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Tod in der Wiek

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Emons Verlagerschienen am22.08.2024
Ein temporeicher, authentisch norddeutscher Krimi. Am Ufer des südlichen Priwalls treibt eine Leiche im seichten Wasser. Schnell wird klar: Der Besitzer einer Fischrestaurantkette wurde ermordet. Das Lübecker Ermittlerteam um Kommissar Morten Sandt, der noch mit dem Trauma kämpft, einen Menschen erschossen zu haben, stößt auf eine zerstrittene Familie und etliche Verdächtige. Als der ehemalige Ermittler Birger Andresen, der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat, einen mysteriösen Anruf erhält, besteht kein Zweifel mehr daran, dass weitere Menschenleben in Gefahr sind.

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis und unter seinem Pseudonym Jesper Lund Schweden-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe. www.jobst-schlennstedt.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin temporeicher, authentisch norddeutscher Krimi. Am Ufer des südlichen Priwalls treibt eine Leiche im seichten Wasser. Schnell wird klar: Der Besitzer einer Fischrestaurantkette wurde ermordet. Das Lübecker Ermittlerteam um Kommissar Morten Sandt, der noch mit dem Trauma kämpft, einen Menschen erschossen zu haben, stößt auf eine zerstrittene Familie und etliche Verdächtige. Als der ehemalige Ermittler Birger Andresen, der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat, einen mysteriösen Anruf erhält, besteht kein Zweifel mehr daran, dass weitere Menschenleben in Gefahr sind.

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis und unter seinem Pseudonym Jesper Lund Schweden-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe. www.jobst-schlennstedt.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987071973
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum22.08.2024
Reihen-Nr.13
SpracheDeutsch
Dateigrösse3592 Kbytes
Artikel-Nr.14920966
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Blinder Passagier

Jan Ahrens lächelte innerlich. Hätte es jemanden gegeben, der ihn wirklich gut kannte, hätte diese Person seine Zufriedenheit wohl direkt wahrgenommen.

Aber es gab niemanden, der ihn besser kannte. Zum Glück. Die größte Angst in seinem Leben bestand darin, zu viel von sich preiszugeben. Zu durchschaubar zu sein. Solange er zurückdenken konnte, hatte er alles dafür getan, seine Gedanken und Gefühle ausschließlich für sich zu behalten. Für andere Menschen war er ein Buch mit sieben Siegeln.

Dreiundvierzig Jahre lang hatte er niemanden an seinem Seelenleben teilhaben lassen. In den ersten Jahren sicherlich noch nicht bewusst, aber er erinnerte sich an Augenblicke, als er bestimmt nicht älter als acht oder neun gewesen war, in denen sich etwas in ihm dagegengestemmt hatte, mit seinen Freunden darüber zu sprechen, wie er sich fühlte und weshalb er manchmal so still und unnahbar war und an anderen Tagen fröhlich und laut. Dass Letzteres schon damals nur eine Fassade war, hatte er nicht verraten.

Genauso wenig sprach er über seine introvertierte Art. Nicht, weil er den Grund nicht kannte - schon damals war ihm ziemlich klar gewesen, was die Ursache für sein Verhalten war. Aber er wollte von Anfang an unter allen Umständen vermeiden, dass von diesen Dingen etwas nach außen drang. Dass irgendjemand davon erfuhr, was ihn zu dem Menschen gemacht hatte, der er selbst als Kind schon gewesen war. Und dass sie schlimmstenfalls sogar dahinterkamen, dass er im Grunde schwach war.

Nach und nach hatte er sich angepasst. Sich gewissermaßen ein zweites Ich zugelegt. Einen neuen Charakter, der das komplette Gegenteil von seinem alten war. Eine Schale, die immer dicker geworden war und sich bis heute fast komplett um ihn gehüllt hatte. Niemand konnte und sollte wissen, dass der Kern darunter ein ganz anderer war. Schüchtern, verletzlich und traumatisiert. Die Umstände, unter denen er aufgewachsen war, hätten wahrscheinlich die wenigsten einfach so wegestecken können. Viele hätten kein halbwegs normales Leben führen können, war er sich sicher. Aber er war stark gewesen. Nicht nur stark genug, um mit dem Erlebten umzugehen. Er hatte sich nach außen in einen anderen, selbstbewussten Menschen verwandelt, den jeder respektierte und vielleicht sogar mochte.

Jan Ahrens lächelte bei dem Gedanken daran erneut. Natürlich nur innerlich.

Die Momente, in denen er sich fragte, wie er diesen Weg so radikal gehen konnte, ohne umzufallen, waren im Laufe der Jahre immer seltener geworden. Das Ganze hatte sich irgendwann verselbstständigt. Manchmal kam es ihm sogar so vor, als existiere sein altes Ich gar nicht mehr. Aber das war nichts weiter als sein innigster Wunsch. Selbstverständlich war er tief im Innern noch immer die Person, die damals als Kind oftmals apathisch gewirkt hatte, weil die Gedanken ständig um das kreisten, was um ihn herum tagtäglich geschah. Niemals würde er diese Dinge ganz abschütteln können. Vollkommen egal, wie sein äußeres Ich sich verhielt.

Jan ließ seinen Blick schweifen. Es gab nicht viele Orte, an denen er sich wohl und unbeobachtet fühlte. Dieser gehörte aber definitiv dazu. Wenn er hier in der Pötenitzer Wiek mit dem Boot ankerte, war es, als würde die Welt um ihn herum stillstehen. Travemünde, im Hintergrund das Maritim, das weit über die Bucht hinausragte, und die Priwallpromenade waren nur einige hundert Meter entfernt, aber dieser Ort hier kam ihm wie ein kleines Paradies vor. Nur ein paar wenige Segelboote, umso mehr Schwäne und Enten, die in Ufernähe zwischen dem Schiff schwammen, und eine Ruhe, die er nicht mehr missen wollte.

Die letzten Tage waren besonders herausfordernd gewesen, rief er sich vor Augen. Mit seinem Bruder so lange auf engstem Raum zusammen zu sein, hatte er sich derart anstrengend nicht ausgemalt, und gleichzeitig war es eine Erfahrung, die sie viel früher hätten teilen müssen. Es war spät dazu gekommen, aber nicht zu spät, um sich auszusprechen und ihr Verhältnis zu kitten.

Auf ihrer kurzen Reise hatte er die meiste Zeit gezweifelt, dass sein Plan funktionieren würde. Als blinder Passagier in ein neues Leben aufzubrechen, während sein Bruder dafür sorgte, dass sein Verschwinden wie ein tragischer Unfall auf der Ostsee aussähe. Und trotzdem hatte er die Hoffnung, Henning davon zu überzeugen, niemals aufgegeben und jeden Tag aufs Neue an ihn appelliert. Es war der einzige Weg, wenn die Sache einen positiven Ausgang für ihn nehmen sollte.

Als sie auf Fehmarn festgemacht hatten, war die Stimmung zwischen ihnen am absoluten Nullpunkt gewesen. Henning war ausgerastet, als Jan ihm die Details seines Plans erzählt hatte. Er hatte ihm schwere Vorwürfe gemacht, sich auf diese Weise aus dem Staub machen zu wollen. Entweder er solle es in Ordnung bringen oder, wenn es dafür längst zu spät sei, mit den Konsequenzen leben.

Einen halben Tag lang hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Erst in Dänemark hatte sich die Situation wieder entspannt. Schließlich hatte Jan einen letzten Anlauf genommen und zu einem Mittel gegriffen, das er eigentlich nicht anwenden wollte. Er musste Henning in die ganze Sache mit reinziehen und hatte damit gedroht, dass im schlechtesten Fall auch dessen Leben nicht mehr sicher sei.

Ein riskanter Zug. Henning hätte erst recht wütend auf ihn sein können. Schließlich waren es seine krummen Geschäfte und finanziellen Probleme, die er lösen musste, und nicht die seines Bruders. Henning hätte den gemeinsamen Segeltörn abbrechen und von Bord gehen können, um zurück nach Kopenhagen zu fahren, wo er mittlerweile seit einem Jahrzehnt lebte.

Aber das Gegenteil war der Fall gewesen. Henning hatte tatsächlich eingewilligt. Oder zumindest hatte er nicht widersprochen. Es war wieder still zwischen ihnen geworden, und es war seinem Bruder deutlich anzusehen, dass ihn die Situation innerlich auffraß. Aber er hatte genickt. Obwohl er Jan wahrscheinlich lieber eine Ohrfeige verpasst hätte, um ihn aufzurütteln.

Auch auf der Rückfahrt nach Travemünde hatten sie nur das Nötigste miteinander gesprochen. Über Windstärken und Koordinaten. Ein paar unverfängliche Anweisungen. Kein Wort über den Plan, den er geschmiedet hatte.

Es war sein Wunsch gewesen, hier in der Wiek zu ankern, bevor Henning morgen in den frühen Morgenstunden noch einmal raus auf die Ostsee fahren würde, um das Ganze durchzuziehen, was er sich ausgedacht hatte.

Danach würde dann auf ihn selbst ein anderes Leben warten, das nichts mehr mit dem bisherigen zu tun hatte. Er würde sein äußeres Ich wieder ablegen und seinem inneren endlich die Chance geben, der Mensch zu sein, der er tatsächlich war. Oder zumindest wieder der, der er als unschuldiges Kind einmal gewesen war.

Oft hatte Jan darüber nachgedacht, wie es sein würde, nie wieder hierherzukommen. Nie wieder jemanden von den Leuten, mit denen er sich täglich umgab, sehen zu können. Er hatte sich gefragt, ob er dieses Leben hier nicht doch stärker vermissen würde, als er sich eingestehen wollte. Aber jede Überlegung endete mit demselben Ergebnis. Er hatte das Leben hier satt. Die Zeit war gekommen, um mit sich selbst und Lübeck zu brechen.

Es dämmerte mittlerweile stark. Spätestens in zehn Minuten würde die Sonne endgültig über Travemünde untergehen. Dann würde er unter Deck gehen, wo sich Henning noch immer ausruhte, den guten Whisky rausholen und mit seinem Bruder auf den letzten Abend anstoßen. Er würde ihm ein letztes Mal alles erklären und ihn auf die Geschichte einschwören, die er ihm in den vergangenen Tagen eingetrichtert hatte.

Vielleicht würden sie sentimental werden, wenn die letzten Stunden anbrachen, aber auf keinen Fall würde er schwach werden, so viel stand fest. Selbst Henning kannte ihn nur als die Person, die er selbst ihm all die Jahre vorgespielt hatte. Niemand wusste von seiner Maskerade, und dabei sollte es bleiben. Auch sein Bruder sollte ihn so in Erinnerung behalten. Nicht als den traurigen, in sich gekehrten Menschen, der er war. Und er hoffte, dass Henning längst vergessen hatte, wie still er schon als Kind gewesen war, weil die Welt um ihn herum ihn überforderte.

Er hatte Henning damals nie gefragt, wie er mit dem Erlebten zurechtgekommen war. Vielleicht hätte er das als großer Bruder tun müssen - etwas, das er sich vorwerfen lassen musste. Ganz zu schweigen von Caroline, deren Leiden er sich gar nicht vorzustellen vermochte. Er hatte ihr nicht geholfen. Niemand war für sie da gewesen. Statt zusammenzuhalten, hatten sie alle geschwiegen.

Sein Bruder und er waren damals wegen Lappalien so sehr in Streit geraten, dass Henning in letzter Konsequenz sogar nach Dänemark ausgewandert war und alle Zelte in Lübeck abgebrochen hatte. Konsequent hatte sein Bruder seinem vorherigen Leben den Rücken gekehrt und das getan, was er selbst nun vorhatte. Ihren Streit hatten sie bis heute nicht aufgearbeitet. Auch in den letzten Tagen auf dem Boot hatten sie dieses Thema nicht angesprochen. Wenn sie etwas gemein hatten, dann die Fähigkeit, über wichtige Dinge einfach den Mantel des Schweigens zu legen.

Der Signalton eines Fährschiffs hallte plötzlich dumpf über die Wiek und den Skandinavienkai auf der anderen Seite der Trave. Jan hatte eine leise Ahnung, dass es die Fähre war, auf die er sich morgen schleichen würde.

Henning wusste, was zu tun war. Nicht nur morgen früh, sondern auch in den kommenden Tagen und Wochen, wenn er mantraartig die Geschichte wiederholen musste, die Jan ihm eingebläut hatte. Nicht nur gegenüber der Polizei durfte er sich dabei nicht widersprechen, sondern bei niemandem, der ihn danach fragte.

Erneut erklang das Schiffshorn. Gefolgt von einem leisen Geräusch im Wasser....
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Autor

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis und unter seinem Pseudonym Jesper Lund Schweden-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe.jobst-schlennstedt.de