits vor einiger Zeit ihren gesamten Schmuck, das Geld und die Goldmünzen in unserer Kleidung versteckt. Sie hatte ihren Schmuck und die Münzen in ihren Mantel genäht, in den Pelzkragen meines Mantels, in den Saum von Dolkas Mantel und in die Schulterkissen von Juleks Mantel. Nun gingen wir in unser Zimmer und begannen zu packen.

Da wir nicht wussten, ob wir später noch etwas holen konnten, wurde entschieden, die wichtigsten Dinge zuerst einzupacken. Einige Kleidungsstücke für jeden von uns, Bettzeug, Handtücher, Seife und Nahrungsmittel, damit wir wenigstens für die ersten Tage etwas zu essen hätten. Wir packten auch noch Töpfe und Geschirr ein und bereiteten für den Fall, dass wir zurückkommen und noch etwas holen konnten, einige Bündel vor. Nachdem Wolodjas Wohnung geplündert worden war, rechneten wir damit, dass die meisten Nachbarn und die Angestellten der Konditorei sich die Gelegenheit zur Plünderung der verlassenen Wohnung nicht entgehen lassen würden. Trotzdem hofften wir, etwas von unserem Besitz zu retten.

Die Wertsachen aus Großvaters Wohnung übergaben wir unseren guten Nachbarn, der Familie Strahl. Im Notfall, so hofften wir, könnten wir von diesen Dingen etwas verkaufen oder gegen Essen eintauschen.

Für uns, für Mama, Julek, Dolka und mich, war es das zweite Mal innerhalb von zwei Monaten, dass wir gezwungen wurden, die Wohnung zu wechseln, und es war so, wie Großvater immer sagte: »Zweimal umziehen ist wie einmal abbrennen.«

Unsere Besitztümer waren jedenfalls arg zusammengeschrumpft. Auch Lena und Lea war nicht viel geblieben, sie waren nicht mehr in ihre Wohnung zurückgekehrt und wussten noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch existierte. Wolodjas Sachen waren zum großen Teil geplündert oder zerstört worden, er besaß nur noch die persönlichsten Gegenstände.

Doch am schwersten war es für Großvater.

Dies war sein Heim. Er hatte es aufgebaut und sein ganzes Leben lang gepflegt. Hier hatten er und seine geliebte Frau ihre Kinder aufgezogen, hier hatte er sie verheiratet, und hier besuchten ihn seine Enkel.

Jeder Gegenstand in der Wohnung war mit Erinnerungen verknüpft. Er besaß kostbare Bücher, verschiedene religiöse Gebrauchsgegenstände, Silber und Porzellan, alles Dinge, die zu seinem Leben gehörten. Er war siebzig Jahre alt und hatte ein Leben voller Arbeit hinter sich. Er war so stolz auf das gewesen, was er erreicht hatte, auf seine Wohnung, sein Geschäft, die Handschuhfabrik, die er mit seinen eigenen Händen aufgebaut hatte, auf den guten Ruf, den er sich erworben hatte. Von alldem war ihm nur noch die Wohnung geblieben, und auch die sollte er nun verlieren.

Seine Töchter halfen ihm beim Packen, und immer wieder kam es zu Differenzen. Großvater wollte am liebsten alles mitnehmen, doch der alte Mann konnte kein schweres Bündel auf dem Rücken tragen, deshalb rieten ihm seine Töchter, nur seine persönlichen Sachen einzupacken und auf alle Erinnerungen zu verzichten, auf die Fotos, die Geschenke und Souvenirs, auf all die Dinge, die Teile seines Lebens geworden waren. Und bei jedem Gegenstand, der dableiben sollte, fiel er mehr zusammen. Da organisierte Wolodja einen kleinen Handwagen, der mit Großvaters persönlichsten Besitztümern beladen wurde, sodass er doch ein bißchen mehr mitnehmen konnte, als er hätte tragen können.

Am Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, waren wir bereit, uns auf den Weg zu machen, und Großvater sagte: »Trinken wir ein Glas Tee.«

Das gehörte zu den Familienbräuchen. Die alte Bedienstete stellte den Samowar auf und deckte den Tisch mit dem guten Geschirr. Wir setzten uns alle um den Tisch, jeder auf seinen gewohnten Platz. Maisieis Stuhl blieb leer.

Lea, die älteste seiner Enkelinnen, saß rechts neben Großvater, ich links. Er hielt meine Hand. Still, ohne zu sprechen, tranken wir Tee. Dann verabschiedeten wir uns alle von der alten Bediensteten. Großvater bezahlte ihr Gehalt bis zum Ende des Jahres und schenkte ihr einige Gegenstände. Er hing an dieser Frau wie an einer Tochter.

Wir stellten einige Stühle neben die Eingangstür. Als wir die Stimmen aus den Lautsprechern im Hof hörten, die die Juden aufforderten, ihre Wohnungen zu verlassen und in den Hof zu kommen, nahm jeder von uns sein Gepäck und ging zur Tür. Hier stellten wir unsere Sachen ab und setzten uns, wie es bei uns vor einer langen Reise üblich war, auf die Stühle, eine Familie nach der anderen. Nach kurzer Zeit standen wir auf, nahmen unser Gepäck und gingen hinunter. Wir verabschiedeten uns nur von der Familie Strahl. Die anderen Nachbarn machten sich nicht die Mühe, ihre Türen aufzumachen und uns eine gesunde Rückkehr zu wünschen. Doch wir wussten, dass einige von ihnen hinter der Tür standen und uns beobachteten, wir ahnten, wer traurig und bekümmert war und wer nur ungeduldig darauf wartete, dass wir weg wären, um Großvaters Wohnung plündern zu können.

Nun waren wir auf dem Weg ins Ghetto.

Wir standen auf dem Hof, und jeder trug ein großes Bündel auf dem Rücken und andere Gepäckstücke in der Hand. Die litauische Polizei ging von Hof zu Hof und stellte die Gruppen zusammen, um sie unter Bewachung zum Ghetto zu treiben.



Chassia und Fejgele, Sommer 1939



Als die Polizisten unseren Hof betraten, stand mein Großvater am Kopf unserer Gruppe, und das große Bündel auf dem gebeugten Rücken verdeckte ihn fast völlig. Seine kleine, immer gebeugte Gestalt neigte sich noch tiefer, doch er gab nicht auf und verließ als Erster den Hof seines Hauses, gefolgt von seiner Familie. Chassia schob den Kinderwagen, und Fejgele saß auf Gepäckstücken.

Ich befand mich unter den Letzten. Ich trug auf dem Rücken einen vollen Rucksack und schob meinen großen Puppenwagen, der voll gepackt war. Diesmal waren, außer der Puppe, keine Spielsachen darin, meine Mutter hatte meine Kleider und die wichtigsten Haushaltsgegenstände in meinen Puppenwagen geladen.

Meine Mutter trug ein Bündel auf dem Rücken, Dinge, die in ein Betttuch gewickelt waren, und zwei große Koffer in den Händen. Sie ging neben mir, und am Schluss des traurigen Zuges liefen Julek und Dolka. Dolka trug schwere Pakete, und Julek schob einen Handkarren mit Matratzen für die ganze Familie, außerdem trug er ein großes Bündel auf dem Rücken.

Wir kamen nur langsam vorwärts, trotz der Schreie der Polizisten, die uns antrieben. Wir überquerten die Wielkastraße und bogen dann nach links in eine Nebenstraße ein, Richtung Universität. Wir ließen das Tor zur Universität rechts liegen und gingen weiter, zum alten jüdischen Viertel. Diesen ältesten Teil der Stadt, dessen frühere jüdische Bewohner bereits verschleppt worden waren, hatten die Deutschen am Abend zuvor nun auch von den christlichen Bewohnern geräumt. Um das ganze Viertel hatten sie eine Mauer gebaut. So hatten sie ein Ghetto hergerichtet, das im Unterschied zum großen, zentralen Ghetto 1 den Namen Ghetto 2 bekam.

Es war ein kleines Viertel, zwischen drei Gassen, der Glesergass, der Jiddischen Gass und dem Jatkever Gessl, und reichte bis zum Haus des Ga´on von Wilna. In diesem Viertel wurden elftausend Menschen zusammengepfercht.

Ich weiß nicht, wie es geschah, doch wir fanden sofort in einem der Höfe eine kleine leer stehende Wohnung, die wir gleich in Beschlag nahmen. Bedrückt standen wir in der Tür. Die Wohnung lebte noch. Die früheren Bewohner mussten erst vor ganz kurzer Zeit weggegangen sein. Sie hatten ein großes Durcheinander hinterlassen. Fotos, Bücher, zerrissene Briefe und Kleidungsstücke lagen auf dem Boden, die Betten waren nicht gemacht, und auf dem Tisch standen die Reste einer Mahlzeit.

Die Wohnung bestand aus vier winzigen Zimmern und einer Toilette, eine Ausnahme in diesem alten Viertel, und zu unserer Freude gab es in der Küche sogar fließendes Wasser.

Großvater, Lena und Lea richteten sich im hintersten Zimmer ein, Jechiel, Julia und Jochele im zweiten Zimmer, und wir vier bekamen das große mittlere Zimmer. Wolodja, Chassia und Fejgele zogen in das kleine Zimmer neben Küche und Toilette.

Wir gehörten zu den wenigen, die an diesem Tag Glück hatten. In beiden Ghettos wurden an einem Tag sechzigtausend Juden zusammengetrieben, und es herrschte eine solche Enge, dass sehr viele Leute im Freien schlafen mussten, in Toreinfahrten und neben Hauswänden, da sie in den Häusern keinen Platz fanden.

Dass wir im Ghetto 2 gelandet waren, war reiner Zufall. Es hing davon ab, wo in Wilna man gewohnt hatte und von der Willkür der litauischen Polizei. Wir wussten nichts - konnten auch gar nichts wissen - von den Unterschieden, die sich im Lauf der Zeit zwischen den beiden Ghettos herausstellten, deshalb hätten wir auch nicht gewusst, welchem von beiden man den Vorzug geben sollte. Wir ließen uns in unserer neuen Wohnung nieder und waren erleichtert, dass wir wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten.

Die Wohnungsnot im Ghetto war schwer zu ertragen. Jede Stelle, jede Ritze, jede Mauernische war besetzt. Viele Menschen lagen auf ihren Bündeln, auf...
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Autor

Schoschana Rabinovici, 1932 in Paris geboren, kehrt 1937 mit ihren Eltern ins heimatliche Wilna zurück. 1943 wird sie zusammen mit ihrer Mutter ins KZ Kaiserwald geworfen, 1944 ins KZ Stutthof bei Danzig verlegt. Sie überleben den Todesmarsch nach Tauentzin im Februar 1945, wo sie im April von der Roten Armee befreit werden. 1950 wanderten Mutter und Tochter nach Israel aus. Schoschana Rabinovici verstarb am 2. August 2019.Mirjam Pressler, geboren 1940 in Darmstadt, besuchte die Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt am Main und lebte als Übersetzerin und Schriftstellerin in der Nähe von München. Sie ist die Übersetzerin des Tagebuchs der Anne Frank, hat eine Biographie Anne Franks veröffentlicht (>Ich sehne mich so. Die Lebensgeschichte der Anne FrankWenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellenMalka Mai